Lassiter Sonder-Edition 70 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 70 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

"Komm nur, Lassiter!", rief Savannah mit schneidender Stimme. "Ich habe soeben Red John getötet. Und auch dich werde ich zur Hölle schicken. Ich bin hier die Herrin über Leben und Tod. Niemand wird meine Pläne durchkreuzen. Auch du nicht, Lassiter!" Lassiter stand reglos da und starrte auf die schöne Frau. Sie hielt den Revolver schussbereit in der rechten Hand, und hinter ihr lag Red John. Selbst jetzt war sie noch von faszinierender Schönheit, aber in ihren Adern floss das heiße Blut einer Wölfin.


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Seitenzahl: 173

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

LASSITER UND DIE FELSENHERRIN

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

Vorschau

Impressum

LASSITER UND DIE FELSENHERRIN

Als Lassiter endlich den felsigen Hang erklettert hatte, fielen unten im Tal die letzten Schüsse.

Er hatte sich beeilt, aber er war zu spät gekommen.

Seinen Augen bot sich ein Bild des Grauens und der Verwüstung. Überall lagen tote Rinder und Pferde wie hingemäht in der grellen Sonne. Die Corallumzäunung war zerstört, die kleine Scheune stand in lodernden Flammen.

Nur das Blockhaus stand noch. Sieben Reiter hatten es umzingelt und beobachteten es mit dem lauernden Ausdruck hungriger Wölfe.

»Kommt endlich raus!«, rief einer der Belagerer. »Verlasst den Bau, oder wir zünden euch das Dach über dem Kopf an! Dann verbrennt ihr bei lebendigem Leibe!«

In der Hütte rührte sich noch immer nichts.

Lassiter glitt etwas weiter den Hang hinunter und ging schließlich zwischen einer Anhäufung großer Felsen in Deckung.

Gerade schwang die von Kugeln zerschossene Tür des Blockhauses nach außen auf. Eine Gestalt erschien in der Türöffnung und kam schwankend ins Freie.

Es war eine Frau mit langem schwarzem Haar. Eine Indianerin.

Einer der Reiter schwang sein Lasso, und im nächsten Augenblick zog sich die Schlinge um den Oberkörper der Frau zusammen.

Mit einem harten Ruck wurde sie zu Boden gerissen und ein Stück von der Hütte weggeschleift. Sie machte nicht den geringsten Versuch, sich zu wehren. Sie wusste, dass es zwecklos war. Es würde nur noch schlimmer für sie werden.

Lassiter presste die Lippen zusammen.

Zorn stieg in ihm auf, obwohl ihn dieser Kampf nichts anging. Er war fremd in diesen Bergen, kannte die Menschen dort unten nicht. Aber er wusste auch so, was dort unten los war.

Es war das alte Spiel.

Wieder einmal waren ein paar großspurige, gnadenlose Burschen dabei, einen der Kleinen zu erledigen. Einen Mann, der ihnen im Wege war für bestimmte Pläne. Es konnte sich bei dem Anwesen um den Rancho eines zivilisierten Apachen handeln, der sich in diesem kargen Tal sesshaft gemacht hatte. Vielleicht war es auch ein sogenannter Squawmann, einer jener seltenen Weißen, die sich eine Indianerin zur Frau genommen hatten und damit von der übrigen weißen Bevölkerung kaum noch respektiert wurden.

Das war dann auch der Grund dafür, warum sie sich in die Einsamkeit zurückzogen und kaum noch in einer Stadt blicken ließen.

Lassiters Aufmerksamkeit konzentrierte sich wieder auf die Tür des Blockhauses.

»Nicht schießen!«, rief eine helle Stimme.

Diesmal kam ein Junge aus der Hütte. Lassiter schätzte ihn auf ungefähr vierzehn Jahre. Er hatte eine fast dürre, schlaksige Gestalt. Blut klebte auf seinem Gesicht. Um den Kopf hatte er ein buntes Tuch als Verband gewickelt.

Es war ein Anblick, der einem leidtun konnte.

Der Junge hob die Hände in Schulterhöhe. Sein Gesicht war von einer Mischung aus Trotz und Angst gezeichnet.

Wieder flog ein Lasso durch die Luft. Die Schlinge senkte sich, und der Junge machte nicht die geringste Abwehrbewegung. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte.

Hart wurde er zu Boden gerissen und bis neben die Frau geschleift.

»Und jetzt zu dir, Raven!«, rief der Anführer der Horde. »Komm raus aus deinem Bau!«

Keine Antwort. In dem Blockhaus blieb es still.

