Lassiter Sonder-Edition 73 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 73 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Als sie den Poncho zur Seite schlug, erkannte Lassiter, dass er in die Falle gegangen war. Unter dem weiten Umhang war Jenny nackt. Bis auf den Revolvergurt um ihre Hüften. Sie legte die Hand auf den Kolben, und hinter ihr tauchte Fernandez auf, der gekaufte Killer. "Jetzt hab ich dich, Lassiter", sagte sie kalt. "Halt ihn in Schach, Fernandez. Den Rest will ich selbst erledigen. Oder möchtest du jetzt endlich zahlen, Lassiter?"


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Seitenzahl: 178

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

LASSITER UND PULVER-JENNY

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

Vorschau

Impressum

LASSITER UNDPULVER-JENNY

von Jack Slade

Die drei Schufte hatten das Mädchen an den rissigen Stamm der alten Sykomore gefesselt. Es war Mittag. Heiß und erbarmungslos brannte die Sonne. Die weiße Haut des makellosen Körpers schimmerte wie frisch gefallener Schnee. Das würde sich jedoch bald ändern, wenn die glühenden Sonnenstrahlen ihre Spuren in den Mädchenkörper brannten.

Nackt, wehrlos und gedemütigt war sie den gierigen Blicken ihrer Peiniger ausgesetzt. Tränen der Scham brannten in ihren blauen Augen. Hin und wieder stöhnte sie leise und verzweifelt.

Einer der Halunken hielt eine Whiskyflasche in den Händen und trank glucksend. Dann lachte er heiser und bösartig.

»Du hast also die Wahl, Baby«, sagte er. »Wenn du genau das tust, was wir wollen, binden wir dich los. – Na, was ist? Es hat keinen Zweck, dich weiterhin zu sträuben. Dadurch schadest du nur dir selbst. Die Sonne wird deinen Körper austrocknen, bis deine Haut aussieht wie altes Leder. Der Durst wird dich wahnsinnig machen. Aber wenn du vernünftig bist, lassen wir dich in Frieden.«

Barbara Longtry wollte etwas sagen. Sie hatte bereits den Mund geöffnet, aber sie stockte mitten in der ersten Silbe.

Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie an den drei Männern vorbei. Sie hatte etwas gesehen, wovon die Schufte noch nichts bemerkt hatten.

Jetzt sandte ihnen ihr raubtierhafter Instinkt eine jähe Warnung zu. Sie spürten, dass sich etwas verändert hatte in der sonnendurchglühten Senke, und wie auf Kommando wirbelten sie herum.

Sie handelten, wie sie es gewohnt waren. Rissen ihre Revolver aus den tiefgeschnallten Holstern. Stießen wilde, zornige Schreie aus und begannen zu feuern.

Scheinbar lässig stand ein großer Mann da. Er hielt die Winchester im Hüftanschlag, und die Mündungslichter zuckten den Banditen entgegen.

Alles ging unheimlich schnell. Dann herrschte tiefe Stille in der Senke.

Die drei lagen da und rührten sich nicht mehr.

Der große Mann stand da mit steinernem Gesicht und senkte langsam die Winchester. Feiner Rauch kräuselte aus der Mündung und trieb träge davon. Das Mädchen wimmerte wie unter einem Schock.

»Es ist vorbei, Mädchen«, sagte der große Mann ruhig. »Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen.«

Sie schüttelte immer wieder den Kopf, als wäre sie aus einem bösen Traum erwacht. Als könnte sie es noch immer nicht glauben.

»Wer – wer sind Sie? Wo kommen Sie her?«

Er deutete mit dem Daumen kurz über die Schulter.

»Von Süden, Mädchen. Und ich will nach Norden. Ich hörte von weitem deine Schreie. Da habe ich mein Pferd zurückgelassen, um mal nachzusehen, was los war. Mein Name ist Lassiter ...«

Er hatte sein großes Bowiemesser aus der fransenbesetzten Scheide am Gurt geholt und schnitt die Stricke durch, mit denen das Mädchen an den rissigen Stamm gefesselt worden war.

