Lebst du noch, oder sparst du schon? - Christine Lüders - E-Book

Lebst du noch, oder sparst du schon? E-Book

Christine Lüders

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Beschreibung

Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt! Reformchaos und Rentenangst: Ob wir wollen oder nicht, die Zukunft hat uns eingeholt. Müssen wir länger arbeiten für weniger Rente? Wer gewinnt den Generationenpoker? Fragen, die die Nation bewegen. Tipps zum Umgang mit der BfA, den Krankenkassen und anderen Stolpersteinen, die Politiker aus dem Hut zaubern, finden Sie in diesem erstmals 2004 erschienenen »Manifest der jungen Alten«. Ein provokantes und politisch unkorrektes Buch, in dem Christine und Harald Lüders der Stimmung in diesem Lande mit Witz und Lebenslust Paroli bieten. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Seitenzahl: 247

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Christine Lüders | Harald Lüders

Lebst du noch, oder sparst du schon?

Forever young – trotz Rente und Reformen

FISCHER Digital

Unter Mitarbeit von Dr. Beate Thorn

Inhalt

Die Autoren bedanken sich [...]1 Einleitung oder: Welcome to the Club!2 Talkin’ ‘bout my generation oder: Der Krieg der Generationen3 Haste mal ’nen Euro? oder: Der Rentenklau ist sicher4 Jugendwahn in Silikon Valley oder: Gut gespritzt ist halb gewonnen5 Das Fernsehen, die Werber und die Zielgruppe oder: Warum es uns eigentlich gar nicht gibt!6 Nur Stämme werden überleben! oder: Nicht allein und nicht ins Heim7 Rock ’n’ Roll und Politik oder: Warum unsere Songs immer noch laufen8 Das Generationenlotto oder: Zwei Richtige ohne Zusatzzahl9 Slowfood – Fastfood oder: Lieber alt und langsam als jung und schnell10 Tauben vergiften im Park oder: Wer hat Angst vorm schwarzen Loch?11 Hüftgelenk gegen Gelfrisur oder: Gut, dass wir drüber geredet haben12 This is the End oder: Das nächste Spiel ist immer das schwersteTest: Wie alt bin ich wirklich?AuswertungService: Wer, wie, wo, was und warum …

Die Autoren bedanken sich bei all unseren jungen und nicht mehr ganz so jungen Freunden für die Hilfe, die vielen guten Tipps, die Anregungen und Hinweise, die uns beim Schreiben des Buches sehr geholfen haben. Namentlich möchten wir Christopher Bergmann, Heinz Broziat, Christian Daul, Dagmar Hesse-Kreindler, Christine Krahmer, Leo Spors, Britt Weimer und Peter Zollinger erwähnen.

Unser Dank geht ebenfalls an unser verständnisvolles Lektorat, vor allem an Angelika Schwarz und Karin Herber-Schlapp.

1 Einleitung

oder: Welcome to the Club!

»May your heart always be joyful,

May your songs always be sung,

May you stay forever young

Forever young, forever young.«

 

Bob Dylan, Forever Young, 1974

Es war eine absolut geile Fete.

Als ich gegen 5 Uhr 30 nach Hause schwebte, fiel draußen der erste Schnee. Kam mir zumindest so vor. Aber das ist eine andere Geschichte.

Eigentlich hatte ich gar nicht feiern wollen. Ich wollte mich irgendwohin verkriechen, murmelte etwas wie »nach Grönland wollte ich immer schon mal« und begann, Reiseführer über Bergwandern in Kirgisistan zu studieren.

Dann allerdings fiel mir auf, dass einige meiner besten Freunde auffällig oft das Gespräch auf erfolgreiche neue Therapieformen gegen Altersdepressionen brachten. Es war an einem Samstagabend, als mein engster Freund mich zur Seite nahm, mehrfach Single Malt nachgoss und fragte, ob ich schon von der heilsamen Wirkung einer jüngeren Freundin gehört hätte. Spätestens da war klar, dass Grönland warten musste.

