Lassiter Sonder-Edition 52 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 52 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Aus schreckgeweiteten Augen sah Georgia, wie plötzlich wieder Leben in Lassiters Gestalt kam. Er stieß ein qualvolles, langgezogenes Ächzen aus und richtete sich dann auf. Seine Bewegungen waren seltsam steif und abgehackt.
Lassiter sah das lange Drachenmesser, das auf dem Tisch lag, und aus dem Hintergrund schallte die hohle Stimme des Khan aus der Gruft: "Nimm das Messer, Lassiter! Und dann geh hin und töte! Töte diese Frau!"

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Seitenzahl: 167

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

LASSITER IN DER TODESFALLE

Vorschau

Impressum

LASSITER INDER TODESFALLE

von Jack Slade

Der Mann kam von rechts. Lautlos wie ein Schatten und schnell wie der Blitz schoss er auf Lassiter zu. Im Mondlicht blitzte eine lange Messerklinge auf. Lassiter sah keine Möglichkeit mehr, nach irgendeiner Seite hin auszuweichen. Der Angriff kam für ihn viel zu plötzlich. Und viel zu überraschend.

Instinktiv tat er das einzig Richtige. Mit einer geschmeidigen Körperdrehung warf er sich dem Unbekannten entgegen. Er griff gleichzeitig nach dem Handgelenk des Burschen. Die lange Klinge fuhr zwischen seinem angelegten Oberarm und dem Brustkorb hindurch.

Der Angreifer glaubte bereits an seinen Sieg und stieß ein raubtierhaftes, triumphierendes Knurren aus. Und Lassiter spürte, dass die Klinge einen tiefen Schnitt durch die Muskulatur seines linken Oberarms und die Haut seines Rippenbogens gezogen hatte...

Er erkannte sofort, dass es eine unheimlich scharfe und zweischneidige Klinge war. Und er wusste, dass er jetzt schon tot wäre, wenn der Kerl ihn voll erwischt hätte.

Was wollte der Bursche von ihm?

Lassiter besaß nicht viel Geld, und er hatte auch keine Feinde hier in dieser Stadt.

Jetzt sah er das verzerrte Gesicht des Mannes dicht vor sich. Der Bursche hatte erkannt, dass er Lassiter nicht richtig erwischt hatte, und wollte die Hand mit dem Messer jäh zurückziehen.

Lassiter hielt das Handgelenk des anderen weiterhin umklammert, ließ es jedoch trotzdem zu, dass der Messerstecher den Arm zurückziehen konnte. Bis zu einem ganz bestimmten Punkt wartete Lassiter. Er lockerte seinen Griff noch ein wenig und keuchte, als könnte er den Arm des Gegners nicht länger festhalten.

»Stirb!«, zischte der Kerl und warf sich erneut mit aller Macht nach vorne.

Genau damit hatte Lassiter gerechnet.

Er packte wieder fester zu, drehte den Unterarm des Gegners mit einem blitzartigen, unwiderstehlichen Ruck in die andere Richtung.

Der Kerl starrte im nächsten Augenblick in sein eigenes Messer. Und sein eigener Vorwärtsdrang trieb ihn in die Klinge hinein.

Das Messer bohrte sich in seine Brust. Die Klinge verschwand so glatt und leicht in dem Körper des Mannes, wie Lassiter es noch nie zuvor erlebt hatte. Es war, als wäre das Messer in ein Stück Butter gefahren. Als wären weder Haut noch Muskeln noch Knochen vorhanden gewesen.

Der Mann hatte die Augen weit aufgerissen.

Aus seinem Mund drang ein entsetzlicher Schrei, schwoll schrill an, brach sich an den Häuserwänden und erstarb dann in einem Röcheln.

Lassiter hatte den Arm des Mannes bereits losgelassen. Er glitt zur Seite weg und sah zu, wie der Sterbende langsam nach vorne kippte und in der schmalen Fahrbahn der Seitenstraße liegenblieb.

Sofort kniete Lassiter neben ihm nieder und drehte ihn vorsichtig auf die Seite. Der kunstvoll verarbeitete Messergriff ragte aus der Brust des Mannes, und er hielt ihn mit beiden Händen umklammert.

Er atmete noch und sah Lassiter an. Seine weit aufgerissenen Augen begannen bereits ihren Glanz zu verlieren.

»Warum?«, fragte Lassiter. »Was wolltest du von mir?«

Die Lippen des Sterbenden bewegten sich.

