Lassiter Sonder-Edition 36 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 36 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Das Messer zuckte lautlos nach unten, aber Lassiter wusste, dass die Klinge genau auf seine Brust gerichtet war - dass es ein tödlicher Stoß werden sollte.
Es gab keinen Aufschrei, nur ein unterdrücktes Knurren, als sich Lassiters Hand um ein schmieriges Handgelenk schloss. Die Wucht des nach unten geführten Stoßes trieb die Messerklinge gegen den Innenarm, aber es gab keinen nennenswerten Schmerz, als der kalte Stahl die Haut ritzte.
Wieder war kein Laut zu hören. Nur der Atem des Angreifers wehte Lassiter heiß ins Gesicht.
Verbissen kämpften die Männer miteinander. Einer versuchte zu töten, der andere war entschlossen, nicht zu sterben.
Doch Lassiters Gegner besaß ungeheure Kräfte. Langsam, unendlich langsam senkte sich die Messerspitze auf seine Brust herab...


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Seitenzahl: 197

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

LASSITERS RITT IN DIE HÖLLE

Vorschau

Impressum

LASSITERS RITT IN DIE HÖLLE

von Jack Slade

Lassiter versuchte immer noch, seine Augen an das Morgenlicht zu gewöhnen, als die beiden Wärter ihn von der Einzelzelle nach oben ins Büro des Gefängnisvorstehers brachten. Nachdem er zehn Tage angekettet auf einem nassen, schmierigen Fußboden gelegen hatte, ohne Licht und nur mit dem Gestank des Kübels als Gesellschaft, zitterte er unter dem alten Fieber und stank wie ein Ziegenbock.

Er trug auch jetzt noch Beineisen und Handschellen, die an einem breiten Ledergurt rund um seine Taille befestigt waren. Das einzige, was er zugunsten seines zehntägigen Aufenthalts im New Orleans Parish Prison sagen konnte, war die Tatsache, dass man ihn nicht geschlagen hatte. Jedenfalls noch nicht. Aber vielleicht kam das als nächstes dran.

Dieser Roman erschien erstmals im Jahr 1973 als Lassiter-Taschenbuch Nr. 36 als Übersetzung aus dem Amerikanischen. Originaltitel: Guerilla

Die Wärter schubsten ihn ins Büro, dann gingen sie wieder hinaus, um draußen auf weitere Anweisungen des Vorstehers zu warten.

Lassiter sah sich um. Nach zehn Tagen in totaler Dunkelheit und kaltem Schleim fiel es ihm einigermaßen schwer, wieder daran zu glauben, dass die Welt auch sauber und gemütlich sein konnte.

Obwohl es bereits spätes Frühjahr war, prasselte im eisernen Kamin ein Holzfeuer. Ein dicker, rotbrauner türkischer Teppich bedeckte den Fußboden. Bilder von toten oder pensionierten Vorstehern hingen an den Wänden. Es gab zwei Fahnen: Old Glory und die Staatsflagge von Louisiana. Helles, grelles Sonnenlicht fiel durch die Fenster ins Büro; diese Helligkeit schien den sauberen Geruch nach Bohnerwachs, Holzrauch und verbranntem Tabak noch zu intensivieren.

»Dort stehenbleiben!«, befahl der Vorsteher und zeigte mit seiner Zigarre auf Lassiter.

Der Mann, ganz in Schwarz gekleidet und stocksteif aufgerichtet, sah selbst aus wie eine überdimensionale Zigarre.

»Sie, Gefangener, bleiben dort stehen! Bleiben Sie ja dort stehen! Wenn Sie auch nur eine einzige...«

Der Vorsteher war ein alter Soldat von jenem Typ, der Selbstzucht und kalte Bäder bevorzugte. Er funkelte Lassiter an, als hätte dieser sich absichtlich und aus freiem Willen die verkrustete Schleimschicht auf der Gefängniskluft zugelegt; als machte es ihm Spaß, so grässlich zu stinken.

»Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«, fragte der Vorsteher.