»Mein Vater ist tot!«, schrie der Junge verzweifelt. »Ihr habt ihn ermordet! Was hat er euch Hundesöhnen getan?«

Die Reiter lachten rau.

Der Anführer nickte kurz seinen Leuten zu.

»Sherman und Baxter!«, sagte er. »Seht nach.«

Zwei Männer stiegen von den Pferden und näherten sich vorsichtig dem Eingang des Blockhauses. Die anderen hielten ihre Gewehre schussbereit und spähten wachsam auf Tür und Fenster.

Langsam drangen die beiden Männer vor und glitten über die Schwelle.

Sekundenlang herrschte gespannte Stille.

Dann krachten plötzlich mehrere Schüsse. Ein Mann schrie gellend auf. Schreiend und mit verzerrtem Gesicht taumelte er ins Freie. Er hielt die Hände verkrampft vor der Brust und brach langsam zusammen.

Die anderen brüllten wütend auf. Ihre Gewehre spuckten Feuer und heißes Blei, und der Kugelhagel fegte durch die Fenster und die offenstehende Tür.

Es wurde nicht zurückgeschossen.

In der Hütte schien endgültig alles Leben erloschen zu sein.

Der Anführer hob den Arm. Es wurde wieder still. Reglos lagen die Frau und der Junge zwischen Steinen und dornigem Gestrüpp und starrten voller Angst auf die Reiter.

Der Anführer saß ab, kam auf die beiden zu und blieb breitbeinig über ihnen stehen. Auf seinem Gesicht spiegelten sich Hass und kalter Zorn.

»Verdammte Brut!«, knurrte er. »Du kleiner Bastard hast uns hereingelegt. Nur deshalb hat dein Alter noch zwei von uns erledigen können ...«

Er trat zu, und seine Stiefelspitze knallte dem wehrlosen Jungen gegen die Rippen. Der schlanke Körper bäumte sich auf, und ein erstickter Schmerzensschrei drang aus seiner Kehle.

Noch einmal trat der Mann zu. Der Junge wurde ein Stück zurückgeschleudert und blieb wimmernd liegen.

Der Anführer steigerte sich noch in seiner Wut. Er war ein hagerer Mann, ungepflegt und mit einem hässlichen Gesicht. Die gelbliche Haut spannte sich wie getrocknetes Leder über den Wangenknochen, und die Augen lagen tief und totenkopfähnlich in ihren Höhlen. Rötliches Bartgestrüpp wucherte um den schmalen Mund. Unter dem zerbeulten, breitkrempigen Hut fiel strähniges Haar bis über die Ohren.

In seiner gesamten Erscheinung wirkte er abstoßend.

»Wir werden euch hängen!«, schrie er den Jungen an. »Dich und deine verdammte rothäutige Mutter. Und wenn der alte Schuft noch lebt, wird er ebenfalls aufgeknüpft.«

Er wollte sie lebend haben, deshalb hatte er die Hütte noch nicht anzünden lassen. Nur die kleine Scheune brannte noch immer lichterloh. Sie stand weit genug von der Hütte entfernt, so dass das Feuer nicht überspringen konnte.

Der Anführer wandte sich wieder seinen Leuten zu.

»Jetzt gibt's kein Risiko mehr«, entschied er. »Steckt den Bau in Brand. Wenn der alte Satan noch immer leben sollte, wird ihn die Hitze schon raustreiben.«

Die Kerle trafen sofort ihre Vorbereitungen. Zwei von ihnen nahmen Blechkanister von ihren Sätteln und glitten damit von zwei Seiten auf die Hütte zu. Die anderen hielten die Tür und die Fenster im Auge, aber nichts rührte sich.

Lassiter wartete gespannt in seinem Versteck.

Die ersten Flammen züngelten an den ausgetrockneten Holzwänden empor und breiteten sich unheimlich schnell aus. Es dauerte nur Minuten, bis das ganze Blockhaus in lodernden Flammen stand.

Die Frau und der Junge wollten sich aufrichten. Aber als sie sich in ihren Fesseln bewegten, zogen die Reiter ihre Lassos sofort wieder stramm. Die zähen, struppigen Pferde führten die Seitwärtsbewegung schon mehr von selbst aus, denn sie waren als Rinderpferde darauf dressiert.

Und dann erscholl in dem brennenden Blockhaus ein markerschütternder Schrei.

Ein Mann tauchte mitten in den Flammen auf.

