Lassiter Sonder-Edition 46 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 46 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Lassiter saß völlig reglos im Sattel und blickte in die Doppelmündung der abgesägten Schrotflinte, die der Sheriff auf ihn richtete. Sheriff Lex Ballard. Er stand mitten auf der Hauptstraße von Toprock, und außer ihm und Lassiter war kein Mensch zu sehen.
Mittagszeit. Glühende Hitze. Um diese Zeit zogen sich die Bewohner der kleinen Stadt am Rande der Wüste in ihre Häuser zurück oder dösten im Schatten der Vordächer.
Lassiter wusste, dass er am Ziel war. Er hatte seinen Mann gefunden. Alle Anzeichen sprachen dafür, dass Sheriff Lex Ballard dieser Mann war. Die frappierende Ähnlichkeit mit ihm. Die Tatsache, dass ihn der Sheriff bereits erwartet hatte.
Ballard grinste bösartig. "Dann steig mal runter von deinem Pferdchen, Lassiter!", sagte er.
Lassiter rührte sich nicht. Noch nicht.

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Seitenzahl: 163

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

LASSITERS BLUTHOCHZEIT

Vorschau

Impressum

LASSITERS BLUTHOCHZEIT

von Jack Slade

Lassiter saß völlig reglos im Sattel und blickte in die Doppelmündung der abgesägten Schrotflinte, die der Sheriff auf ihn richtete. Sheriff Lex Ballard. Er stand mitten auf der Hauptstraße von Toprock, und außer ihm und Lassiter war kein Mensch zu sehen.

Mittagszeit. Glühende Hitze. Um diese Zeit zogen sich die Bewohner der kleinen Stadt am Rande der Wüste in ihre Häuser zurück oder dösten im Schatten der Vordächer.

Lassiter wusste, dass er am Ziel war. Er hatte seinen Mann gefunden. Alle Anzeichen sprachen dafür, dass Sheriff Lex Ballard dieser Mann war. Die frappierende Ähnlichkeit mit ihm. Die Tatsache, dass ihn der Sheriff bereits erwartet hatte.

Ballard grinste bösartig. »Dann steig mal runter von deinem Pferdchen, Lassiter!«, sagte er.

Lassiter rührte sich nicht. Noch nicht.

»Du also, Ballard«, sagte er. »Ich habe mich also nicht geirrt, als ich annahm, dass der Bursche in dieser Gegend wohnen muss.«

Der Sheriff nickte lässig.

»Stimmt«, sagte er. »Ich weiß auch schon seit einigen Tagen, dass du hinter mir her bist. Heute Morgen wurde ich schon benachrichtigt, dass du gegen Mittag hier aufkreuzen würdest. Du siehst, bei uns klappt alles bestens.«

»Ja«, sagte Lassiter, »ihr seid wirklich tüchtige Burschen. Besser hätte ich den Wells-Fargo-Transport auch nicht ausnehmen können. Ihr habt nur einen Fehler gemacht. Einen Fehler, der dir und den anderen das Genick brechen wird.«

»Und das wäre?«

»Ihr hättet meinen Namen nicht ins Spiel bringen dürfen. Ich kann nämlich verdammt wütend werden, wenn ich für andere den Sündenbock spielen soll.«

Der Sheriff lachte höhnisch.

»Dann fang mal an!«, knurrte er. »Ich würde nichts lieber tun, als dir die doppelte Ladung Sauposten in den Bauch zu jagen.«

Lassiter schüttelte grinsend den Kopf.

»Das würde dir so passen, Mister«, sagte er kalt. »Nein, im Augenblick hast du die besseren Karten. Ich ergebe mich, Ballard. Oder willst du mich vor den Augen der Stadt zusammenschießen? Ist dein Einfluss so groß, dass es keine Folgen für dich haben würde?«

»Steig ab!«, fuhr ihn der Sheriff an. »Du bist verhaftet wegen Überfalls auf einen Geldtransport von Wells Fargo. Dafür ist dir der Galgen gewiss.«

Er hatte die letzten Worte sehr laut gesprochen, so dass ein Teil der Zuschauer hinter den Fenstern und auf den Vorbauten es hören konnte.

