Lassiter Sonder-Edition 37 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 37 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Der jähe Blitz der Explosion spaltete die hitzeflimmernde Luft, und im unmittelbar danach folgenden Donnerschlag verfinsterte sich die Sonne. Ein Zittern durchlief den Schiffsleib.
Der entsetzte Schrei der vielen Menschen gellte zum Himmel, und Lassiter fühlte sich von einer unsichtbaren Faust gepackt, hochgewirbelt und wie ein Stein davongeschleudert. Instinktiv krümmte er sich. In seiner Nähe sah er Laras fast nackten Körper ebenfalls wie schwerelos durch die Luft wirbeln.
Lara ... jung, schön, begehrenswert. Die Frau, für die er seine Seele dem Satan verschrieben hatte. Für die er alles riskiert hatte.
Nun war es vorbei. Für Lassiter ging die Welt unter in einem Inferno von Rauch, Feuer und wirbelnden Trümmerstücken...


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Seitenzahl: 175

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

LASSITER UND DIE TEUFEL VOM FLUSS

Vorschau

Impressum

LASSITER UND DIETEUFEL VOM FLUSS

von Jack Slade

Der Schlag traf Lassiter völlig unerwartet. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel prallte der harte Gegenstand gegen sein Genick.

Der große Mann wollte sich herumwerfen, wollte irgendetwas unternehmen, um die endgültige Niederlage gegen diesen unheimlichen Gegner abzuwenden. Aber er war am ganzen Körper wie gelähmt. Und der Bursche, der sich völlig lautlos von hinten an ihn herangeschlichen hatte, war viel zu schnell.

Er schlug noch einmal zu, und Lassiter brach in die Knie. Er fiel mit dem Brustkorb gegen die oberste Eisenstange der Reling, sah tief unten das weiß gischtende Wasser hinter dem Schaufelrad, hörte überlaut das Rauschen des Wassers und das Stampfen der Maschinen.

Verzweifelt kämpfte er gegen die Schwäche an, die ihn endgültig niederdrücken wollte. Langsam rutschte er weiter nach unten, rutschte schließlich zur Seite weg und blieb auf den Decksplanken liegen.

Vor seinen Augen tanzten dichte Nebel und dazwischen rote Feuerblitze. Er spürte, wie Hände seinen Körper abtasteten. Erschöpft schloss er die Augen. Er versuchte sich zu entspannen. Es musste ihm gelingen, innerhalb kürzester Zeit wieder so bei Kräften zu sein, um sich wehren zu können. Wenn ihm das nicht gelang, war er verloren.

Er hatte schon zu viel von den Flussteufeln gehört. Er kannte ihre Methoden. Sie beherrschten den Fluss mit Mord und Terror. Und sie hatten bisher noch jeden Mann getötet, der ihnen irgendwie hätte gefährlich werden können.

Das Dröhnen in Lassiters Ohren ließ etwas nach.

Eine lispelnde Stimme drang in Lassiters Bewusstsein. Er kannte diese Stimme. Sie gehörte Lin-Tao, dem Chinesen, der als Steward auf dem Hurricane-Deck dieses großen Flussdampfers arbeitete.

»Er ist es«, sagte er. »Hier ist der Brief von McQueen.«

Der andere lachte leise, zufrieden.

»Sein Pech«, sagte er. »Schnell, fass mit an, Lin! Wir schmeißen ihn zu den Fischen runter.«

»Er ist noch nicht tot.«

»Aber bald wird er es sein.«

»Kein Messer?«, fragte der Chinese.

»Nein. Wir müssen damit rechnen, dass man ihn später findet. Alle werden es für einen Unglücksfall halten. Los jetzt!«

Zorn und eisige Kälte durchströmten Lassiter. Wenn diese beiden Kerle ihr Vorhaben schafften, war er höchstwahrscheinlich erledigt. Einen solchen Sturz in die Tiefe würde er kaum überleben.

