Lassiter Sonder-Edition 35 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 35 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Reglos blieb Lassiter liegen. Fast körperlich spürte er die Nähe von mehreren Menschen. Und die waren bestimmt nicht in friedlicher Absicht gekommen. Es handelte sich also um weiße Banditen oder um streifende Indianer, die es auf das Pferd und die Waffen des weißen Mannes abgesehen hatten.
Lassiter horchte. Die Natur schien den Atem anzuhalten.
In die Stille hinein drang ein Knirschen, kaum wahrnehmbar. Aber Lassiter war es nicht entgangen. Er wusste jetzt, dass sich auch hinter ihm ein Mann befand. Vielleicht sogar mehrere.
Jetzt hatten sie ihn in die Zange genommen. Er fühlte sich hilflos, einem unsichtbaren Verhängnis ausgeliefert...


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Seitenzahl: 168

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

LASSITER UND DIE HALUNKENWEIBER

Vorschau

Impressum

LASSITER UND DIE HALUNKENWEIBER

von Jack Slade

Lassiter fluchte schon längst nicht mehr. Er wusste nicht einmal, ob seine Stimmbänder überhaupt noch einen Ton hergaben. Seine Kehle war so ausgetrocknet wie die Wüste, die ihn umgab. Diese erbarmungslose, sonnendurchglühte Wüste, die ihm zum Verhängnis zu werden schien.

Seit dem Mittag des vergangenen Tages war er zu Fuß unterwegs. Er hatte die Klapperschlange ein paar Sekunden zu spät gesehen, und das Gift wirkte schnell. Lassiter hatte sein Pferd mit einer Revolverkugel von seinen Todeskrämpfen erlöst und war dann losmarschiert.

Es war früher Nachmittag. Vor fünf Stunden hatte er den letzten Rest des lauwarmen Wassers aus der großen fellbezogenen Flasche genommen. Jetzt hing sie leer auf seinem Rücken und schlug manchmal mit einem blechernen Geräusch gegen den Lauf der Winchester, die er schräg auf dem Rücken trug.

Winzige dunkle Punkte waren über ihm aufgetaucht. Geier. Sie kreisten träge im einförmigen Blau des Firmaments und begleiteten den großen Mann mit der geduldigen Gewissheit, ihn irgendwann zusammenbrechen zu sehen.

Lassiter legte keine Pausen mehr ein. Er wusste, dass es tödlich sein konnte, wenn er sich irgendwo niederließ, um sich auszuruhen. Vielleicht besaß er dann nicht mehr die Kraft, auf die Beine zu kommen.

Im Süden sah er eine dunkle Bergkette. Er sah sie schon seit mehr als drei Stunden, und in der klaren Luft schien sie nur noch wenige Meilen entfernt zu sein.

Wenn Lassiters Rechnung stimmte, mussten das die Mohawk-Berge sein, in denen Amos Custer sein Blockhaus hatte.

Amos Custer, Goldgräber, Trapper und Rancher in einer Person. Besitzer eines kleinen Tals, in dem knapp hundert Rinder weideten. Verheiratet mit einer Chiricahua-Apachin. Lassiters Freund. Ein Mann, auf den man sich in jeder Beziehung verlassen konnte.

Er gehörte zu den Männern, bei denen Lassiter unterschlüpfen konnte, wenn er sich eine Zeitlang zurückziehen musste. Und denen er Geld anvertraute, das er sich holte, wenn er welches brauchte, was zum Beispiel im Augenblick der Fall war.

Lassiter saß gewissermaßen auf dem Trockenen. Er besaß noch siebzehn Dollar und ein paar Cents. Deshalb war er unterwegs zu Old Amos Custer.

Fünftausend Dollar hatte er dem alten Freund in Verwahrung gegeben. Mit dem Geld wollte Lassiter in ein ziemlich bombensicheres Geschäft einsteigen. Wenn alles klappte, würden sich die Dollars bald vermehren wie Kaninchen.

Aber Lassiter dachte nicht an Geld. In seinem von der erbarmungslosen Sonnenhitze gequälten Schädel herrschte nur ein einziger, verbissener Gedanke.

Überleben.

Die Bergkette rückte näher. Jetzt konnte der große Mann schon Einzelheiten erkennen. Und er war zufrieden. Er hatte sich nicht verirrt und die richtige Richtung beibehalten.