»Jawohl, Sir«, antwortete Lassiter prompt, weil er es ganz und gar nicht eilig hatte, sich eine Tracht Prügel einzuhandeln.

Es waren noch zwei weitere Männer im Raum anwesend. Sie standen hinter dem Schreibtisch des Vorstehers, und es war schwer, sie gegen die grelle Sonne richtig zu sehen. Dann sprach einer von ihnen. Lassiter war zunächst nicht imstande, die Stimme auch mit einem Gesicht in Verbindung zu bringen, denn es war schon lange, sehr lange her, dass er sie gehört hatte. Aber dann fiel es ihm wieder ein... Frank Bender.

»Sie sehen aber gar nicht gut aus, Lassiter«, sagte der Pinkerton-Agent und stieß seine stämmige Gestalt von der Wand ab.

Bender war schon immer ein Klotz von Kerl gewesen, aber jetzt hatte er seinen Knochen und Muskeln noch allerhand Fett hinzugefügt. Doch er war groß und kräftig genug, um alles tragen zu können.

Bender sah im Moment ganz so aus, als hätte er es inzwischen zu etwas gebracht in der Welt; zumindest bei der Pinkerton-Agentur.

Lassiter dachte, dass sich der andere im guten grauen Anzug mit der dicken goldenen Uhrkette auf dem Bauch, mit der Zigarre, die bestimmt mehr als nur einen Nickel gekostet haben dürfte, im Mundwinkel, recht wohl zu fühlen schien.

Da Lassiter zu dieser ersten Feststellung des anderen nichts zu sagen hatte, versuchte es Bender mit einer weiteren Frage.

»Könnte es sein, dass Sie in letzter Zeit nicht regelmäßig gegessen haben?«

Der Pinkerton-Detektiv grinste bei diesem kleinen Scherz, aber der Vorsteher und auch der andere Mann verzogen keine Miene.

Lassiter hatte den dritten Mann noch nie gesehen.

Jener dürfte noch nicht viel älter als dreißig sein, gab sich aber offensichtlich alle Mühe, älter zu erscheinen. Das weiche Gesicht mit dem spärlichen blonden Schnurrbart wollte aber nicht so recht zu dem schwarzen Anzug und ernsten Benehmen passen.

Lassiter hielt ihn für einen eingebildeten Narren mit guten Beziehungen.

»Muss das denn sein?«, fragte jener, und seine Stimme klang scharf und abgehackt. Die Frage war an Bender gerichtet.

»Sie werden Ihre Chance auch noch bekommen, Mr. Fernald«, antwortete Bender und starrte dabei Lassiter weiter an. »Gönnen Sie mir und Lassiter unsere kleine Unterhaltung. Lassiter weiß, wie ich arbeite. Nun ja, das soll er wohl. Schließlich hat er mir und Pinkerton schon einen Haufen Ärger bereitet. Stimmt's oder nicht, Lassiter?«

»Stimmt, Frank«, gab Lassiter zu. »Sie haben wohl nicht zufällig was zum Essen bei sich?«

Bender schien das amüsant zu finden. Oder er hielt es für ein starkes Stück. Je nachdem. Das konnte man bei ihm nie so genau sagen.

»Schon möglich. Was soll's denn sein? Steak mit Eiern, heiße Kekse, Kaffee, Apfelkuchen? Wäre Ihnen das recht?«

Lassiters leerer Magen begann allein bei dem Gedanken an Essen mächtig zu knurren. Aber da er seit zehn Tagen nichts weiter als trocken Brot und Wasser bekommen hatte, wurde ihm auch ein bisschen übel.

Bender war ein gemeiner Bastard. Einen ausgehungerten Mann so zu quälen!

Aber Lassiter konnte es dem großen Menschenfänger auch nicht verdenken. Schließlich hatte er – Lassiter – tatsächlich den Pinkertons allerhand zu schaffen gemacht, wie Bender eben festgestellt hatte.