Er öffnete die Augen einen winzigen Spalt. Im mattgelben Licht einer Positionslaterne sah er das Gesicht des Chinesen. Der gelbe Bursche beugte sich gerade über ihn und schob die Hände von hinten unter Lassiters Achselhöhlen.

Zu Lassiters Füßen stand der andere Mann. Er hieß Cass Curtiss, ein blonder, elegant gekleideter Mann, der auf dem Schiff als Berufsspieler an einem der grünbezogenen Kartentische seinen Lebensunterhalt verdiente.

Curtiss und der Chinese hielten Lassiter noch immer für bewusstlos. Jetzt nickten sie sich zu und wollten ihn anheben, um ihn über Bord zu werfen.

In diesem Augenblick handelte Lassiter. Er packte die Arme des Chinesen, zerrte den Mann nach vorne und zog gleichzeitig die Beine an.

Beide Halunken stießen einen überraschten Laut aus.

Lassiter rammte dem Spieler beide Füße gegen die Brust. Curtiss ließ Lassiters Füße los und taumelte zurück.

Der Chinese reagierte besser. Er war geschmeidig wie eine Katze, kam blitzschnell über Lassiter zu liegen und presste ihm beide Hände wie Stahlklammern um die Kehle.

Lassiter bekam keine Luft mehr. Dicht über sich sah er das verzerrte Gesicht des Chinesen und jagte beide Fäuste hinein. Der Mann stöhnte auf. Aus seiner Nase floss Blut. Aber er ließ nicht locker.

Es war Lassiters Nachteil, dass er noch immer benommen von den beiden Hieben war. Er zog verzweifelt das rechte Knie hoch und traf damit den Chinesen an dessen empfindlichster Stelle.

Der Mann heulte unterdrückt auf. Der stählerne Griff um Lassiters Kehle lockerte sich.

Mit einem Ruck richtete sich Lassiter auf. Im gleichen Augenblick sprang ihn von hinten der Spieler an. Cass Curtiss hatte seinen Totschläger unter dem dunklen Rock hervorgeholt. Es war ein kurzer, mit Blei gefüllter Lederschlauch.

Lassiter wurde seitlich am Hals getroffen. In seinem Schädel schien eine Pulverladung zu explodieren. Seine Arme sanken herab. Verbissen kämpfte er gegen die erneute Ohnmacht an. Er fiel zur Seite und hörte noch, wie Cass Curtiss wütend knurrte: »Verdammter Hundesohn, jetzt bist du erledigt, du...«

Gleich darauf wurde es schwarz vor seinen Augen. Er spürte nicht, wie ihn die beiden erneut packten und hochhoben.

Erst als er durch die Luft flog, kam er wieder zu sich. Instinktiv krümmte er seinen Körper. Das dunkle Wasser des Flusses raste auf ihn zu. Er hörte seinen eigenen, gellenden Schrei, und gleich darauf schlug er hart auf dem Wasser auf.

Der Aufprall raubte ihm wieder die Besinnung. Schwerelos drehte sich sein Körper in den Fluten und wurde dem Grund entgegengezogen. Im Unterbewusstsein schlug er verzweifelt um sich.

Wasser drang in seine Luftröhre ein. Gleichzeitig kehrte sein Bewusstsein zurück.

Er drängte seine Panik zurück, zwang sich zur Ruhe. Er wusste, dass ihn nur kalte Überlegung retten konnte.

Seine Füße berührten den Grund. Schlamm legte sich wie eine saugende Hand um die Gelenke. Es schien, als ob eine dämonische Macht ihn für immer hier unten festhalten wollte. Schleimige Algen und Gräser berührten seine Hände und sein Gesicht.

In seinen Lungen war keine Luft mehr. Er hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Er schluckte Mengen von Wasser, während er wieder der Oberfläche entgegenstrebte.

