Lassiter Sonder-Edition 7 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 7 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Spätnachmittag unter der heißen Sonne von Sonora. Fünf Männer schaufelten ihre eigenen Gräber. Drei von ihnen waren Peones mit der hoffnungslosen Apathie ihrer Art. Der vierte war ein grauhaariger Mann in Anzug und weißem Hemd. Er zitterte und weinte.
Der fünfte Mann war Lassiter.
Das Exekutionskommando wartete. Die Soldados in beuteligen, olivgrauen Uniformen stützten sich auf ihre Gewehre. Ihr Kommandant, ein aufgeputzter, eitler Geck, der sogar ein Hüftkorsett unter der Uniform trug, stolzierte wichtigtuerisch hin und her, fuchtelte mit seiner Pistole in der Luft herum und schrie: "Andale, ihr Hunde! Grabt schneller! Eine Flasche und eine Frau warten bereits auf mich!"


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Seitenzahl: 185

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

LASSITERS GROSSER TRICK

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

XIII

XIV

Vorschau

Impressum

LASSITERS GROSSER TRICK

von Jack Slade

Spätnachmittag unter der heißen Sonne von Sonora. Fünf Männer schaufelten ihre eigenen Gräber. Drei von ihnen waren Peones mit der hoffnungslosen Apathie ihrer Art. Der vierte war ein grauhaariger Mann in Anzug und weißem Hemd. Er zitterte und weinte.

Der fünfte Mann war Lassiter.

Das Exekutionskommando wartete. Die Soldados in beuteligen, olivgrauen Uniformen stützten sich auf ihre Gewehre. Ihr Kommandant, ein aufgeputzter, eitler Geck, der sogar ein Hüftkorsett unter der Uniform trug, stolzierte wichtigtuerisch hin und her, fuchtelte mit seiner Pistole in der Luft herum und schrie: »Andale, ihr Hunde! Grabt schneller! Eine Flasche und eine Frau warten bereits auf mich!«

Dieser Roman erschien erstmals im Jahr 1970 als Lassiter-Taschenbuch Nr. 7 als Übersetzung aus dem Amerikanischen. Originaltitel: Sidewinder

Er lachte.

Der grauhaarige Mann bettelte: »So lassen Sie mich doch wenigstens noch mit einem Priester sprechen, Señor Colonel! Um der Liebe Christi willen...!«

»Für einen Dieb wie dich auch noch einen Priester? Nein!«, erwiderte der aufgeblasene Laffe schroff.

Schaufeln gruben sich knirschend in den Boden. Sand flog. Die Gräber waren beinahe tief genug.

In einiger Entfernung standen ein paar Zuschauer; in der Hauptsache Frauen, deren Gesichter bis auf die Augen unter einem Tuch verborgen waren. Frauen, die aller Wahrscheinlichkeit nach bald Witwen sein würden.

Eine halbe Meile östlich lag die Stadt Manteca. Auf einem Hügel dahinter thronte die große Casa des Generals José Peralta wie eine Festung.

Noch etwas weiter nach Osten erstreckten sich die Sierra Madres, die einen unermesslichen Reichtum an Gold und Silber in ihrem Schoß bargen.

Im Westen zog sich meilenweit eine knochenharte, ausgedörrte Ebene hin. Wesentlich näher, nur knapp drei, vier Meter hinter Lassiter, gab es eine halbverfallene Adobe-Mauer.

Und diese Mauer gedachte Lassiter für seine Zwecke zu benutzen. Jetzt.

Nach einem letzten aufmerksamen Rundblick, um sich jedermanns Position genau einzuprägen, stieß Lassiter seine Schaufel kräftig in den Boden, dann rief er: »Colonel...! Hier liegt ein großer Felsbrocken!«

»Como?«

Stirnrunzelnd kam der Geck näher. Seine Stiefelschäfte glitzerten in der Sonne. Er spähte ins Loch hinab.

Lassiter zuckte kurz mit Schultern und Armen.

Der Offizier bekam eine Schaufel Sand ins Gesicht geschleudert; er taumelte rückwärts, schrie gellend auf und rieb sich die Augen.

Lassiter sprang den Offizier mit einem wahren Panthersatz an, schlang ihm einen Arm um den Hals, entriss ihm die Pistole und drückte ihm die Mündung an die Schläfe.

