Last Loser in St. Moritz - John Burger - E-Book

Last Loser in St. Moritz E-Book

John Burger

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Beschreibung

Andi Bucher und sein Freund Riss sind auf Verbrecherjagd. Sie suchen die Mörder der drei Männer, die im ersten Roman Last Loser im Zusammenhang mit einem Pferdetausch ihr Leben lassen mussten. Bucher und Riss involvieren die Polizei nicht und bringen dadurch zwei Frauen in Lebensgefahr. Erst nachdem die Skikjöringfahrerin Sandra Keller auf dem Piz Nair in St. Moritz knapp einem Auftragskiller entkommen ist, schalten die Amateurdetektive die Polizei ein. Stimmen zum ersten Roman: Echt spannend, raffiniert und prickelnd, der Kriminalroman Last Loser von John Burger! Ich habe die Geschichte quasi in einem Zug gelesen, was mir selten passiert (SZ). Grossartige Lektüre. Samstag und Sonntag der Ostertage haben genügt, sie «rein zu ziehen». Sie enthält alle Elemente eines spannenden Krimis aus einem besonderen Milieu (RF). Corona hat Ihrem Buch keinen Strich durch die Rechnung gemacht, es läuft wie wahnsinnig, wir haben alle Exemplare schon wieder verkauft und brauchen Nachschub (Buchhandlung zum Geeren).

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Seitenzahl: 210

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Besinnung

2. Pad

3. Unter Erfolgsdruck

4. Frust

5. Séverine Marlin in Untersuchungshaft

6. Die ominöse Frau

7. Pads neues Projekt

8. Sandra auf dem Weg nach Le Touquet

9. Pad ist am Ball

10. Der Pferdetausch

11. Last Losers neues Zuhause

12. Im Mekka des Galopprennsports

13. Verwirrung bei France Galop

14. Sandra ist verunsichert

15. Miller lernt Françoise kennen

16. Bucher will handeln

17. Wo ist diese Frau zuhause?

18. Riss lässt sich einspannen

19. Die irische Polizei steht vor einem Rätsel

20. Peggy ist überrascht

21. Last Loser überzeugt mit seinem Charakter

22. Riss fährt nach Paris

23. Der Papagei

24. Riss kommt zum Ziel

25. Pad auf der Suche

26. Andi und Viktor beraten

27. Die Französin interessiert mehr

28. Last Loser hat eine Zukunft

29 Peter in Teufels Küche

30. Viktor Riss in Saumur

31. Besuch bei Séverines Eltern

32. Die Fahrt zum Gefängnis

33. Der Besuch im Gefängnis

34. Peter kümmert sich um Peggy

35. Riss informiert Bucher

36. In Feltham

37 Der Einsatzplan für Last Loser

38 Unter der Dusche

39. Die nächste Aufgabe für Riss

40 Die Nadel

41. Romanze in Bournemouth

42 Last Loser in Lyon

43 Andi wundert sich

44 Viktor Riss in Dublin

45 Peggy möchte Peter helfen

46 Riss und Bucher diskutieren

47. Peggy und Peter beraten

48 Riss recherchiert

49 Pad unter Druck

50 Peggy am Vorweihnachtstag

51 Weihnachten ohne Vera

52 Bestattungsinstitut

53 Für alle ein Rätsel

54 Last Loser auf Kurs

55 Bucher telefoniert mit Séverines Vater

56 Der neue Alltag

57 Kein Skikjöring

58 Sandras Ferien im Engadin

59 Last Losers erstes Skikjöring

60 Val Chamuera

61 Eine seltsame Begegnung

62 Auf dem Weg nach Marguns

63 Information hinausgeschoben

64 Piz Nair

65. Späte Warnung

66. Kempinksi

67 Andi und Sandra reagieren

68 Die Könige vom Engadin

69 Feier im VIP-Zelt

70 Rückzug

71 Tourist - Information

72 Pad wird überrascht

73 Verhaftung

Epilog

Einleitung

Last Loser in St. Moritz ist die Fortsetzung des Kriminalromans Last Loser. Die bisherigen Ereignisse:

Am Rennpferd Last Loser waren mit 80 Prozent der im Zürcher Oberland wohnhafte Andi Bucher, ein pensionierter Schweizer Versicherungsmathematiker, und mit 20 Prozent die junge Schweizer Studentin Sandra Keller, wohnhaft in der Nähe von Nantes, beteiligt. Ohne Wissen der Besitzer und des Trainers vertauschte Séverine Marlin, die Geschäftspartnerin des Trainers, den Hengst in Irland mit dem gleich aussehenden, in Irland trainierten Rocket. Die beiden Pferde waren völlig unterschiedlicher Klasse. In der Folge gewann in Frankreich der „falsche“ Last Loser als grosser Aussenseiter mit einträglichen Wettquoten drei Rennen.

