Leben heißt  Veränderung - Patricia Vandenberg - E-Book

Leben heißt Veränderung E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »Und? Was ist denn jetzt?« Jenny Behnisch saß halb aufrecht im Klinikbett und sah ihren langjährigen Freund und Kollegen ungeduldig an. Doch Dr. Daniel Norden ließ sich nicht drängen. Er blätterte in den Unterlagen hin und her, las hier einen Befund und studierte dort die neuesten Werte. »Kann ich heimgehen, oder willst du mich noch länger hier gefangen halten?« Missbilligend schüttelte er den Kopf. »Von Gefangenschaft kann keine Rede sein. Du darfst dich frei bewegen. Zutrittsverbot hast du nur zu den Büros. Fachgespräche mit den Kollegen sind ebenso tabu wie Beratungsgespräche mit Patienten. Damit du dich an unsere Anweisungen hältst, hast du weder Laptop noch Telefon bekommen. Aber ansonsten bist du doch frei wie ein Vogel.« Daniel klappte die Akte zu und klemmte sie unter den Arm. Seine Augen blitzten vor Vergnügen. Es gefiel ihm sichtlich, die Chefin der Behnisch-Klinik in ihre Schranken zu weisen. »Ich weiß gar nicht, was du hast.« »Ich sag doch: Wie im Gefängnis«, murrte Jenny unwillig, um ihn im nächsten Moment herausfordernd anzusehen.

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Dr. Norden – 2 –

Leben heißt Veränderung

Auch dramatische Ereignisse können Gutes nach sich ziehen

Patricia Vandenberg

»Und? Was ist denn jetzt?« Jenny Behnisch saß halb aufrecht im Klinikbett und sah ihren langjährigen Freund und Kollegen ungeduldig an. Doch Dr. Daniel Norden ließ sich nicht drängen. Er blätterte in den Unterlagen hin und her, las hier einen Befund und studierte dort die neuesten Werte. »Kann ich heimgehen, oder willst du mich noch länger hier gefangen halten?«

Missbilligend schüttelte er den Kopf.

»Von Gefangenschaft kann keine Rede sein. Du darfst dich frei bewegen. Zutrittsverbot hast du nur zu den Büros. Fachgespräche mit den Kollegen sind ebenso tabu wie Beratungsgespräche mit Patienten. Damit du dich an unsere Anweisungen hältst, hast du weder Laptop noch Telefon bekommen. Aber ansonsten bist du doch frei wie ein Vogel.« Daniel klappte die Akte zu und klemmte sie unter den Arm. Seine Augen blitzten vor Vergnügen. Es gefiel ihm sichtlich, die Chefin der Behnisch-Klinik in ihre Schranken zu weisen. »Ich weiß gar nicht, was du hast.«

»Ich sag doch: Wie im Gefängnis«, murrte Jenny unwillig, um ihn im nächsten Moment herausfordernd anzusehen. »Also, raus mit der Sprache! Wie lange noch?«

Daniel Norden, der die Klinikleitung innehatte, solange sich Jenny von ihrer Magenoperation erholte, wiegte den Kopf.

»Wenn du mir versprichst, dass du die ärztlich verordnete Schonfrist einhältst, kann ich dich nicht länger festhalten. Obwohl ich nichts lieber täte als das.«

»Das heißt, ich bin gesund?«

»So gesund, wie man nach einem stressbedingten Magengeschwür mit anschließender Perforation sein kann«, erwiderte Daniel und war plötzlich sehr ernst. »Von dem nicht diagnostizierten Herzinfarkt vor einiger Zeit will ich gar nicht reden.«

»Schon gut.« Abwehrend hob Jenny die Hände. »Ich kenne meine Krankenakte in- und auswendig.«

»Sehr gut! Wissen ist nämlich Macht. Du allein hast es in der Hand, wie es mit dir, deiner Gesundheit und damit deinem Leben weitergeht.«

»Zuerst einmal bin ich heilfroh, wenn ich dir entkommen bin und mir deine Moralpredigten nicht mehr anhören muss.« Sie zwinkerte ihm zu zum Zeichen, dass sie nur scherzte. Dabei war ihre gute Laune alles andere als selbstverständlich. Die erste Operation hatte sie nur mit Ach und Krach überlebt, und sie konnte von Glück sagen, dass der zweite Eingriff den gewünschten Erfolg gebracht hatte. Nun stand einer völligen Genesung nichts mehr im Wege. Dennoch war etwas anders geworden, was Jenny selbst auch erst bemerkte, während die Operationswunden langsam verheilten.