Ich feierte. Und zwar fett.

Alles passte, das Buffet war ausgezeichnet, der Prosecco so kalt, dass er glatt als Champagner durchging, die Mischung der Leute stimmte, nur ziemlich bald nach Mitternacht beschwerte sich der Discjockey lautstark bei mir. Einige ältere, aber sehr energische Gäste hätten ihm geraten, er solle sich seine Techno- und Hip-Hop-CDs sonst wo reinstecken und lieber mal was Ordentliches auflegen.

Dann dröhnte »Forever Young« und »Talkin’ ‘bout my generation« durch die Halle, die Tanzfläche tobte, und einige wilde Gestalten in seriösen Anzügen brüllten »Welcome to the Club«.

 

Mein fünfzigster Geburtstag war ein voller Erfolg.

Es war kurz nach zwei Uhr, ein stadtbekannter Anwalt und seine reizende Gattin, beides gut erhaltene Mittfünfziger, legten gerade eine filmreife Sohle aufs Parkett und schmetterten dazu hingebungsvoll »I hope I die before I get old«.

»Hat sich gut von seiner Bandscheiben-OP erholt, der Herr Anwalt«, murmelte neben mir unser gemeinsamer Hausarzt und nahm einen kräftigen Schluck Rotwein. Seine Stimme war nicht ganz so klar und hart wie sonst, wenn er mir kritische Fragen zu meinen Leberwerten stellte. Gut, während seiner Sprechstunde gab es auch keinen Rioja, jetzt aber genoss er meinen ’94 Reserva sichtlich.

Wahrscheinlich ist es ein Fehler, den Hausarzt zum Geburtstag einzuladen. »Biologisch betrachtet bist du derselbe wie gestern, alles reine Kopfsache«, tröstete er mich. Wahrscheinlich würde diese Feststellung auf seiner nächsten Rechnung als »intensive Beratung auch mittels Fernsprecher« auftauchen.

Wie passend, ärztliche Inkassolyrik zum Fünfzigsten.

Doch ich hatte Glück, mein strenger Doktor med. hatte alles Interesse an meinen Leberwerten verloren und fixierte stattdessen starr den Anwalt, der mit seiner Gattin gerade Chubby Checkers Klassiker »Let’s Twist Again« völlig neu interpretierte. »Noch drei so Songs und ich verkaufe ihm ein neues Hüftgelenk«, flüsterte er mir triumphierend zu. Wer braucht Feinde mit solchen Freunden?

Langsam wurde ich sauer, ich war jetzt gerade mal 13 Stunden lang 50 und schon wurde auf meiner Party über Hüftgelenke geredet.

Glücklicherweise wurde ich auf die Tanzfläche gezogen und vergaß Bandscheiben, Arthrose und vor allem künstliche Gelenke ziemlich schnell. Später erlaubte ich mir das eine oder andere Glas und pfiff auf die Leberwerte.

Die Party kam langsam in Schwung. Unsere Feten waren legendär, aber auch jetzt ist noch mächtig Feuer unter der Hütte.

Dann aber nahm mich ein Freund, 45 Jahre jung und überzeugter Single, zur Seite, grinste bedauernd und flüsterte leicht vorwurfsvoll:

»Früher hätten jetzt langsam die Anmacherspielchen begonnen, warum hast du eigentlich nur feste Paare eingeladen?«

Hatte ich gar nicht, aber der Mann lag richtig – es blieb sehr ruhig an der Geschlechterfront.

Dann grinste mich Sebastian an, ein junger Kollege, der – obwohl erst Anfang 30 – dennoch über eine recht gute Allgemeinbildung verfügt.

Er klopfte mir aufmunternd und doch leicht spöttisch auf die Schulter und brüllte: »Ich geh jetzt mal besser. Sonst erzählt mir gleich so ein potenzieller Frührentner, wir sollten doch auch mal eine Uni besetzen und nicht so verdammt angepasst sein. Außerdem singt ihr gleich wieder ›Marmor, Stein und Eisen bricht‹.« Recht hatte er. Ab drei mutierte die Fete zum Karaoke-Wettbewerb.