Séverine Marlin verliebte sich in den verheirateten Andi Bucher; dieser liess sich von der attraktiven und 15 Jahre jüngeren Französin verführen.

Als Last Loser in Baden-Baden in einem prestige-trächtigen Rennen hätte starten sollen, flog der Schwindel mit dem Pferdetausch auf. Ohne zu wissen weshalb, wurden der als Hauptbesitzer zeichnende Bucher und der Trainer des Pferdes kurzzeitig in Untersuchungshaft gesetzt.

Séverine Marlin hatte eine Selbstanzeige gemacht. Sie war zu Beginn dieses zweiten Romans in Frankreich in Untersuchungshaft. Sie hatte sich der Polizei gestellt, weil vermutlich im Zusammenhang mit dem Pferdetausch drei Personen umgebracht worden waren. Sie wollte sich von diesen Vorkommnissen distanzieren. Zudem hatte sie Angst, als am Pferdetausch Mitbeteiligte ebenfalls ermordet zu werden.

Bucher war zu ihr auf Distanz gegangen, bevor er vom Pferdetausch und dem damit verbundenen Wettbetrug erfuhr, weil er glaubte, dass die Französin auch mit dem Tierarzt Hamer eine Liebschaft unterhielt. Als er erfuhr, dass er sich in dieser Hinsicht getäuscht hatte und er erkannte, dass Séverine ihm gegenüber ehrlich war und sich in einer misslichen Lage befand, spürte er, dass ihm das Schicksal der Französin nicht gleichgültig war.

1. Besinnung

Der Juni und die ersten Juliwochen waren warm, aber auch nass. Der Westwind brachte fast jeden zweiten Tag viel Feuchtigkeit in die Schweiz. Wenn für einmal die Wolkendecke aufbrach, litt das Land unter sengender Sonne. Das wechselhafte Wetter hielt viele Touristen von Bergwanderungen ab. Auch die Schifffahrtsgesellschaften verzeichneten tiefe Besucherzahlen.

Andi Bucher pflegte sich die Laune nicht von schlechtem Wetter verderben zu lassen, vor allem in der warmen Jahreszeit nicht. Aber in diesem Jahr war alles ganz anders. Die Blamage, welche er sich mit dem Hengst Last Loser eingehandelt hatte, machte ihm so sehr zu schaffen, dass er kaum mehr sein Haus im zürcherischen Gossau verliess. Jetzt, wo er im Arbeitszimmer seines Einfamilienhauses sass und er wie fast jeden Tag seit der ernüchternden Erkenntnis an die Erlebnisse im Zusammenhang mit Last Loser zurück dachte, fühlte er sich zum ersten Mal wieder etwas erleichtert, wenn auch nicht glücklich. Irgendwie hatte er im richtigen Augenblick richtig reagiert. Als Séverine Marlin ihn aufgeklärt hatte, war er gefasst geblieben und er hatte sie davon überzeugt, sich der Polizei zu stellen. Das war für ihn die einzige Chance gewesen, seinen Schaden in Grenzen zu halten. Er hatte instinktiv gespürt, dass der Vorfall die Welt des Pferderennsports beschäftigen und eine Menge von sensationslüsternen Journalisten auf den Plan rufen würde. Weil Séverine ihn bei ihrem Geständnis bei der Polizei der Stadt Zürich entlastet hatte und auch bei ersten Einvernahmen in Frankreich die Ereignisse identisch dargestellt hatte, war er weitgehend aus der Schusslinie geblieben.

Andi hatte zudem dank guten Beziehungen eine aufgebauschte Berichterstattung in der Schweizer Fachpresse verhindert. So war es in den Medien im Wesentlichen ein Vorfall geblieben, der sich in Frankreich und Irland abgespielt hatte.