»Nimm sie als Beweis meiner Freundschaft zu dir«, erklärte Daniel in ihre Gedanken hinein. Er dachte nicht daran, sich necken zu lassen. »Du bist mir eben wichtig, und ich weiß um deinen Hang zum Workaholic. Deshalb mache ich mir Sorgen. Wann holst du den Urlaub mit Roman nach?«, fragte er im nächsten Atemzug.

»Das steht noch in den Sternen. Beim nächsten Termin war leider kein Platz mehr frei. Aber ich verspreche hoch und heilig, dass ich mich trotzdem schonen werde.«

Unwillig schnalzte Daniel mit der Zunge.

»Deine Art Schonung kenne ich. Wahrscheinlich sitzt du morgen früh spätestens um acht Uhr wieder am Schreibtisch.«

»Morgen ist Samstag«, erinnerte Jenny ihn.

»Ach, stimmt ja.« Daniel Norden konnte nur den Kopf über sich selbst schütteln. »Wie konnte ich das nur vergessen?«

»Siehst du, bei dir geht es auch schon los. Pass nur gut auf dich auf.« Kurzerhand drehte sie den Spieß um.

»Dafür sorgt schon Fee. Sie ist ziemlich resolut, was unsere Freizeit angeht. Roman könnte sich eine Scheibe von ihr abschneiden.«

»Nicht nötig«, erwiderte Jenny geheimnisvoll. »Du hast am Wochenende also frei?«, schloss sie aus seinen Worten. »Wer übernimmt deine Vertretung?«

»Matthias Weigand, wenn’s recht ist. Auch wenn Volker Lammers mir jetzt ehrlich beleidigt ist.«

Jenny winkte ab.

»Solange er nicht sozialverträglicher ist, muss er damit leben. Ich habe oft genug mit ihm darüber gesprochen.« Unwillkürlich wanderten ihre Gedanken zu Felicitas Nordens Stellvertreter. Seine Existenz in der Klinik war einzig der Tatsache geschuldet, dass er der beste Kinderchirurg weit und breit war. Leider ließ er diese Genialität im zwischenmenschlichen Bereich vermissen. Mal abgesehen davon, dass Felicitas ihre Arbeit ausgezeichnet machte, war sein Ziel, irgendwann Chef der Pädiatrie zu werden, schon allein wegen dieser Unfähigkeit in unerreichbare Ferne gerückt.

»Dann muss ich also kein schlechtes Gewissen haben?«, witzelte Daniel.

»Absolut nicht.« Damit war das Thema für sie beendet. Ihre Gedanken schweiften weiter. »Wenn ich ohnehin morgen entlassen werde, kannst du bitte dafür sorgen, dass ich heute noch Laptop und Telefon bekomme?« Sie bemerkte seinen tadelnden Blick. »Nicht für die Arbeit, keine Sorge. Es geht um eine rein private Angelegenheit. Eine Überraschung für Roman, weil er sich doch so aufopfernd um mich kümmert. Und überdies vorerst auf seine Architekturreise verzichten muss.« Sie setzte eine Unschuldsmiene auf.

Daniel musterte seine Freundin eingehend. Täuschte er sich, oder lag ein neuer Ausdruck in Jennys Augen? Fast sofort war er alarmiert. Erst kürzlich hatte er eine neue Studie in die Hände bekommen. Darin war die Gefahr einer posttraumatischen Belastungsstörung bei Intensiv-Patienten belegt worden. Um ihr Leben zu retten, waren auch bei Jenny Behnisch drastische Maßnahmen notwendig geworden. Danach hatten die Überwachungsmonitore und Vitalparameter sie Tag und Nacht überwacht. Beim geringsten Überschreiten der Grenzwerte war Alarm ausgelöst worden. Dementsprechend hoch war die Geräuschbelastung gewesen, Momente der Ruhe dünn gesät. Und das, obwohl sich Ärzte und Schwestern in der Behnisch-Klinik um so schonende Behandlung wie möglich bemühten. War es möglich, dass auch Jennys Seele Schaden genommen hatte? Auf keinen Fall wollte Daniel etwas übersehen. Aber wenn er ehrlich war, wirkte sie nicht gerade gestresst oder gar psychisch angeschlagen.

