Lean und Industrie 4.0 - Markus Schneider - E-Book

Lean und Industrie 4.0 E-Book

Markus Schneider

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Beschreibung

Digitalisierung in der Produktion – wo es lohnt
Die Industrie unternimmt viel, um ihre Prozesse und Produkte zu digitalisieren und durch Lean-Management Verschwendung zu vermeiden. Hier liegt ein großes Potenzial für Effizienzsteigerungen und Innovationen. Doch nicht immer sind diese Bemühungen so fokussiert, dass der erwartete Effekt auch eintritt. In diesem Buch beschreibt der Autor mit welcher Methode sich dieses Problem lösen lässt. Es fließen die Erkenntnisse aus realen Beratungsprojekten ein. Handlungsblockaden werden gelöst, indem zuerst die offensichtlichen Quellen der Verschwendung beseitigt werden. Auf dieser Basis können im nächsten Schritt Smart Products und Smart Services entwickelt werden.

Am Ende halten Sie alle Elemente für eine eigene Digitalisierungsstrategie in Händen, wobei aber immer gilt "Lean geht vor Industrie 4.0".

Was Ihnen das Buch bringt:
- eine eigene Digitalisierungsstrategie entwickeln lernen
- ein kundenorientiertes Leitbild als Basis entwerfen
- neue Technologie nur dort einsetzen, wo es wirklich den Geschäftszielen dient

Mit Hilfe dieses Buches vermeiden Sie Irrwege und fruchtlose Diskussionen der Projektbeteiligten. Profitieren Sie von den Erfahrungen anderer und nutzen Sie bewährte Werkzeuge um schneller ans Ziel zu kommen.

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Markus Schneider

Lean und Industrie 4.0

Eine Digitalisierungsstrategie auf Basis des Wertstroms

Der Autor:

Prof.-Dr. Markus Schneider, Landshut

Alle in diesem Buch enthaltenen Informationen, Verfahren und Darstellungen wurden nach bestem Wissen zusammengestellt und mit Sorgfalt getestet. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sind die im vorliegenden Buch enthaltenen Informationen mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine juristische Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Informationen – oder Teilen davon – entsteht.

Ebenso übernehmen Autoren und Verlag keine Gewähr dafür, dass beschriebene Verfahren usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt deshalb auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen­ und Markenschutz­Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches, oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) – auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2019 Carl Hanser Verlag Münchenwww.hanser-fachbuch.de

Lektorat: Volker Herzberg Herstellung und Satz: le-tex publishing services GmbH Coverrealisation: Daniela May

Print-ISBN 978-3-446-45917-5 E-Book-ISBN 978-3-466-45986-1 ePub-ISBN 978-3-446-46020-1