Deutlich ragten die drei spitzen Felszinnen in den blauen Himmel hinein, die aussahen wie drei zum Eid erhobene Finger. Etwas weiter rechts erblickte Lassiter die Umrisse des bizarr geformten Gipfels, dem Amos Custer den Namen »Wolfskopf« gegeben hatte.

Lassiter schritt schneller aus. Noch eine gute Stunde, dann musste er es geschafft haben.

Seine Gedanken eilten voraus. Er dachte an den Damm, den Amos gebaut und somit das Wasser des Bachs zu einem kleinen See gestaut hatte. Er stellte sich vor, wie es sein würde, wenn er seinen ganzen Körper hineintauchte und sich vollsaugte mit Flüssigkeit wie ein ausgetrockneter Schwamm. Und er träumte von heißem Kaffee, von saftigen Steaks und einem guten Whisky.

Ein belustigtes Lächeln zuckte beim Gedanken an Pearl Custer über sein hageres Gesicht. Pearl war die Tochter von Amos und Nokema Custer, der Apachin. Ein schönes Mädchen mit einem schlanken, biegsamen und dennoch kräftigen Körper. Mit großen dunklen Augen und langem blauschwarzen Haar, das ihre geraden Schultern umfloss.

Seit seinem letzten Besuch vor einem Jahr wusste er, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Sie konnte es nicht verbergen. Es war jene Art Liebe, die aus der schwärmerischen Bewunderung eines jungen, unerfahrenen Mädchens erwachsen war.

Lassiter hätte es bestimmt leicht mit ihr gehabt. Aber er hatte sich zurückgehalten. Dieses Mädchen war einfach zu sauber. Deshalb hütete er sich sorgfältig, in ihr irgendwelche falschen Hoffnungen zu wecken. Oder gar ein Feuer in ihr zu entfachen, das nicht mehr zu löschen war. Allzu leicht konnte sie an solch einer Enttäuschung zerbrechen.

Plötzlich blieb Lassiter stehen. Er lauschte.

Sein Gesicht verfinsterte sich.

Nein, es war kein Irrtum. Dort vorne wurde geschossen. Und es hörte sich verdammt stark nach Kampf an.

Der große Mann setzte sich wieder in Bewegung. Er marschierte, so schnell er konnte. Zwischendurch lief er ein Stück, aber in seinem ausgelaugten Körper waren keine Kraftreserven mehr.

Sein Verstand sagte ihm, dass er auf jeden Fall zu spät kommen würde. Nur ein winziger Rest von Hoffnung trieb ihn weiter voran.

Dann verstummten die Schüsse. Gleich darauf sah Lassiter eine dünne Rauchfahne, die senkrecht zum Himmel stieg und träge im weiten Blau zerflatterte.

Jetzt wusste Lassiter es endgültig. Er kam zu spät.

Er brauchte noch über eine halbe Stunde, bis er das kleine Tal vor sich liegen sah.

Das Blockhaus, der Stall und die kleine Scheune waren ein rauchender Trümmerhaufen. Die Sonne stand schon tief und ließ die Oberfläche des kleinen Sees blutrot erscheinen. In einer Ecke des Corrals drängten sich ängstlich drei Stuten, ein Hengst und ein Fohlen. Der Hengst reckte den Kopf vor und wieherte trotzig zu dem großen Mann hinüber, der sich jetzt langsam dem schwelenden Trümmerhaufen näherte.

Weit und breit keine Spur von Menschen. Wahrscheinlich waren alle tot. Von Kugeln durchbohrt, unter verkohlten Balken begraben.

Ein Stöhnen ließ Lassiter herumfahren. Es kam von den Trümmern des Geräteschuppens. Er schritt auf die Stelle zu.

Zuerst sah er die Beine des Mannes. Er lag auf dem Gesicht. Angekohlte Holzstücke lasteten auf seinem Rücken.

Lassiter räumte die Trümmer beiseite. Mit den bloßen Händen. Zum Teil glühte das Holz noch, aber er spürte die Schmerzen nicht, als die Haut an seinen Handflächen angesengt wurde.

Dann lag der Mann frei. Lassiter packte die Beine und zog ihn aus den schwarzen wogenden Rauchschwaden.

Es war Amos Custer. Zwei Kugeln steckten in seiner Brust, eine im rechten Oberschenkel. Blut rann aus einer Streifschusswunde am Kopf. Der graue Bart war von Feuer zerfressen und das Gesicht von einer schmierigen Schicht aus Ruß, Staub und Blut bedeckt. Er lebte noch.

Aber es würde nicht mehr lange dauern.

Lassiter drehte ihn auf den Rücken.