»Braten Sie das Fleisch nicht zu stark durch«, sagte Lassiter. Er hatte es kaum ausgesprochen, als ihn ein Schwächeanfall überkam. Hätte er den Kopf nicht zurückgerissen, wäre er mit dem Gesicht hart auf dem Fußboden aufgeschlagen. An Händen und Füßen gefesselt, versuchte er gar nicht erst, aus eigener Kraft wieder aufzustehen. Er blieb einfach liegen. Sein Körper zitterte wie im Schüttelfrost.

Der Teppich im Büro des Vorstehers war erst kürzlich gereinigt worden. Der scharfe Geruch von Naphthalin stieg ihm prickelnd in die Nase. Vor seinen Augen tanzten grelle Lichter. Er würgte, aber sein leerer Magen konnte nichts weiter als Luft von sich geben. Eiskalter Schweiß brach ihm aus allen Poren. Dann spürte er, wie er aufgehoben und in einen Sessel geworfen wurde.

Er hörte, wie Bender zu Mr. Fernald sagte, das Wasser zu sparen, das der andere zur Wiederbelebung des Halbbewusstlosen geholt hatte. Es war spaßig, aber Lassiters Gesichtsmuskeln wollten nicht grinsen. Bender sagte: »Wasser würde diesen Burschen höchstens umbringen! Holen Sie lieber Whisky!«

Das randvoll mit Whisky gefüllte Glas, das Lassiter kurz darauf an den Mund gehalten wurde, löste bei ihm einen erneuten Brechreiz aus. Er würgte immer noch, als die scharfe Flüssigkeit durch seine Kehle rann. Es war guter Whisky, aber er brannte wie Feuer im leeren, zusammengeschrumpften Magen.

»Noch einen!«, sagte Bender. »Dieser hier hat ihn gerade ein bisschen munter gemacht, mehr aber nicht.«

Lassiter hörte, wie Mr. Fernald sich darüber beklagte, dass gefährlichen Verbrechern Spirituosen verabfolgt wurden.

Der Vorsteher schien in seinem eigenen Büro nichts zu sagen zu haben.

»Da... trinken Sie das auch noch!«, forderte der Pinkerton-Agent Lassiter auf und hielt ihm ein zweites Glas an die Lippen.

Als Lassiter den zweiten Drink im Magen hatte, spürte er, wie allmählich neue Kraft in seine Finger und Zehen zurückströmte, und als er versuchsweise blinzelte, konnte er doch tatsächlich schon wieder richtig sehen. Er fühlte sich zwar noch leicht benommen, hatte aber schon wieder einen vollkommen klaren Kopf.

Mr. Fernald nahm Handschuhe, Hut und Rohrstock vom Schreibtisch des Vorstehers. Lassiter anzusehen, schien seinen Augen weh zu tun; also sah er eben nicht hin.

»Sie verstehen die Position des Gouverneurs in dieser Angelegenheit«, sagte er zu Bender. »Ein außergewöhnlicher Vorgang, wenn ich mir diese Bemerkung gestatten darf.«

»Das wird bei der nächsten Wahl bestimmt nicht vergessen werden«, sagte Bender.

Der Mittelsmann des Gouverneurs setzte seinen Hut auf, rückte ihn sorgfältig zurecht und sah den Vorsteher an.

»Begleiten Sie mich zum Dinner?«

»Mit Vergnügen, Mr. Fernald«, sagte der Vorsteher.

Die beiden Männer gingen hinaus und ließen Lassiter mit Bender allein im Büro zurück. Es war einen Moment so still im Raum, dass man das leise Ticken der Wanduhr überdeutlich hören konnte.

Lassiter, der sich inzwischen schon wieder wesentlich wohler fühlte, überlegte flüchtig, wie weit er wohl kommen würde, wenn er jetzt über Bender herfiele.

»Versuchen Sie's lieber nicht, Freund«, sagte Bender und schlug seine Jacke auf, um den soliden, hammerlosen 45er-Colt im tiefgeschnallten Schulterholster sehen zu lassen. »Wäre bestimmt nicht klug.«

Lassiter sah es ein.