Sie taumelte nach vorne. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sie aufzufangen. Sekundenlang hielt er sie in den Armen, und die unmittelbare Nähe des Körpers weckte Gefühle in ihm. Sie war jung und schön und begehrenswert, und er selbst war nicht aus Stein.

Seine Hände glitten über ihren Rücken. Er spürte die Druckstellen in ihrer weichen Haut, und er nahm wahr, wie sie sich in ihrer Freude immer fester an ihn klammerte.

War es wirklich nur Freude?

Das fragte er sich, während die Leidenschaft in ihm immer stärker und heißer brannte. Er erinnerte sich, dass es schon an die vier Wochen her war, seit er zum letzten Mal eine Frau in den Armen gehalten hatte. Und er dachte nicht weiter darüber nach, als seine Hände immer tiefer glitten und schließlich ihre runden, schwellenden Hüften umfingen.

Es war wie ein Rausch. Für beide. Die Welt versank um sie in einem hellblauen Schleier, und sie waren wie Mann und Frau im Taumel eines plötzlichen Glücksgefühls, mit dem niemand gerechnet hatte.

»Lassiter«, flüsterte sie leidenschaftlich. »Ich liebe dich. Du musst bei mir bleiben. Für immer ...«

Er küsste sie auf den Mund, so dass sie schweigen musste.

Auch er selbst wollte nichts sagen.

Es war sicherlich besser so.

Irgendwann würde er ihr erklären, dass er nicht für immer bei ihr bleiben konnte. Es war sein Schicksal. Es musste so sein, glaubte er. Einmal hatte er geheiratet, aber ein unsichtbarer Fluch schien über ihm zu lasten. Er war dazu verurteilt, seinen Weg allein zu gehen. Bis zu irgendeinem Ende.

Die Augen des Mädchens leuchteten. Sie lächelte. Er sah ihr an, dass sie glücklich war.

»Wer bist du?«, fragte er nach einer Weile.

»Barbara Longtry.«

»Longtry?«, murmelte er nachdenklich. »Bist du etwa verwandt mit Big George Longtry?«

Sie nickte verhalten.

»Ich bin seine Tochter. Seine Stieftochter ...«

Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. Der Druck ihrer Arme wurde fester auf seinem Rücken.

»Ich muss es dir erklären, Lassiter. Es ist eine komplizierte Geschichte. Wenn du nicht gekommen wärst, hätten sie mich wahrscheinlich getötet. Es hängt mit meinem Stiefvater zusammen. Mit Big George Longtry. Eine ziemlich finstere Geschichte ...«

Er rollte sich zur Seite, schloss die Augen, als ihn das grelle Sonnenlicht blendete. Seine Hand lag weich auf ihrem Leib.

»Ich höre zu, Barbara.«

»Später«, flüsterte sie. »Nicht jetzt, Lassiter. Ich kann jetzt nicht. Das musst du verstehen. Bitte, bring mich weg von hier!«

Er setzte sich auf. Ihm war klar, was sie meinte. Gelassen schlüpfte er in seine Kleider, schlang sich den Revolvergurt um die Hüften und nahm die Winchester auf, die er vorhin abgelegt hatte.

Dann schleifte er die Toten in eine staubige Mulde. Wälzte ein paar schwere Felsbrocken über sie. Ging schließlich hinüber zu ihren Pferden, die in der Nähe standen.

Barbara Longtry hatte sich ebenfalls angezogen. Ihre Kleider waren zum Teil zerfetzt.

Es war ein Anblick, der erneut Leidenschaften in dem großen Mann weckte.

Er schwang sich auf eins der Pferde.

»Warte hier!«

»Nein!«, rief sie. »Ich möchte in deiner Nähe bleiben! Ich habe Angst, Lassiter! Bitte, lass mich nicht allein!«

»Dann komm mit!«

Sie zog sich in den Sattel einer hellbraunen Stute und ritt schnell, bis sie an seiner Seite war.