»Amos!«, rief er.

Der Mann rührte sich nicht. Er hatte die Augen geschlossen und atmete röchelnd. Blut rann aus seinem Mundwinkel in den Bart.

Lassiter richtete sich auf und rannte zum Wasser hinunter. Füllte die Wasserflasche und kehrte damit zu dem Sterbenden zurück.

Vorsichtig goss er ihm etwas über das verbrannte Gesicht, dann setzte er ihm die Flasche an die Lippen.

Amos hustete. Dann schlug er die Augen auf. Irgendwie ungläubig starrte er Lassiter ins Gesicht.

»Amigo...«, flüsterte er dann. »Du kommst zu spät...«

»Wo sind die anderen?«, fragte Lassiter. »Nokema. Pearl.«

Amos Custer drehte etwas den Kopf und blickte zum Haus hin.

»Nokema ist tot«, flüsterte er mühsam. »Pearl haben sie mitgenommen. Die Schufte sind...«

Er hustete wieder. Sein Körper bäumte sich auf und fiel dann wieder kraftlos in sich zusammen.

»Wer?«, fragte Lassiter. »Wer war es, Amos?«

Amos schien die Frage nicht verstanden zu haben.

»Sie haben sie mitgenommen«, flüsterte er. »Ich habe ihnen Geld geboten, Amigo. Gold. Und auch deine Dollars, Amigo. Ich war bereit, ihnen alles zu geben. Dafür sollten sie mir das Mädchen lassen. Sie haben so getan, als ob sie auf das Angebot eingehen wollten. Aber sie haben ihr Wort nicht gehalten...«

Erschöpft verstummte er.

»Wer war es?«, wiederholte Lassiter seine Frage. »Kennst du ihre Namen, Amos?«

Der Sterbende schüttelte schwach den Kopf.

»Fünf Mann«, ächzte er. »Drei Greaser, zwei Amerikaner. Der Anführer ist ein Mex. Habe sie nie zuvor gesehen.«

»Keine Namen genannt worden?«

»Kein einziger.«

»Der Anführer. Wie sah er aus.«

»Groß. Schwarze Sachen. Viel Silber. Große Sporen. Hat einen dünnen Schnurrbart. Er...«

Er brach wieder ab. Keuchte schneller, mühsamer. Seine Hand krallte sich in Lassiters Arm.

»Lassiter, du musst...«

Sein Kopf sank zur Seite. Die Augen verloren den Glanz. Amos Custer war tot.

Lassiter sah ihn an und nickte entschlossen.

»Ich weiß, was du sagen wolltest, Amigo«, murmelte er heiser. »Ich soll den Schuften folgen. Und das werde ich auch. Das schwöre ich dir.«

Er erhob sich und ging zum niedergebrannten Blockhaus. Nur vereinzelt züngelten noch Flammen auf. In dem Gewirr der Trümmer suchte er nach der Apachin. Er fand sie schnell. Sie sah furchtbar aus. In ihren starren Händen hielt sie noch das Gewehr.

In Lassiters Kehle machte sich würgende Übelkeit bemerkbar. Schnell wandte er sich ab und schritt zum See hinunter. Helfen konnte er niemandem mehr. Jetzt ging es darum, an sein eigenes Wohl zu denken.

Jetzt erst verspürte er wieder seinen höllischen Durst. Die Erschöpfung nach dem langen Marsch durch die Wüste.

Zuerst trank er. Dann zog er sich aus und stieg ins Wasser, das ihm an der tiefsten Stelle bis zum Hals reichte.

Als er sich wieder angezogen hatte, war es dunkel geworden. Wind kam auf und trieb den Geruch der Zerstörung zu Lassiter hin. Er streckte sich auf der weichen Grasnarbe aus und schloss die Augen. Was er am nötigsten brauchte, war Schlaf.

Erst im Morgengrauen erwachte er. Trotz der Kühle hatte er fest und traumlos geschlafen. Fröstelnd lief er ein paar Mal hin und her, bis sich sein Körper wieder etwas erwärmt hatte.

Dann suchte er zwischen den Trümmern nach einem Spaten und fand auch einen. Der Stiel war stark angekohlt, aber er brach nicht, als der große Mann ein Grab für Amos Custer und seine Frau aushob.

Als die Grube tief genug war, suchte er erneut zwischen den Trümmern und fand eine schwere Büffeldecke, deren starkes Leder noch fast unbeschädigt war. Er wickelte die beiden Toten hinein und legte sie so ins Grab.