»Steh ja still!«, zischte Lassiter. »Bei der geringsten Bewegung trinkt Mutter Mexiko dein Blut samt Gehirn!«

Der Mann schauerte vor Entsetzen heftig zusammen.

»Por el amor de Dios...!«, keuchte er.

Ein grimmiges Lächeln huschte flüchtig um Lassiters Mund, als er den angstschlotternden Offizier die gleichen Worte wiederholen hörte, die der grauhaarige Mann vor kurzem gebraucht hatte.

Lassiter verstärkte seinen Griff und begann rückwärts zu gehen. Er zerrte den Mann mit sich; als Schild gegen die Soldados, die das Geschehen offenen Mundes verfolgten.

Den anderen vier Hinrichtungskandidaten, die wie erstarrt neben den frisch ausgehobenen Gräbern standen, rief Lassiter zu: »Lauft! Verschwindet! Auseinander!«

Auch für sie eine winzige Chance... falls sie sie zu nutzen verstanden.

Lassiter bewegte sich um die Ecke der verfallenen Mauer. Er runzelte dabei unwillkürlich die Stirn und rümpfte die Nase, denn das stark duftende Gesichtswasser, das der Offizier benutzte, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Mann sich schon sehr lange nicht mehr gewaschen, geschweige denn gebadet hatte.

Hinter der Mauer brauchte Lassiter den Offizier nicht länger als Geisel. Er versetzte ihm einen heftigen Stoß und schleuderte ihn gegen die Ziegelwand. Der Mann sackte zu Boden und landete mit dem Gesicht im dicken Staub.

Lassiter sah sich noch einmal kurz um, dann rannte er los.

Hier und da gab es vereinzelte Gebüsche; Bittersalbei und Katzenklau; ab und zu Kakteen. Ein paar flache Bodenmulden würden notfalls etwas Deckung bieten.

Lassiter lief im Zickzack, schlug immer wieder Haken, rannte geduckt weiter, getrieben vom Verlangen, einen möglichst großen Vorsprung zu gewinnen, zu verschwinden, einen Platz zu finden, an dem er sich bis zum Einbruch der Dunkelheit verstecken könnte.

Hinter ihm schrie der Offizier nun Befehle. Seine Stimme klang halberstickt. Gewehre begannen zu krachen. Die Soldados reagierten reichlich spät.

Lassiter rechnete kaum damit, von einer Kugel getroffen zu werden. Die unterernährten und unterbezahlten Soldaten in Porfirio Diaz' Armee waren nicht gerade als Scharfschützen bekannt.

Lassiter warf sich in einer Mulde zu Boden, drehte sich herum und sah den Verfolgern entgegen. Sie kamen in weit ausgeschwärmter Linie. Lassiter versuchte einen Schuss aus der Waffe, die er in der Hand hielt. Es war eine ausländische Waffe mit langem Lauf und seltsam schrägem Griff; vielleicht ein französisches Modell. Das Ding entlud sich unter ohrenbetäubendem Krachen.

Die Waffe trug nicht weit genug und schlug viel zu weit nach rechts aus.

Lassiter runzelte die Stirn und wünschte sich, eine bessere Waffe zu haben.

Dann rannte er wieder los, bis er einen Bewässerungskanal erreichte, der von Ost nach West verlief. Lassiter hielt einen Moment am Ufer an, um die Entfernung bis nach Manteca zu schätzen.

Und da verließ ihn das Glück. Lassiter wurde getroffen... hoch an der linken Seite verspürte er einen harten Einschlag.

Mit einem Satz sprang Lassiter in den Kanal, duckte sich, rannte weiter in östliche Richtung, stapfte durch Schlamm und seichtes Wasser... immer auf den Hügel zu, auf dem das Haus von General Peralta stand, der die Hinrichtung befohlen hatte.

Lassiters linker Arm fühlte sich taub und gefühllos an; bald würde der Schmerz einsetzen. Lassiter legte hundert Yards zurück. Lautes Geschrei verriet ihm, dass die Soldados nun ebenfalls den Bewässerungsgraben erreicht hatten und sich in die neue Richtung wandten.

Lassiter drehte sich rasch einmal um. Alle Soldaten bis auf den Offizier befanden sich bereits im Wasser, der eitle Geck fürchtete wohl um seine lackglänzenden Stiefel und blieb deshalb lieber am Ufer.