Später legte jemand Jimmi Hendrix auf, und in immer kürzeren Abständen knallten die Korken.

»Was hat der Sebastian bloß gegen Drafi Deutscher«, war einer meiner letzten klaren Gedanken, dann wurde ich gefragt, wo der Whisky stehe. Später gab es, glaube ich zumindest, noch eine sehr eindrucksvolle Belcanto-Version von »Forever Young« zu hören.

Als wir nach Hause gingen, fiel wirklich der erste Schnee.

 

Am nächsten Morgen weckte mich grelles Licht und ohrenbetäubender Lärm. »Das also ist das Alter«, schoss es mir durch den Kopf, »extreme Lichtempfindlichkeit und leichter Hörsturz.«

Okay, ich hatte einen Kater, allerdings einen verdammt großen, genauso groß wie damals, als ich 20, 30 und 40 feierte.

Als die Espressomaschine endlich aufhörte, schmerzhaft laut zu fauchen, goss ich die geliebte braune Brühe in die kleine Tasse und wunderte mich einen Moment, dass es erst halb elf war – früher hatte ich nach so einer Fete locker bis halb drei am Nachmittag gepennt.

Es war »The Day After«, der Tag nach meinem Fünfzigsten, ich hatte frei und beschloss, die Zeitungen zu holen und dann ins Café zu gehen.

Ein Kater macht nicht nur arg langsam, sondern auch sehr empfindsam, man fühlt sich sensibler, verletzbarer. Ich hätte es wissen müssen: Es ist ein Fehler, mit einem ziemlich beachtlichen Restalkoholspiegel als Erstes die BILD-Zeitung zu lesen.

Gleich rechts, neben einer der obligatorischen Nackten prangte das Bild eines milchgesichtigen Mittzwanzigers, der unentwegt zu der Nackten rüberschielte. Über beiden – dem jungen Mann und der Nackten – schrie die Schlagzeile: »Jungpolitiker: Keine Hüftgelenke für Senioren mehr.«

Da waren sie wieder, die Hüftgelenke, über die ich mich schon vergangene Nacht geärgert hatte.

Ob Sie es glauben oder nicht, ich hatte noch nie einen Artikel über künstliche Hüftgelenke gelesen. Und auch jetzt las ich ihn eigentlich nur, weil ich noch Chubby Checkers Twist im Ohr hatte und an den blöden Spruch meines Arztes denken musste.

Als ich den Artikel durchhatte, litt ich immer noch an meinem Kater, war aber um einiges klüger. Ich hatte verstanden, dass der Junge auf dem Bild mit der Nackten nichts zu tun hatte, dafür aber immerhin der Chef der Jungen Union war, nicht etwa nur der Ortsvorsitzende von irgendeinem kleinen Kaff, sondern von ganz Deutschland. Der Junge heißt Philipp Missfelder – gut, dafür kann er nichts –, aber das, was er da, ganz nassforscher Nachwuchspolitiker, so von sich gab, das war eine Kriegserklärung, zwar nicht direkt an mich, sondern eher an meinen Vater, aber auch das nehme ich persönlich, besonders wenn ich einen Kater habe und gerade 50 geworden bin.

Herr Missfelder meint, eine immer älter werdende Gesellschaft solle gefälligst aufhören, 85-Jährigen noch künstliche Hüftgelenke auf Krankenschein einzubauen.

Kann man drüber reden, kein Problem, aber wer so einen Gedanken via BILD unter die Leute bringt, der weiß, was er will, auch wenn er erst 24 ist und Missfelder heißt! Der will provozieren, der will einen Versuchsballon starten, der will Ärger! Im Namen der Generationengerechtigkeit müsse Schluss sein mit der Verschwendung, vergnügungssüchtige Greise verfeierten die Zukunft der Jungen – behauptet der Jungpolitiker und bekam dafür zwar heftigen Ärger mit seinen Parteisenioren, aber Beifall von anderen Jugendbewegten.