Es war alles, was er für die beiden noch tun konnte.

Von nun an konnte er sich seiner eigentlichen Aufgabe zuwenden. Er war fest entschlossen, diese fünf Halunken zu finden und ihnen das zu geben, was sie verdient hatten.

Er schleuderte den Spaten zur Seite und drehte sich um. Er wollte zum Corral hinüber, sich ein Pferd satteln und verschwinden.

In diesem Augenblick sah er den Mann. Er stand keine zehn Schritt von ihm entfernt, hatte ein Gewehr im Hüftanschlag, und die Mündung zeigte auf Lassiters Brust.

Es war ein junger Mann. Lassiter schätzte ihn auf höchstens zwanzig. Das dunkle Gesicht zeugte von Wildheit und Mut.

»Keine Bewegung, Mister!«, rief er. »Was ist hier passiert?«

»Mach die Augen richtig auf, dann siehst du es«, knurrte Lassiter. »Ich habe gerade zwei Menschen unter die Erde gebracht.«

»Zwei?«, rief der Junge, und es klang fast erleichtert. »Nur zwei, sagen Sie? Aber hier lebten doch drei.«

Lassiter nickte ruhig.

»Pearl Custer wurde von den Schuften entführt«, sagte er. »Deinen Schießprügel kannst du runternehmen. Ich habe mit der Sache nichts zu schaffen.«

Die Schultern des Jungen sackten plötzlich herab. Seine Lippen begannen verdächtig zu zucken. Es war doch ziemlich viel, was hier auf ihn einstürmte. Und er war noch verdammt jung.

Das Gewehr zeigte jetzt gegen den Boden.

Lassiter ging langsam auf ihn zu.

»Du warst mit den Custers befreundet?«, fragte er. Er dachte an das entführte Mädchen. Vielleicht war dieser Junge derjenige, den sie einmal heiraten wollte.

»Diese Hundesöhne!«, stieß der Junge hervor. »Diese gottverdammten Schufte! Dafür werden sie büßen! Ich weiß, wer...«

Fast erschrocken über seine eigenen Worte brach er ab. Er hob den Kopf, sah Lassiter misstrauisch an. Er wollte auch das Gewehr wieder anheben, aber Lassiter drückte ihm den Arm wieder nach unten.

»Wer war es, Junge? Was weißt du? Mir kannst du vertrauen. Ich bin auch ein Freund der Custers. Mir ist mindestens ebenso viel daran gelegen wie dir, dass dem Mädchen geholfen wird.«

Der Junge hatte etwas von dem ständigen Misstrauen eines Wolfes an sich. Er glitt einen halben Schritt zurück. Seine Augen flackerten.

»Das kann jeder behaupten!«, knurrte er rau. »Ich traue dir nicht, Mister. Wahrscheinlich gehörst du doch zu ihnen und willst mich nur in Sicherheit wiegen.«

Lassiter bewegte sich unmerklich. Einen Sekundenbruchteil später blickte der Junge in die Mündung von Lassiters Revolver.

»Wenn das der Fall wäre, was du glaubst«, sagte der große Mann ruhig, »wärst du jetzt schon eine Leiche. Und in Zukunft würde ich an deiner Stelle mit meinen Äußerungen vorsichtiger sein. Die Halunken, die das hier auf dem Gewissen haben, pflegen in solchen Fällen auf ihre eigene Art zu antworten. – Mein Name ist Lassiter, Junge. So – und jetzt erzählst du mir mal einiges. Wie heißt du? Was weißt du über die Kerle, die diese Ranch überfallen haben?«

»Ich – ich bin Billy Buckhorn«, sagte der Junge zögernd.

Lassiter horchte auf, als er den Namen hörte. Er kannte eine Frau, die so hieß. Ella Buckhorn. Bordellbesitzerin in Nogales. Eine Frau mit einer abenteuerlichen Vergangenheit. Sängerin, Tänzerin, Spielerin, die ihr Leben lang dem Glück nachgejagt war, ohne jemals das wahre Glück zu finden.

»Aus Nogales?«, fragte Lassiter.

Billy Buckhorn zuckte kurz zusammen.

»Nein«, sagte er dann fest, und Lassiter sah ihm an, dass er log. »Wie kommst du auf Nogales, Lassiter? Ich stamme aus Colorado. Warum fragst du, ob ich aus Nogales stamme?«

»Ah, nur so«, gab Lassiter zurück. »Kommen wir also zum Thema. Was weißt du über die Männer, die das hier getan haben?«

Der Junge senkte den Blick.