»Geld...«, antwortete er mühsam. »Du hast doch Geld...«

Lassiter schüttelte den Kopf.

»Da bist du an die falsche Adresse geraten«, sagte er. »Pech für dich, mein Junge.«

»Aber sie haben doch gesagt, du hättest...«

Er brach mitten im Satz ab. Ein Zittern lief durch seinen Körper. Er riss unnatürlich weit den Mund auf, und mit einem erbarmungswürdigen Ächzen versuchte er noch einmal einzuatmen.

Im nächsten Augenblick fiel er in sich zusammen. Die verkrampften Hände lagen weiterhin um den Messergriff.

Lassiters Blick ruhte auf dem Ende des bronzenen Knaufs. Es war ein grüner Drachenkopf, aus dessen weit aufgesperrtem Rachen spitz und rot die Zunge hervorstach.

Obwohl Lassiter sich für das gesamte Messer interessierte, ließ er die Finger von der Waffe. Die ersten Männer näherten sich bereits, und sie sollten den Toten so sehen, wie er gestorben war. Lassiter hatte keine Lust, unnötige Schwierigkeiten auf sich zu ziehen.

Er richtete sich auf, als die Männer bei ihm waren.

Einer von ihnen trug den Marshalstern auf dem dunkelblauen Hemd. Fragend sah er Lassiter an.

»Ich wurde überfallen, Marshal«, sagte Lassiter. »Dieser Mann hatte das Pech, in sein eigenes Messer zu laufen.«

Der Marshal nickte kurz, kniete neben dem Toten nieder und bog ihm die Finger nach außen, bis er an das Messer herankonnte.

Er zog es aus dem Körper des Mannes und wischte die blutige Klinge an der Kleidung des Toten ab. Jetzt sah Lassiter, dass auch die Klinge mit einem Drachen verziert war.

Ähnliche Messer hatte er schon bei den Chinesen in San Francisco gesehen.

Aber der Tote war kein Chinese. Es war ein Weißer, genau wie alle anderen Männer, die Lassiter und den Marshal umstanden.

»Sagt dem Totengräber Bescheid!«, rief der Marshal. Dann sah er wieder Lassiter an und sagte: »Begleiten Sie mich bitte in mein Office, Mister. Ich muss ein Protokoll aufsetzen.«

Zehn Minuten später saßen sich Lassiter und der Marshal im Office gegenüber. Der Marshal stellte sich vor.

»Lee Mango, mein Name, Mister...«

»Lassiter.«

Der Marshal drehte das lange Messer zwischen den Fingern.

»Haben Sie so ein Ding schon mal gesehen?«, fragte er. »Sagt Ihnen dieser Drachenkopf was?«

»Chinesische Arbeit, schätze ich.«

Lee Mango nickte.

»Dasselbe nehmen wir auch an. Haben Sie eine Ahnung, warum der Mann Sie überfallen hat, Lassiter?«

»Nein«, murmelte Lassiter. »Ich habe nicht mehr als dreihundert Dollar in der Tasche. Dafür dürfte sich solch ein riskanter Überfall wohl kaum lohnen.«

»Haben Sie sonst irgendwelche Reichtümer?«, fragte der Marshal nachdenklich. »Sind Sie wohlhabend?«

»Ich besitze immer nur das, was ich bei mir trage, Marshal.«

In den Augen des Marshals war deutliches Misstrauen zu erkennen. Nach kurzem Zögern sagte er: »Dabei sehen Sie gar nicht wie ein armer Teufel aus. Aber lassen wir das. Vielleicht hat es diese Bande aus einem ganz anderen Grunde auf Sie abgesehen.«

»Eine Bande, Marshal? Ich bin seit gestern Mittag in der Stadt, habe aber noch nichts von einer Bande gehört.«

»Aber sie existiert«, gab der Marshal ernst zurück. »Ich gebe Ihnen einen guten Rat, Lassiter. Seien Sie vorsichtig! Passen Sie auf sich auf! Wenn es die Bande des grünen Drachen auf Sie abgesehen hat, ist Ihr Leben nicht mehr viel wert.«

»Die Bande des grünen Drachen?«, fragte Lassiter. »Nennen sich die Burschen so?«

»Wir nennen sie so.«

»Wir – wer ist das, Marshal?«

»Ich selbst, ein paar US-Marshals, Privatdetektive von Pinkerton. Und Geheimagenten von Wells Fargo.«

»Das ist ja eine kleine Armee«, sagte Lassiter erstaunt.