Was ist bloß los mit mir, ich bin gerade 50 geworden und beginne, mich mit Twist tanzenden Greisen gegen die Junge Union zu verbünden? Keinesfalls! Mir war bei der Lektüre nur ein ganz einfacher Gedanke gekommen: Er meint nicht nur Papi oder Opa, der meint auch uns!

Alles klar so weit, nur: Was habe ich mit einem Konflikt »Jung gegen Alt« zu tun? Ich gehöre zur goldenen Mitte, fühle mich fit – auch wenn mein Arzt gelegentlich anderer Meinung ist –, und im Job machen mir die Jungen noch lange keine Angst.

Ich hatte mich, wie bereits gesagt, noch nie für Hüftgelenke interessiert, keiner meiner Altersgenossen wollte je über Hüftgelenke reden, aber jetzt kommt da ein Mittzwanziger, von dem ich noch nie gehört hatte, und erklärt mir, wenn ich denn jemals ein neues Hüftgelenk bräuchte, dann könnte ich mir das glatt abschminken.

Sie meinen, ich übertreibe? Mitnichten! Ich kenne die Politiker! Wenn ein 24-jähriger Vorsitzender einer Jugendorganisation von 85-Jährigen redet, dann sollten auch die 55-Jährigen aufpassen.

 

Ob es am Kater lag oder an der latenten »Hilfe-ich-bin-fünfzig-Depression« oder aber schlicht an der Nachrichtenlage – auf jeden Fall machte mich die Zeitungslektüre völlig fertig. Meine Lieblingsministerin Ulla Schmidt, die Dame mit der nöligen Stimme, jedenfalls erklärte, es sei nur gerecht, dass man in Zukunft die Ausbildungs- und Studienzeiten bei der Rentenberechnung nicht mehr berücksichtigen werde. Es sei wohl – auch im Interesse der Generationengerechtigkeit – von Besserverdienenden mit guter Ausbildung zu erwarten, das ohne größeres Murren zu akzeptieren.

Da war es schon wieder – dieses neue Modewort »Generationengerechtigkeit«. Ich bestellte bei einem jungen, sehr freundlichen Kellner einen doppelten Espresso.

Ich hatte, wie fast alle in meinem jugendlichen Alter, die Rentendiskussion nie so richtig ernsthaft verfolgt. Erstens war die ganze Materie furchtbar kompliziert, zweitens staubtrocken und drittens: Warum denn bitte schön?

Ich war doch jung, forever young sogar, und außerdem noch gut im Geschäft. Vielleicht – so schoss es mir durch den Kopf, war dieser Missfelder wirklich der Bote drohenden Unheils.

Zwar brauchte ich in absehbarer Zeit kein Hüftgelenk. Aber eine Rente, verdammt, die stand mir zu, dafür hatte ich eingezahlt, und zwar heftig, und nie war die Rede davon gewesen, dass die Ausbildung komplett gestrichen wird. Gestern Abend haben mir alle noch viel Glück für die nächsten 50 gewünscht, heute beginne ich zu kapieren, dass die kommenden Jahre deutlich karger als gedacht ausfallen werden.

 

Vielleicht geht es uns mit den Renten genauso wie mit den Hüftgelenken: Man will nie darüber reden oder lesen, weil es so entsetzlich langweilig ist und weil schon allein das Daran-Denken alt macht. Dann aber, wenn man so ganz leise anfängt, sich doch die ersten Gedanken zu machen, dann lachen einen die Meldungen nur so an, oder besser aus.

Rentenkürzungen hier – Lebensversicherungspleiten da.

»Die Rente ist sicher!« Mit dem Spruch sind wir aufgewachsen wie mit Lassie und Flipper. Damals, als Norbert Blüm seine Rentenplakate klebte, grinsten wir höhnisch, murmelten was von provinzieller Inszenierung und beruhigten dann die besorgte Mutter daheim, dass schon niemand an ihre Rente wolle. Plötzlich aber merken wir, dass zwar Blüm die Mutter nicht belogen hatte, dafür aber seine Nachfolger gerade dabei sind, uns ganz gewaltig zu verschaukeln.