Er hielt einen Revolver in der Faust. Das Feuer hüllte ihn ein, und doch stand er noch auf seinen Beinen.

Die Waffe donnerte auf und brüllte ihr tödliches Lied hinein in die Hitze von Feuer und Sonnenglut.

Er schoss, bis keine Kugel mehr in der Trommel war. Er stand aufrecht bis zum letzten Moment, obwohl das sengende Feuer ihn einhüllte und er von mehr als einem halben Dutzend Kugeln getroffen worden war.

Jetzt brach er zusammen. Er blieb liegen auf der brennenden, von Flammen eingehüllten Schwelle der Blockhütte, und die Balken stürzten über ihm zusammen.

Er merkte nichts mehr von allem. Er konnte nichts mehr spüren von der sengenden Hitze, von der alles verzehrenden Höllenglut, die ihn einhüllte und nichts mehr von ihm übriglassen würde.

Vier Mann waren es jetzt noch. Denn einen hatte der bärenhaft wirkende Mann im Blockhaus noch mitnehmen können auf die lange Reise ohne Wiederkehr.

Die vier Halunken kümmerten sich nicht mehr um die brennenden Gebäude. Dieses Kapitel war für sie abgeschlossen. Es gab für sie nur noch eines zu tun.

Sie wollten einen Schlussstrich ziehen unter diesen grausamen, unerbittlichen Kampf.

Jetzt wollten sie sich nur noch rächen für den Tod ihrer Kumpane.

Für Lassiter gab es keinen Zweifel, was nun folgen würde. Und er machte sich Vorwürfe, dass er nicht schon längst in die Auseinandersetzung eingegriffen hatte.

Aber hatte er wissen können, dass der Mann im Blockhaus noch lebte? Hätte er ihn überhaupt noch retten können?

Lassiter war ein Außenstehender. Er hatte durch Zufall die Schüsse gehört. Und er hatte sich auf den Weg gemacht, um nachzusehen, was hinter dem steinigen Hang los war.

Er war Zeuge von Überfall und Mord geworden. Und er sollte auch noch Zeuge eines weiteren, noch grausameren Mordes werden.

Seine Ahnung wurde zur Gewissheit.

Die vier Kerle begannen bereits, ihre Vorbereitungen zu treffen. Zuerst fesselten sie den Jungen, bis er sich nicht mehr bewegen konnte. Er wehrte sich verzweifelt, als sie die Stricke um seine Beine und Arme schlangen und sie brutal zuknoteten. Er trat aus, spuckte, schrie und versuchte zu kratzen und zu beißen.

Er gebärdete sich wie ein junger Wolf, den man eingefangen hatte. Aber gegen die überlegene Kraft dieser brutalen Burschen hatte er keine Chance. Schließlich lag er hilflos da und hatte nicht einmal mehr die Energie, seinen Schmerz in die Welt hinauszuschreien.

Die vier Schufte kümmerten sich von jetzt an um seine Mutter.

Höhnisch lachend stand der bärtige Anführer über der weinenden Frau.

»Jetzt wollen wir erst mal unseren Spaß mit dir haben, du braune Hexe!«, rief er mit unangenehm heiserer Stimme. »Erst nachher hängen wir dich auf. Zusammen mit diesem jungen Bastard. – Fangt an, Jungs! Reißt ihr die Kleider vom Leibe! Ich will als erster ›ran!«

Drei Kerle zogen ihre Messer und beugten sich über die wehrlose Frau. Ihr Anführer stand höhnisch grinsend daneben, um sich an dem teuflischen Schauspiel zu weiden. Für Lassiter aber war die Grenze erreicht.

Ruhig erhob er sich hinter seiner Deckung und schritt ein Stück den steinigen Hang hinab.

Unten wurde das blaue Kattunkleid der Frau gerade in Fetzen gerissen. Sie schrie nicht mehr, lag apathisch und verzweifelt da. Sie hatte die Hoffnung aufgegeben.

Lassiter blieb stehen.

Er war nur noch gut zwanzig Schritt von den Halunken entfernt, aber sie hatten ihn noch nicht bemerkt.

Mit gierigen Augen starrten sie auf die fast nackte Frau.

Und dann meldete sich Lassiter. »Das ist genug, ihr Bastarde«, sagte er kalt.

Ein Ruck ging durch die vier Gestalten. Jeder verharrte sekundenlang in der Haltung, die er gerade einnahm. Zwei gebückt, einer kniend, der vierte aufrecht stehend und böse grinsend.