Seltsam. Jetzt war er schon seit anderthalb Tagen in der Stadt. Aber er hatte kein einziges Wort über diese Bande gehört.

Der Marshal schien Lassiters Gedanken gespürt zu haben.

»Nur ein kleiner Kreis von Eingeweihten weiß um die Existenz dieser Bande«, sagte er. »Deshalb ist es überhaupt nicht erstaunlich, dass Sie noch nichts davon gehört haben.«

»Und warum weiß die Öffentlichkeit nichts?«, wollte Lassiter wissen. Der Marshal schüttelte leicht den Kopf.

»Darüber darf ich nicht sprechen«, sagte er. »Ich kann Ihnen nur eines sagen: Es handelt sich nicht um eine gewöhnliche Bande, die sich mit Banküberfällen, Viehdiebstahl und ähnlichen Verbrechen bereichern will. Diese Bande arbeitet anders. Aber das darf ich Ihnen nicht sagen. Sie brauchen mich gar nicht erst danach zu fragen.«

Lassiter grinste.

»Ganz wie Sie wollen, Marshal. Aber vielleicht komme ich auch so noch hinter dieses Geheimnis.«

Marshal Lee Mango nickte.

»Zumindest werden Sie noch einmal mit der Bande zusammenstoßen. Da bin ich ziemlich sicher. Denn aus irgendeinem Grunde hat man es auf Sie abgesehen. Ich rate Ihnen noch einmal, Lassiter! Seien Sie vorsichtig! Mehr als diesen Rat kann ich Ihnen leider nicht geben.«

Lassiter stand auf und griff nach seinem Hut.

»Ich bin es gewöhnt, auf mich aufzupassen, Marshal«, sagte er gelassen. »So long...«

Der Weg zum Hotel führte ihn durch dieselbe schmale und dunkle Gasse, in der er von dem Messerstecher überfallen worden war. Diesmal achtete er sehr sorgfältig auf seine Umgebung, um nicht ein zweites Mal auf so unliebsame Weise überrascht zu werden.

Und ständig dachte er über die seltsamen Worte des Marshals nach.

Wer war diese geheimnisvolle Bande, die es offensichtlich auf ihn abgesehen hatte?

Warum wollte man ihn töten?

Verwechselte man ihn mit einem anderen Mann? Oder hielt man ihn vielleicht für einen Geheimbeauftragten der Regierung? Für einen der Männer, die auf die unheimliche Bande angesetzt worden waren?

Plötzlich blieb Lassiter stehen. Vor ihm in der Dunkelheit der engen Gasse hatte sich etwas bewegt.

Er legte die Hand auf den Revolverkolben. Sein Instinkt meldete ihm Gefahr. Er war ziemlich sicher, dass sich Menschen in der Gasse befanden.

Feinde.

Es mussten Feinde sein.

Lassiter verspürte leichte Nervosität. Und Wut. Nun wusste er seit einigen Stunden, dass sein Leben in Gefahr war, hatte aber nicht den geringsten Anhaltspunkt, aus welchem Grunde man es auf ihn abgesehen hatte. Das einzige, was er bis jetzt erfahren hatte, waren die vagen Andeutungen von Marshal Lee Mango.

Völlig reglos blieb er stehen, dicht neben der morschen Holzfassade eines alten Hauses. Stille.

Er starrte in die Dunkelheit, konnte aber nichts erkennen.

Hatte er sich getäuscht?

Hatten ihm seine Sinnesorgane einen Streich gespielt?

Er zog seinen Revolver und ging langsam weiter. Während er voranschritt, rechnete er damit, dass es jeden Augenblick vor ihm in der Dunkelheit aufblitzen würde.

Nichts geschah.

Lassiter entspannte sich wieder. Er grinste vor sich hin. Halb wütend, halb über sich selbst belustigt.

So wie in dieser Nacht hatte er sich noch nie zuvor beeindrucken lassen. Dabei war diese Situation im Grunde noch nicht einmal so unheimlich, wie es auf den ersten Blick den Anschein gehabt hatte.

Jemand hatte ihn überfallen und versucht, ihn zu erstechen.

Was war schon dabei?

So etwas passierte Lassiter nicht zum ersten Mal, und es würde ihm sehr wahrscheinlich noch öfter widerfahren.

Lassiter grinste noch immer, als er den Remington-Revolver ins Holster zurückschob.

Hundert Schritte weiter, am Ende der Gasse, sah er bereits den überdachten Vorbau des Hotels, in dem er wohnte. Zwei Lampen schaukelten leicht im Nachtwind und warfen gelbe Lichtkreise über die schmale, staubige Gasse.