»Na und?«, wäre seine Antwort, »euch Luxushippies, euch ergraute 68er habe ich nie auf der Rechnung gehabt! Beschwert euch doch bei denen, die ihr gewählt habt!«

 

Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten, hatte mir schon mein alter Lateinlehrer beigebracht –, ist nicht mehr, denkste, vorbei.

Ich habe nichts gegen einen ganz persönlichen Beitrag zur Sanierung der Sozialsysteme, aber es ist ein übler Vertrauensbruch, einmal abgeschlossene Vereinbarungen nachträglich einseitig zu verändern.

Apropos »Generationengerechtigkeit«: Unsere Generation ist gerade dabei, die gekniffene zu werden. Erinnert euch, liebe Altersgenossen! Erst hieß es: »Ausbildungsjahre werden voll angerechnet!« Dann war »voll« plötzlich auf zweieinhalb Jahre reduziert – und heute, im Jahre 2004, schlägt ein abgeschlossenes Studium mit genau 0,00 Euro bei der Rente zu Buche.

Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten! Aber scheinbar nicht von Regierungen ihren Bürgern gegenüber. Das Wegfallen der nichtberuflichen Ausbildungszeiten ist ein Beleg dafür, die geplante Besteuerung der Renten ist ein anderer. Diese Steuer wird uns voll erwischen, wird uns im Alter einen schönen Batzen der Rente klauen. Ein Ausweichen auf private Zusatzversicherungen ist für alle, die über 45 Jahre alt sind, verdammt spät, im Grunde zu spät.

Eigentlich wäre ich an dieser Stelle reif für einen Cognac gewesen, aber ich blieb ein braver Nachwuchssenior und wechselte zu Aspirin und Wasser, viel Wasser. In der Hektik des Reformwinters 2003/2004 musste man einen klaren Kopf behalten.

Kurz nach der großen Show mit Kanzler Gerd und Angie Merkel als den Stars im nächtlichen Vermittlungsausschuss zu Berlin ließ eine Regierungsdame die Katze aus dem Sack. Ulla Schmidt schickte ihre schärfste Waffe an die Front, ihre begnadete Staatssekretärin Marion Caspers-Merk. Frau Caspers-Merk jedenfalls schaute scharf an den Kameras vorbei und erklärte ohne mit der Wimper zu zucken, es sei völlig in Ordnung, dass alle, die aus Betriebsrenten oder von Direktversicherern eine Einmalzahlung erhielten, davon den vollen Satz an die Krankenkassen abführen müssen.

Als Rückübersetzung aus dem Sozialdeutschen: Wir dürfen ab sofort von unserm Geld unter Umständen freundlicherweise gleich zweimal Sozialabgaben zahlen.

Übrigens: Für die Altersversorgung von Marion Caspers-Merk, Ulla Schmidt, Hans Eichel und Gerhard Schröder dürfte ein normaler, bei der BfA zwangsversicherter Arbeitnehmer mehrere Jahrhunderte malochen. Glauben Sie nicht? Bitte sehr, hier die Zahlen: Gerd Schröder – 8308 Euro Rente, Ulla Schmidt ist vergleichsweise billig, sie geht mit derzeit 5109 Euro, dafür aber langt Hans Eichel zu, der Mann war schon mal Ministerpräsident in Hessen und geht – wenn er denn jetzt ginge – mit etwas über 11000 Euro monatlich! Also, überlegen Sie es sich genau, bevor Sie das nächste Mal Rücktritte fordern.

Die Politiker wissen genau, dass ihre Überversorgung in der derzeitigen Sparlandschaft geradezu obszön wirkt, und versprechen also pflichtschuldigst, eine Kommission einzusetzen. Das Strickmuster ist klar, nach dem die Herrschaften arbeiten: Warten wir, bis sich die öffentliche Erregung gelegt hat, dann bleibt alles beim Alten.