Lassiter durchschaute die Absicht, die dahintersteckte.

Alles sollte nach einer ordnungsgemäßen Verhaftung aussehen. Sheriff Lex Ballard nahm den Raubmörder Lassiter gefangen.

Aber er würde es niemals zu einer Gerichtsverhandlung kommen lassen. Lassiter sollte keine Chance bekommen, etwas auszusagen, das ein schlechtes Licht auf den Sheriff werfen konnte.

»Beim Fluchtversuch erschossen«, würde es in ein paar Stunden heißen.

Mit diesen Tricks war Lassiter vertraut.

»Also gut«, sagte er seufzend und nahm den rechten Fuß aus dem Steigbügel. »Du hast gewonnen, Ballard.«

Die folgenden Ereignisse wickelten sich in atemberaubender Geschwindigkeit ab.

Im selben Augenblick, als Lassiter das Bein über den Sattel schwang, zog er den schweren Remington.

Er stieß sich vom Pferd ab und feuerte im Fallen den ersten Schuss ab. Die Kugel streifte den Sheriff, brachte ihn aus dem Gleichgewicht.

Taumelnd feuerte er beide Läufe seiner Parker Gun ab.

Die gehackte Bleiladung fegte über Lassiter hinweg.

Vom Boden aus jagte er die zweite Kugel aus seinem Colt.

Diesmal traf er Lex Ballard mitten in die Brust.

Der Sheriff wurde vom Einschlag der Kugel zurückgestoßen. Er versuchte, seinen Colt aus dem Holster zu reißen, und brach in die Knie.

Im Schatten der Vorbaudächer sprangen Männer aus ihren Schaukelstühlen oder Hängematten.

Bisher waren sie nur unbeteiligte Zuschauer gewesen. Sie alle hatten fest damit gerechnet, dass es ihrem Sheriff nicht schwerfallen würde, diesen Mann festzunehmen.

Sie rannten in die Häuser, um ihre Gewehre zu holen.

Lassiter hetzte zu seinem Pferd, einem sehnigen Fuchswallach.

Mit einem Satz war er im Sattel.

Flucht war im Augenblick seine einzige Möglichkeit. Er musste weg. Gegen die Übermacht einer ganzen Stadt kam er nicht an.

Der Wallach streckte sich.

Als Lassiter das Ende der Straße erreichte, krachten die ersten Schüsse.

Kugeln pfiffen an ihm vorbei. Er duckte sich tief im Sattel und vergrößerte seinen Abstand zu den Häusern mehr und mehr.

Fürs erste war er in Sicherheit.

Es würde gewiss seine Zeit dauern, bis sich die aus ihrer trägen Mittagsruhe aufgeschreckten Männer an die Verfolgung machten.

Lassiter ritt langsamer. Unnötige Hast konnte tödliche Folgen haben.

Und er musste nicht nur mit den Feinden rechnen, die bald hinter ihm sein würden.

Auch vor ihm lagen noch viele Gefahren. Das Gebiet, in das er hineinritt, war Indianerland. Es war das Land der Mohave-Indianer. Sie waren zwar schon vor Jahren von der Armee »befriedigt« worden, aber Lassiter wusste um ihre Gefährlichkeit.

Wenn sie ihn entdeckten, würde es sie bestimmt reizen, sein Pferd, seine Waffen und seinen Skalp zu erbeuten.

Leise fluchte er vor sich hin.

Für die Zukunft hatte er wieder mehr Feinde als ein Indianerhund Flöhe. Und das nur, weil alles anders gekommen war, als er es sich vorgestellt hatte.