Sie lauschten einen Augenblick lang der leisen, eiskalten Stimme nach, als könnten sie es nicht glauben. Sie hatten sich viel zu sicher gefühlt.

Die neue Situation traf sie wie ein Blitzschlag.

Und dann drehten sie sich langsam um. Unendlich langsam, wie es ihnen die Vorsicht gebot.

Ihre Augen wurden zu Schlitzen, als sie den großen Mann sahen. Und sie begannen zu grinsen.

Das Grinsen war Ausdruck der Erleichterung.

Nur ein Mann! Und sie waren zu viert!

»Du bist allein?«, fragte der hässliche Anführer lauernd, während sein Blick wie gehetzt die Umgebung hinter Lassiter abtastete. »Du bist tatsächlich ganz allein, Hombre?«

Lassiter grinste ebenfalls.

»Findet es doch heraus!«, sagte er gelassen.

»Was willst du?«, fragte der Anführer. »Stört dich das etwa, was wir hier mit der dreckigen Rothaut vorhaben? Hast du was dagegen einzuwenden, dass wir einen Rinderdieb zur Hölle geschickt haben?«

Lassiter nickte mit unbewegtem Gesicht.

Er sagte nichts. Worte waren hier überflüssig. Die Auseinandersetzung war unvermeidbar.

»Du willst uns in die Suppe spucken?«, fragte der Struppige. »Willst du uns tatsächlich hier einen Spaß verderben, Fremder? Was treibt dich überhaupt in diese Gegend? Hast du dich verlaufen? Oder bist du aus einem besonderen Grund hierhergekommen?«

Lassiter schwieg weiterhin.

»Vielleicht hat er was für dreckige Rothäute übrig«, meinte einer der anderen. »Ich hab 'ne Idee, Zoff. Am besten, wir hängen ihn genau neben die Rothaut und den jungen Bastard.«

Lassiter stand da und hielt die Winchester lässig am Kolbenhals. Es war die für ihn typische Stellung, blitzartig das Gewehr hochzureißen und dann aus der Hüfte schießen zu können. Doch davon schienen die vier Halunken keine Ahnung zu haben.

Der Anführer stieß einen kurzen Pfiff aus.

Im selben Moment griffen sie alle nach ihren Colts. Es ging unheimlich schnell. Jeder von ihnen war ein ausgekochter Revolvermann.

Lassiter feuerte aus der Hüfte heraus. Als er die ersten beiden Kugeln aus dem Lauf gejagt hatte, wechselte er bereits die Stellung. Er warf sich zur Seite. Kugeln fauchten an ihm vorbei und schlugen hinter ihm ins Gestein. Zwei- oder dreimal wurde er von heißem Blei gestreift.

Er sah, wie zwei Gegner fielen und der dritte getroffen auf die lodernde Hütte zuwankte. Der Mann konnte sich nicht mehr gerade halten. Er war wie ein Betrunkener, der unaufhaltsam in eine bestimmte Richtung getrieben wurde und nicht mehr zum Stehen kam.

Das nahm Lassiter mehr im Unterbewusstsein wahr. Er war soeben flach zwischen den Steinen gelandet. Dornenbüsche zerkratzten sein Gesicht und seine Hände, aber er verspürte keinen Schmerz.

Er sah nur den Anführer, der mit verzerrtem Gesicht dastand und aus seinem Revolver auf Lassiter feuerte.

Lassiter hatte die Winchester an der Schulter und zielte. Im Krachen des Schusses riss der Halunke die Arme hoch und ließ seinen Revolver fallen. Er taumelte rückwärts auf das Flammenmeer zu und verschwand darin wie sein Kumpan.

Ein entsetzlicher Schrei gellte zum Himmel.

Dann war nur das Prasseln des Feuers zu hören.

Lassiter kniete zuerst neben der Frau nieder. Ihre Augen waren unnatürlich weit aufgerissen, als er die Indianerin von ihren Fesseln befreite.

Er lächelte ihr beruhigend zu.

»Sie brauchen keine Angst mehr zu haben. Es ist vorbei.«

Sie schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte immer wieder den Kopf. Ihre schluchzenden Laute gingen durch Mark und Bein.

Lassiter legte ihr die Hände auf die braunen Schultern.

»Kümmern Sie sich um Ihren Sohn!«, sagte er eindringlich. »Er braucht Ihre Hilfe.«

Langsam nahm die Frau die Hände vom Gesicht. Sie sah den großen Mann an, als wäre sie soeben aus einem furchtbaren Traum aufgewacht.