»Wirst du mir helfen, Lassiter?«, fragte sie drängend. »Ich brauche dich. Ich habe gesehen, was für ein Kämpfer du bist. Wenn mir einer helfen kann aus meiner Not, so bist du es. Auf dich setze ich meine ganzen Hoffnungen. Du brauchst es nicht umsonst zu tun. Ich zahle gut, Lassiter. Mein Wort darauf.«

Lassiter blickte starr geradeaus. Er dachte nach. Barbara Longtry hatte ihm soeben Geld versprochen. Und er war ziemlich am Ende. Er konnte Dollars gebrauchen. Er hatte Pech gehabt in den letzten Wochen. So etwas ging manchmal verdammt schnell. Überall gab es menschliche Aasgeier und Coyoten. Einem dieser Rudel war er in Sonora in die Finger gefallen. Er konnte verdammt froh sein, dass er wenigstens sein nacktes Leben gerettet hatte. Jetzt besaß er nichts mehr außer seinem Pferd und seinen Waffen. Er konnte seinem Schicksal schon dankbar sein.

Und jetzt war er diesem Mädchen begegnet. Barbara Longtry, Tochter von Big George Longtry.

Es war einer jener Zufälle, die das Leben für jeden Menschen bereithält. Sie brauchte ihn, und er brauchte sie.

»Was ist, Lassiter?«, fragte sie drängend.

»Ich muss nachdenken. Ich habe von Big George Longtry gehört. Er ist einer der Mächtigen in diesem Lande. Vielleicht sogar der Mächtigste von allen. Der Preis ist nicht niedrig, Barbara.«

»Hast du Angst, Lassiter?«

Er lächelte belustigt.

»Angst? Nun ja, vielleicht hast du recht. Welcher Mann hat keine Angst, wenn es richtig ernst wird!«

»Ich glaube dir nicht, was du da sagst, Lassiter. Es gibt Geschichten über dich. Ich höre deinen Namen heute nicht zum ersten Male.«

»So? Vielleicht irrst du dich.«

Sie schüttelte energisch den Kopf.

»Nein! Ich irre mich bestimmt nicht. Nach allem, was ich von dir gehört habe, gibt es für mich keinen Zweifel. Du bist der Lassiter, den ich meine. Wirst du für mich kämpfen?«

Sein grauer Wallach geriet in ihr Blickfeld. Lassiter ritt langsam auf das Tier zu und stieg aus dem Sattel des Banditenpferdes.

»Wie viel?«, fragte er, ohne Barbara anzusehen.

»Was du verlangst.«

»Ich bin nicht billig.«

Sie schlug mit der Faust auf das Sattelhorn. »Zum Henker mit dir, Lassiter. Nenn deinen Preis. Du bist nicht billig, und ich bin nicht arm. Das passt doch zusammen.«

»Hunderttausend«, sagte Lassiter scherzhaft.

»Einverstanden«, sagte sie zu seiner Überraschung. »Ich kann dich allerdings erst auszahlen, wenn die Zeit gekommen ist. In ungefähr vier Monaten ist es soweit.«

Er grinste. »Kannst du jetzt noch nichts lockermachen?«

Sie zuckte die Schultern. »Vielleicht. Ich werde versuchen, was sich machen lässt. Es wird nicht einfach sein.«

Er betrachtete sie von der Seite. Sie gefiel ihm immer mehr. Sie besaß eine gerade Nase, einen sinnlichen Mund und große Augen, aus denen Tapferkeit strahlte.

Lassiter vertraute diesem Mädchen. Sie gehörte zu der Sorte, mit denen »man Pferde stehlen« konnte.

»Bist du abgebrannt?«, fragte sie.