Verwendete Schriften: SourceSansPro und SourceCodePro (Lizenz) CSS-Version: 1.0

Inhalt

Titelei

Impressum

Inhalt

Vorwort

Über den Autor

1 Einleitung – eine Welt, die sich verändert

2 Der Check-up – wie hoch ist der Bedarf für Lean und Digitalisierung in Ihrem Unternehmen

2.1 Erläuterung des Check-ups

2.2 Fragebogen zum Check-up

2.3 Auswertung des Check-ups

2.4 Zusammenfassung

3 Lean Production – die bewährte Lösung

3.1 Lean – das aktuell wohl beste Produktionskonzept

3.2 Die acht Systemischen Prinzipien – Erläuterung anhand der Skigebietanalogie

3.3 Zusammenfassung Lean

4 Industrie 4.0 – das neue Heilsversprechen

4.1 Die Herausforderungen von Industrie 4.0 – wo stehen die meisten Unternehmen?

4.2 Die drei Dimensionen von Industrie 4.0 – Smart Product, Smart Services und Smart Factory

4.3 Warum Industrie 4.0?

4.4 Industrie 4.0 – warum gerade jetzt?

4.5 Das beobachtete Muster der Digitalen Transformation – Transparenz, Vernetzung, Kundenmehrwert schaffen

4.6 Zusammenfassung Industrie 4.0

5 Unser Credo – Lean vor Industrie 4.0!

5.1 Potentielle Zielkonflikte zwischen Lean und Industrie 4.0

5.2 Empfehlung zur Vorgehensweise – Lean vor Industrie 4.0

5.3 Lean-kompatible Industrie-4.0-Technologien – die acht Systemischen Prinzipien als Basis

5.4 Zusammenfassung

6 Die Herausforderung – eine eigene Digitalisierungsstrategie entwickeln

6.1 Der Holzweg – ein technikorientiertes Zielbild

6.2 Der Lösungsweg – ein kundenorientiertes Zielbild

6.2.1 Das Kundenbedürfnis in den Mittelpunkt stellen

6.2.2 Startpunkt der Digitalen Transformation – die Smart Factory

6.3 Methode zur Beschreibung eines kundenorientierten Zielbildes – das Wertstromdesign

6.4 Zusammenfassung

7 Die Methode – die Wertstromanalyse 4.0

7.1 Beschreibung der klassischen Wertstrommethode

7.2 Zusammenfassung

8 Die Digitalisierungsstrategie für Lean-Unternehmen – Ableitung mit Hilfe der Wertstrommethode 4.0

8.1 Ein gemeinsames Verständnis schaffen – Grundlagen der Digitalisierung und der Wertstromanalyse 4.0

8.1.1 Was ist Digitalisierung, Industrie 4.0 und Digitale Transformation – ein gemeinsames Verständnis

8.1.2 Das Basiswerkzeug – Vorstellung der Wertstromanalyse 4.0

8.2 Die gemeinsame Herausforderung – das Ziel und die Vision verstehen

8.3 Den IST-Zustand verstehen – Wertstromanalyse 4.0

8.3.1 Sehen lernen – Erstellung der (klassischen) Wertstromanalyse

8.3.2 Digital sehen lernen – Erweiterung zur Wertstromanalyse 4.0

8.3.3 Positionsbestimmung – der aktuelle Digitalisierungsgrad des Unternehmens

8.4 Das Zielbild beschreiben – das Wertstromdesign erstellen

8.5 Der Umsetzungsplan auf Basis des Wertstromdesigns – KATA einsetzen

8.5.1 Hindernisse, an denen als Nächstes gearbeitet werden muss – Kaizen entlang des Wertstromdesigns

8.5.2 Der Schleifenplan – Reduzierung der Komplexität der Umsetzung

8.5.3 Erst organisieren – dann investieren

8.6 Der Technologieüberblick – Technologiescouting für Lean-Unternehmen

8.6.1 Aufbau des Technologie-Überblickswissens – Messebesuche und Netzwerk

8.6.2 Aufbau eines Technologiekataloges – wie denkt ein Planer?

8.6.3 Vermittlung eines Technologieüberblicks – der Prozess in der Lern- und Musterfabrik als Basis

8.7 Prozessorientierte Technologieauswahl – Erweiterung zum Wertstromdesign 4.0

8.7.1 Das SEE-Frageschema – Stabilität, Effizienz und Effektivität

8.7.2 Vernetzung der digitalen Technologien – Auswahl einer IIoT-Plattform

8.7.3 Prototypenhafte Umsetzung – Process Prototyping in der Musterfabrik des TZ PULS

8.7.4 Prozesse radikal neu denken – eine Anleitung

8.8 Datenbasierten Mehrwert für den Kunden schaffen – Ausweitung zum Smart Product und Smart Service

8.9 Zusammenfassung – Ableitung einer prozessbasierten Digitalisierungsstrategie

9 Ein wertstrombasiertes Gesamtkonzept für Ihr Unternehmen – Lean Factory Design

9.1 WOHIN wir mit dem Kunden wollen – der Nordstern

9.2 WIE wir im Rahmen von LFD vorgehen – das LFD-Leistungsportfolio

9.3 WAS wir dazu einsetzen – das PuLL-Produktionssystem

10 Der Nutzen einer Digitalisierungsstrategie – ein Kommunikationsinstrument für die Produktion und Logistik

Literatur

Vorwort

Meine Vision ist „die perfekte Produktion“. Dieses Ziel motiviert mich seit über 15 Jahren bei der Suche nach organisatorischen und technischen Lösungen zur Optimierung von Produktions- und Logistikabläufen. Meine Mission ist es, mit Wissens- und Technologietransfer Unternehmen in Deutschland dabei zu helfen, in einem Hochlohnland wettbewerbsfähig zu produzieren. Unser Ziel muss es sein, Wertschöpfung und Arbeitsplätze bei uns zu erhalten. Dies bildet die Basis für Wohlstand und ein angenehmes Leben in unserem Land.