Lassiter streckte die Waffe auf Armeslänge von sich und packte sie mit beiden Händen. Er zielte auf eine Stelle direkt über diesen Stiefeln, dann schwenkte er den Lauf eine Handbreit nach links und drückte ab.

Wieder ging der Schuss nach rechts.

Der Offizier brach zusammen.

Lassiter verließ den Wassergraben. In nördlicher Richtung gab es ein paar Bäume.

Die Soldados hatten eine kurze Pause eingelegt, doch jetzt nahmen sie die Verfolgung wieder auf.

Lassiter erreichte die Baumgruppe und verschwand dahinter. Vor sich sah er ein niedriges, weißgetünchtes Haus auftauchen; ein Adobe-Bau, ein Stall, ein Korral, der leer war. Dahinter war nirgendwo in der Nähe etwas zu entdecken, was als Deckung hätte dienen können.

Auf dieser Seite des Stalles waren etwa ein Dutzend Rinderhäute zum Trocknen aufgehängt, aber noch nicht gespannt. Lassiter rannte darauf zu, am Haus vorbei. Die Tür war geschlossen, die Fensterläden waren zugemacht. Niemand war zu sehen. Lassiter suchte sich die Haut in der Mitte aus, wand sich darunter und zog sie gut über sich auseinander. Er blieb stocksteif stehen und hielt in stoischer Ausdauer den stechenden, brennenden Schmerz im linken Arm aus.

Noch zwei Stunden bis zum Einsetzen der Dunkelheit.

Falls Lassiter diese Zeitspanne überleben sollte, könnte er damit beginnen, seine Rechnung mit General José Peralta zu begleichen.

Wenn nicht... noch steckten drei Kugeln in der Waffe, und Lassiter gedachte, für alle ein Ziel zu finden.

Die Soldados tauchten auf. Da ihnen niemand Befehle gab, waren sie unsicher und stritten sich untereinander. In der Nähe der aufgehängten Häute hielten sie an. Den Stimmen nach zu urteilen, dürfte es sich um drei, vielleicht vier Männer handeln. Sie feuerten zwei Schüsse ab. Die Kugeln klatschten gefährlich nahe in die Stallwand.

Hufschläge wurden hörbar. Ein Reiter näherte sich im Galopp.

Jemand rief: »Was ist denn hier los?«

»Der Gringo ist entwischt! Er ist in Richtung Stadt geflohen!«

»Dann muss er verrückt sein!«, antwortete der Reiter. »Wie alle Gringos! Wo ist Colonel Vasco?«

»Angeschossen! Dort hinten! Schlimm, aber er lebt noch.«

»Dios! Dann werde ich mich sofort um ihn kümmern müssen. Ihr verfolgt den Gringo weiter, verstanden? Durchsucht das Haus und auch den Stall. Einer von euch verständigt den General.«

Der Reiter galoppierte davon.

Die Soldados brachen die Haustür auf, sahen sich im Haus um, durchsuchten anschließend den Stall und zogen ab.

Lassiter stand steif und starr wie ein Toter unter der stinkenden, sonnendurchglühten Haut.

Der Schmerz in seinem Arm wurde immer intensiver. Eine Kugel steckte darin.

Manteca war eine mexikanische Stadt wie jede andere; sie breitete sich von einer zentralen Plaza aus. Hier gab es zwischen einigen kümmerlichen Bäumen einen Musikpavillon. Rund um die Plaza brannten hier und da ein paar Lichter hinter Fenstern. Es war bereits dunkel, als Lassiter die Stadt erreichte.

Auf der Ostseite gab es eine Steinkirche, im Norden mehrere Cantinas, in denen lebhafter Betrieb herrschte. Musik war weithin zu hören. Im Süden befand sich das Hotel, ein dreistöckiger Holzbau. Im Westen, Lassiter am nächsten, gab es ein paar weitere Gebäude mit Läden, Lagerräumen und Büros, die überwiegend im zweiten Stock lagen.

Als Lassiter gestern zum ersten Mal nach Manteca gekommen war, hatte er sich sehr aufmerksam überall umgesehen und sich die Lage der Stadt genau eingeprägt. Am meisten interessiert hatte ihn im Moment allerdings ein Blechschild, das an einem Balkon vor einem Fenster im zweiten Stockwerk eines Hauses herabbaumelte und die Aufschrift trug: Dr. Nicolas Lopez, Medico y Cirujano.