Rückblickend musste Andi fast etwas schmunzeln. Der vermeintliche Erfolg von Last Loser war ihm, das liess sich nüchtern betrachtet nicht leugnen, fast etwas in den Kopf gestiegen. Er, der überhaupt nichts mit Glamour und High Society am Hut hatte, der das NZZ-Journal „Z“, das oft am Samstag der Neuen Zürcher Zeitung und der NZZ am Sonntag beilag, stets achtlos auf die Seite legte und sich nie vorstellen konnte, sich selber eine teure Uhr oder Schmuck zu kaufen. Ausgerechnet er war fast in den Kreis der finanzkräftigen und edlen Spitzen des europäischen Pferderennsports aufgestiegen. Seiner Frau Vera war die Vorstellung, in diesen Kreisen als Mitbesitzerin eines erfolgreichen Rennpferdes aufwarten zu müssen, ohnehin ein Graus gewesen. Zum Besuch des Hauptrenntages am Frühlingsmeeting von Baden-Baden hatte sie sich widerwillig bereit erklärt und sich entschieden, das blumige Kleid zu tragen, das sie bisher nur einmal, vor fünf Jahren am Hochzeitsfest eines Neffen, angezogen hatte. Für sie war der Entscheid, nicht gemeinsam an die Rennen in Baden-Baden zu fahren, eher eine Erleichterung gewesen. Während Andi bei seiner beruflichen Tätigkeit immer wieder in Kontakt mit reichen Kunden gekommen war und sich den Gesellschaftsregeln ohne Mühe anpassen konnte, ohne vorher den Knigge konsultieren zu müssen, hatte Vera gegenüber allem, das ihr als abgehoben erschien, ihre Vorbehalte. Das betrübliche Ende der Erfolgsserie von Last Loser und die damit verbundene Enttäuschung hätte eine Ehefrau mit anderen Lebensinhalten in Wut versetzen können. Vera hatte ihrem Ehemann lediglich gesagt, dass sie es für ihn bedaure, und ihm keine Vorwürfe gemacht. Vermutlich war es ihr auch verborgen geblieben, dass Andi der Urheberin des Reinfalls, der umtriebigen Französin, wesentlich näher gekommen war, als für eine gute Zusammenarbeit nötig gewesen war.

Nicht aus der Sache halten konnte sich Andi Bucher bei der Bewältigung der zivilrechtlichen Probleme, welche das Vertauschen der beiden Pferde Last Loser und Rocket hervorgerufen hatte. Der Besitzer von Rocket, der Ire Kimberley, verlangte die Herausgabe des Pferdes, das in Frankreich unter dem Namen Last Loser gestartet war. Nach langem Hin und Her und der Vermittlung durch Anwälte einigten sich Bucher und Kimberley darauf, die beiden Pferde Ende Sommer auf der französischen Pferderennbahn Le Touquet auszutauschen. Die Chips1 sollten durch einen französischen Veterinär unter Beobachtung je eines Vertreters der englischen und der französischen Rennbehörde herausoperiert und wieder dem rechtmässigen Pferd eingesetzt werden. Andi Bucher musste sich verpflichten, die Kosten des Veterinärs und der beiden Rennbehörden sowie der Fähre Dover-Calais zu übernehmen. Kimberley bestand darauf, nur mit etwa einem Viertel der Gesamtkosten belastet zu werden. Um die Sache endlich voranzutreiben, willigte Bucher nach langem Zögern in den für ihn nachteiligen Deal ein.

Ob Sandra Keller, die Mitbesitzerin von Last Loser, von den Kosten ihren Anteil von 20 % übernehmen würde, war für Bucher nebensächlich. Er konnte nicht noch auf ihre Zustimmung Rücksicht nehmen. Das letzte Mal hatte er mit Sandra vor einem Monat telefonisch Kontakt gehabt. Er würde sie anfragen, ob sie beim Rücktausch der Pferde anwesend sein wolle. Jedenfalls wollte er selber in Le Touquet dabei sein. Es stellte sich zudem die Frage, zu wem Last Loser, zurück in Frankreich, ins Training gehen sollte. Bucher verspürte keine Lust, Boutin anzufragen, obschon er inzwischen überzeugt war, dass Séverine Marlin auch ihren Geschäftspartner, den französischen Trainer, hinters Licht geführt hatte und ihm nichts anzulasten war. Aber der Neubeginn musste unbelastet sein, das stand für ihn fest.