Um dies umsetzen zu können, habe ich 2008 das Kompetenzzentrum PuLL (Produktion und Logistik Landshut) gegründet. Aus dieser Keimzelle sind inzwischen das Technologiezentrum PULS (Produktions- und Logistiksysteme) in Dingolfing und die PuLL Beratung GmbH in Landshut hervorgegangen. Am Technologiezentrum PULS erforschen und entwickeln wir Methoden und Werkzeuge rund um die „Intelligente Produktionslogistik“. Den Kern bildet eine 900 m² große Lern- und Musterfabrik, die optimale Basis für anwendungsbezogene Forschung und praxisnahe Aus- und Weiterbildung. Mit der PuLL Beratung GmbH habe ich ein Vehikel geschaffen, um unser Wissen in Form von Beratungs-, Coaching- und Schulungsangeboten den Unternehmen effizient und zielführend zur Verfügung zu stellen. Unterstützt werde ich bei meiner Mission durch ein enges Netzwerk aus über 40 Unternehmen, die größtenteils im Bereich der Fabrikausrüstung tätig sind, und ein stetig wachsendes Team aus kompetenten Mitarbeitern.

Mein Wissen habe ich in Form des umfassenden Konzeptes „Lean Factory Design“ strukturiert. Den Kern bildet ein auf einer kollaborativen Softwarelösung aufgebautes Produktionssystem, das uns zum internen Wissensmanagement dient. Das Leistungsportfolio umfasst den ausgereiften Methodenbaukasten „CoMIC“ zur ganzheitlichen Optimierung von Produktions- und Logistikprozessen. CoMIC setzt sich aus folgenden Bausteinen zusammen:

Co munication Flow Design (CoFD)

M aterial Flow Design (MFD)

I nformation Flow Design (IFD)

C apital Flow Design (CFD)

CoFD fokussiert das für einen Projekterfolg enorm wichtige Thema der Kommunikation. Es wird strukturiert eine Kommunikation zu und zwischen verschiedenen Ebenen des Kunden aufgebaut. Von zentraler Bedeutung sind die gemeinsame Vision, die Führungsmethode KATA und verschiedene Boards als Kommunikationswerkzeuge.

MFD umfasst eine Top-down-Betrachtung des gesamten Kundenstandortes mit Hilfe der Wertstrommethode und eines softwarebasierten Materialflussplanungssystems, das wir Lean-kompatibel einsetzbar gemacht haben. Ergänzt wird dies durch eine Bottom-up-Methodik, die den einzelnen Arbeitsplatz optimiert. Den besonderen Mehrwert für den Kunden bildet hier unsere ausgefeilte, über viele Jahre methodisch entwickelte Vorgehensweise.

CFD ist ein völlig neuartiger Ansatz für ein Controlling for Lean. Dieser Ansatz wurde von H. Mathias Michalicki im Rahmen seiner Promotion am TZ PULS in Kooperation mit der Firma ebm papst entwickelt und richtet den Kapitalfluss am Wertstrom aus. H. Michalicki ist inzwischen Geschäftsführer der PuLL Beratung GmbH.

Im Rahmen von LFD ist dieses Buch dem immer wichtiger werdenden Bereich der Informationsflussgestaltung gewidmet. Information Flow Design stellt die Methoden und Werkzeuge zur Verfügung, um den Material- und Informationsfluss in einem Unternehmen zu synchronisieren. Das Alleinstellungsmerkmal von CoMIC ist, dass alle vier Leistungsbereiche über EINE Methode, das Wertstromdesign, aufeinander ausgerichtet werden. Dies bietet enorme Vorteile bezüglich der Konsistenz der mit diesem Methodenbaukasten erarbeiteten Strategien und Maßnahmen – es ist alles aus einem Guss.

Ich würde mich sehr freuen, wenn mein ganzheitliches Optimierungskonzept Lean Factory Design weite Verbreitung finden und von vielen Unternehmen genutzt werden würde, um noch besser zu produzieren und weiter zu wachsen. Ich möchte allen Unternehmern in unserem Land für ihren Mut und ihr Engagement danken. Mit Lean Factory Design möchte ich einen Beitrag zu sicheren Arbeitsplätzen und Wohlstand in Deutschland leisten.

Für die Unterstützung bei der Erarbeitung der Inhalte und als Sparringspartner möchte ich mich bei Herrn Sven Rittberger bedanken. Für die Unterstützung bei der Recherche und der Erstellung der Abbildungen gilt mein Dank den Herren Maximilian Langewort und Patrick Rannertshauser.