»Hab' ich mir auch eben gedacht.«

Bender war ein Mann, dessen Laune sich schlagartig ändern konnte. Jetzt riss er sich so schnell die Zigarre aus dem Mund, dass sie zwischen seinen dicken Fingern zerbrach. Er fluchte, warf sie auf den Teppich und trat sie aus. Doch dann überlegte er sich die Sache anders, hob die zermanschte Zigarre sorgfältig auf und warf sie ins Feuer. Nachdem er mit der Stiefelspitze die Asche auf dem Teppich verrieben hatte, blieb ein grauer Fleck zurück.

»Mist, verdammter!«, knurrte er, während er nach einer frischen Zigarre langte. »Haben Sie das eben gesehen, Lassiter? Mich haben sie nicht zum Essen eingeladen! Sie hätten's tun können, aber sie haben's nicht getan!«

Bender biss das Ende der Zigarre ab, ging zum Kamin hinüber und spuckte die Spitze ins Feuer.

»Yeah, sie hätten's weiß Gott tun können!«, knurrte er.

Lassiter war müde.

»Denke ich auch, Bender.«

Aber das reichte nicht, um das aufbrausende Temperament des Pinkerton-Agenten zu besänftigen.

»Sicher, sie haben gewusst, dass ich noch Arbeit zu erledigen habe. Ich muss nämlich noch mit Ihnen reden, Sie krummer Hundesohn! Aber sie hätten mich doch wenigstens fragen können!«

»Sicher«, sagte Lassiter.

Bender zerbrach auch die zweite Zigarre und schleuderte sie wütend in den Kamin. Vielleicht glaubte er, seine Laune ein bisschen aufbessern zu können, indem er die teuren Zigarren des Vorstehers auf diese Weise verschwendete.

»Ach, warum sage ich Ihnen das alles eigentlich?«, grollte er.

»Warum tun Sie's denn?«, wollte Lassiter wissen.

»Moment noch, Sie Spitzbube!«, sagte Bender, schenkte Lassiter ein Glas Whisky ein und füllte auch für sich selbst ein Glas. Nachdem sie ihre Drinks gekippt hatten, wurde Bender plötzlich streng geschäftlich.

Bender sagte: »Sie waren jetzt zehn Tage im Loch, Lassiter. Wie würde es Ihnen denn gefallen, wenn Sie für immer dortbleiben müssten, he? Wenn's Ihnen gefällt... ich könnte es leicht arrangieren, huh?«

»Reden Sie nur, Bender... ich höre zu.«

»So ist's recht, mein Freund. Ich habe die Karre vor das Pferd gestellt, nur damit Sie begreifen sollen, wie schlimm es werden kann. Nicht, dass Sie ein Pferd sind, Lassiter... Sie sind ein Maultier!«

Lassiter hielt es für das Beste, jetzt gar nichts zu sagen.

»Ich kann Ihnen zwanzig Jahre verschaffen«, sagte Bender. »Wofür? Ach, ich weiß auch nicht, wofür. Für vielerlei Dinge. Gibt noch 'ne ganze Menge alten Kram. Vielleicht der Shawnessy-Raubüberfall? Ist allerdings schon neuerer Kram.«

Obwohl Lassiter auch darauf keine Antwort wusste und deshalb auch keine gab, forderte ihn Bender auf, den Mund zu halten.

»Wir... Pinkerton... brauchen einer Jury überhaupt nichts zu beweisen«, fuhr Bender fort. »Weder einer Jury noch sonst jemandem.«

Bender spreizte die Hände wie ein Teppichhändler aus San Francisco.

»Das wissen Sie ja, Lassiter. Gibt wohl kaum eine Jury im ganzen Lande, die nicht froh wäre, Martin Luther Maddox einen Gefallen zu tun. Wissen Sie, wer das ist?« Bender wartete gar keine Antwort ab, sondern redete bereits weiter: »Martin Luther Maddox ist weiter nichts als einer der größten Bahnleute des Landes, das ist alles. Und Ihr Partner bei diesem Shawnessy-Raubüberfall hat den Sohn dieses Mannes ermordet, Lassiter!«

Jetzt wartete Bender einen Moment, um zu sehen, welche Wirkung seine Worte auf den anderen hatten, aber Lassiter hatte zum Thema Shawnessy-Raubüberfall nichts zu sagen... und schon gar nichts über den Mann, der ihn dabei aufs Kreuz gelegt hatte. Noch nicht.