Sekunden dehnten sich wie Ewigkeiten. Er hatte kaum noch Hoffnung, aber er gab nicht auf.

Endlich durchbrach er mit dem Kopf die gurgelnde und rauschende Wasserfläche des breiten Stromes. Weit riss er den Mund auf und schnappte gierig nach Luft. Gleich darauf schüttelte ihn ein Hustenanfall durch. Sein Magen revoltierte nach den Unmengen des geschluckten Wassers, und er übergab sich.

Es kostete ihn ungeheure Anstrengung, sich gleichzeitig über Wasser zu halten. Seine Kleider und die Stiefel hatten sich mit Wasser vollgesaugt, und er hatte das Gefühl, jeden Moment wieder in die Tiefe gezogen zu werden.

Seine Kräfte erlahmten immer mehr. Er wunderte sich, dass er überhaupt noch am Leben war.

Er strebte dem westlichen Ufer entgegen. Aber kam er überhaupt voran? Der Strom schien ihn nicht mehr freilassen zu wollen. Immer wieder drängten ihn Seitenströmungen zurück, oder er musste schnell dahintreibenden großen Ästen und anderem Treibholz ausweichen.

Nach einiger Zeit spürte er plötzlich, dass das Wasser unter ihm flacher wurde. Er atmete auf. Er war zwar noch immer gut dreißig Schritt vom Ufer entfernt, aber hier konnte er wenigstens einmal verschnaufen.

Er berührte mit den Füßen den Grund, stellte sich auf und war froh, dass er fürs erste Arme und Beine nicht mehr zu bewegen brauchte. Er befand sich am Rande der Erschöpfung. Dieses Gefühl des Ausgepumptseins war schlimmer als die eisige Kälte des Wassers, die tief bis ins Mark drang.

Beruhigt blickte er zum Ufer hinüber. Gleich würde er dieses letzte Stück auch noch schaffen. Nur noch ein paar Mal ruhig durchatmen, bis sich seine Lungen wieder beruhigt hatten, und dann...

Er erstarrte, als er das Geräusch hörte. Drüben auf dem hellen Sandstreifen des Ufers hatte sich etwas geregt. Zwei dunkle langgestreckte Körper schälten sich aus den Büschen, krochen langsam über den Sand auf das Wasser zu.

Kaimane! Ungefähr zwei Meter lang. Jetzt machten sie halt und äugten scheinbar träge zu ihm herüber.

Lassiter stand völlig reglos. Wenn diese gefährlichen Reptilien Jagd auf ihn machten, war er verloren. Sie waren ungeheuer schnell im Wasser, und selbst der schnellste Schwimmer hatte keine Chance gegen sie.

Der große Mann holte tief Luft und tauchte weg. Mit langen, möglichst lautlosen Schwimmstößen bewegte er sich unter Wasser mit der Strömung vorwärts.

Als er zum ersten Mal wieder hochkam, sah er sofort, dass auch die Kaimane ins Wasser geglitten waren. Er konnte sie nicht mehr sehen, aber er war sicher, dass sie Jagd auf ihn machten.

Jetzt gab er sich keine Mühe mehr, lautlos zu schwimmen. Sein Körper streckte sich. Seine Arme peitschten das Wasser. Hin und wieder blickte er über die Schulter zurück. Dann sah er die dunklen, gepanzerten Rücken, die scheinbar wie von einer Schnur gezogen das Wasser durchpflügten. Lautlose, grausame, unerbittliche Verfolger. Ein einziges Zuschnappen eines der mächtigen Gebisse würde genügen, um ihm ein Bein oder einen Arm zu zerquetschen und abzureißen.

Das Ufer rückte näher. Aber auch die Entfernung zwischen Lassiter und den Echsen schmolz immer mehr zusammen.

Sie waren nur noch wenige Schritt von ihm entfernt, als er endlich das Ufer erreicht hatte. Keuchend kletterte er aufs Trockene. Nur Sekunden vor den beiden Tieren. Sofort begann er zu rennen, durchbrach das dicht wuchernde Unterholz, und die dunkle Wand des Waldes verschlang ihn.