Prof. Dr. Markus Schneider, September 2018

Über den Autor

Prof. Dr. Markus Schneider

Derzeitige Tätigkeit

Professur für Logistik, Material- und Fertigungswirtschaft an der Hochschule Landshut – www.haw-landshut.de

Leiter Technologiezentrum PULS (Produktions- und Logistiksysteme) – www.tz-puls.de

Geschäftsführender Gesellschafter PuLL Beratung GmbH – www.pull-beratung.de

Prokurist und Gesellschafter der Technologiezentrum Dingolfing GmbH (An-Institut der Hochschule Landshut) – www.tzding.de

Leiter KIP (Kompetenznetzwerk Intelligente Produktionslogistik) – www.tz-puls.de

Spezialgebiete

Lean Management

Intelligente Produktionslogistik

Materialfluss-, Produktions- und Logistikoptimierung

Prozessoptimierung

Fabrikplanung und Lean Factory Design

Industrie 4.0, Digitale Produktion und Digitale Fabrik

Berufserfahrung

Umfangreiche Beratungserfahrung in zahlreichen Unternehmen und verschiedenen Branchen und Schulung von über 3.000 Teilnehmern rund um Lean in Produktion und Logistik, Aufbau und Einführung von Produktionssystemen und Fabrik- und Materialflussplanung (siehe www.pullberatung.de).

Aufbau und Leitung des TZ PULS mit 2.700 m² und 33 Arbeitsplätzen.

Leitung mehrerer Forschungsprojekte (ca. 4,5 Mio. € Drittmittel) zu den Themen Lean (Aufbau eines Referenzproduktionssystems für den Mittelstand/Controlling for Lean etc. ) und Industrie 4.0 (Einsatz eines Real Time Location Systems zur Digitalisierung von Bewegungsdaten und ortungsbasierten Produktionssteuerung) als Professor für Logistik, Fertigungs- und Materialwirtschaft.

Autor mehrerer Fachbücher (Logistikplanung in der Automobilindustrie 2008, Prozessmanagement & Ressourceneffizienz 2012, Lean Factory Design 2016), zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge auf Konferenzen.

Aufbau und Leitung (bis 2016) des erfolgreichsten berufsbegleitenden Masters der Hochschule Landshut „Prozessmanagement & Ressourceneffizienz“.

Berufsbegleitende Promotion zum Thema „Logistikplanung in der Automobilindustrie“. Entwicklung einer Planungsmethodik für die Logistik im Rahmen der Digitalen Fabrik und Konzeptionierung als Software. Die Arbeit bildet heute die Basis für die Logistiklösung im Rahmen der „Siemens PLM Software“.

Mehrjährige Tätigkeit als Logistikplaner für die Fahrzeugmodellreihe A3 bei der AUDI AG an der Schnittstelle zwischen Technischer Entwicklung, Montageplanung und Logistikplanung. Logistikvertreter im SE-Team.

Ausbildung zum Speditionskaufmann.

1 Einleitung – eine Welt, die sich verändert

Wir leben heute in einer VUCA-Welt (Ciesielski, Schutz 2016). Diese Abkürzung steht für

Volatility (Volatilität)

Uncertainity (Ungewissheit)

Complexity (Komplexität)

Ambiguity (Mehrdeutigkeit)

Unsere Umwelt wird immer volatiler. Kundenwünsche ändern sich immer schneller. Produktionspläne müssen häufig innerhalb eines Tages geändert werden. Neue Produkte müssen häufiger und schneller in unsere vorhandenen Produktionsabläufe integriert werden. Die Kundenwünsche und andere Umfeldänderungen sind zunehmend unvorhersehbar. Kurzzyklische Nachfrage nach individuellen Produkten mit neuen oder verbesserten Leistungseigenschaften und zunehmende Arbeitsteilung führen zur Steigerung der Komplexität in den Wertschöpfungsketten. Das Gesetz der Komplexität besagt, dass die Komplexität mit jeder Schnittstelle und jedem Zwischenschritt im Quadrat steigt. In komplexen Systemen sind Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge bei Störungen oder Änderungen der Wertschöpfungskette schwerer nachvollziehbar.