»Was ist? Warum schaust du mich so an?«, fragte sie forschend. »Erfüllst du mir meinen Wunsch?«

»Also gut. Aber nur, wenn du versprichst …«

Ungeduldig wedelte Jenny mit der Hand durch die Luft, als wollte sie eine lästige Fliege verscheuchen.

»Erzähl mir lieber, was ihr am Wochenende vorhabt.«

Daniel durchschaute den Ablenkungsversuch sehr wohl, ging aber darauf ein.

»Das hat mich Fee auch schon gefragt. Aber ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Das Wetter ist ja nicht gerade berauschend.« Unwillkürlich wanderte sein Blick hinüber zum Fenster. Der Himmel war grau und wolkenverhangen. Immer wieder fiel Schnee und verwandelte sich auf den Wegen und Straßen in grauen Matsch. »Wahrscheinlich werden wir uns vergraben und vorübergehend in Winterschlaf gehen.«

»Gute Idee!« Jenny lächelte vielsagend, dachte aber nicht daran, sich zu erklären. »Denkst du bitte daran, Andrea Sander die Erlaubnis zu erteilen, meinen Laptop zu bringen«, erinnerte sie ihren Freund, als er Anstalten machte, sich zu verabschieden.

»Oft genug hast du es mir ja gesagt.« Die Hand auf der Klinke, drehte sich Daniel Norden noch einmal zu ihr um.

Doch auch diesmal war ihre Miene undurchdringlich. So blieb ihm nichts anderes übrig, als das Zimmer unverrichteter Dinge zu verlassen und so schnell wie möglich sein Versprechen einzulösen.

*

»Perfekt! Lenni hat Gemüsesuppe gekocht!« Dési, jüngste Tochter der Familie Norden, stand in der Küche und lugte in den Topf, der auf dem Herd stand. »Magst du auch einen Teller?«

Ihr Freund Oli schüttelte den Kopf.

»Keinen Hunger.«

Überrascht drehte sie sich zu ihm um.

»Bist du auf Diät, oder was ist los mit dir?«

Oli presste die Lippen aufeinander und hoffte, dass Dési das Knurren seines Magens nicht hörte. Er hatte sie angelogen. Natürlich hatte er Hunger. Wie fast immer in letzter Zeit. Aber er wollte auch nicht essen. Das war seine Art, seinen Stiefvater zu bestrafen. Irgendwann würde er, Oliver Hartwig, so schwach sein, dass er ins Krankenhaus musste. Dann würde sich seine Mutter nicht mehr nur um das Baby, sondern endlich auch wieder um ihn kümmern. Rebecca würde Frederick Vorwürfe machen, dass er Oliver so weit getrieben hatte, und ihn endlich verlassen. Dann wäre endlich alles wieder gut.

Natürlich wusste Oli, dass diese Gedanken Unsinn waren. Trotzdem waren sie Balsam auf seiner geschundenen Seele. Und das Fasten hatte noch einen weiteren positiven Effekt: Wie durch ein Wunder waren seine Pickel verschwunden.

Dési wedelte mit der Hand vor den Augen ihres Freundes hin und her.

»Hallo, ist jemand zu Hause? Weißt du eigentlich, dass du aussiehst wie ein Zombie? Was ist jetzt mit der Suppe?«

Doch Oli blieb hart.

»Ich hab mir vorhin was im Kiosk gekauft.« Er ging an Dési vorbei in die Küche und setzte sich auf einen der Hocker an die Theke.

Dési sah ihm nach. Ungläubig schüttelte sie den Kopf.

»Warum lügst du mich an?«, fragte sie verletzt. »Du hast mir selbst erzählt, dass du hundert Jahre Taschengeldentzug hast, weil dich die Polizei beim Grafitti-Sprühen erwischt hat.«

»Das war eine Lüge!«, ereiferte sich Oli zum wiederholten Mal. Vielleicht gelang es ihm ja, Dési mit dieser Diskussion vom eigentlichen Thema abzulenken. »Ich bin nur Schmiere gestanden. Benni und Klotz haben gesprüht.«

Sein Plan schien aufzugehen.