Immer wieder stolperte er. Dornen griffen nach seiner Kleidung und zerfetzten den Stoff an vielen Stellen. Nachdem er die ersten hundert Schritt zurückgelegt hatte, blieb er dicht neben einer Tanne stehen und lauschte in die Dunkelheit hinein.

Von den Kaimanen war nichts mehr zu hören. Sie hatten offenbar die Lust an einer weiteren Verfolgung verloren. Vielleicht spürten sie auch, dass der Mensch ihnen auf diesem Gelände überlegen war.

Lassiter verschnaufte. Die nassen Kleider klebten an seinem Körper. Er tastete nach seinem Revolver, den er während der Reise unter seinem dunklen Tuchrock verborgen in einem Schulterholster getragen hatte.

Die Waffe war nicht mehr an ihrem Platz. Auch das Messer war verschwunden, ein italienisches Stilett, dessen Klinge auf einen Knopfdruck hin aus dem Griff sprang.

Der Chinese und der Spieler hatten ihn gründlich ausgeraubt. Er besaß nichts mehr außer den Kleidern, die er auf dem Leib trug.

Leise knurrte er einen Fluch. Er war wütend. Nicht nur über diese beiden Männer, sondern auch über sich selbst.

Warum, zum Teufel, war er nur so unvorsichtig gewesen!

Er war doch vorher ausreichend gewarnt worden. Amos McQueen hatte ihm ausführlich geschrieben, dass mit dieser Flussteufelbande, wie er sie nannte, nicht zu spaßen war. Dass dieser unheimlichen Vereinigung so gut wie nichts verborgen blieb. Dass auch auf seinen eigenen Schiffen Mitglieder dieser Bande sich unter das Personal gemischt haben konnten oder aber als Passagiere reisten. Es war unmöglich, die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.

Amos McQueen war ein wohlhabender Mann. Er besaß die meisten Anteile an der TNC – Tennessee Navigation Company –, die mit ihren großen Schiffen Passagiere und Waren auf dem großen Strom zwischen Port Arthur und St. Paul beförderte.

Seit einigen Monaten hatte die TNC Kummer. Eine Bande hatte sich auf dem Mississippi breitgemacht. Eine Bande, die der TNC inzwischen so schwer zugesetzt hatte, dass Amos McQueen und seine Partner am Rande des Ruins standen.

Anderen Unternehmen wurde seltsamerweise kaum zugesetzt, aber das führte Amos McQueen in seinem Brief darauf zurück, dass die Bande offensichtlich nach einem ganz bestimmten System vorging. Sobald die TNC erledigt war, würde jemand anders an die Reihe kommen.

In seiner Verzweiflung hatte McQueen an Lassiter geschrieben. Amos sah in seinem alten Bekannten und Freund die letzte Rettung. Und er hatte Lassiter versichert, dass außer ihnen beiden niemand etwas von Lassiters Auftrag erfahren würde. Nicht einmal seine Tochter Lara hatte der alte Amos bisher eingeweiht, und das bedeutete eine ganze Menge, wenn man um das herzliche Verhältnis zwischen Vater und Tochter wusste.

Und nun war Lassiter trotz aller Sicherheitsvorkehrungen bereits entdeckt worden. Noch bevor er das Ziel seiner Reise erreicht hatte.

Wie konnte das geschehen?

Hatte ihn jemand erkannt? Hatte ihn irgendjemand gesehen, der wusste, dass Lassiter und Amos McQueen alte Freunde waren?

Oder hatte ein Unbefugter den Brief gelesen?

Lassiter erinnerte sich an die Worte des Chinesen: »Er ist es. Hier ist der Brief von McQueen.«

Das konnte eigentlich nur bedeuten, dass man von der Existenz dieses Briefes vorher gewusst hatte.