1 Den Pferden wird zur lebzeitigen Identifikation als Fohlen ein Chip eingepflanzt. Im Vorgängerroman waren die Chips der Pferde Last Loser und Rocket heimlich getauscht worden.

2. Pad

Der irische Buchmacher Paddy, abgekürzt Pad, spielte im ersten Roman eine undurchsichtige Nebenrolle. In den nächsten beiden Kapiteln ist daher nun näher auf ihn einzugehen:

Pad war in einer fünfköpfigen Familie im Londoner Stadtteil Kensington aufgewachsen. Seine Eltern waren für die Hauswartung eines grossen viktorianischen Geschäfts- und Wohnhauses zuständig. Die Gegend war aristokratisch, ihre Wohnung auf der Nordseite des Hauses jedoch armselig. Sie lag im Erdgeschoss und war ohne jeglichen Ausblick. Seine Eltern konnten sich keinen Luxus leisten, ein Auto hatten sie nicht und die Freizeit verbrachte die Familie hauptsächlich im Hyde Park. Pad bewunderte die Luxuslimousinen der noblen Bewohner der Wohnungen über ihnen. Er träumte als Junge davon, auch einmal reich zu sein und sich bedienen zu lassen.

Schon in der Schule fiel Pad als cleverer, manchmal auch als etwas listiger Knabe auf. Mit Botengängen und Ferienjobs verdiente er sich sein erstes Taschengeld. Nach der regulären Schulzeit fand er als kaufmännischer Angestellter eine Lehr-stelle bei einem Buchmacher. Er arbeitete beim Lehrmeister auch nach der Abschlussprüfung noch einige Jahre weiter und erlernte praktisch alle Tricks dieses Berufes. Obschon das Buchmacher-geschäft, in dem er arbeitete, Wetten auf alle Arten von Sport annahm, interessierte sich Pad hauptsächlich für Pferderennen. Er vermutete, dass im Pferderennsport die Gewinnchancen mittels Fach-kenntnissen und mit Insiderwissen merklich erhöht werden konnten.

Die Pferderennen interessierten den jungen Mann unabhängig von der Möglichkeit, in diesem Sport Geld verdienen zu können. Er durfte in den Sommerferien dem Trainer eines kleinen Rennstalls in Lambourn, in der Grafschaft Berkshire gelegen, zur Hand gehen, Pferdeboxen ausmisten und Pferde pflegen. Als Belohnung durfte er sogar reiten lernen. Allerdings nur im Trabring2, über den der Trainer verfügte. Da ereignete sich ein folgen-schwerer Unfall. Sein Pferd erschrak, kehrte blitz-schnell und warf ihn ab. Er landete mit dem Gesicht unglücklich auf einem Eisenpfosten. Nach einigen Wochen war zwar die Wunde an der linken Backe verheilt. Aber es blieb eine markante Narbe, eine Kerbe, die sein Gesicht fortan prägte.

Im Alter von 25 Jahren zog es Pad nach Paris. Er fand bei der französischen Wettorganisation PMU eine Anstellung und wurde dadurch vor allem auf dem Gebiet der Pferdewetten zu einem Profi. Es wuchs der Traum, als Buchmacher ein eigenes Geschäft zu eröffnen und zu führen.

Er war noch nicht einmal 30 Jahre alt, als sich unverhofft die Gelegenheit ergab, in Dublin ein alteingesessenes Buchmachergeschäft zu übernehmen. Er war damals mit einer faszinierenden Frau liiert, einer Grazie aus der Dominikanischen Republik, die in Frankreich und London als Model arbeitete. Diese Frau mit der schmalen Taille und dem eleganten Gang, machte ihn auf die Chance aufmerksam. Ein Problem war, dass er noch kaum Ersparnisse hatte und der Verkäufer, ein verwitweter Ire, nicht bereit war, den Kaufpreis als Darlehen stehen zu lassen. Als jedoch die Freundin ihm einen Geldgeber vermittelte und dieser anerbot, fast den ganzen notwendigen Betrag zur Verfügung zu stellen, hatte auch der Verkäufer ein Einsehen. Er reduzierte den Kaufpreis geringfügig und Pad schloss mit dem Investor einen Darlehensvertrag ab.