»Nichts«, sagte er heiser und schluckte nervös. »Am besten, du hältst dich da raus, Mister!«

Lassiter erkannte deutlich, dass mit dem Jungen eine ganze Menge nicht stimmte. Der große Mann ahnte, dass Billy Buckhorn einen Sack voller Geheimnisse mit sich herumschleppte, die er um keinen Preis verraten würde. Wahrscheinlich nicht einmal bei Anwendung von Gewalt. Aber daran hatte Lassiter auch kein Interesse.

»Also gut, Billy«, sagte er freundlich. »Dann werde ich eben alleine zusehen, was ich tun kann.«

»Was für ein Interesse hast du an der Sache?«, fragte Billy wild.

Lassiter lächelte.

»Erstens war Amos Custer mein Freund«, sagte er. »Zweitens konnte ich das Mädchen verdammt gut leiden. Und drittens haben die Halunken fünftausend Dollar gestohlen, die mir gehörten. Genügt dir die Auskunft, oder willst du noch mehr wissen?«

Billy Buckhorn schüttelte den Kopf.

»Ich sagte es dir eben schon«, knurrte er, »an deiner Stelle würde ich mich da heraushalten.«

»Hast du etwa noch Sympathie für die Halunken?«

»Im Gegenteil. Trotzdem ist das eine Sache, die nur mich etwas angeht. Niemanden sonst.«

Lassiter grinste spöttisch.

»Du fühlst dich mitschuldig, wie?«

»Das geht dich einen Dreck an!«, schrie Billy. Lassiter hatte das Gefühl, mit seinen Worten genau ins Schwarze getroffen zu haben. Irgendein finsteres Geheimnis umgab diesen Billy Buckhorn. War er vielleicht schon mal mit dieser Bande geritten? Waren diese Banditen alte Freunde von ihm, die er aus irgendeiner verschrobenen Ansicht über Ehre nicht verraten wollte?

Oder wurde er auf irgendeine Art erpresst?

Wusste er vielleicht, dass Pearl Custer verloren war, sobald er gewisse Dinge verriet?

Lassiter zuckte die Schultern und wandte sich ab.

»Du musst wissen, was du tust, Junge«, sagte er und ging hinüber zum Corral, um den Hengst einzufangen. Es war ein großes, sehniges Tier und machte einen zähen und temperamentvollen Eindruck.

Billy Buckhorn stiefelte ebenfalls davon. Hinüber zum westlichen Talhang, wo er sein Pferd zurückgelassen hatte.

Gleich darauf sah Lassiter ihn in östlicher Richtung davonreiten. Er schien es ziemlich eilig zu haben.

Lassiter ließ sich Zeit. Nachdem er dem Hengst den alten, abgewetzten und vielfach geflickten California-Sattel aufgelegt hatte, den er neben dem Corral gefunden hatte, ließ er die Stuten und das Fohlen aus dem Gatter.

Dann machte er sich zuerst daran, Spuren zu suchen. Die Spuren der Banditen. Sie waren in die Richtung geritten, die auch Billy Buckhorn genommen hatte. Nach Osten.

Langsam ritt Lassiter an. Östlich von hier lag auch Nogales, wo Ella Buckhorn wohnte. Er kannte die Frau. Und er ahnte jetzt schon, dass ihn seine Fährte zu ihr hinführen würde.

II

Inzwischen war Lassiter schon vier Tage unterwegs. Ständig auf Billy Buckhorns Fährte. Von Stadt zu Stadt, von Fluss zu Fluss. Einmal über die Grenze und ein Stück nach Mexiko hinein. Später, etwas westlich von

Nogales, wieder über die Grenze. Hinein in die Sierrita Mountains. Später wieder westwärts. In sämtlichen Ortschaften, die an seinem Wege lagen, hielt sich der Junge nur kurz auf. Es war, als ob er nach etwas ganz Bestimmtem suchte.

Am vierten Tag verlor sich dann die Spur des Jungen plötzlich. Es war in den Bergen westlich von Palo Alto. In einem kargen, zerklüfteten Gebiet zahlloser Canyons, die sich fast alle wie ein Ei dem anderen glichen. Ein unerfahrener Mann konnte sich hier so verirren, dass er nur noch durch Glück wieder den Weg unter Menschen fand.

Lassiter suchte den Rest des Tages vergeblich. Als es Abend wurde, schlug er in einem Canyon neben einem Wasserloch sein Camp für die Nacht auf. Er entfachte ein kleines Lagerfeuer, kochte Kaffee, bereitete ein karges Essen aus seinen Vorräten und rollte sich danach in seine Decken.