An dem Spiel beteiligen sich alle Parteien – wer nur acht Jahre im Bundestag abgesessen hat, auf den warten 1682 Euro monatliche Rente. Nicht schlecht! Bei der BfA müsste ein Durchschnittsverdiener etwa 50 Jahre einzahlen, um auf eine solche Summe zu kommen. Wer einmal im Kabinett saß, ist noch dicker dabei: der den schönen Künsten zugeneigte Exkulturstaatsminister Michael Naumann darf sich für die zwei Jahre in Schröders Runde schon im Alter von 60 Jahren auf 1510 Euro monatlich freuen – ein nettes Zubrot!

 

Ein kalter Windstoß ließ mich erschauern, die Kneipentür schwang auf, zwei junge Damen in langen Mänteln betraten den Raum. Die eine warf ein Päckchen Marlboro auf den Tisch, die andere die aktuelle Ausgabe des SPIEGEL. Auf dem Päckchen Marlboro war zu lesen »Rauchen kann zu Durchblutungsstörungen führen und verursacht Impotenz«, auf dem SPIEGEL stand quer über dem Bild eines Kleinkindes mit schwarz-rot-goldenen Pampers »Der letzte Deutsche – Auf dem Weg zur Greisenrepublik«. Als die beiden ihre Mäntel ablegten, klapperte eine Menge Metall an den gepiercten Bauchnäbeln.

Ich staunte: erstens über freigelegte Bäuche zur Winterszeit, zweitens über das Metall und drittens über die Tatsache, dass es tatsächlich noch 20-Jährige gibt, die freiwillig den SPIEGEL lesen.

Dann aber begann eine Frage in meinem verkaterten Kopf zu kreisen: Was hat der letzte Deutsche mit dem impotenten »Marlboro-Mann« zu tun, oder sollte ich die Frage besser andersrum stellen?

Als die beiden jungen Damen den SPIEGEL links liegen ließen und sich dem Vergleich von Bauch- und Nasenringen widmeten, nahm ich meinen Mut zusammen und fragte, ob ich das Magazin mal eben haben könne.

Ein prüfender Blick der beiden, dann entschieden sie, dass der Alte wohl wirklich lesen und nicht etwa eine generationsübergreifende Anmache starten wollte.

Die Hamburger Blattmacher gingen in die Vollen, »Greisenrepublik. Land ohne Lachen. Deutschland schrumpft und ergraut«, die Kostprobe sollte reichen.

Ich war jetzt gut 24 Stunden 50 Jahre alt und bemerkte, dass ich anfing, ein echtes Schuldgefühl zu entwickeln. Der SPIEGEL knallte mir erbarmungslos sein Zahlenmaterial um die Ohren. Fazit: Deutschland stirbt aus, weil die Alten in unverantwortlicher Weise immer älter werden. Deutschland stirbt aus, weil die 68er-Emanzen den Frauen Ideen in den Kopf gesetzt haben, sodass sie lieber Karriere machen, als Kinder zu kriegen.

Ich begann zu schwitzen, der Restalkohol hatte sich verflüchtigt, und die Prognose der Demographen traf mich mit voller Wucht. Ich bestellte mir einen einfachen Espresso und auf den Schreck hin einen doppelten Cognac. Sie hatten errechnet, dass 2050 schon 37 Prozent der Bevölkerung über 60 sein würden. »Liebe Leute, lasst mich in Ruhe, 2050 bin ich längst tot«, murmelte ich resigniert. Zu diesem Zeitpunkt fühlte ich mich längst nicht mehr wie 50, sondern schien rapide auf die 70 zuzugehen.

 

Das Schicksal meinte es wirklich schlecht mit mir an diesem Tag »danach«.

Wieder flog die Tür auf und Sebastian kam rein, die jugendliche Spottdrossel vom gestrigen Abend.