Er hatte die Absicht gehabt, den Mann zu suchen, der zusammen mit anderen einen Geldtransport von Wells Fargo überfallen und zweihunderttausend Dollar erbeutet hatte.

Er hatte sich vorgenommen, diesen Schuft zu überführen und den wahren Sachverhalt ans Licht zu bringen.

Aber diese Bande, deren Boss offensichtlich Sheriff Ballard gewesen war, schien ausgezeichnet organisiert zu sein. Man hatte Lassiters Ankunft schon gemeldet, bevor er am Ziel war. Und um ein Haar wäre es dem verbrecherischen Sheriff geglückt, mit einem einzigen Schuss alles in Ordnung zu bringen.

Lassiter hatte Glück gehabt.

Und gleichzeitig sehr viel Pech.

Nun würde man ihn noch schärfer, noch erbitterter jagen.

Einen Sheriff zu töten, war ein bedeutend schlimmeres Verbrechen, als etwa einen Geldtransport zu überfallen.

Dass der Sheriff ein Verbrecher gewesen war, konnte Lassiter jetzt nicht mehr beweisen.

Außer den Vertretern des Gesetzes hatte er auch noch die Wells-Fargo-Agenten auf seiner Fährte. Und diese Männer waren unter Umständen noch gefährlicher als Sheriffs und Marshals.

Lassiter dachte an Sidney Blood, den Spezialagenten von Wells Fargo. Sidney Blood, genannt der Bluthund. Erster Mann in der Sicherheitsabteilung von Wells Fargo. Boss einer Privatarmee, die über das ganze Land verteilt war und ein unsichtbares Netz bildete.

Dieser Mann war hart, schonte sich selbst ebenso wenig wie seine Gegner. Er war intelligent, kannte sämtliche Tricks.

Aber er war auch fair.

Früher hatte er schon mehrmals Gelegenheit gehabt, Lassiter zu töten. Als Lassiter noch der erbittertste Feind von Wells Fargo war. Als er ihr tatsächlich großen Schaden zugefügt hatte.

Es war zu höllischen Auseinandersetzungen zwischen ihm und Sidney Blood, dem Vertreter der mächtigen Transportgesellschaft, gekommen. Immer wieder hatte Lassiter zugeschlagen, um sich das zurückzuholen, was ihm Wells Fargo genommen hatte.

Die Company war vergleichbar mit einem gefräßigen Moloch.

Mit Brutalität und Intrige hatte sie es geschafft, immer mächtiger und einflussreicher zu werden. Duldete keinen Konkurrenten neben sich. Schreckte nicht zurück vor Korruption und Mord.

Wenn etwas nicht nach ihren Wünschen klappte, setzte die Company ihre Privatarmee ein.

So auch damals bei Lassiter.

Er hatte sich gemeinsam mit seinem Freund eine Frachtwagenlinie in Colorado aufgebaut. Sie waren erfolgreich. Konnten nach vielen Entbehrungen hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.

Doch dann streckte Wells Fargo die gierigen Klauen aus.

Lassiter und sein Freund kämpften verbissen. Gegen die Macht der Company kamen sie nicht an.

Sie wurden vernichtet.

Niemals würde Lassiter den Anblick seines Freundes vergessen. Aus Verzweiflung hatte er sich das Leben genommen.

Lassiter jedoch hatte gekämpft.

Er hatte sich alles zurückgeholt, was Wells Fargo ihm genommen hatte. Und dadurch war er zum schlimmsten Feind der Company geworden.

Nun war wieder eine ähnliche Situation wie damals eingetreten. Mit dem einen Unterschied, dass Lassiter mit dem Überfall auf jenen Geldtransport nichts zu tun hatte.

Der tatsächliche Anführer der Bande war Sheriff Lex Ballard gewesen. Seinetwegen würde man Lassiter von jetzt an jagen wie ein wildes Tier.

Er wusste, dass vor ihm wieder einmal bittere Tage lagen.