Langsam brannte das Feuer nieder. Das Prasseln und Knacken des Holzes waren die einzigen Geräusche, die ihn umgaben. In solchen einsamen Nächten hatte man das Gefühl, der einzige Mensch auf der Welt zu sein.

In die Stille hinein scholl das bellende Geheul eines Coyoten. Ein Artgenosse antwortete.

Lassiter streckte sich und schloss die Augen. Aber er schlief noch nicht ein. Er dachte über seine Probleme nach. Bis jetzt hatte er noch nichts erreicht.

Vielleicht hätte er doch nicht auf Billy Buckhorn setzen sollen. Dieser Junge war verdammt gerissen. Er hatte bestimmt auch schon längst bemerkt, dass Lassiter ihm folgte.

Aber was hatte dieser scheinbar unsinnige Ritt zu bedeuten? Irgendwann musste sich der Kreis schließen. Lassiter kam sich vor wie ein Blinder, der ziellos tastend etwas suchte, ohne eine Chance zu haben, es jemals zu finden.

Und jetzt war auch noch Billy Buckhorn wie vom Erdboden verschluckt.

Lassiter verdrängte seine Gedanken und entspannte sich. Er schlief ein und war sicher, beim ersten verdächtigen Geräusch sofort hellwach zu sein.

Es war dann das zornige Wiehern des Hengstes, das ihn aus dem Schlaf riss. Das Tier hatte eine indianische Dressur durchgemacht und reagierte wie ein Wachhund, sobald sich ein Fremder dem Camp näherte. So auch jetzt.

Blitzschnell rollte sich Lassiter aus der Decke. Im nächsten Augenblick hatte er den Revolver in der Hand.

Eng an den Boden gepresst, spähte er in die Dunkelheit hinein. Somit war er denen gegenüber im Vorteil, die sich an sein Camp herangeschlichen hatten.

Ihre Gestalten würden sich deutlich von dem etwas helleren Hintergrund des sternenübersäten Nachthimmels abheben.

Der Hengst hatte sich wieder einigermaßen beruhigt. Allerdings witterte er in eine bestimmte Richtung. Dorthin, wo sich eine Ansammlung mächtiger, übereinander getürmter Felsbrocken befand, zwischen denen pechschwarze Dunkelheit herrschte.

Reglos blieb Lassiter liegen. Fast körperlich spürte er die Nähe von mehreren Menschen. Und sie waren bestimmt nicht in friedlicher Absicht gekommen, sonst hätten sie sich längst gemeldet, wie das in der Wildnis üblich war, wenn man sich einem fremden Feuer näherte.

Es handelte sich also um weiße Banditen oder um streifende Indianer, die es auf das Pferd und die Waffen des weißen Mannes abgesehen hatten.

Hier im Südwesten Arizonas waren die Indianer noch immer kriegerisch eingestellt. Die Apachen sorgten ständig für neue Unruhen. Diese wilden Stämme waren einfach nicht kleinzukriegen, so sehr sich die Armee auch anstrengte und sie erbarmungslos bekämpfte.

Diese wilden, menschenleeren Berge waren die Heimat der Apachen. Hier gab es tausend und aber tausend Schlupfwinkel, in denen sie verschwanden, als hätte die Erde sie verschluckt oder aber als hätten sie sich in Luft aufgelöst.

Lassiter horchte. Die Natur ringsum schien den Atem anzuhalten.

In die Stille hinein drang ein Knirschen, kaum wahrnehmbar. Aber Lassiter war es nicht entgangen.

Er wusste jetzt, dass sich auch hinter ihm ein Mann befand. Vielleicht sogar mehrere.

Jetzt hatten sie ihn in die Zange genommen. Seine Hand umklammerte den Revolverkolben. Irgendwie fühlte er sich nackt. Schutzlos einem unsichtbaren Verhängnis preisgegeben. Wie in einem bösen Traum.

Wieder herrschte tiefe Stille ringsum. Minutenlang.

Und dann zerriss jäh der zornige Schrei eines Pumas die Nacht. Es klang täuschend echt. Trotzdem erkannte Lassiter, dass es sich um einen zweibeinigen Puma handelte.

Der Hengst warf sich herum. Seine eisenbeschlagenen Hufe trommelten ein heftiges Stakkato auf dem steinigen Boden. Blindlings stürmte das Tier in die Nacht hinein.