Lassiter grinste grimmig beim Gedanken an den Chinesen und den Spieler. Den nächsten Zug in diesem Spiel würde er selbst machen. Und dann konnten die beiden einiges erleben. Diese verdammten Hundesöhne!

Keinem von ihnen gegenüber hätte er den geringsten Verdacht geschöpft und sie für Banditen gehalten. Der Chinese hatte sich immer sehr unauffällig und ausgesprochen höflich verhalten. Und mit Curtiss hatte Lassiter einige Male gepokert und sich auch angeregt mit ihm unterhalten. Dabei machte er auf Lassiter den Eindruck eines Mannes, mit dem man gut zurechtkommen konnte.

Curtiss hatte auch niemals eine Frage gestellt, mit der er Lassiters Verdacht hätte wecken können. Noch am Abend hatten sie miteinander gepokert. Um ganz normale Einsätze, die niemanden arm und niemanden reich machen konnten.

Um Mitternacht war Lassiter dann einmal kurz nach draußen gegangen, um etwas frische Luft zu atmen. Die beiden waren ihm unbemerkt gefolgt. Und dann über ihn hergefallen.

Nun befand sich Lassiter irgendwo am Westufer des Mississippi. Mitten im Urwald. Und er hatte keine Ahnung, wie weit es bis zur nächsten Ansiedlung war und in welche Richtung er sich am besten wandte.

Er entschied sich für Norden und marschierte los, nachdem er das Wasser aus den Stiefeln geschüttet hatte. Er war hungrig und verspürte Appetit auf einen Whisky oder eine Tasse Kaffee, was ihn innerlich etwas durchgewärmt hätte. Nicht einmal rauchen konnte er. Denn seine Zigarillos hatte ihm der Chinese geklaut, und wenn er es nicht getan hätte, wären sie durch das Wasser unbrauchbar geworden. Genau wie das Päckchen Streichhölzer, das sich noch in Lassiters Hosentasche befand.

Er marschierte durch den finsteren Wald. Bis zum Tagesanbruch waren es noch mindestens zwei Stunden, und Lassiter sehnte den Sonnenaufgang herbei. Nicht nur weil mit der Sonne auch Wärme kam, sondern auch weil er die vielen Gefahren kannte, die in einem nächtlichen Wald auf den Menschen lauerten. Er musste damit rechnen, Bären, Pumas oder Wölfen zu begegnen. Es konnte ihm passieren, dass er auf eine Giftschlange trat und tödlich gebissen wurde.

So kam er nur langsam voran.

Als endlich das erste Licht des beginnenden Tages durch die Baumkronen sickerte, stieß er wieder auf den Fluss. Die Sonne ging auf und ließ die breite Wasserfläche silbern glänzen. Ein mittelgroßes Dampfboot kam von Norden herab. Lassiter blieb stehen und winkte hinüber, aber die Besatzung nahm keine Notiz von ihm. Vielleicht sahen sie ihn auch nicht.

Lassiter ging weiter. Kurze Zeit später versperrte ihm die breite Mündung eines Nebenflusses den Weg. Er folgte diesem Fluss, bis sich sein Bett verengte. Lassiter durchquerte ihn an einer Stelle, wo das Wasser nur niedrig war. Seine Kleider waren inzwischen schon wieder leidlich getrocknet, und er hatte keine Lust, schon wieder ein kaltes Vollbad zu nehmen.

Der Umweg hatte ihn viel Zeit gekostet. Zwei Stunden waren inzwischen vergangen, und noch immer hatte Lassiter kein Zeichen entdeckt, das auf die Nähe von Menschen schließen ließ.

Die Müdigkeit hing bleischwer in seinen Gliedern. Auf einer sonnenüberfluteten Lichtung mitten im Wald machte Lassiter halt und zog sich aus. Er breitete seine Sachen in der Sonne aus und streckte sich selbst auf der warmen Erde aus.