Überall wartete auf ihn der Tod...

Er ritt meilenweit in die Cactus Plains hinein, ohne die Spuren von Menschen zu entdecken. Auch hinter ihm blieb es ruhig. Keine Staubwolke zeigte an, dass schon Verfolger auf seiner Fährte waren.

Nach etwa drei Stunden wandte er sich nach Süden. Die tafelglatte, von zahllosen Kakteen bewachsene Sandebene wurde von dunklen Bergen begrenzt. Lassiter ritt darauf zu. In den Bergen würde er mehr Sicherheit finden als hier in der Wüste, wo er meilenweit zu sehen war.

Die Sonne stand schon tief, als Lassiter die ersten Ausläufer der Berge erreichte.

Er fand ein Wasserloch in einer von Felsen umsäumten Senke und saß ab. Das Wasser war einigermaßen klar und schmeckte frisch. Ringsum gab es Gras und grüne Sträucher, die Nahrung für den Wallach boten.

Lassiter beschloss, die Nacht an diesem Platz zu verbringen. Er sattelte das Pferd ab und suchte anschließend Holz für ein Feuer zusammen.

Plötzlich hörte er Schüsse. Weiter südlich. Nach seiner Schätzung eine Meile von ihm entfernt. Ein heftiges Gefecht schien dort entbrannt zu sein.

Es war das Krachen von Revolvern und Gewehren. Von modernen, schnell feuernden Winchestern und alten einschüssigen Rifles.

Die Schüsse wurden untermalt von trillerndem Kriegsgeschrei.

Lassiter holte sein Pferd und sattelte es.

Als er aufsitzen wollte, verstummten die Schüsse. Leise wehte das Kriegsgeheul von Indianern zu Lassiter hin.

Ihm war klar, was das zu bedeuten hatte.

Ein paar Weiße waren von Indianern angegriffen und niedergemetzelt worden.

Höchstwahrscheinlich war dort überhaupt nichts mehr zu machen.

Trotzdem wollte Lassiter sich vergewissern. Im Interesse seiner eigenen Sicherheit. Ein Feind, den man kannte, war nicht mehr ganz so gefährlich.

Es war dunkel geworden. Mond und Sterne leuchteten.

Lassiter ritt durch das schmale Tal südwärts. Die Hänge wurden steiler und schroffer, die Berge höher.

Ein schmaler Canyon nahm Lassiter auf. Die Wände standen so eng beieinander, dass kein Mondlicht bis auf die Schluchtsohle fiel. Tiefe Finsternis umgab den einsamen Reiter.

Das Pferd suchte sich mit sicherem Instinkt einen Weg. Die Hufe klapperten auf dem felsigen Boden.

Immer wieder hielt Lassiter an. Horchte nach vorne.

Nach einer Weile wurde es vor ihm wieder heller. Die Canyonwände traten auseinander. Lassiter befand sich noch in der Dunkelheit, aber er konnte deutlich erkennen, was sich weiter vorne im Mondlicht abspielte.

Ungefähr zweihundert Schritt von ihm entfernt waren die Indianer. Es waren fünf Mann. Sie hockten um ein Feuer herum, das inmitten einer Baumgruppe flackerte. Eine Flasche kreiste.

In ihrer Nähe standen acht Pferde. Fünf Indianermustangs und drei Pferde, die weißen Männern gehört haben mussten. Sie standen da mit hängenden Köpfen, und die Indianer hatten ihnen weder die Sättel noch das Zaumzeug abgenommen.

Ein Stück weiter links lagen zwei reglose Gestalten.

Der dritte Mann stand gefesselt an einem Hickory. Hin und wieder tanzte flackernder Feuerschein über sein Gesicht.

Dieser Mann war so dumm gewesen, sich zu ergeben. Jetzt wartete auf ihn ein Ende, das bedeutend schrecklicher sein würde als der Tod, den die beiden anderen gestorben waren.