Die Augen der Metallsammlerinnen folgten ihm, als er an meinem Tisch Platz nahm. Sein Blick fiel auf den SPIEGEL-Titel vom »letzten Deutschen«, und er lachte nur böse, als ich etwas lahm murmelte: »Ich kann nichts dafür, ich glaube, der ›Marlboro-Mann‹ ist schuld.« Sebastian schlug zurück: »Rede keinen Stuss, deine Generation hat uns den Mist eingebrockt. Ihr seid verdammte Egoisten, ihr wolltet die Welt verbessern und hinterlasst uns Milliarden Schulden. Von Che Guevara zu Giorgio Armani, das seid ihr. Übrigens habe ich einen klasse Witz gehört! Weißt du, was deine Generation von der deines Vaters unterscheidet?« Er ließ mir nicht die nötige Zeit zum Raten. »Die damals wollten heim ins Reich, und ihr wollt reich ins Heim.« Sebastian schlug sich auf die Schenkel vor Begeisterung, lachte schallend und griff nach meinem Cognac. »Du solltest nicht mehr so viel trinken in deinem Alter! Prost.«

 

Das war’s. Danke, ich hatte verstanden! Sie wollen den Krieg der Generationen, sie sollen ihn haben.

2 Talkin’ ’bout my generation

oder: Der Krieg der Generationen

»People try to put us down

Just because we get around

Things they do look awful cold

I hope I die before I get old.«

 

The Who, My Generation, 1971

Auf den ersten Blick scheint es eine Schnapsidee zu sein, Leute über ihr Alter zu definieren. Es gibt genügend Gleichaltrige, die ich für Schnarchnasen halte, es gibt aber durchaus einige Teenies und Twens, mit denen mehr als Smalltalk möglich ist.

Das beliebte Feuilletonspiel, die Generationen immer kürzer zu rechnen, um so mehr Platz für mehr Artikel über immer neu entdeckte Generationen zu schaffen, ist zwar amüsant, aber letztendlich doch nur ein Vergleichen mehr oder weniger vergilbter Erinnerungen an die eigene Jugend.

In der aktuellen Diskussion aber geht es nicht um schöngeistige Unterscheidungen zwischen den Generationen, heute geht es um das Eingemachte, ums liebe Geld.

Wenn zu dieser Zeit das Modewort »Generationsgerechtigkeit« fällt, dann sind fast immer wir die Dummen, fast alle der bisherigen Reformen gehen zu unseren Lasten.

Diese staatlichen Angriffe sind heftiger geworden, sie zielen auf unsere materiellen Grundlagen, auf unsere Absicherungen für das Alter.

Wenn ich von »uns« spreche, dann meine ich alle Leserinnen und Leser zwischen 40 und 60, ganz egal, ob sie damals lieber Beatles oder Stones hörten. Selbst der alte Glaubenskrieg zwischen den Freunden des deutschen Schlagers und denen, die Rock ’n’ Roll auflegten, ist angesichts der heutigen Gefahren vollkommen egal.

Es spielt keine Rolle, ob jemand bereits den Beatles im Hamburger Star Club lauschte oder ob er erst in der Berliner Waldbühne zu den Stones stieß. Es ist vollkommen egal, ob jemand damals demonstrieren ging oder lieber die Zeit mit seiner Freundin im Park verbrachte.

Denn wir stecken alle wie in einem Sandwich zwischen der jetzigen Rentnergeneration und der jungen Generation, also zwischen den Trümmerfrauen und der Generation Bauchfrei.

Der Krieg der Generationen – dieser Begriff war in Deutschland bisher immer von der Nazizeit und seinen Folgen bestimmt. So fanden viele von uns ihre politische Identität im Protest, in der Revolte gegen die Generation unserer Eltern.

 

Wir waren es gewohnt, uns als Altersgruppe, als Generation kulturell zu definieren, also über unsere Lebensformen und Gewohnheiten, unsere Erinnerungen und unsere Einstellungen.

Jetzt aber erleben wir den Beginn eines Generationenkonflikts, in dem es schlicht und einfach ums Geld geht, um die Frage: Wer zahlt wann wie viel und für wen?