Die Sonne durchflutete seinen Körper mit angenehmer Wärme. Er schloss die Augen und schlief sofort ein. Die hinter ihm liegenden Strapazen forderten ihren Tribut.

Es war Mittag, als er jäh aus dem Schlaf gerissen wurde.

Ein Schrei hatte ihn geweckt. Ein Schrei, der nicht weit von ihm entfernt von einem Menschen in höchster Not ausgestoßen worden war.

Jetzt hörte er die Stimme wieder. Es war die Stimme einer Frau.

Lassiter stand auf und schlüpfte in seine Kleider. Sie waren noch immer nicht völlig trocken, aber es war längst nicht mehr so ein unangenehmes Gefühl, sie am Körper zu haben.

Während der letzten Minuten hatte Lassiter die Stimme der Frau nicht mehr gehört. Stattdessen vernahm er jetzt das Lachen von Männern.

Er ging langsam in die Richtung, wo sich diese Menschen befanden. Er wusste jetzt schon, dass dort drüben etwas nicht in Ordnung war, aber er zog sich trotzdem nicht zurück. Er wollte wissen, was dort los war und warum jene Frau so gellend geschrien hatte.

Die Stimmen wurden lauter.

Bald hörte Lassiter auch das Wimmern. Anscheinend war die Frau inzwischen von solch einer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit überfallen worden, dass sie nicht einmal mehr die Kraft zum Schreien hatte. Oder sie hatte eingesehen, dass es zwecklos war, weil sie in dieser Abgeschiedenheit der Wildnis doch von niemandem gehört wurde.

Lassiter näherte sich wieder einer kleinen Lichtung. Dort vorne waren sie.

Er duckte sich und legte das letzte Stück kriechend und völlig lautlos zurück. Dann sah er sie.

Drei Männer und eine Frau.

Die drei sahen ziemlich wild und verwahrlost aus. Bärtige Burschen mit breitrandigen Schlapphüten, wie sie von den Flussleuten mit Vorliebe getragen wurden. Einer war mit einer Winchester bewaffnet. Die beiden anderen hatten jeder einen Revolver, der nicht in einem Holster steckte, sondern hinter den breiten ledernen Hosengurt geschoben war. Außerdem hing bei jedem noch ein Messer am Gurt in einer fransengeschmückten Scheide.

Sie standen um die Frau herum, die sie an einen dünnen Eichenstamm gefesselt hatten.

Die Frau war noch jung. Nicht viel älter als zwanzig nach Lassiters Schätzung. Eine Schwarze. Sie war hochgewachsen und hatte den Kopf nach der Tradition ihres Stammes völlig kahl geschoren. Lassiter hatte diese Art des Haarschnitts schon bei anderen gesehen, und er fand es trotz des ungewohnten Anblicks auf eine Art faszinierend.

Die Schwarze war nackt. Das weiße Leinenkleid lag zerrissen vor ihr auf der Erde. Ein paar Fetzen des weißen Stoffs hingen noch an den Stellen, wo sich der Strick um ihren Bauch und um ihre Oberschenkel wand.

Ihre makellose Haut glänzte im Sonnenlicht. Lassiter entdeckte die Spuren von Schlägen.

Das Gesicht war von Schmerzen gezeichnet.

Einer der Männer hielt eine dünne Gerte in der Hand. Jetzt hob er sie etwas an und sagte: »Wir werden dich so lange durchprügeln, bis du uns alles verraten hast. Also, wo hat sich Caleb versteckt?«

Die Schwarze schüttelte den Kopf.

»Ich weiß es nicht«, flüsterte sie erschöpft. »Warum quält ihr mich? Ich kann es euch wirklich nicht sagen.«

Die Gerte sauste wieder durch die Luft. Der schlanke Körper der Frau zuckte zusammen, und beim zweiten Schlag schrie sie leise. Die drei Kerle lachten.