Lassiter dachte daran, dass er sich gleich in der kleinen Hotelbar noch einen Whisky genehmigen würde, und anschließend...

Seine Gedanken wurden jäh durchbrochen.

Ein Mann war vor ihm aufgetaucht. Wie aus dem Nichts. Völlig geräuschlos. Gleich einem Schatten.

Ein großer Mann, dessen Konturen sich kaum von der Dunkelheit abhoben. Er trug einen langen, schwarzen Umhang und einen breitrandigen, schwarzen Hut. Und der Mann hielt den Kopf leicht gesenkt, sodass nur seine Kinnpartie zu sehen war.

Lassiter griff unwillkürlich nach seinem Revolver, zog die Waffe aber nicht.

Der seltsame Mann hielt ihn davon ab.

»Sie brauchen nicht zu kämpfen, Lassiter«, sagte er leise. »Ich habe nicht die Absicht, Sie anzugreifen. Ich will nur mit Ihnen sprechen. Sicherlich haben Sie Zeit für mich.«

Der Mann sprach sehr ruhig, fast gleichgültig. Aber in seiner Stimme war ein seltsamer Beiklang, der Lassiter warnte. Er erkannte, dass dieser Mann keinen Widerspruch dulden würde.

Noch immer lag Lassiters Hand auf dem Kolben.

»Wer sind Sie?«, fragte er rau. »Was wollen Sie?«

»Das erfahren Sie später«, gab der Fremde gelassen zurück. »Nehmen Sie jetzt die Hand von der Waffe. Es wäre zwecklos für Sie, den Kampf zu suchen. Mein Revolver ist nämlich bereits auf Ihre Brust gerichtet, Lassiter.«

Der Mann bewegte unter dem weiten, ärmellosen Umhang ein wenig die Hand. Trotz der Dunkelheit erkannte Lassiter, dass die Drohung kein Bluff war. Der Fremde hatte tatsächlich einen Revolver.

Lassiter grinste wütend.

»Und wenn ich trotzdem nicht mit Ihnen reden will?«, fragte er.

»Das wäre schlecht für Sie, Lassiter«, lautete die kühle Antwort. »In diesem Falle würden Sie nämlich ziemlich viel Geld verlieren.«

Lassiter war überrascht.

»Sie wollen mir ein Angebot machen?«, fragte er.

Der Mann nickte leicht.

»Sogar ein ganz ausgezeichnetes Angebot, Lassiter.«

»Vielleicht bin ich interessiert«, murmelte Lassiter. »Wie hoch soll die Summe sein? Und was werde ich dafür tun müssen?«

Er dachte daran, dass er in seiner augenblicklichen Situation sehr gut Geld gebrauchen könnte. Immerhin besaß er nur noch an die dreihundert Dollar, und damit kam ein Mann wie er nicht weit.

Der Unbekannte lachte leise.

»Sie sollten nicht so ungeduldig sein, Mister!«, sagte er gelassen. »Mich wundert übrigens Ihre Reaktion. Nach allem, was wir bisher von Ihnen gehört haben, soll Geduld eine Ihrer stärksten Tugenden sein. Ein Grund, warum unsere Wahl ausgerechnet auf Sie gefallen ist. Kommen Sie jetzt mit! Ich bringe Sie zu meinen Freunden. Dort werden Sie alles hören, was wir von Ihnen wollen.«

Lassiter nahm die Hand vom Kolben der Waffe.

Jetzt war er innerlich wieder eiskalt. Sicherlich wäre es ihm gelungen, den Mann im langen Umhang doch noch irgendwie hereinzulegen. Aber er verzichtete darauf. Und er war gespannt, was der Unbekannte von ihm wollte und wohin er ihn führen würde.

»Gehen wir!«, sagte er.

Der Mann wandte ihm den Rücken zu.

»Folgen Sie mir!«

Sekundenlang wunderte sich Lassiter über die Unbekümmertheit des Unbekannten. Aber gleich darauf wurde er vom Gegenteil überzeugt.

Hinter ihm tauchten zwei weitere Gestalten auf.

Lassiter warf einen kurzen Blick über die Schulter und sah, dass diese beiden genauso gekleidet waren wie der Mann, der vor Lassiter herschritt.

Auch ihre Gesichter waren unter den breiten Krempen der schwarzen Schlapphüte nicht zu erkennen.