Wenn ihm Lassiter nicht half.

Gerade stand einer der Indianer auf. In seinem schulterlangen schwarzen Haar steckte eine Feder. Sie wippte auf und ab, als sich der Rote unsicheren Schrittes auf den Gefangenen zu bewegte.

Er war der Anführer der kleinen Horde und hatte offensichtlich dem Whisky schon zu sehr zugesprochen.

Er blieb dicht vor dem Gefangenen stehen, sagte etwas zu ihm und lachte dann laut.

Lassiter glitt aus dem Sattel und ließ die Zügel lang herabhängen. Der Wallach war ein ehemaliges Cowboypferd und hatte eine gute Dressur durchgemacht. Die hängenden Zügel waren für ihn gleichbedeutend mit dem Befehl, so lange hier zu warten, bis sein Herr zurückkam. Zum Zeichen, dass es nicht wiehern sollte, legte Lassiter ihm noch kurz die Hand auf die Nüstern und verschwand dann in der Dunkelheit.

Immer näher glitt er an das Lager der Indianer heran. Verließ die schützende Dunkelheit und arbeitete sich im Schutz von Felsen und Büschen weiter vorwärts.

Gut zwanzig Schritte trennten ihn noch von den Rothäuten und ihrem Gefangenen, als er sich wieder einmal hinter einem schützenden Stein vorsichtig aufrichtete und nach vorne spähte.

Gerade brachen die Indianer in raues Gelächter aus.

In das Gelächter gellte ein empörter Schrei.

Lassiter starrte verwundert.

Das war die Stimme einer Frau gewesen.

Und Lassiter sah jetzt erst, dass der Gefangene kein Mann war, sondern eine Frau.

Vorhin hatte er sich geirrt. Die Männerkleidung, die die Frau getragen hatte, war schuld daran gewesen. Und natürlich die Entfernung, die zwischen Lassiter und dieser Stelle gelegen hatte. Jetzt war einiges anders geworden.

Nicht nur die Entfernung, sondern auch der Zustand der Frau.

Innerhalb der letzten Sekunden, als Lassiter wieder im Schutz von Büschen und Felsbrocken ein Stück weiter nach vorne gekrochen war, hatte der Anführer der Indianer ihr die Kleider vom Leibe gerissen.

Die Frau stand nackt da. Nur unter den Stricken hingen noch verschiedene Stofffetzen.

Lassiter war gebannt von der Schönheit der Frau. Sie trug jetzt den Hut nicht mehr, und das lange schwarze Haar hing bis auf die Ansätze ihrer festen Brüste herab. Sie besaß einen geschmeidigen, irgendwie schlangenhaft wirkenden Körper.

»Ihr Bastarde!«, rief sie empört. »Bindet mich endlich los! Ihr bekommt von mir freiwillig, was ihr haben wollt. Aber hört damit auf, mich länger zu quälen.«

Keine Spur von Verzweiflung oder Furcht war ihr anzumerken. Ihre Augen sprühten Blitze. Ihre Stimme zitterte nicht einmal.

Sie war eine ganz besondere Frau. Das erkannte Lassiter sofort. Eine kühl berechnende Lady, die sich in ihr augenblickliches Schicksal ergab und auf ihre Chance wartete.

Die Rothäute lachten wieder.

Die Hände des Anführers glitten über den weißen Körper der Frau. Er sagte leise etwas, das Lassiter nicht verstehen konnte, und nestelte dann am Gurt seiner fransenbesetzten Leggins.

Die Frau blieb völlig gelassen, als wäre eine solche Situation für sie etwas völlig Normales.

Lassiter richtete sich hinter dem Stein auf. Er repetierte die Winchester und hielt sie im Hüftanschlag.

Nur die Frau sah ihn.