Er nickte. »Meine nächste Mahlzeit müsste ich mir schon stehlen«, murmelte er. »Die letzten drei Tage habe ich von einem Kaninchen, zwei Ratten und einem halben Dutzend Klapperschlangen gelebt.«

»Du bist ein Ferkel, Lassiter«, bemerkte sie trocken. Und nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Ich besitze im Augenblick selbst keinen müden Dollar mehr. Ernähren wir uns also weiter von Ratten und Klapperschlangen! Oder hast du einen besseren Vorschlag?«

Sie betrachtete ihn lächelnd von der Seite. Von ihr ging eine starke Strömung aus, die ihm imponierte. Barbara Longtry gehörte zu den Menschen, die nicht so leicht aufgaben.

»Ich habe in den Taschen der Banditen insgesamt vierhundertfünfunddreißig Dollar gefunden«, sagte er. »Damit dürften wir über die ersten Schwierigkeiten hinwegkommen. Wir reiten bis zur nächsten Stadt oder bis zur nächsten Ansiedlung, und dort decken wir uns mit den Sachen ein, die wir brauchen.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Das geht leider nicht, Lassiter. Die nächste Stadt auf hundert Meilen im Umkreis ist Apache Diablo. Und das ist Big George Longtrys Stadt. Der Hundesohn würde uns fertigmachen, wenn wir ihm in die Hände fallen.«

Lassiter hatte bereits gewisse Ahnungen über die Zusammenhänge, aber er wollte es von ihr selbst wissen.

Missbilligend schüttelte er den Kopf.

»Du sprichst nicht gut über deinen Vater, Mädchen.«

»Er ist nicht mein Vater. Nur mein Stiefvater.«

»Trotzdem kann er ein guter Mensch sein.«

Das Mädchen verzog die Mundwinkel nach unten. »Ein guter Mensch, Lassiter? Einen übleren Hundesohn als ihn gibt es nicht. Kann es überhaupt nicht geben. Er ist ein Teufel ...«

Sie zeigte auf das Banditenpferd, das Lassiter bis vor ein paar Minuten geritten hatte.

»Wollen wir den Gaul mitnehmen?«

»Natürlich. Lass uns reiten! Vielleicht können wir ihn und die anderen drei Tiere irgendwo versilbern. Zumindest sind die Sättel einiges wert. – Wer waren eigentlich diese Männer?«

»Lee Connors, Wade Murphy und Jack Kennan. Schon mal gehört die Namen, Lassiter?«

»Zum ersten Mal.«

Sie ritten an. Lassiter führte das Banditenpferd am Langzügel hinter sich her. Zehn Minuten später waren sie an der Stelle, wo Lassiter die drei Banditen niedergeschossen hatte. Die beiden Pferde standen noch an ihrem Platz.

Lassiter band die Longen der drei Banditenpferde zusammen und befestigte daran sein Lassoende. Auf diese Weise nahm er die erbeuteten Pferde in Schlepp und ritt Seite an Seite mit dem Mädchen an.

Auf eine gewisse Art faszinierte sie ihn. Sie war klug und schön, und sie vereinte in sich all jene Eigenschaften, die Lassiter mochte.

Geduldig wartete er, bis sie zu erzählen begann.

»Connors, Murphy und Kennan«, sagte sie, »gehörten hier im Grenzland einer bestimmten Bande an, deren Boss niemand kennt. Sie entführten mich und wollten mich irgendwohin bringen. Im Auftrag meines Stiefvaters. Das verrieten sie mir, als sie mich an den Baum gefesselt und mir die Kleider vom Leibe gerissen hatten. Sie erzählten irgendetwas von einer Jenny, zu der sie mich bringen wollten. Und ich sollte etwas unterschreiben. Einen Brief an Big George. – Natürlich habe ich mich geweigert. Ich hatte keine Lust, mein eigenes Todesurteil zu unterschreiben. Jedenfalls war ich entschlossen, hart zu bleiben. Wie lange ich es ausgehalten hätte, weiß ich natürlich nicht.«

»Was für ein Brief war das?«

Sie lachte. »Den hätte ich erst noch selbst schreiben müssen. Sie haben es mir vorher gesagt. Von den Halunken konnte nämlich keiner schreiben. Ist ja klar. Wo sollten sie es auch gelernt haben! Solche Leute haben andere Probleme ... – Aber was erzähle ich dir da groß! Du kennst dich ja selbst aus, Lassiter. Es ist ...«

»Wie meinst du das?«, unterbrach er sie ziemlich scharf.