Lassiter näherte sich diesem Haus von hinten und benutzte eine Treppe auf der Rückseite.

Oben auf dem Hügel erstrahlte Peraltas großes Haus in vollem Lichterglanz. Dahinter schimmerte der Himmel in östlicher Richtung in rötlichem Glühen, verursacht durch die Schmelzöfen, in denen das Erz, vor allem das Gold, aus der Oro-Grande-Mine verarbeitet wurde.

Lassiter ging über den rückwärtigen Balkon. Hier gab es nur ein einziges erhelltes Fenster. Lassiter spähte vorsichtig durch die Scheibe. Kurz darauf öffnete er eine Tür und betrat einen Raum, der mehrere Schränke mit Glastüren, ein paar Stühle sowie ein gepolstertes Liegesofa enthielt. Letzteres diente dem Arzt zur Untersuchung und Behandlung seiner Patienten.

Lassiter hielt die Waffe schussbereit in der Hand.

»Silencio! Sind Sie der Doktor? Bueno. Dann ziehen Sie erst mal das Rollo dort am Fenster runter!«

Scharfe Augen hinter einer Nickelbrille musterten Lassiter durchdringend.

Dr. Lopez war ein schlanker, beinahe zierlicher Mann mit runzeligem Gesicht, hoher Stirn und spärlichem, schwarzem Haar.

Er war in Hemdsärmeln.

Ruhig befolgte er Lassiters Anweisung.

»Wie ich sehe, hat eine ihrer Kugeln Sie erwischt. Man hat die ganze Stadt bis zum Anbruch der Dunkelheit gründlich nach Ihnen abgesucht. Aber jetzt hat man die Suche wohl aufgegeben, glaube ich.«

»Die Kugel steckt noch drin«, sagte Lassiter. »Ich möchte sie raushaben.«

»Ohne Chloroform, nehme ich an? Das wird aber sehr schmerzhaft sein.«

Lassiter zerrte die Jacke vom linken Arm und setzte sich aufs Sofa.

Dr. Lopez griff nach einer Schere und entfernte den blutverkrusteten Hemdenstoff. Dann untersuchte er sehr gründlich die Wunde.

»Das Geschoss steckt im Muskel. Kein Knochen verletzt. Sie haben mehr Glück als Colonel Vasco. Ihre Kugel hat ihn nämlich in der Nähe von... hm... in der Nähe der Lenden erwischt. Wenn keine Infektion eintritt, wird er's zwar überleben, aber für ein paar Monate wird er auf jedes Vergnügen mit Frauen verzichten müssen.«

Der Doc benutzte eine Sonde.

Der Schmerz in Lassiters Arm schwoll an, aber Lassiter saß wie zu Granit erstarrt da und gab keinen Laut von sich. Erst als der Doc die extrahierte Kugel in ein Emaillebecken fallen ließ, stöhnte Lassiter erleichtert auf. Seine starre Haltung lockerte und entspannte sich.

Während der Doc den Arm verband, sagte er: »Sowie Sie über die nördliche Grenze sind, lassen Sie die Wunde von einem amerikanischen Arzt untersuchen und den Verband erneuern.«

Lassiter stand auf, bewegte den Arm ein paar Mal hin und her und antwortete: »Das könnte aber eine ganze Weile dauern.«

»Bis nach Arizona sind's weniger als hundert Meilen, Señor. Ein Pferd könnte ich notfalls für Sie auftreiben, falls das Ihr Problem sein sollte.«

Lassiter ging zur Außentür, öffnete sie einen Spalt und lauschte eine Weile. Dann kam er zurück und sagte: »Ich hätte lieber eine gute Waffe, wenn möglich einen Colt. Aber Sie könnten Ärger bekommen, wenn Sie versuchen, eine solche Waffe für mich aufzutreiben.«

Lassiter schob den bandagierten Arm wieder in den Jackenärmel.

»Mil gracias. Ich werde Sie später bezahlen.«

»No importa. Das ist nicht so wichtig.«

»Für mich schon. Ich bezahle immer meine Schulden.«

»Und Sie kassieren auch stets, was andere Ihnen schulden, nicht wahr?«, fragte der Medico lächelnd.