Die Freundin erledigte für Pad die Formalitäten. Er selber kannte den Geldgeber nicht, er war an dessen Identität auch gar nicht interessiert. Etwas sonderbar schien ihm, dass er bei einer Bank auf der Insel Guernsey ein Konto eröffnen musste, auf das ein Trust den Darlehensbetrag überwies. Ab diesem Konto vergütete er dann dem Verkäufer den Kaufpreis. Die Konditionen, welche die Freundin mit dem Geldgeber ausgehandelt hatte, schienen auf den ersten Blick zwar moderat. Zum Zins und kleinen Rückzahlungsquoten kam aber die Verpflichtung hinzu, dem Geldgeber jedes Jahr mehrmals Gelegenheit zu verschaffen, dank Insidertipps Wettgewinne zu erzielen. Das Damoklesschwert des Vertrags war, dass das ganze Darlehen zur Rückzahlung fällig wurde, wenn solche Wetttipps ausblieben. Das kümmerte Pad allerdings kaum. In England und Frankreich und bald auch in Irland hatte er gute Beziehungen zu Assistenten von erfolgreichen Pferdetrainern. Aus diesen Kreisen erhielt er immer wieder wertvolle vertrauliche Hinweise, die er weiterleiten und so diese Vertragsbedingung erfüllen konnte.

Nachdem der Kauf des Buchmachergeschäfts über die Bühne gegangen war, verschwand seine Freundin ganz plötzlich. Sie hatte die Handynummer gewechselt und war wie vom Erdboden verschluckt.

Pad machte die Erfahrung, dass das Stallpersonal die Chancen der Pferde aus dem eigenen Stall häufig überschätzte. Seine an den Geldgeber weitergeleiteten Tipps führten nicht immer zum Erfolg. Nach Rückschlägen ging es nicht lange, bis sich der Geldgeber meldete. In der Regel war es nicht er selber, sondern ein von ihm beauftragter Stellvertreter rief auf Pads Handy an. Die Botschaft der männlichen Stimme war immer sehr kurz. Beim ersten Mal wurden bessere Tipps gefordert, beim zweiten Mal wurde mit der Kündigung des Darlehens gedroht. Der Anrufer sprach Englisch mit einem Akzent, der vermuten liess, dass der Anrufer spanischer oder portugiesischer Muttersprache war.

2 Im Kreis angelegte Sandpiste, die so gross ist, dass die Pferde traben können.

3. Unter Erfolgsdruck

Die unangenehme Drohung hatte Pad veranlasst, für Wetttipps verlässlichere Quellen zu suchen. Eine war der im irischen Cork wohnhafte Tierarzt Hamer gewesen. In grösseren, aber regelmässigen Abständen erhielt er von Hamer jahrelang gegen Entgelt Tipps. Ein besonders erfolgreicher Deal war vor etwas weniger als einem Jahr die Information über den Tausch der zwei sich äusserlich gleichenden, gleichaltrigen Hengste Last Loser und Rocket gewesen. Sie waren von erheblich unterschiedlichen Stärkeklassen. Dank diesem Deal konnte er seinen Geldgeber ruhig stellen. Und er konnte darüber hinaus sein eigenes Einkommen verbessern. In Kenntnis des Tausches konnte er als Buchmacher Rocket zu einer verlockenden Quote anbieten. Er wusste, dass Rocket schlecht laufen würde, und fand dadurch viele Einzahler. Und in Frankreich wettete er Last Loser, als er krasser Aussenseiter war. Um nicht Wettinsidern aufzufallen, musste er allerdings etlichen Aufwand betreiben und seine Einsätze auf verschiedene Wettanbieter verteilen. Es lohnte sich.