Lassiter gab ihr sein Messer.

»Hier, nehmen Sie das. Damit geht es schneller.«

Er hätte den Jungen selbst aus seinen Fesseln befreien können. Aber das tat er mit Absicht nicht.

Es war wichtig, dass die Indianerin eine Beschäftigung bekam. Nur so konnte er sie aus ihrer Apathie herausreißen.

Was diese Frau mitgemacht hatte, war mehr, als ein Mensch normalerweise ertragen konnte.

Sie griff nach dem Messer und rannte zu ihrem Jungen. Hastig kniete sie bei ihm nieder und schnitt die Stricke durch.

Dann umarmte sie ihn heftig. Leise flüsterte sie ihm Worte ins Ohr, die Lassiter nicht verstehen konnte.

Er stieg den Hang hinauf und holte sein Pferd, das auf der anderen Seite in einer Senke zwischen Bäumen stand.

Als er zurückkam, war eine halbe Stunde vergangen. Das Blockhaus und die Scheune waren völlig niedergebrannt. Nur noch zwei Haufen glühender Asche und verkohlender Balken verrieten, dass hier einmal eine Ranch gestanden hatte.

Es war nur eine kleine Ranch gewesen, ein Rancho, wie es die Indianer nannten, wenn sie sich sesshaft machten. Das karge Tal hatte kaum Gras für viele Tiere geboten. Die drei Menschen hier hatten niemals die Chance gehabt, zu Wohlstand zu gelangen.

Aber ganz bestimmt waren sie hier glücklich gewesen.

Schweigend standen die Frau und der Junge da, als Lassiter den Hang herabkam. Ernst blickten sie ihm entgegen.

»Mein Name ist Lassiter«, sagte der große Mann. »Wer waren diese Männer? Warum haben sie euch angegriffen?«

Die Frau seufzte. Der Junge hatte Tränen in den Augen.

»Lee Custer hasst alle Indianer«, sagte sie leise. »Wir haben trotzdem immer gehofft, dass er uns in Ruhe lassen würde. Jetzt ist es aus, alles ist vorbei.«

Ihre Stimme zitterte. Sie gab sich Mühe, ruhig zu sprechen, aber sie konnte es nicht verhindern, dass sie zwischendurch immer wieder vom eigenen Schluchzen unterbrochen wurde.

Es war einfach zu viel für sie gewesen.

»Ich bin Winona Raven«, fuhr sie leise fort. »Das ist mein Sohn Jett. Mein Mann hieß Noah Raven ...«

Wieder musste sie eine Pause machen. Sie war nur noch von Fetzen ihres Kleides bedeckt, und Lassiter sah, dass sie eine schöne Frau war. Sie hatte ihre Schönheit bedeutend besser gehalten, als das normalerweise bei Indianerinnen der Fall war.

Ein sicheres Zeichen dafür, dass sie es bei Noah Raven gut gehabt hatte.

»Wer ist Lee Custer?«, fragte Lassiter. »Gehörte er zu diesen Männern? Oder ist er nur derjenige, der sie geschickt hat?«

»Er hat sie geschickt«, erwiderte Winona leise. »Das macht er immer so. Er selbst hält sich feige im Hintergrund, während er seine Wölfe morden und zerstören lässt.«

Lassiter ließ seinen Blick über das Tal gleiten. Überall bot sich nur das Bild von Tod und Zerstörung. Überall lagen erschossene Pferde, Schafe und Rinder.

Lassiters Pferd und die Tiere der toten Mordbrenner standen scheu zusammengedrängt etwas abseits unter einer schattenspendenden Baumgruppe.

Hoch am Himmel zeigten sich als winzige Punkte die ersten Geier.

Der große Mann dachte an jenen Lee Custer. Es war einer von diesen unversöhnlichen Weidehaien, die alles in den Boden stampften, was ihnen irgendwie lästig erschien.

Diesmal hatte er eine Niederlage erlitten, und er würde alles versuchen, um sich dafür zu rächen.

»Wir müssen weg von hier«, sagte er aus diesen Gedanken heraus. »Lee Custer wird Männer schicken oder selbst mit einer starken Mannschaft kommen, um nachzusehen, warum seine Leute nicht zurückgekehrt sind.«

Winona nickte schnell und entschlossen.

»Ja«, sagte sie, »wir müssen weg von hier. Und es gibt nur einen Ort, wo ich mit meinem Sohn einigermaßen in Sicherheit sein werde.«

Sie sah Lassiter fragend an.