»Vielleicht wissen Sie ja davon nichts«, sagte Bender. Er grinste. »Nachdem Ihr Partner, dieser spanische Bursche, sich Ihren Anteil an der Beute aus dem Raubüberfall geschnappt und Ihnen die Natchez-Polizei auf den Hals gehetzt hatte, fuhr er mit einem Flussdampfer nach New Orleans. Nur ist er nicht so weit gekommen. Jedenfalls nicht mit dem Dampfer. Ein Stück flussabwärts von Natchez geriet er in eine Poker-Partie. Maddox junior war auch dabei und erwischte ihn beim Betrügen. Ihr Freund hat ihn totgeschossen und ist dann mit einem Ränzel in der Hand einfach über Bord gesprungen. Soll ein verdammt guter Schwimmer sein, wie man mir erzählt hat.«

»Hören Sie doch endlich auf, wie eine Katze um den heißen Brei herumzureden«, sagte Lassiter. »Was liegt an?«

»Nicht so schnell, Spitzbube! Ich möchte Ihnen lieber erst erklären, was passieren wird, falls Sie vielleicht auf die Idee kommen sollten, nein zu sagen. Ich verhelfe Ihnen zu lebenslänglich... so wahr mir Gott helfe! Ich nehme an, dass Sie schon vom Angola-Gefängnis gehört haben, oder? Das schlimmste Gefängnis im Staate Louisiana, vielleicht sogar im ganzen Lande.«

»Aber bestimmt auch nicht schlimmer als Yuma.«

»Genauso schlimm, wenn auch auf andere Art und Weise. Nun, Freund, das war die dunkle Seite meiner Story. Und nun kommt die helle. Martin Luther Maddox will diesen Mann haben, der seinen Sohn ermordet hat. Um ihn – wenn's irgend geht – vor Gericht zu stellen und hängen zu lassen. Aber er würde sich auch schon damit zufriedengeben, den Hundesohn einfach sonst wie zu töten. Möchten Sie diesen Job, Lassiter?«

»Sicher«, sagte Lassiter. »Aber lassen Sie mich eine Frage stellen. Wieso können denn Sie und all die vielen smarten Pinkerton-Burschen mit all dem Maddox-Geld nicht mal einen einzigen Mann schnappen, he?«

»Weil Sie der einzige sind, der genau weiß, wie er wirklich aussieht. Sie waren doch eine ganze Zeit mit ihm zusammen. Das mussten Sie ja. Wie viel Zeit war's denn?«

Lassiter grinste den Pinkerton-Agenten an.

»Sie stellen einen Haufen Fragen, aber Sie beantworten keine einzige. Wie sieht denn das Geschäft nun für mich aus, he?«

»Sie kommen hier raus. Sicher, wir könnten diesem Kerl ein Dutzend Agenten auf den Hals schicken, aber wir suchen nach einem Mann, der an diesem Job wirklich interessiert ist. Und das sind Sie, Cowboy. Wie oft sind Sie in Ihrem Leben schon aufs Kreuz gelegt worden, Lassiter? Dies hier ist das dritte Mal. Und wie ich hörte, sollen die beiden anderen Burschen schon lange tot sein.«

»Das hab' ich auch gehört, Bender.«

»Tun Sie das Gleiche für diesen Kerl, Lassiter, und Sie können den Shawnessy-Job ein für alle Mal vergessen. Gibt ja an sich keine hieb- und stichfesten Beweise gegen Sie. Nur die Aussage dieses sauberen Halunken, der Sie so hereingelegt hat. Die alte Sache zwischen Ihnen und mir gehört doch längst der Vergangenheit an, Lassiter. Pinkerton will nichts mehr von Ihnen. Wir möchten nur noch, dass Sie diesen Job übernehmen... und auch erfolgreich zu Ende bringen. Um ganz offen zu sein, Lassiter... es ist gewissermaßen nur zwischen Ihnen, mir und Maddox. Aber Sie müssen Ihr Wort geben.«

»Und das ist alles?«

Dieser alte Menschenjäger war wirklich ein merkwürdiger Bursche. Jedenfalls blickte Bender bei Lassiters Frage höchst überrascht drein.