Nach wenigen Schritten schon wandte sich der Mann an der Spitze nach rechts. Ein schmaler Durchlass zwischen zwei Häusern nahm die Gruppe auf. Sie überquerten einen von allerlei Gerümpel bedeckten Hof und kamen dann an eine Mauer, in die ein kleines Tor eingelassen war. Es knarrte in den Angeln, als es geöffnet wurde, und Lassiter folgte dem seltsamen Mann, ohne zu zögern.

Immer wieder dachte er an das, was ihm Marshal Lee Mango erzählt hatte.

Gehörten diese drei unheimlich wirkenden Gestalten zu der geheimnisvollen Bande, die von Geheimagenten, Privatdetektiven und Wells-Fargo-Leuten gejagt wurde?

Und wenn ja, was wollten sie dann von ihm?

Lassiter ahnte, dass sich bald der Zipfel eines tödlichen Geheimnisses vor ihm lüften würde.

II

Dunkles Gemäuer ragte in das bleiche Mondlicht. Ein Glockenturm, daneben die Ruine einer Kirche und die Überreste einiger anderer uralter Gebäude.

Es war die ehemalige Missionsstation, an der Lassiter am Vortag vorübergeritten war. Sie lag etwas außerhalb der Stadt und war schon vor einem halben Jahrhundert von den spanischen Mönchen aufgegeben worden, die die Mission gegründet hatten.

Lassiter und seine drei unheimlichen Begleiter betraten den Glockenturm. Der Mann an der Spitze zog an einem eisernen Ring, und eine Falltür klappte nach oben.

Kühle, gleichzeitig modrig riechende Luft schlug Lassiter entgegen. Der Mann vor ihm zündete eine Fackel an, und der zuckende Flammenschein geisterte über die Wände einer schmalen Wendeltreppe.

Schweigend stieg der Mann vor Lassiter her in die Tiefe. Ihre Schritte klapperten hohl auf den steinernen Stufen. Dann kamen sie in einen schmalen Gang. Am Ende des Ganges befand sich eine schwarze, eisenbeschlagene Tür. Wie von Geisterhand bewegt, schwang sie nach innen, als die Männer noch einen Schritt davon entfernt waren.

Lassiter blickte in ein von Kerzen erhelltes Gewölbe. Kerzen flackerten auf einem langgestreckten Tisch in der Mitte des Raumes. Ihr Lichtschein reichte bis zu den Wänden, an denen zwei Reihen von schweren steinernen Särgen standen.

Hier hatten die Mönche ihre Toten zur letzten Ruhe gebettet.

Dies war ihre Gruft.

Die drei Männer bei Lassiter blieben zwei Schritte vom Tisch entfernt stehen. Lassiter hielt ebenfalls an.

Im weiter vorne liegenden dunklen Teil der Gruft ertönte ein dumpfer Gong.

Dann löste sich eine Gestalt aus der Dunkelheit und erschien am Rande des Kerzenscheins. Dort blieb die Gestalt stehen. Schweigend und unheilverkündend.

Lassiter blickte in ein dunkles Augenpaar.

Es war alles, was er von dem Mann sehen konnte.

Das Gesicht war von einer grünen Seidenmaske verdeckt, und auf dem Kopf thronte der grüne Kopf eines Drachen, aus dessen weit aufgerissenem Maul rot und spitz die Zunge hervorstach.

Es war der gleiche Drachenkopf, den Lassiter an dem Messergriff gesehen hatte.

Das hier war also die Bande, von der der Marshal gesprochen hatte.

Die »Bande des grünen Drachen« – so hatte sie der Marshal genannt.

Lassiter war gespannt, was sie von ihm wollten.

Warum hatten sie ihn hierher geführt, nachdem er einen ihrer Männer umgebracht hatte?

Wollten sie wirklich mit ihm sprechen?

Oder hatten die Männer vor, ihn zur Vergeltung hinzurichten.

Lassiters Hand berührte leicht den Revolverkolben. Wenn sie ihm ans Leben wollten, so würde er es ihnen bestimmt nicht leicht machen. Dann würden in dieser Gruft bald mit Sicherheit nicht mehr nur die Gebeine von Mönchen ruhen.

Und der Bursche mit der grünen Drachenmaske und dem grünen Umhang würde die erste Kugel einfangen, das stand fest.

Jetzt begann der Maskierte zu sprechen.

»Hat er die Probe bestanden, Marquis?«

Der Mann, der Lassiter hierhergeführt hatte, deutete eine knappe Verneigung an.