»Reg dich nicht auf!«, sagte sie kaltschnäuzig. »Du weißt ganz genau, wie ich das meine. Oder kennst du nicht diese Burschen vom sogenannten Langen Trail? Sie können schlagen und schießen, aber vor vernünftigen Arbeiten drücken sie sich, wo sie nur können. Aber das weißt du ja selbst besser als ich.«

»Hältst du mich auch für einen von dieser Sorte?«

»Sei nicht gleich beleidigt, Lassiter. Sonst ist unsere Freundschaft schneller zu Ende, als sie angefangen hat. Wir wollen uns gegenseitig nichts vormachen, Lassiter. Einverstanden?«

Er zuckte die Schultern. »Wie du willst, Baby.«

Sie lächelte zufrieden.

»Du gefällst mir, Lassiter. Du bist der erste Mann, den ich wirklich gern haben könnte. Aber daraus wird wohl leider nichts. Trotzdem bin ich sicher, dass wir uns verstehen werden. Meinst du nicht auch?«

Lassiter nickte gelassen, obwohl er langsam anfing, an seinem gesunden Menschenverstand zu zweifeln. Er wusste nicht mehr genau, in welche Kategorie er dieses heißblütige, kaltschnäuzige Mädchen einstufen sollte. Sie war anders als alle anderen Mädchen, die er jemals kennengelernt hatte. Und er war sicher, dass sie ihm noch manche Überraschung bereiten würde. Solch einem Weib begegnete man wirklich nicht alle Tage.

»Warum wollten sie dich entführen?«, fragte er. »Welchen Brief solltest du schreiben?«

»Einen Brief an meinen Stiefvater. Ich sollte ihn bitten, ein Lösegeld von zweihunderttausend Dollar auszuspucken.«

»Und wenn er es getan hätte?«

»Keine Ahnung. Vielleicht hätten sie mich anschließend umgebracht. – Kann auch sein, dass sie mich dann wirklich zu dieser Jenny gebracht hätten. Wer weiß schon, was in solch einem Banditenhirn vor sich geht! Ich weiß es jedenfalls nicht.«

Sie sprach so kaltblütig, als hätte sie nicht die geringste Angst vor dem Tod gehabt. Aber Lassiter nahm ihr die Rolle nicht ab, die sie da spielte. Ganz bestimmt war sie sehr kaltschnäuzig. Aber andererseits erinnerte sich Lassiter nur zu gut daran, in welcher Verfassung sie gewesen war, als er sie von der Sykomore losgebunden hatte.

Im Grunde war sie doch nicht mehr als ein hilfebedürftiges Mädchen, das Angst hatte und das diese Angst durch forsches Auftreten übertünchen wollte.

Jedenfalls sah Lassiter so die Zusammenhänge.

Von der Seite lächelte sie ihn an.

»Du glaubst mir nicht, Lassiter«, sagte sie. »Und das kann ich durchaus verstehen. Ich würde an deiner Stelle nicht anders denken. Aber vielleicht verstehst du mich besser, wenn ich dir jetzt meine Geschichte erzähle. Von Anfang an ...«

Sie machte eine Pause, und Lassiter spürte, wie sie ihn von der Seite betrachtete und nachdachte. Er hörte gedankenverloren den Hufschlag der fünf Pferde, und gleichzeitig stieg in ihm eine dumpfe Ahnung auf, dass er in eine Geschichte hineingeraten war, aus der es so bald kein Entrinnen geben würde.

Trotzdem war er entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Er wollte wissen, was hier wirklich los war. Dieses Mädchen faszinierte ihn unwahrscheinlich. Von Barbara Longtry strahlte etwas aus, was seine Neugierde und seine Phantasie geweckt hatte.