Das Spiel war aber auch gefährlich geworden. Zuerst plapperte ein alter Stallknecht in einem Pub von Bantry über seine Beobachtungen. Dies veranlasste Pad, mit dem Vertreter des Geldgebers, dessen Handy-Nummer er kannte, Kontakt aufzunehmen und das Problem zu schildern. Dieser wollte alle Details wissen. Pad kam nicht umhin, ihm zu verraten, dass der in Irland lebende Tierarzt eigenhändig am Pferdetausch mitgewirkt hatte und ganz allgemein eine seiner besten Informationsquellen war. Im Laufe des langen Telefongesprächs erhielt Pad den Eindruck, dass sein Geldgeber mit allen Wassern gewaschen und darüber hinaus sehr pedantisch war. Er wollte genau wissen, wer alles in den Pferdetausch involviert war. Die für Pad weiterhin anonyme männliche Stimme war von der Geschichte nicht begeistert. Er wollte genaue Angaben über den Stallknecht und den Tierarzt. Den Namen des ehemaligen irischen Trainers von Rocket könne er selber in Erfahrung bringen. Als Pad ihm die gewünschten Informationen gegeben hatte, sicherte die Stimme ihm zu, die Sache zu erledigen, freilich mit dem Hinweis, auf weitere Wetttipps zu warten.

Wenige Tage später erhielt Pad von Hamer die Nachricht, der Stallknecht sei am Meeresufer von Bantry tot aufgefunden worden. Pad war erleichtert. Da ereignete sich einige Wochen später ein eigenartiger Vorfall. Hamer, der Tierarzt, war in Bantry mit seinem Auto tödlich verunfallt. Die Nachricht schlug in Reiterkreisen wie eine Bombe ein. Hamer hatte schon lange als zwielichtige Figur gegolten. Und es dauerte nicht lange, bis sich die wildesten Gerüchte um den Vorfall rankten. Ein Notfall, hiess es, habe den Tierarzt zu früher Morgenstunde aus dem Bett geholt. Hamer sei dann mit seinem alten MG so ungestüm den Hügel hinunter gefahren, dass sich das Fahrzeug überschlug. Hamer schleuderte es aus dem offenen Auto direkt in einen Baum. Nachbarn erzählten jedoch den Medien, am fraglichen Morgen sei ein Unbekannter am Fusse des Hügels gesichtet worden, worauf die Presse die Vermutung in die Welt setzte, der umstrittene Tierarzt sei ermordet worden.

Dennoch lief das Projekt Last Loser-Rocket für Pad weiterhin gut. Er hatte Hamer einen Wett Tipp abgekauft. Und wenn das auch keine alltägliche Geschäftstätigkeit war, sie war nicht illegal. Für die Todesfälle, die vielleicht mit dem Projekt in Verbindung gebracht werden konnten, trug er keine Verantwortung. Allerdings: Er hatte Hamer die erste Rate für den Wett Tipp auf ein Konto einbezahlt, das Hamer auf der gleichen Bank in Guernsey eröffnet hatte, bei der er und sein Geldgeber verkehrten. Ebenso unvorsichtig war es vielleicht gewesen, in seiner Angst seinen Investor ins Vertrauen zu ziehen.

Die Sache wurde noch ungeheuerlicher. Einige Tage nach Hamers Unfall war im Irish Life zu lesen, dass der irische Trainer, der vom Tausch der Pferde gewusst hatte, niedergeschlagen worden war und wenig später verstarb. Gemäss den Informationen, die er von Hamer erhalten hatte, waren damit ohne sein Zutun alle Personen aus dem Weg geräumt, die in den Tausch der Pferde involviert gewesen waren, vermutlich mit Ausnahme einer Frau. Aus einer beiläufigen Bemerkung von Hamer hatte Pad schliessen müssen, dass noch eine Frau in den Pferdetausch involviert gewesen war. Und diese Möglichkeit hatte er beim letzten Telefongespräch mit dem Vertreter des Geldgebers auch angedeutet. Der lukrative Fall Last Loser-Rocket war für Pad zur Gefahr geworden.

Die Befürchtungen von Pad waren berechtigt. Aus irgendeinem Grund war die Sache einige Wochen, nachdem alle drei Insider gestorben waren, aufgeflogen. Die beiden Pferde wurden von den englischen und französischen Rennbehörden gesperrt. Die Beteuerungen von Hamer, dass der Pferdetausch nicht bekannt würde, waren wertlos gewesen. Hatte die in den Fall involvierte ominöse Frau geplaudert? Wer also war diese Frau? Pad konnte niemanden darauf ansprechen, ohne sich zu verraten. Er wusste nicht einmal, ob Hamer eine Vertrauensperson hatte, die etwas hätte wissen können. Er wusste, dass Hamer mit seiner Ehefrau kein inniges Verhältnis mehr gehabt hatte. Er hatte ihn einige Male in weiblicher Begleitung gesehen, meistens in Begleitung von jüngeren Frauen. Aber diese dienten, davon war er überzeugt, sexuellen Abenteuern.