Lassiter sah den anderen scharf an.

Dr. Lopez fuhr fort: »Ein Mann in meiner Position weiß sehr viel. Ich behandle General Peralta wegen einer Lebergeschichte. Ihre Ankunft gestern hat ihn derartig geärgert und wütend gemacht, dass er Sie erschießen lassen wollte. Warum? Ich nehme an, dass Sie lediglich Geld von ihm wollten... und deswegen hat er Ihre Hinrichtung befohlen?«

Quien sabe?

Lassiter erinnerte sich an seine Unterhaltung mit Homer Brill. Das war am Abend vor drei Tagen in dessen Mine und Schmelze südlich von Bisbee gewesen.

»Hin und zurück, ein leichter Ritt«, hatte Brill ihn informiert. »Zeigen Sie Peralta den Schuldschein. Sagen Sie ihm, dass Sie die Summe für mich kassieren sollen. Zehntausend Dollar in US-Währung. Er hat das Geld. Er wird bezahlen. Bringen Sie mir das Geld. Zehn Prozent davon können Sie für Ihre Mühe behalten. ›sta bueno?«

Aber Peralta hatte nicht bezahlt. Er hatte Lassiter in eine vergitterte Zelle in diesem festungsartigen Haus dort oben auf dem Hügel werfen lassen. Heute hatte er befohlen, Lassiter unten an der Adobe-Mauer zu erschießen.

Lopez sagte: »Nach Ihrer Flucht hat der General seine Leibwache verdoppelt... diese gringo cabrones, die für ihn mit Gewalt durchsetzen, was er den Leuten dieser Stadt antun will.«

Der Medico begann plötzlich mit langen Schritten auf und ab zu gehen.

»Diese Handlanger von Peralta, der wiederum nur ein Handlanger von Porfirio Diaz ist, der in seinem Präsidentenpalast sitzt... sie alle saugen Mexiko das Blut aus!«

Lassiter zuckte die Schultern. Die Politik dieses unterdrückten Landes ging ihn nichts an. Auf dem Wege zur Tür blieb Lassiter noch einmal stehen.

»Kennen Sie einen Mann namens Homer Brill?«, fragte er.

»Si. Er war vor ein paar Monaten hier, um sich von mir eine verletzte Hand behandeln zu lassen. Messerstich. Wahrscheinlich von irgendeinem Kampf. Er hat eine Frau. Ein sehr üppiges Geschöpf mit flachsblondem Haar. Sie war auch schon einmal in Manteca. Ich glaube, die beiden sind mit Peralta befreundet.«

Dann hatte Brill vielleicht mit Peralta gepokert. Daher der Schuldschein.

Brill und Peralta waren beide Minenbesitzer und schmolzen Gold ein. Zehntausend Dollar sollten also für beide nicht viel bedeuten.

Warum hatte Peralta dann befohlen, Lassiter zu erschießen? Lassiter wollte gehen.

Lopez rief drängend: »Warten Sie!«

Lassiter blieb stehen.

Lopez fuhr fort: »Bleiben Sie hier. Lassen Sie mich hinausgehen. Vielleicht kann ich etwas für Sie erfahren... eine Möglichkeit, wie Sie an Peralta herankommen können. Um von ihm zu kassieren.«

»Ach? Und was springt für Sie dabei heraus?«, fragte Lassiter unverblümt.

»Vielleicht nichts... vielleicht alles! Falls es keinen Ärger geben sollte, dürfte ich kaum länger als eine Stunde fortbleiben.«

Der Doc zog bereits eine Jacke mit langen Rockschößen an.

Lassiter beobachtete, wie der andere hastig das Haus durch den Vordereingang verließ. Eine Tür wurde geöffnet und wieder zugeschlagen.

Lassiters Arm schmerzte. Er ignorierte es.

Die ganze Sache hier gefiel ihm nicht. Aber immerhin... noch stellte diese Stadt für ihn eine tödliche Falle dar. Ein Ort war hier für ihn genauso gefährlich – oder sicher – wie der andere. Und es bestand letzten Endes die Chance, dass Dr. Lopez ihm tatsächlich helfen wollte.