»Ich höre«, sagte er aus seinen Gedanken heraus. »Aber mach es nicht zu lange. Fasse dich kurz, Baby.«

»Das kann ich verstehen«, antwortete sie. »Ich bin auch keine Freundin großer Worte. – Also, die Sache ist folgende: Big George, wie ihn ja alle nennen, ist der augenblickliche Boss und Besitzer der Wagon-Wheel-Ranch. Es ist die größte Ranch im ganzen Grenzland. Ein Teil der Viehweiden liegt auf mexikanischem Gebiet. Wir besitzen mehr als zehntausend Rinder, und für uns reiten über hundert Cowboys und Vaqueros. Außerdem stehen noch mexikanische Peones auf unseren Lohnlisten. Das alles ist ein riesiges Unternehmen, Lassiter. Und alles wird mir gehören, wenn ich volljährig bin. Big George ist nämlich der zweite Mann meiner Mutter. Sie hat mich zur alleinigen Erbin eingesetzt. Sollte ich aber sterben, fällt das ganze Vermögen an George. Dann ist er ein gemachter Mann. Verstehst du jetzt die Zusammenhänge, Lassiter?«

»So ungefähr«, murmelte er. »Ich frage mich nur, warum er dich nicht hat töten lassen. So etwas geht relativ einfach. Einen Unglücksfall kann man leicht inszenieren.«

Sie schüttelte düster den Kopf.

»Dazu ist er zu schlau, Lassiter. Und zu feige. Es würde ein schlechtes Licht auf ihn werfen, wenn ich plötzlich ums Leben käme. Nein, so etwas macht Big George nicht. Er liebt die feine Tour. Sozusagen aus der Hinterhand losschlagen, das ist seine Art. Es wäre doch verdammt gut für ihn gewesen, wenn er gezwungen worden wäre, dieses Lösegeld zu zahlen. Oder meinst du nicht?«

Er grinste.

»Wenn ich es mir recht überlege, bist du noch eine Idee schlechter als Big George. Wer dich zur Feindin hat, ist arm dran.«

Sie zügelte ihr Pferd und sah ihn offen an.

»Richtig, Lassiter. Aber wer mich zur Freundin hat, kann sich glücklich preisen. – Bist du noch immer bereit, mir zu helfen? Ich warne dich, bevor du mir antwortest. Wenn du zusagst, hast du deine Seele dem Teufel verschrieben. Dann gibt es kein Zurück mehr.«

»Du machst mich neugierig«, sagte Lassiter trocken. »Ich bin dein Mann, Mädchen. Du kannst auf mich zählen.«

Sie trieb ihre Stute neben seinen grauen Wallach und saß im nächsten Augenblick rittlings vor ihm im Sattel.

»Dich hat der Himmel geschickt, Lassiter!«, flüsterte sie. »Ohne dich wäre ich verloren.«

»Und jetzt?«, fragte er. »Hast du einen bestimmten Plan?«

Sie schüttelte den Kopf. »Wir können nirgendwohin. Sobald Big George weiß, dass ich den Halunken entkommen bin, lässt er die Hölle los. Ich bin der Meinung, dass wir ihn überraschen sollten. Ganz plötzlich, Lassiter. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel.«

»Wir brauchen Geld«, murmelte er. »Das ist wichtig. Warum reiten wir nicht nach Apache Diablo und heben eine größere Summe von deinem Konto ab? Ohne Geld kommen wir nicht weiter.«

»Wir können es ja versuchen«, meinte sie. »Aber viele Hoffnungen habe ich nicht.«

Er grinste zuversichtlich.

»Warten wir es ab, Mädchen. Wo der Wille ist, da ist auch ein Weg ...«

II

Sie waren kaum eine Meile geritten, als ein Reiter vor ihnen auftauchte. Er kam aus einem der vielen Canyons, die tief in das karge Bergland einschnitten, und er saß auf einem ziemlich hässlichen, struppigen und mageren Pferd.