Das nun also waren während dem ersten Roman die Wahrnehmungen der Vorkommnisse aus der Sicht von Pad gewesen. Nun kumulierten sich für ihn die Probleme: Er musste seinem Geldgeber Tipps liefern und verhindern, dass die Polizei eine Verbindung zwischen ihm und Hamer aufdeckte. Den Verlust von Hamer als zuverlässiger Informant für sein Geschäft konnte er vermutlich verschmerzen. Weil er inzwischen gut beobachtet hatte, wie die Pferde vor den Rennen identifiziert werden, kam ihm eine neue Idee. Er musste behutsam vorgehen. Der Trick mit dem Austausch von zwei sich gleichenden Hengsten unterschiedlicher Stärkeklassen war gut gewesen, aber sein eigener Plan war, falls er sich umsetzen liess, mindestens so gut. Wie er die Identität der ominösen Frau ermitteln konnte, wusste er allerdings nicht.

4. Frust

Für Sandra Keller hatten die Erlebnisse mit den Pferden Rocket und Last Loser in einer herben Enttäuschung geendet. Sie fühlte sich hintergangen und ausgenützt. Den Kontakt mit Andi Bucher und seiner Frau Vera hatte sie sehr geschätzt. Sie hielt beide für aufrichtige Personen mit einem guten Herz für Tiere. In Andi hatte sie einen Rennpferdebesitzer kennengelernt, der nicht auf schnellen Gewinn aus war, der zuhören konnte, auch ihren Ausführungen über Naturmedizin und Tierkommunikation, und der sich über die unerwarteten Erfolge von Last Loser offen freute, ohne überheblich zu werden. Sie vertraute auch den Schilderungen von Vera, wie Andi von der Intrige Séverines überrascht und enttäuscht war. Und sie war sich bewusst, dass als Besitzer Andi im Rampenlicht stand und Hohn und Spott ausgeliefert war. Von ihr als Mitbesitzerin nahm kaum jemand Notiz.

Den Medien entnahm Sandra diverse Mutmassungen über den Fall Rocket-Last Loser. Die Berichterstattungen waren verwirrend. Ein Telefongespräch, das sie einige Wochen nach ihrer Rückkehr in die Bretagne mit Andi geführt hatte, ergab wenig Neues. Immerhin erklärte Andi, dass er sich bemühe, wieder in den Besitz des richtigen Last Loser zu kommen. Nach etwa zwei Monaten teilte ihr Andi telefonisch mit, dass die Pferde wieder ausgetauscht würden und sie somit wieder in den Besitz von Last Loser kämen.

„Der Austausch findet in Le Touquet statt. Der ge-naue Tag ist noch nicht festgelegt. Überlege dir, ob du auch dabei sein willst und ob du einverstanden bist, dass wir das Pferd wieder ins Training geben. Kennst du einen Trainer, zu dem wir Vertrauen haben können?“

Sandra Keller hatte bei der Episode Rocket – Last Loser wenig Geld verloren. Die unerwarteten Wettgewinne hatten in etwa genügt, um ihre Reisekosten zu decken. Für Pensionskosten des Pferdes bei Trainer Boutin hatte sie nur zweimal ihren Anteil von 20 Prozent überweisen müssen.

Nach reiflicher Überlegung entschied Sandra, beim Rücktausch der Pferde in Le Touquet anwesend zu sein. Sie fühlte sich Andi gegenüber verpflichtet. Als sie ihm ihren Beschluss telefonisch mitteilte, regte sie an, den mittlerweile schon viereinhalbjährigen Hengst in Obhut einer Deutschen zu geben, welche im Trainingszentrum Chantilly trainierte: „Das ist nicht so weit von Le Touquet entfernt und die Trainerin hat einen absolut seriösen Ruf. Sie arbeitet mit deutscher Gründlichkeit.“

Sandra kannte Bucher nun gut genug, um zu wissen, dass er den Vorschlag nicht spontan gutheissen würde. Aber er notierte sich den Namen der Frau und wenige Tage später bestätigte er ihr per Mail, dass er einverstanden sei. Er werde mit der Trainerin Kontakt aufnehmen.