»Sie geben's... und ich nehm's«, sagte Bender. »Nur...«

»Nur... was?«

Bender wurde schon wieder wütend.

»Werden Sie bloß nicht zu kess mit mir, Strauchdieb! Das alles geht nicht von mir, sondern von Mr. Maddox aus. Er lässt Sie laufen, also hören Sie lieber auf ihn. Vielleicht bilden Sie sich ein, Ihr Wort geben zu können, dann Ihr eigenes Geschäft zu erledigen und Mr. Maddox' toten Sohn einfach zu vergessen. Aber nicht bei Mr. Maddox... sagt er. Wenn Sie kneifen, wird er Sie finden. Es gibt in ganz Nord- oder Südamerika keinen Ort für Sie, an dem sein Geld – seine angeheuerten Revolverschwinger – Sie nicht finden würde!«

Das alles hörte sich für Lassiter vernünftig genug an. Er hatte ohnehin die Absicht gehabt, es selbst zu tun, bevor er hier im Parish Prison gelandet war.

»Und wie stellen Sie sich meine Rolle bei dieser Sache vor?«, fragte Lassiter den Pinkerton-Agenten.

Jetzt, wo Bender wusste, dass Lassiter auf seiner Seite war, verzichtete er darauf, so vorsichtig zu sein, wenn er sich bewegte. Er holte die Flasche und schenkte zwei Drinks ein. Dann holte er seine große Taschenuhr heraus, ließ den Sprungdeckel aufschnappen, warf einen Blick aufs Zifferblatt und steckte die Uhr wieder weg.

»Wir machen uns mit der Zeit immer besser. Wir haben es schon so organisiert, dass wir Kopien von allem bekommen. Auch von Steckbriefen, selbst wenn ein Mann gar nicht von uns gesucht wird. Meldungen von Raubüberfällen, Gefängnisausbrüchen und so weiter.« Bender grinste. »Wird nicht mehr lange dauern, da gehören Leute wie Sie, Lassiter, der Vergangenheit an.«

»Scheint mir nicht sehr sportlich zu sein«, sagte Lassiter. Jetzt hätte er ganz gern etwas gegessen, aber er wollte seine nächste Mahlzeit außerhalb dieses stinkenden Gefängnisses einnehmen.

»So habe ich zum Beispiel von den Behörden in Natchez erfahren, dass man dort an einem Burschen namens Lassiter ganz besonders interessiert ist.« Bender war offensichtlich sehr mit sich selbst zufrieden. »Da ich nur einen einzigen Lassiter kenne, interessierte ich mich selbst dafür. Natchez möchte Sie haben, weil Sie den Safe der Shawnessy-Company gesprengt haben. Ihr Partner hat gute Arbeit geleistet, als er Sie reinlegen wollte. Modern. Hat das Telefon benutzt. Hat Ihren Namen genannt, sie genau beschrieben, was Sie gern zum Frühstück essen und so weiter. Sie konnten zwar entkommen, aber Natchez brachte Sie mit einem jungen Spanier oder Mexikaner in Verbindung. Zwei Tage später bekam ich Nachricht über den jungen Maddox. Ich brauchte nur noch zwei und zwei zusammenzuzählen. Da dieser Bursche, nachdem er Maddox junior getötet hatte, nach New Orleans wollte... nun, da hab' ich mir gedacht, dass Sie ihm dorthin folgen würden. Und so hat man Sie ja auch prompt geschnappt.«