Der Schläger ließ die Gerte sinken.

»Ich glaube, so kommen wir nicht weiter«, brummte er. »Diese Weiber können Schläge gut einstecken. Das sind sie von zu Hause her gewöhnt.«

»Was schlägst du vor, Bill?«, fragte der rotbärtige Bursche, der an seiner rechten Seite stand.

Bill warf die Gerte achtlos beiseite.

»Wir machen ein Feuerchen«, schlug er vor. »Ich bin sicher, dass wir sie dann zum Reden bringen.«

Red grinste gemein. »Willst du sie etwa rösten?«

Bill tippte mit dem Zeigefinger auf sein Messer.

»Ich mache es ein wenig glühend«, sagte er. »Fangt an!«

Die beiden Begleiter Reds trugen trockenes Holz zusammen, von dem auf der Lichtung genug herumlag.

Die Schwarze beobachtete mit schreckgeweiteten Augen die Vorbereitungen. Immer wieder schüttelte sie den Kopf, und ihre Lippen bewegten sich und formten Worte, die niemand hören konnte.

Lassiter lauerte auf eine Chance, eingreifen zu können. Aber er hatte nur dann eine Chance, wenn er über sie kam wie der Blitz. Und wenn es ihm gelang, eine Waffe in die Hand zu bekommen.

Er war entschlossen, dieser Frau zu helfen, obwohl er dadurch schon wieder sein Leben aufs Spiel setzte.

Der rothaarige Red hielt sein Gewehr noch immer in der Hand. Jetzt riss er am Daumennagel ein Zündholz an und hielt die Flamme an das ausgetrocknete Holz. Bald darauf flackerte das kleine Feuer.

Red zog sein Messer aus der Scheide und legte die Klinge in die Glut. Sein Gesicht war von einer grausamen Starre.

Die Schwarze begann plötzlich zu schreien. Ihr schlanker, sehniger Körper wand sich in den Fesseln.

»Nein!«, schrie sie. »Bei Gott, das dürft ihr nicht tun. Ich will auch alles sagen. Alles, was ich weiß, ich schwöre es.«

Red richtete sich auf. Er ging zu ihr hin und blieb dicht vor ihr stehen. Grinsend sah er sie an.

»Also gut«, sagte er, »dann spuck's mal aus!«

Ihre weit aufgerissenen Augen verliehen ihr einen irren Gesichtsausdruck. Lassiter sah, dass sie jetzt alles sagen würde, was diese drei Schufte hören wollten. Sie hatte solche Angst, dass sie sogar Lügen erfinden würde, um nur nicht noch mehr gequält zu werden.

»Er ist nach Oszeola gegangen«, stieß sie hervor. »Er hat gesagt, dass er sich bei Freunden verstecken will.«

»Und wie heißen diese Freunde?«

»Sammy und Petey Wilson. Das ist alles, was ich weiß.«

Red nickte zufrieden und brummte etwas in seinen Bart, was Lassiter nicht verstehen konnte.

»Vielleicht hat sie das nur erfunden, um ihr Fell zu retten«, meinte sein Kumpan Bill. Er stieß den dritten Burschen mit dem Ellbogen an. »Was hältst du davon, Jake? Ob man ihr trauen kann?«

Jake zuckte die Schultern.

»Möglich wär's schon«, meinte er.

Red lachte selbstbewusst.

»An so eine Möglichkeit habe ich auch schon gedacht«, sagte er. »Ich habe mir auch schon überlegt, was man dagegen tun kann. Wenn wir jetzt sofort aufbrechen und zum Fluss gehen, sind wir in gut zwei Stunden in Oszeola. Dort brauchen wir höchstens eine Stunde, bis wir die Wahrheit wissen. So lange bleibt die Schlampe hier.«

Er streckte den Arm vor und riss ihr Kinn hoch, so dass sie ihn wieder voll ansehen musste. In ihren Augen flackerte die Angst.