Der Kleidung nach schien es sich um einen Trapper zu handeln – oder um einen Goldgräber. Er ritt geradewegs auf Lassiter und das Mädchen zu und tippte grüßend an die Krempe seines speckigen Schlapphuts, als er vor ihnen seinen struppigen Gaul zügelte.

»Howdy«, sagte er und grinste freundlich. Dann wurde sein Blick nachdenklich, und stirnrunzelnd sah er Lassiter an. »Haben wir uns nicht schon mal irgendwo gesehen, Mister?«

Lassiter zuckte die Schultern. »Schon möglich. Ich komme ziemlich viel rum in den Staaten. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir beide vor ungefähr 'nem Jahr mal zusammen am Pokertisch gesessen. In San Rafael. Könnte das möglich sein?«

Der bärtige Mann nickte lächelnd.

»Stimmt genau. War ein ziemlich heißes Spiel, und du hast mich um tausend Dollar leichter gemacht, Lassiter. So hast du dich doch damals genannt, oder?«

»So nenne ich mich auch heute noch«, gab Lassiter zurück. »Und du bist Simon Wells, nicht wahr?«

»Simon Wells?«, rief das Mädchen überrascht. »Das kann nicht stimmen, Lassiter. Simon Wells lebt nicht mehr.«

Der bärtige Alte grinste.

»Wer behauptet das, Lady?«

»Alle sagen es!«, stieß das Mädchen hervor. »Er soll von Apachen umgebracht worden sein.«

»Das ist ja interessant«, brummte Wells. »Davon höre ich zum ersten Mal. – Sagen Sie mal, sind Sie nicht Barbara Longtry, die Tochter des alten Weidepiraten George Longtry?«

»Big George ist nicht mein leiblicher Vater«, wandte das Mädchen ärgerlich ein. »Er ist mein Stiefvater.«

Sein Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an.

»Haben Sie Kummer gehabt, Miss Longtry?«, fragte er. »Sie sehen ziemlich mitgenommen aus.«

»Meine Sache«, antwortete sie abweisend. »Ich glaube nicht, dass Sie mir irgendwie helfen können, Mr. Wells.«

»Vielleicht doch«, mischte sich Lassiter schnell in das Gespräch ein, bevor Simon Wells eine Antwort geben konnte. »Mir ist da nämlich eine Idee gekommen, Barbara.«

»Da bin ich aber mal gespannt«, sagte sie spöttisch.

»Sie vertraut mir nicht, Lassiter«, bemerkte Simon Wells bitter. »Sie denkt über mich wie alle anderen in diesem Lande. Ich bin ein Außenseiter, ein verdammter Verräter, von dem kein Weißer etwas wissen will. Ich habe mich damit abgefunden. Mir macht das nichts mehr aus. Aber du hast recht, Lassiter. Ich könnte euch tatsächlich helfen.«

Lassiter war leicht erstaunt.

»Weißt du denn überhaupt, um was es geht, Simon?«

Der alte Trapper lächelte geheimnisvoll.

»Ich glaube schon, dass ich einiges weiß«, brummte er. »Man muss nur manchmal seinen Verstand gebrauchen, um gewisse Schlüsse ziehen zu können. Wenn in diesem Land geschossen wird, ist es sehr weit zu hören. Ich war noch zehn Meilen von hier entfernt, als die Schüsse fielen, Lassiter. Ihr habt also einen Kampf gehabt. Die junge Lady muss in Gefahr gewesen sein. Und du hast ihr geholfen, Lassiter. Ich weiß sogar noch mehr, glaube es jedenfalls zu wissen. Nämlich den Grund, warum die Lady entführt worden ist. Big George wollte sie aus dem Weg schaffen lassen. Wenn er erfährt, dass es nicht geklappt hat, wird er alle Teufel von der Leine lassen. – Stimmt das soweit?«

Lassiter nickte zustimmend.