All dies führt dazu, dass Unternehmen händeringend nach Lösungen suchen. Digitalisierung und Industrie 4.0 erscheinen hier vielen als „Heilsversprechen“. Erwartungsfroh geht der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens, nennen wir ihn Bernd Boss, auf Veranstaltungen mit wohlklingenden Veranstaltungstiteln. In dem Gewirr der Buzzwords, wie Industrie 4.0, Digitalisierung, Vernetzung, Big Data, Smart Factory, Internet der Dinge, Cyber-physische Systeme, Echtzeitdaten und Digitaler Transformation, verliert Bernd Boss sehr schnell den Überblick. Die Verwirrung weicht zunehmender Frustration.

Was ist denn nun Industrie 4.0? Vieles, was dabei vorgestellt wird, erweist sich bei genauerem Hinsehen als „alter Wein in neuen Schläuchen“: Technologien im Bereich der Automatisierung und PPS- und MES-Systeme, die es immer schon gab, und plötzlich sind alle 4.0.

Industrie 4.0 ist ja kein geschützter Begriff. Jeder darf sein Produkt derart beschreiben und betiteln.

Alle reden von neuen, digitalen Geschäftsmodellen. Dieser digitalen Erfolgsstorys mehr oder weniger bekannter Firmennamen aus Übersee ist er auch bald überdrüssig. Zum einen hat Bernd Boss in seinem Unternehmen ein etabliertes Geschäftsmodell mit physischen Produkten. Es wird einfach nicht klar, wie diese Erfolgsstorys auf ein bestehendes Unternehmen übertragen werden sollen. Und mal eben eine Idee für ein neues, digitales Geschäftsmodell hat er auch „nicht in der Tasche“. Er will ja auch sein bestehendes Unternehmen in die Zukunft führen und kein neues Unternehmen aufbauen.

Dann sind da noch die vielen spannenden Technologien. Unternehmerkollegen experimentieren mit kollaborativen Robotern oder schwärmen von den Erfolgen im 3D-Druck. Andere setzen fahrerlose Transportsysteme in der Logistik ein. Wieder andere verstehen unter Industrie 4.0 ohnehin nur Automatisierung. Voller Panik, den Anschluss zu verpassen, setzt auch Bernd Boss auf vereinzelte technische Experimente. Es wird aber schnell klar, dass dahinter jegliche Strategie fehlt. Er findet einfach kein Zielbild für Industrie 4.0, das ihn auf seinem Weg in die digitale Zukunft leiten könnte.

Geht es Ihnen ähnlich wie Bernd Boss? Dann finden Sie hier die Lösung. Wir zeigen Ihnen, wie man kunden- und prozessorientiert mit Hilfe der Wertstrommethode 4.0 eine Lean-kompatible Digitalisierungsstrategie erstellt.

Zunächst sollen Ihnen aber folgende Fragen helfen, den eigenen Bedarf für eine Lean- und Digitalisierungsstrategie abzuschätzen.

2 Der Check-up – wie hoch ist der Bedarf für Lean und Digitalisierung in Ihrem Unternehmen
2.1 Erläuterung des Check-ups

Wir möchten Ihnen im Weiteren einen kurzen Check-up für das Produktionssystem Ihres Unternehmens an die Hand geben. Dieses Vorgehen ist Teil des von uns entwickelten Konzepts Lean Factory Design (siehe Kapitel 9) und dem Gesundheits-Check-up bei einem Hausarzt nachempfunden. Ein wichtiger Teil ist die sogenannte Anamnese, also ein strukturiertes Gespräch zwischen Arzt und Patient. Der Arzt folgt dabei einer Checkliste und versucht durch gezielte Fragen Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Patienten zu ziehen. Ergänzt wird dieses Vorgehen durch Beobachtung und eingehende Betrachtung des Patienten.

Der Arzt ist sich bewusst, dass die Patienten in dem Gespräch im Normalfall nur Krankheitssymptome, wie Husten, Kratzen im Hals oder Fieber beschreiben. Um nun eine Diagnose stellen und eine Therapie entwickeln zu können, muss der Arzt die Ursachen der Krankheit herausfinden und dann eine entsprechende Therapie vorschlagen.

Um die Symptome interpretieren zu können, muss der Arzt den Sollzustand eines menschlichen Körpers kennen. Die Information 39,3 Grad Körpertemperatur ist relativ nutzlos, wenn man nicht weiß, dass der Sollzustand 37 Grad beträgt und es ab 40 Grad gefährlich wird. Weitere wichtige Eckpunkte für den Sollzustand sind bspw. übliche Hautfarbe, nicht übermäßiges Schwitzen, Ruhepuls, Atemfrequenz, Gewicht etc.