Lassiter machte sich an eine rasche Durchsuchung der beiden Räume, die der Medico hier bewohnte. Er fand nichts Besonderes. Am meisten interessierte ihn noch eine Instrumententasche, die fünf Skalpelle enthielt. Er zog das Kleinste heraus und prüfte die dünne Schneide mit dem Daumen. Unglaublich scharf. Schon der kleinste Druck genügte, um die Haut zu ritzen und einen Blutstropfen herausquellen zu lassen.

Lassiter gab einem jähen Impuls nach, raffte ein Hosenbein hoch und schob das schmale Skalpell seitlich in den Stiefelschaft. Er hatte stets gern eine zusätzliche Waffe bei sich, von der niemand etwas ahnte. Diese hier hatte noch den Vorteil, an einer Stelle versteckt werden zu können, die normalerweise kaum näher untersucht wurde.

Die Minuten tickten dahin.

Lassiter hatte die Hintertür einen winzigen Spalt offengelassen. Nur der Lärm aus den Cantinas störte die Stille der Nacht.

Doch dann hörte Lassiter plötzlich ein anderes Geräusch draußen auf dem Balkon. Es hörte sich an wie das schwache Rascheln von Seide.

Lassiter ging zur Tür und blieb daneben stehen. Er hob die Hand mit der französischen Waffe.

Die Balkonbrüstung befand sich etwa sechs Meter über dem Boden. Falls Lassiter von hier verschwinden musste, würde er einfach dort hinunterspringen, statt zu versuchen, die Treppe zu benutzen.

Die Tür wurde langsam von außen aufgedrückt. Jemand betrat den Raum.

Lassiter bewegte sich mit pantherhafter Geschmeidigkeit. Wieder einmal schlang er einer anderen Person von hinten einen Arm um den Hals und presste ihr die Mündung der Waffe in den Rücken.

Ein üppiger, weicher Körper wand sich in Lassiters Griff. Leichter Moschusduft stieg ihm in die Nase. Seidiges Haar strich über sein Gesicht.

Lassiter hatte eine Frau gefangen!

Nachdem er sie losgelassen hatte, drehte sie sich nach ihm um und sah ihn an.

Dunkle Augen, lohfarbene Haut, loses Haar; steifer Baumwollrock, darüber eine Chino-Bluse.

Und sie war barfuß; daher diese fast geräuschlose Annäherung.

»Kommen Sie mit!«, hauchte sie. »Schnell, schnell!«

Knapp zwanzig Jahre alt, schätzte Lassiter.

»Tun Sie, was ich sage!«, drängte das Mädchen. »Dr. Lopez ist festgenommen worden! Und er ist nicht sehr stark und widerstandsfähig. Vielleicht hat man bereits aus ihm herausgepresst, dass Sie hier sind!«

Lassiter hörte plötzlich einen lauten Krach aus dem angrenzenden Raum, dann schwere Stiefelschritte.

»Vaya!«, flüsterte Lassiter und deutete zur Hintertür.

Sie huschten über den Balkon und dann die Treppe hinab; die Frau immer einen Schritt vor Lassiter her. Sie rannten durch einen schmalen, dunklen Gang, als oben auf dem Balkon jemand etwas rief. Dann krachte ein Schuss. Die Kugel pfiff irgendwo in der Nähe vorbei.

Lassiter sah hastig noch einmal zurück und sah die dunkle Silhouette einer Gestalt oben auf dem Balkon. Er hob die Hand mit der Waffe, hielt wieder etwas nach links und drückte ab. Der Mann auf dem Balkon stieß einen gellenden Schrei aus und brach zusammen. Sein Körper schlug dumpf auf den Planken des Balkons auf.

»Einer weniger von ihnen«, sagte die Frau.

Sie lief leichtfüßig immer noch einen Schritt vor Lassiter her. Kurz vor der nächsten Ecke streckte Lassiter jedoch eine Hand aus, hielt das Mädchen energisch an der Schulter zurück und befahl: »Halt! Von hier an laufen Sie hinter mir her!«

Sie gehorchte wortlos.

Im nächsten Moment presste sich Lassiter hart gegen eine Wand. Er hatte Schritte gehört, die aus einer Querstraße kamen.

Eine Stimme brummte etwas vor sich hin. Es hörte sich missgelaunt an. Ein anderer antwortete ebenfalls grollend.

Lassiter hoffte, dass es nicht mehr als zwei sein würden.