»Ja, Meister«, sagte er. »Hätte er die Probe nicht bestanden, würde er jetzt nicht vor dir stehen, sondern auf dem Gesicht liegen.«

Lassiter starrte in die dunklen Augen des Maskierten. Der Dunkelgekleidete hatte ihn Meister genannt. So ließen sich meistens die Anführer von Geheimbünden anreden.

Und es gab wohl kaum noch einen Zweifel, dass es sich bei diesen Männern ebenfalls um einen solchen Geheimbund handelte.

Lassiter grinste.

»Darf ich endlich erfahren, was dieser Mummenschanz zu bedeuten hat, Leute?«, fragte er grob. »He, Mister, wenn ich mich recht erinnere, so hast du mir ein Geschäft vorgeschlagen. Wie ist es damit?«

Der Meister streckte den rechten Arm aus.

»Du hast Mut, Lassiter!«, sagte er. »Trotzdem möchte ich, dass du nur dann sprichst, wenn du etwas gefragt worden bist. Ich bin Kabul Khan, der Meister und Herr der Drachen. Ab heute bist auch du verpflichtet, auf meine Befehle zu hören. Was ich sage, ist Gesetz. Bist du bereit, meine Befehle auszuführen?«

Lassiter blieb unbeeindruckt.

»Ich bin unter Umständen bereit, Aufträge anzunehmen«, gab er kalt zurück. »Befehle sind mir zuwider. Wie würde ein solcher Auftrag aussehen, Mister?«

»Ich bin es gewöhnt, Meister genannt zu werden!«, fuhr ihn der Maskierte zornig an. »Du bist einer von ganz wenigen Männern, denen die Ehre zuteilgeworden ist, mir vor die Augen treten zu dürfen. Diese Ehre solltest du zu schätzen wissen.«

»Und wie komme ich zu dieser Ehre?«, fragte Lassiter ruhig.

Der Blick des Maskierten richtete sich auf den Mann, der Lassiter hergebracht hatte.

»Erkläre es ihm, Marquis!«

Wieder musste Lassiter grinsen. Unwillkürlich. Er konnte sich nicht ernst halten, obwohl er sich über den Ernst seiner Situation völlig im Klaren war.

»Ein Khan und ein Marquis«, bemerkte er spöttisch. »Ich scheine hier ja in eine erlauchte Gesellschaft geraten zu sein. Was für Fürsten habt ihr sonst noch hier? Vielleicht noch einen Zar, Kaiser, Großmogul, Tenno, Scheich oder weiß der Teufel, was es sonst noch alles gibt?«

Der Marquis drehte sich um.

Er hob jetzt so den Kopf, dass Lassiter mehr als nur die Kinnpartie sehen konnte. Aber auch das nützte nicht viel, denn der Mann trug eine bis über die Nase reichende schwarze Halbmaske.

»Spotte nicht, Lassiter!«, sagte er vorwurfsvoll. »Natürlich hat jeder von uns noch einen anderen Namen. Diese Bezeichnungen hier haben wir für uns ausgewählt, damit kein Uneingeweihter erfährt, wer wir in Wirklichkeit sind. Ich bin der Marquis. Unser Meister ist der Kabul Khan, der Herr der Drachen. Die beiden Gentlemen hinter dir werden der Grande und der Lord genannt. Zufrieden?«

Lassiter griff in die Tasche und holte ein Zigarillo hervor. Er zündete es an und rauchte genießerisch.

»Du wolltest mir noch was erklären, Marquis«, sagte er. »Warum ist diese zweifelhafte Ehre auf mich gefallen, dass ihr mich hierher gebracht habt? Hat das etwas mit dem Überfall auf mich zu tun?«

»Wie kommst du darauf?«

»Ich denke an das seltsame Messer mit dem Drachenkopf.«

Der Marquis nickte.

»Gut beobachtet, Lassiter«, sagte er. »Ja, es hängt mit dem Überfall auf dich zusammen. Der Mann, den du getötet hast, war bis heute unser bester und zuverlässigster Mörder.«

Lassiter horchte auf.

Er kombinierte schnell.

Jetzt wusste er Bescheid.

Jetzt hatte er die Lösung des Rätsels. Diese vier Männer hier waren die Bosse von einer Art Mordgeschäft. Dass es so etwas hier in Kalifornien geben sollte, hatte Lassiter schon mehrfach gehört, aber nie so recht glauben können.

»Warum habt ihr ihn auf mich gehetzt?«, fragte er. »Oder hat er es etwa aus eigenem Antrieb getan?«

Der Marquis lächelte grausam.