»Aber was wird aus Ihnen, Lassiter? Sie können mit uns kommen. Aber auf die Dauer werden Sie sich nicht wohlfühlen bei uns.«

»Woher wissen Sie das?«

Sie lächelte flüchtig.

»Ich sehe es Ihnen an, Lassiter. Ich kenne Sie erst kurze Zeit, aber ich weiß jetzt schon, dass Sie ein besonderer Mann sind. Sie sind wie ein Adler, der hoch in den Wolken kreist und blitzschnell auf seine Feinde herabstößt, wenn es nötig ist. Sie lieben die Freiheit mehr als alles andere auf der Welt. Habe ich recht?«

Lassiter nickte überrascht. Es war erstaunlich, was für einen klaren Blick die schöne Indianerin trotz ihres Schmerzes bewahrt hatte.

»Wohin wollt ihr gehen?«, fragte er, obwohl er die Antwort bereits ahnte.

»Zurück zu meinem Stamm«, erklärte die Frau. »Dort werde ich bleiben, und ich schwöre, dass ich niemals unter weiße Menschen zurückkehren werde. Es gibt zu viele Teufel unter ihnen.«

Lassiter zuckte die Schultern. Aus ihrer Sicht hatte die Indianerin natürlich recht. Und er hatte Verständnis dafür, dass sie in ihrem großen Schmerz diese Worte gebrauchte.

Es hatte keinen Zweck, mit ihr darüber zu diskutieren, und er hatte auch kein Interesse daran.

»Werdet ihr es allein schaffen?«, fragte er.

Die Frau machte einen Schritt auf Lassiter zu, legte ihm beide Hände auf die Schultern und sah ihm tief in die Augen.

»Ich danke dir, Lassiter«, sagte sie langsam. »Ich werde dir niemals vergessen, was du für mich und meinen Sohn getan hast ...«

Der Druck ihrer schlanken Hände wurde fester. Dabei sah sie ihm so starr in die Augen, als läse sie darin ein Geheimnis.

»Jetzt sehe ich es«, fuhr sie leise fort. »Du willst dieses Land verlassen, Lassiter. Aber Manitu hat andere Pläne mit dir. Du ...«

Sie schüttelte plötzlich den Kopf, schloss die Augen und sprach nicht weiter.

Lassiter sah keinen Grund, etwa zu lächeln, wie das die meisten anderen Männer gewiss getan hätten.

Er nahm die Worte der Indianerin keineswegs auf die leichte Schulter. Denn so etwas erlebte er nicht zum ersten Mal. Unter diesen naturverbundenen Menschen gab es immer wieder welche, die die Gabe hatten, in die Zukunft zu sehen.

Es hatte dabei schon verdammt verblüffende Ergebnisse gegeben.

»Was siehst du, Winona?«, fragte er ruhig. »Sag es mir, ich kann die Wahrheit vertragen.«

Die Frau hielt die Augen noch immer geschlossen.

»Ich sehe Blut«, flüsterte sie gedehnt. »Sehr viel Blut und sehr viele Tote. Auch du blutest, Lassiter. Und über dir kreisen die Geier am Himmel. Flieh, Lassiter! Verlasse dieses Land, so schnell du kannst! Du wirst sterben, wenn du nicht auf meinen Rat hörst.«

Jetzt krallte sie ihre Hände förmlich in seine Schultern.

»Steine ...« Ihre Stimme war nur noch ein Hauch. »Viele Steine. Große Steine. Nackte Steine. Ein Grab aus Steinen. Viele Tote ...«

Die Stimme verwehte wie ein leiser Windhauch.

Winona trat zurück und sah den großen Mann wieder voll an.

»Reite, großer Mann!«, beschwor sie ihn eindringlich. »Verlass dieses Land, so schnell du kannst. Vielleicht hast du Glück, und das Schicksal holt dich nicht ein. Bleib nicht im Land des Todes, Lassiter!«

Von der Indianerin ging eine ungeheure Faszination aus. Lassiter war tief beeindruckt.

»Ja«, sagte er, »Ich werde reiten. – Nehmt die Pferde und die Waffen der Männer, die euch überfallen haben. Ihr habt ein Recht darauf, es euch zu nehmen.«

Die Frau nickte nur und wandte sich ab.

»Eine Frage noch!«, sagte Lassiter schnell. »Habt ihr wirklich Rinder von Lee Custers Weiden gestohlen?«

Sie blieb stehen, wandte ihm aber weiterhin den Rücken zu.