»Aber ihn haben Sie nicht erwischt.«

»Beinahe wär's uns doch gelungen«, sagte Bender. »Wir hatten alle ansässigen Agenten und die gesamte Polizei von New Orleans auf ihn angesetzt. Aber wissen Sie, wie viele junge Mexikaner es in dieser Stadt gibt? Zu viele. Schließlich hörten wir, dass irgendein junger, spanisch aussehender Bursche versucht hatte, J.T. Andrus um eine Schiffsladung Winchester-Gewehre zu betrügen. Die Beschreibung, die wir von den Leuten des Flussdampfers bekommen hatten, war zwar ziemlich vage, aber im Großen und Ganzen passte sie. Dieser Bengel sollte jetzt eigentlich mit schweren Eisenketten behangen auf dem Grunde des Flusses liegen. So springt nämlich J.T. im Allgemeinen mit Verbrechern um.«

»Aber er ist entkommen.« Lassiter wusste selbst nicht, warum er jetzt grinste. Bisher hatte dieser gerissene junge Hundesohn allen ein Schnippchen geschlagen... besonders ihm selbst.

Bender sagte: »Er hat sich mit Andrus geschossen, dann ist er nach Süden entkommen... auf einem Dampfer nach Vera Cruz. Ohne diese Waffen. Die Leute unten in Quintana Roo werden mächtig enttäuscht sein, wenn er ohne Waffen auftaucht. Wissen Sie, wo Roo liegt?«

Lassiter wusste es nur ungefähr.

»Und wie ist er Ihrer Meinung nach dorthin gelangt?«, fragte Lassiter.

»Da bin ich mehr oder weniger auf Vermutungen angewiesen«, sagte Bender. »Im Moment ist's jedenfalls die einzige Gegend in Mexiko, wo's ernsthaften Ärger gibt. Ich nehme an, dass Ihr Junge so was wie 'n Patriot ist. Vielleicht gehört Roo gar nicht mal zu Mexiko. Die Mexikaner beanspruchen es, aber das tut Guatemala auch. Ein Rebell namens Sandoval behauptet, es gehört dem Volk... wen immer er auch damit meinen mag. Dieser Sandoval möchte eine neue Republik gründen. Die United Lumber Company, ganz zu schweigen von der United Rubber Company, kümmern diesen Sandoval kein bisschen.«

»Natürlich planen diese beiden Gesellschaften, etwas dagegen zu unternehmen, wie?«, fragte Lassiter. Er wusste, wie diese großen Gesellschaften arbeiteten. Wenn es mit Bestechung nicht klappte, versuchte man es mit angeheuerten Schießern.

Lassiter grinste ein wenig schief. Zum Teufel, was zerbrach er sich eigentlich den Kopf darüber? Er hatte ja auch gutes Geld damit verdient, dass er seine Waffe an große Gesellschaften verkauft hatte. Aber das braucht nicht unbedingt zu bedeuten, dass er diese Bastarde leiden konnte.

»Keine Truppen, verstehen Sie?«, sagte Bender und grinste aus eigenen Gründen. »So was machen wir heutzutage nicht mehr. Zumindest nicht in Mexiko. Es gibt also keine Truppen. Überhaupt nichts Offizielles. Was wir im Sinn haben...« Bender betonte das »Wir«, um zu zeigen, wie intim er mit diesen Geschäftspiraten war. »... ist mehr wie eine Expedition, um Fakten herauszufinden. Sicher, sie werden bewaffnet sein, alle diese Banditen und Schlangen...« Bender machte eine Pause. »Und Sie werden mitgehen, Lassiter!«

Lassiter konnte sehen, dass Bender mit seiner Erklärung, wie die Holz- und Gummi-Gesellschaften eine Invasion ins Ausland planten, sehr zufrieden war. Später würde er diese Geschichte wahrscheinlich noch unzählige Male wiederholen.

»Und wie viele sollen's sein?«, fragte Lassiter.