Der nächste Schritt in unserer Arztanalogie wäre nun, dass wir wissen wollen, was zu tun ist. Wie ist unser Leben zu gestalten, damit wir möglichst nah an besagtem Sollzustand bleiben. Die typischen Prinzipien (verdichtete Handlungsempfehlungen) sind bspw. nicht zu rauchen, ausreichendes Schlafen, nicht übermäßiges Essen und Trinken und regelmäßig Sport zu treiben. Wird dies eingehalten, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch der Körper gesund bleibt.

Dieser Check-up wird nun auf das Produktionssystem eines Unternehmens übertragen.

Wenn Sie in einem Unternehmen die Mitarbeiter oder die Werker im Rahmen einer ersten Analyse befragen (dies entspricht dem Arzt-Patienten-Gespräch), seien Sie sich bewusst, dass die Werker auch meist nur die Symptome beschreiben. Typische Aussagen sind: Es ist jede Menge Material vor Ort, aber nicht das, was gerade gebraucht wird, ständige Abstimmungen per Zuruf sind notwendig, die Produktionsreihenfolgen werden permanent geändert etc.

Der nächste Schritt entspricht der intensiven Betrachtung und Beobachtung des Patienten. Hierfür wird im Produktionsumfeld eine sogenannte „Kreidekreis-Übung“ (auch unter Ohno-Kreis bekannt) durchgeführt. Stellen Sie sich min. zwei Stunden an irgendeinen Ort in der Produktion oder im Lager in einen „gedachten Kreidekreis“ und notieren Sie alles, was Ihnen in dieser Zeit auffällt. Lean unterscheidet sieben Arten der Verschwendung:

T ransport (unnötiger Transport)

I nventory (Bestand)

M ovement (unnötige Bewegung)

W aiting (Warten)

O verproduction (Überproduktion)

O verprocessing (unnötiger Arbeitsprozess)

D efects (Ausschuss)

TIMWOOD hilft Ihnen bei der Strukturierung. Beobachten Sie bspw. zuerst die Stapler und Personen bei den Transporten. Wie hoch ist der Anteil der Leerfahrten der Stapler? Häufig nahe 50 % oder darüber. Aber nicht, weil die Leute gerne „spazieren fahren“, sondern schlicht, weil die Information fehlt, was auf dem Rückweg mitgenommen werden könnte. Der Anteil Leerfahrten ist nur das Symptom.

Die augenfälligste Art der Verschwendung sind Bestände (Inventory) aller Art. Das in Beständen gebundene Kapital ist dabei noch der kleinste Teil der Verschwendung. Viel wichtiger sind der in der Produktion verbrauchte Platz und vor allem der Aufwand für die Verwaltung, Steuerung und Kontrolle der wartenden Teile. Wichtig ist jedoch auch hier, dass der Bestand immer nur das Symptom ist. Die Ursache sind bspw. nicht abgestimmte Ressourcen und Prozesse. Der Arztbefund wird für ein Unternehmen in Form einer Wertstromanalyse dokumentiert. Verbesserungspotenziale und Probleme werden mit sogenannten „Kaizen-Blitzen“ markiert.

Um nun die Symptome interpretieren zu können, brauchen wir auch im Lean-Umfeld Sollwerte, wie üblicher Ruhepuls, normale Körpertemperatur, gesunde Hautfarbe etc.

Zur Beschreibung des Sollzustands eines Produktionssystems wird auf die acht systemischen Grundprinzipien Fluss, Takt, Standard, Pull, Integration, Synchronisation, Perfektion und Robustheit, die noch in einem späteren Kapitel anhand der Skigebietsanalogie vertieft erläutert werden, zurückgegriffen. Ein Prinzip ist eine verdichtete Handlungsweise zur Gestaltung von Entscheidungsprozessen. Es beschreibt einen Sollzustand, der idealerweise erreicht werden sollte. Diese Prinzipien sind nicht als Dogma (unumstößliche Wahrheit) aufzufassen und auf Biegen und Brechen umzusetzen. Ein Prinzip soll helfen, für komplexe Umfelder Lösungsansätze zu zeigen, die sich bereits in der Praxis bewährt haben.

Mit diesen beiden Instrumenten, den sieben Verschwendungsarten zur Einordnung der Symptome und den acht systemischen Prinzipien zur Beschreibung des Sollzustands, lassen sich Produktions- und Logistiksysteme sehr schnell und mit etwas Übung sehr treffsicher analysieren.