Es war sehr dunkel. Heute Nacht gab es keinen Mondschein.

Zwei Soldados bogen um die Ecke. Ihre Gewehre hielten sie mehr oder minder schussbereit.

Lassiter sprang sie an, breitete beide Arme aus, bekam die Köpfe der Soldados zu fassen und schlug sie aneinander.

Einer der beiden taumelte wie ein Betrunkener zur Seite, stürzte und landete mit dem Gesicht im Straßendreck. Der andere stolperte gegen eine Wand und sackte hier zusammen. Dabei gelang es ihm jedoch noch, sich umzudrehen und eine langläufige Pistole zu ziehen.

Lassiter versetzte ihm einen derben Tritt gegen das Brustbein. Pfeifend entwich die Luft aus den Lungen des Getroffenen.

Mündungsfeuer blitzte dicht vor Lassiters Gesicht auf, doch die Kugel traf ihn nicht.

»Venga!«, rief das Mädchen. »Kommen Sie!« Es rannte bereits weiter.

Lassiter hatte keine Zeit, sich zu bücken und dem anderen die Pistole zu entreißen. Der Schuss würde bald die ganze Gegend alarmiert haben. Von der Plaza drangen bereits laute Zurufe herüber. Dazwischen erklangen vereinzelte Hufschläge.

Lassiter hetzte dem Mädchen in langen Sprüngen nach.

Der Weg führte durch dunkle Straßen und Gassen; zwischen dunklen Häusern und Hütten hindurch.

Es dürften kaum mehr als zwei Minuten vergangen sein, aber Lassiter kam es wie eine halbe Ewigkeit vor.

Wohin brachte ihn dieses fremde Mädchen?

In dieser Stadt schienen alle Bewohner bei Nacht in ihren Häusern zu bleiben; man fürchtete zweifellos Peralta.

Immer lautere Geräusche verrieten, dass die Verfolgungsjagd in vollem Gange war.

Lassiter und das Mädchen befanden sich jetzt in einer Straße, die abrupt vor ihnen endete. Dahinter erstreckte sich offenes Gelände.

Von rechts kam ein Reiter in scharfem Galopp. Er trieb sein Pferd mit einem Sprung über einen niedrigen Zaun, brachte es dann mit scharfem Zügelruck zum Stehen und sprang aus dem Sattel.

Er packte das Mädchen, das sich keuchend loszureißen versuchte. Stoff wurde zerfetzt.

Und dann war Lassiter heran.

Der Mann versuchte, seine Waffe zu ziehen.

Lassiter knallte dem anderen eine Handkante gegen die Kehle und jagte eine geballte Faust gegen den Kopf des Mannes.

Für Lassiter ging es stets darum, einen Kampf so schnell wie möglich zu entscheiden und zu gewinnen, ganz gleich, mit welchen Mitteln. Aber manchmal traf er auch auf einen Gegner, der es genauso hielt.

Und dies war hier wieder einmal der Fall. Der Mann war geschmeidig wie ein Aal. Er bewegte sich unglaublich schnell und mit gerissenen Körpertäuschungen.

Drei von Lassiters nächsten Schlägen gingen daneben. Sein Stoß mit dem Knie hatte ebenfalls nicht die volle Wirkung. Dafür musste er selbst zwei harte Schläge einstecken, die verdammt wehtaten.

Sein Gegner fluchte dabei vor sich hin... auf Englisch. Er war also ebenfalls ein Gringo, einer von denen, die sich Peralta aus dem Norden hatte kommen lassen, um sie auf seine Lohnliste zu setzen.

Jetzt tänzelte der Mann geschickt ein, zwei Schritte zurück und versuchte erneut, seine Waffe aus dem Holster zu reißen.

Lassiter hob blitzschnell ein Bein und trat gegen den Arm. Der Bursche heulte vor rasendem Schmerz gellend auf. Seine Waffe flog in hohem Bogen durch die Luft. Lassiter sprang ihn erneut an, war über ihm, trat zu, trommelte mit beiden Fäusten auf ihn ein und schlug ihn zusammen. Dann war er wieder auf den Beinen und rannte hinter dem Mädchen her.

Hinter sich hörte er laute Schreie. Andere Männer waren auf das Geheul des Reiters aufmerksam geworden. Hufschläge kündigten an, dass weitere Reiter auftauchten.