»Am Anfang nicht mehr als hundert. Alles gute, erfahrene Männer. Eigentlich sollte Mexiko diesem Sandoval den Garaus machen, aber Präsident Diaz hat oben im Norden weiß Gott genügend eigene Probleme. Außerdem ist Quintana Roo sehr weit von Mexico City entfernt, und Diaz ist sich nicht einmal ganz sicher, ob ihm diese Gegend überhaupt gehört. Also ist's ihm lieber, wenn wir diesen Job übernehmen. Was wir natürlich tun werden. Verdammt, die Holz- und Gummi-Gesellschaften wollen doch keinen Krieg anfangen! Sie wollen lediglich diesen Sandoval vertreiben oder töten. Seit dieser Bursche mit Brand und Mord dort unten angefangen hat, gehen die Geschäfte lausig.«

»Hört sich ja recht munter an«, stellte Lassiter fest.

»Lassen Sie das«, sagte Bender scharf. »Sie kümmern sich nur um diesen Mann, der... sehen Sie, wir wissen ja nicht mal, wie der Bastard heißt.«

»Betancourt«, sagte Lassiter. »So hat er sich jedenfalls mir gegenüber genannt. Könnte sogar sein richtiger Name sein. Na, macht nichts. Ich werde ihn schon erkennen... wenn ich ihn töte!«

Lassiter dachte an diese Nacht vor drei Wochen zurück, als er Betancourt in Corley Harkins Saloon in der Irish-Channel kennengelernt hatte. Corleys Lokal war der übelste Saloon im übelsten Viertel von New Orleans. Corley hatte mit Lassiter privat gesprochen und ihm gesagt, dass ein spanischer Bursche Hilfe brauchte, um einen fetten Safe oben in Natchez sprengen zu können. Corley hatte ihm den Plan verkauft, also musste es sich um eine sichere Sache handeln. Dieser Betancourt – nach Corleys Worten ein wirklicher spanischer Gentleman – hatte fünftausend Dollar für den Plan bezahlt. Also würde für Lassiter wohl auch allerhand dabei herausspringen... hatte Corley gesagt.

»Könnte sein richtiger Name sein«, wiederholte Lassiter. »Hat 'ne Menge geredet. Schien sich keineswegs für einen professionellen Einbrecher oder Safeknacker zu halten.«

Bender lachte.

»Der Job war professionell genug! Und einen so hartgesottenen Burschen wie Sie hat er ganz schön zum Narren gehalten, würde ich sagen!«

Das kümmerte Lassiter nicht. Jedenfalls jetzt nicht mehr, wo er Aussicht hatte, aus dem Knast zu kommen.

»Nun, wir werden ja sehen, wer professionell ist. Eines Tages werden wir das schon feststellen.«

Das sagte Lassiter zu Bender nicht nur, um dem anderen zu beweisen, wie hart er war. Corley Harkins hatte erwähnt, dass sich im Safe der Shawnessy-Company fünfzigtausend Dollar befunden haben sollten. Ausgemacht gewesen waren zehntausend für Lassiter, vierzigtausend für Betancourt.

»Ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet, dass er mich wegen der zehntausend aufs Kreuz legen würde«, sagte Lassiter zu Bender. »Jedenfalls nicht, wenn er selbst vierzigtausend praktisch umsonst bekommen sollte. Vielleicht war ich ein bisschen zu sorglos und vertrauensselig. Wir hatten den Job glatt und sauber durchgeführt. Keinerlei Ärger. Wir waren gerade in der Pension dabei, das Geld zu zählen...«

»Womit hat er Sie denn niedergeschlagen?«

Lassiter grinste verdrossen.

»Mit so einem gottverdammten Wasserkrug. Ich sollte liegenbleiben, bis die Polizei eintraf. Aber den Gefallen hab' ich ihm nicht getan. Betancourt hätte härter zuschlagen oder mich lieber gleich töten sollen. Mit diesen zehntausend hat er sich einen Haufen Ärger eingekauft.«

»Das ist der richtige Geist, Junge«, sagte Bender zufrieden. Er holte wieder eine Uhr heraus und sah nach der Zeit.

Jemand klopfte an die Tür.

»Pünktlich auf die Minute«, sagte Bender.

II