Ihre Augen waren weit aufgerissen. Unwillkürlich öffnete sie den Mund, als wollte sie etwas sagen. Aber im letzten Augenblick beherrschte sie sich. Wiederum ein Zeichen dafür, wie kaltblütig und erfahren diese schöne Frau war.

Die Indianer bemerkten ihn nicht. Noch nicht.

Sie hatten nur Augen für die Frau. Warteten in stummer Gier.

Lassiter näherte sich ihnen bis auf zehn Schritt.

Die Frau sah ihn kopfschüttelnd an. Es sah aus, als ob sie ihm signalisieren wollte: Nun schieß doch endlich! Worauf wartest du noch? Du hast nur eine Chance, wenn du sie überraschend angreifst!

Lassiter grinste.

Er stand mit leicht gespreizten Beinen da und wartete noch ab.

Die Indianer hatten ihn noch nicht entdeckt.

Ihre Aufmerksamkeit galt nur der Frau. Und dem Anführer, der sich seit nunmehr zwei Minuten vergeblich bemühte, die Frau in dieser Stellung zu vergewaltigen.

Es war ein grotesker Anblick, der zum Lachen reizte.

»Aufhören!«, rief Lassiter rau.

Die Indianer fuhren herum. Ihr Chief ließ von der Frau ab.

Sie alle schrien kehlig durcheinander.

Und sie griffen nach ihren Waffen. Sie dachten nicht daran, zu kapitulieren. Niemand! Sie waren fünf. Und er war allein. Ihr Ehrgefühl ließ es nicht zu, klein beizugeben.

Lassiter begann zu schießen. Schnell und präzise. Er traf keinen einzigen Indianer tödlich. Aber er verwundete sie so, dass sie vorerst nicht mehr an Kampf dachten.

Vier von ihnen bekamen eine Kugel.

Der fünfte ließ sein altes Springfield-Gewehr fallen und hob beide Hände in Schulterhöhe.

»Nicht mehr schießen!«, sagte er in gebrochenem Englisch. »Ich ergebe mich.«

Lassiter grinste hart.

»Lass die Frau frei!«, befahl er.

Der Indianer zog sein Messer aus dem Gürtel und durchtrennte mit ein paar schnellen Schnitten die Lederriemen.

Die Frau war kaum frei, als sie auch schon handelte. Ihr rechtes Bein flog nach oben. Sie traf den Indianer an seiner empfindlichsten Stelle.

Sein Gesicht wurde zur verzerrten Grimasse. Er heulte auf und taumelte zurück, beide Hände auf den Leib gepresst.

Lassiter stieß einen schrillen Pfiff aus. Gleich darauf klang Hufschlag auf, und sein Wallach trabte aus dem Dunkel des Canyons.

Die schwarzhaarige Frau hob ihre Kleider von der Erde auf und warf sie kopfschüttelnd wieder weg. Von den Sachen war nichts mehr zu gebrauchen. Nur ihre Stiefel, die sie noch immer anhatte, waren ganz geblieben.

»Macht nichts«, sagte sie lässig. »Ich habe noch ein paar Reservesachen in meinem Gepäck.«

So viel Kaltblütigkeit hatte Lassiter noch nie bei einer Frau erlebt.

Die vergangenen Ereignisse schienen ihr nicht das Geringste ausgemacht zu haben. Kein befreites, hysterisches Schluchzen war zu hören, kein Aufatmen war zu bemerken. Nicht einmal ein Wort des Dankes kam über ihre schöngeschwungenen Lippen.

Sie ging zu einem der drei Sattelpferde und nahm den Packen herunter, der hinter dem Sattel aufgeschnallt war. In den hochhackigen Reitstiefeln wirkte ihre Figur noch straffer und schlanker, als sie es in Wirklichkeit schon war.

Was für ein Weib!, dachte Lassiter fasziniert. Und er war entschlossen, sie näher kennenzulernen.

Der Indianerhäuptling hatte sich von seinem Schmerz erholt. Er kauerte aber noch immer auf der Erde und blickte fragend zu Lassiter hin.