Der letzte Schritt in unserer Arztanalogie wäre nun, dass wir wissen wollen, was zu tun ist, wie unser Leben zu gestalten ist, damit wir möglichst nah an besagtem Sollzustand bleiben. Typische Prinzipien (verdichtete Handlungsempfehlungen) sind – wie erwähnt – nicht zu rauchen, ausreichendes Schlafen etc.

 

Bild 2.1Übersicht der Gestaltungsprinzipien entlang der Wertschöpfungskette (entnommen aus (Schneider 2016))

Als Anleitung zum Aufbau eines „gesunden“ Produktionssystems dienen Gestaltungsprinzipien. Beispielhaft sollen zwei Gestaltungsprinzipien herausgegriffen werden. Das Gestaltungsprinzip Poka Yoke bedeutet Fehlervermeidung durch technische Möglichkeiten. Produkte, Werkzeuge und Prozesse sollen so gestaltet sein, dass nichts falsch gemacht werden kann. Dies wird häufig auch als „narrensicher“ beschrieben. Eine Möglichkeit sind bspw. „codierte Stecker“ im Produkt. Die Kabel können beim Einbau nicht mehr falsch verschaltet werden, da nur noch der richtige Stecker passt.

Das Gestaltungsprinzip one-piece-flow beschreibt, dass möglichst keine Lose bearbeitet werden sollten. Wenn jedes Produkt einzeln durch das Produktionssystem fließen kann, sind kurze Durchlaufzeiten und hohe Qualität sehr wahrscheinlich. Fehler werden sehr schnell entdeckt und können behoben werden. Große Lose und Bestände hingegen „verdecken“ Fehler und führen zu geringerer Qualität.

Auf Basis seines Wissens um die Gestaltungsprinzipien und die Sollwerte eines Unternehmens erstellt unser Arzt einen Heilplan. Für ein Unternehmen wird dieser Heilplan in Form eines Wertstromdesigns beschrieben.

Zusammengefasst beinhaltet unser Check-up für das Produktionssystem im Lean Factory Design drei Schritte:

Sehen lernen: mit den sieben Verschwendungsarten (TIMWOOD) Symptome erkennen.

Zielzustand beschreiben: mit den acht systemischen Prinzipien wird der Sollzustand beschrieben. Hinter den Symptomen liegende Ursachen können erkannt werden.

Lösungsansatz entwickeln: mit den ca. 50 Gestaltungsprinzipien liegen Lösungsansätze vor, die sich bereits in der Praxis bewährt haben.

Lean Factory Design (siehe Kapitel 9) umfasst aufbauend auf diesem Check-up ein umfangreiches Portfolio an weiteren Methoden und Prinzipien, die dann eine vertiefende Analyse und (Um-/Neu-) Gestaltung von Produktions- und Logistiksystemen unterstützen.

2.2 Fragebogen zum Check-up

Mit diesem Fragebogen kann innerhalb von ca. 20 Min. ermittelt werden, ob Ihr Unternehmen Bedarf an der Einführung von Lean Production und einer Digitalisierungsstrategie hat.

Bitte füllen Sie den Fragebogen aus. Sollten Ihnen die exakten Werte nicht bekannt sein, können Sie diese nach bestem Wissen und Gewissen schätzen. Vielleicht lohnt sich aber auch der Hinweis schon, dass Sie diesen Kennzahlen und Informationen im eigenen Unternehmen „nachspüren“, um die vielleicht bisher noch nicht im Fokus Ihrer Aufmerksamkeit stehenden Faktoren und Teile Ihres Produktionssystems besser kennen zu lernen. Auch damit haben wir schon dazu beigetragen, ein wichtiges Teilziel zu erreichen.

Wie hoch würden Sie die Lean-Kompetenz in Ihrem Unternehmen beurteilen?

Gering                mittel               hoch

Gibt es in Ihrem Unternehmen eine Lean-Strategie oder eine Produktionsstrategie, die auf Lean-Kriterien basiert?

Nein              ansatzweise              ja, aber wird nicht gelebt              ins Tagesgeschäft integriert

Wie hoch ist aktuell Ihre Termintreue gegen den „Kundenwunschtermin“?

65-75 %              76-85 %              86-95 %               >95 %

Wie hoch ist aktuell Ihre Termintreue gegen den „bestätigten Liefertermin“?

65-75 %              76-85 %              86-95 %               >95 %