»Und dich haben sie hängen gelassen. Feine Freunde sind das!«, schimpfte Dési vor sich hin, während sie zwei Teller mit Suppe füllte. Vorsichtig, um nichts zu verschütten, balancierte sie sie zur Theke. »Warum gibst du dich überhaupt mit denen ab?«

»Weil sie cool sind.« Und weil sie die einzigen aus der Klasse sind, die überhaupt mit mir reden!, fügte Oliver im Geiste hinzu.

Er dankte Dési und blickte in seinen Teller. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Schließlich konnte er sich nicht länger beherrschen und griff zum Löffel.

Dési schnaubte unwillig. Dabei blies sie Oli aus Versehen Suppe ins Gesicht.

»Oh, tut mir leid.« Sie wollte schon aufspringen, um ein Geschirrtuch zu holen, als sie das Gemüse in Olis Haaren entdeckte. Prustend lachte sie los.

»Freut mich, dass du dich gut amüsierst.« Beleidigt zupfte er sich Bohnen und Karotten vom Kopf.

Dési lief los und holte das Tuch.

»Sei nicht beleidigt.« Behutsam betupfte sie seinen Kopf. Nach getaner Arbeit beugte sie sich zu ihm hinunter und drückte ihm einen schüchternen Kuss auf die Wange.

Noch immer wusste sie nicht genau, woran sie bei Oli war. Mal nahm er ihre Hand, küsste und umarmte sie, um im nächsten Moment abweisend und unnahbar zu sein. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass er selbst nicht so genau wusste, was er wollte. Lag es daran, dass er so viele Probleme zu Hause hatte, dass er sich auf nichts anderes konzentrieren konnte? Dési wusste es nicht und fragte auch nicht.

Den Kuss nahm er an diesem Tag kommentarlos hin.

»Passt schon.« Er senkte den Kopf über den Teller und löffelte seine Suppe. Hungrig, wie er war, musste er darauf achten, nicht zu schlingen.

Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander und aßen. Dési dachte darüber nach, wie sie ihn aus der Reserve locken konnte.

»Ehrlich gesagt habe ich überhaupt keine Lust auf den Ausflug morgen«, erklärte sie schließlich und schob ihren Teller von sich.

Oli sah sie verwundert an.

»Ich dachte, du interessierst dich für Botanik und Natur und so.«

»Ja, schon.« Sie maß ihn mit undurchdringlichem Blick.

»Trotzdem würde ich viel lieber was mit dir allein machen. In der Schule redest du ja meistens nicht mit mir.«

Oli senkte rasch den Kopf. Dési sollte seine knallroten Wangen nicht sehen.

»Stimmt doch gar nicht.« Wie hätte er ihr auch erklären können, dass er den Spott der anderen fürchtete?

»Doch, stimmt schon. Du kannst ruhig sagen, wenn ich dir peinlich bin.«

Erschrocken schnappte Oli nach Luft.

»Das stimmt doch gar nicht. Du bist das tollste Mädchen weit und breit!«, versicherte er schnell. Diesmal war er es, der sich zu ihr hinüber beugte und ihr einen Kuss auf die Wange drückte.

Dési konnte ihr Glück kaum fassen.

»Findest du das wirklich?«, fragte sie so leise, dass er sie kaum verstand.

»Na klar! Welche andere Frau schafft es schon, einen Mann davon zu überzeugen, Gemüsesuppe zu essen statt eines saftigen Steaks?«, fragte er.

Dési lachte belustigt auf. Da war er wieder, der alte Oli, in den sie sich vor ein paar Monaten verliebt hatte. Seitdem hatte er sich verändert, keine Frage. Trotzdem hatte sie die Hoffnung, dass alles gut werden würde, wenn er sich erst in München eingelebt und sich vor allen Dingen mit seinem Stiefvater Frederick zusammengerauft hatte.

So lange würde sie nicht aufhören zu hoffen. Falls sie sich doch in ihm täuschte, konnte sie ihm immer noch den Laufpass geben. Doch daran dachte sie nicht im Geringsten, als er die Hand hob und ihr zärtlich eine blonde Strähne aus dem Gesicht strich.

*

Als Jennys Lebensgefährte Roman Kürschner ins Krankenzimmer kam, traute er seinen Augen kaum.

»Was tust du da?« Seine Stimme grollte wie ein Donnerschlag.

Trotzdem hörte Jenny ihn nicht. Hochkonzentriert saß sie am Tisch am Fenster und tippte auf der Tastatur ihres Computers.