5. Séverine Marlin in Untersuchungshaft

Séverine Marlin war nach ihrem Geständnis bei der Polizei in Zürich nach Frankreich zurück gekehrt, aber schon wenige Tage später von der französischen Gendarmerie in ihrer Wohnung in Avranches verhaftet worden. Für ihre Eltern, die in Saumur in einem Einfamilienhaus in Rente lebten, war die Nachricht vom Betrug mit Last Loser und der Verhaftung niederschmetternd gewesen. Wohl hatten sie in den Wochen, bevor die Geschichte aufflog, gespürt, dass etwas nicht stimmte. Aber mit einem strafbaren Verhalten ihrer Tochter hatten sie nicht gerechnet. Bald mussten sie feststellen, dass Séverine nicht nur sehr bedrückt war, sondern dass sie auch auf bestem Weg war, in eine tiefe Depression zu fallen. Soweit Besuche im Gefängnis überhaupt gestattet waren, bemühten sich die Eltern, der Tochter Zuneigung zu zeigen. Sie vermittelten ihr einen Anwalt, der den Ruf eines erfahrenen und erfolgreichen Verteidigers in Strafverfahren genoss.

Séverine hatte nun nur noch wenige Menschen, die zu ihr standen. Sie empfand in erster Linie Schuldgefühle gegenüber ihrem Geschäftspartner Boutin und gegenüber Andi Bucher, dessen Vertrauen sie missbraucht hatte. Ihre Scham gegenüber Andi war so intensiv, dass sie schmerzte. Er war ein derart ehrbarer und korrekter Mann, dass sie ihr Verhalten als unverzeihlich empfand. Zudem hatte sie für ihn Gefühle entwickelt, die alles übertrafen, was sie zuvor mit ihren Männerbekanntschaften erlebt hatte.

Soweit die Zeit nicht durch Einvernahmen belegt war, verbrachte Séverine jeden Tag damit, für Andi ein Entschuldigungsschreiben zu verfassen. Immer wieder zerriss sie ihren Brief, weil sie mit der Formulierung nicht zufrieden war. Am Ende der vierten Woche übergab sie das Schreiben der Gefängnisverwaltung zum Versand. Sie vermied es, Ort und Adresse des Gefängnisses mitzuteilen. Sie glaubte nicht, Anrecht auf eine Antwort zu haben.

Mit Hilfe ihres Anwalts gelang es Séverine recht bald zu beweisen, dass sie mit den Todesfällen von Jim, Bob Melon und Sjörs Hamer nichts zu tun hatte. Sie gab vor, keine Ahnung zu haben, wer der oder die Täter sein könnten. Sie erwähnte nicht, dass sie in Paris im Ritz die flüchtige Bekanntschaft eines Mannes gemacht hatte, mit welchem Hamer etwas besprochen haben musste. Sie war sich sicher, dass sie als Gast in den Hotelakten des Ritz nicht vermerkt war. Es waren nur wenige Stunden gewesen, die sie damals im Hotelzimmer von Hamer verbracht hatte. Sie wollte vermeiden, dass die Polizei versuchte, die Person, mit der Hamer die Besprechung geführt hatte, zu ermitteln. Denn falls tatsächlich dieser Unbekannte in die Mordfälle involviert war, musste sie um ihr Leben fürchten, wenn die Polizei sie als Zeugin nennen würde.

Weil sie sich weder bei der Festnahme noch in der Haft den Anordnungen widersetzt hatte, wurde Séverine im Gefängnis auf Antrag ihres Anwalts ein erleichterter Haftvollzug gewährt, nachdem sie von der Beteiligung an den Todesfällen entlastet worden war. Der erleichterte Haftvollzug bestand darin, dass sie in einem Gemeinschaftsraum mit einigen wenigen anderen Insassen des Frauengefängnisses die staatlichen Fernseh-sendungen verfolgen und in einem Büro ausserhalb der strengsten Sicherheitszone für die Gefängnisverwaltung administrative Arbeiten erledigen durfte. Die Besserstellung gegenüber den Frauen, die sich unbotmässig verhielten oder schwere Delikte auf dem Kerbholz hatten, trug dazu bei, dass Séverines Depressionen etwas nachliessen.