»Kümmere dich um deine tapferen Krieger!«, sagte der große Mann ironisch. »Und dann verschwindet ihr von hier! Eure Waffen lasst ihr zurück. Ist das klar?«

Der Indianer grinste verschlagen und nickte heftig.

Lassiter erkannte, dass er dem Burschen nicht trauen konnte. Und er überlegte, ob es vielleicht nicht besser wäre, ihn zu töten. Erst dann konnte er sicher sein, nicht weiter belästigt zu werden.

Die Verwundeten kauerten mit stoischen Gesichtern auf der Erde. In ihren Augen wäre es selbstverständlich gewesen, wenn er sie jetzt getötet hätte. Es schien, als ob sie seine Großmut nicht ganz begreifen konnten.

Die Frau hatte sich angezogen. Sie trug knappsitzende Lewishosen und eine karierte Baumwollbluse.

Geschmeidig schwang sie sich auf ihr Pferd, eine schwarze Stute.

»Kommen Sie, Mister!«, rief sie Lassiter zu. »Ich habe keine Lust, hier auch nur eine Minute länger als nötig zu bleiben.«

Lassiter nickte grinsend und saß ebenfalls auf. Seite an Seite ritten sie schnell davon. Um ihre toten Begleiter kümmerte sich die Frau ebenso wenig wie um deren Pferde.

Als sie etwa eine halbe Meile geritten waren, hielt Lassiter an. Die Frau zügelte ihre Stute erst ein paar Längen weiter vorne.

Langsam kam sie zurück.

»Was ist?«, fragte sie heftig. »Willst du hier Wurzeln schlagen?«

Sie war ein verteufelt selbstbewusstes Weib. Anscheinend war sie es gewöhnt, Männern Befehle zu erteilen. Und deshalb wollte sie auch Lassiter gegenüber von vorneherein klarstellen, wer hier das große Sagen hatte.

Lassiter blieb völlig unbeeindruckt.

Er grinste.

»Ich glaube nicht, dass ich Lust habe, weiter mit dir zu reiten, Lady«, sagte er.

Zum ersten Mal bemerkte er bei ihr eine Spur von Unsicherheit, obwohl sie sich äußerlich gut in der Gewalt hatte.

Sie lächelte verführerisch.

»Du würdest mich tatsächlich allein lassen?«, fragte sie. »Eine hilflose Frau mitten in der Wildnis?«

Er ließ sich nicht beeindrucken.

»Ich habe auch meine Sorgen«, sagte er.

»Du wirst gejagt?«

Er zuckte die Schultern.

»Möglich.«

Sie runzelte die Stirn.

»Irgendwie kommst du mir bekannt vor.«

»Streng deinen schönen Kopf nicht zu sehr an«, sagte er. »Ich verrate dir es auch so. Mein Name ist Lassiter.«

Sie zeigte keine Überraschung.

»Ich habe es mir vom ersten Augenblick an gedacht«, murmelte sie. »Du bist also der Mann, der wegen dieses Überfalls auf den Wells-Fargo-Transport gesucht wird.«

»Und mit wem habe ich die Ehre?«, fragte er sarkastisch.

»Lana Wellington«, sagte sie. »Mein Haus liegt am Colorado. Ungefähr noch zwanzig Meilen von hier. Wenn du Lust hast, kannst du mein Gast sein.«

Ihr Blick und ihre leicht rauchige Stimme waren eine einzige Lockung.

Eine innere Stimme warnte Lassiter.

Diese Frau war nicht die sanft schnurrende Katze, als die sie sich im Augenblick gab. Sie war eher ein Raubtier, ein Teufelsweib.

Sein Instinkt sagte ihm, die Finger davonzulassen. Sein feines Gespür für gefährliche Situationen meldete es ihm ganz deutlich.

Aber seine Neugier war stärker.