Es ist Zeit, dass auch wir lernen, als Altersgruppe zu argumentieren und für unsere materiellen Interessen aufzustehen.

Die anderen, die Jüngeren, aber auch die Älteren machen uns bereits vor, wie das geht. Da steht längst eine gut geölte Lobbymaschinerie bereit, Freund Missfelder ist nur ein Propagandist von vielen.

Zum Beispiel neulich im Fernsehen: eine Sondersendung zur Rentenkrise, im Studio ein Moderator und zwei Studiogäste. Der eine, ein frisch geföhnter Mittzwanziger, spricht für die Jungen, der Vertreter der Senioren, der streitbare VdK-Chef Walter Hirrlinger, stützt sich publikumswirksam auf eine Krücke. Föhnfrisur gegen Krücke im Streit, wer denn den Preis der Reformen zu zahlen habe. An mich hat der Fernsehsender nicht gedacht. Und während Walter Hirrlinger punktet, frage ich mich: Spielt denn unsere Generation gar keine Rolle? Und warum wurde kein einziger 50-Jähriger zur Diskussion gebeten?

Unsere Generation ist vor allem moralisch in die Defensive gedrängt – wer will schon gegen die eigenen Eltern und Kinder kämpfen?

Der Generation unserer Eltern, also den wirklich Alten unter den heutigen Rentnern, kann und will niemand über die bereits verfügten Belastungen hinaus noch mehr zumuten.

Die Jungen verweisen auf die hohe Arbeitslosigkeit und schwingen – aus ihrer Sicht verständlich – die moralische Keule. Wenn Kinder den Eltern vorwerfen: »Ihr verfeiert, verreist und verfresst unsere Zukunft!«, dann kann man nur noch touché murmeln und am besten den Mund halten.

 

Das – liebe Altersgenossinnen und -genossen – gilt in der Familie, aber es gilt nicht in der politischen Auseinandersetzung.

Obwohl die Gruppe der 40- bis 60-Jährigen eine große und potenziell einflussreiche Gruppe ist, droht sie in der Generationendebatte zum Verlierer zu werden.

Erinnern wir uns: Staatlicherseits werden die BfA-Renten gekürzt, einerseits durch Nichtanerkennung der Ausbildungszeiten, andererseits durch die geplante Verschiebung des Renteneintrittsalters. Dann winkt Hans Eichel, der sich persönlich auf immerhin 11000 Euro Rente freuen darf, mit der kommenden Vollversteuerung der Ruhegelder. Seine Kollegin Ulla Schmidt will für die Krankenkassen gut 16 Prozent der von Direktversicherern gezahlten Summen einstreichen.

Millionen von Deutschen, die eine Lebensversicherung abgeschlossen haben – insgesamt gibt es über 91 Millionen Verträge, die meisten in Händen unserer Generation –, erleben, wie die versprochenen Renditen auf dem Aktienmarkt verzockt wurden.

Auch die Wirtschaft hat die Signale aus Berlin gut verstanden und zieht schnell und eiskalt nach.

Die Kündigung der Betriebsrenten bei Commerzbank, Gerling und in milderer Form bei Schering zeigt, wohin die Reise geht. Da am Tag nach der Rentenkündigung der Aktienkurs der Commerzbank steil nach oben ging und sich die mächtigen Rating-Agenturen zufrieden zeigten, darf man sicher sein, dass andere dem Beispiel folgen werden, obwohl die Commerzbank selbst nach Protesten der Belegschaft die Kündigung später wieder abmilderte.

Von wegen: Pacta sunt servanda, oder einfacher: versprochen ist versprochen! – die Firmen glätten ihre Bilanzen, verweisen kühl auf amerikanische Usancen, und erklären achselzuckend, so sei halt das Leben im Zeitalter der Globalisierung.

Commerzbankchef Müller – in Sachen eigener Rente übertrifft er Hans Eichel locker – sorgt allerdings dafür, dass der Vorstand und er selbst von den Unbilden der Globalisierung verschont bleiben. Hatte die Commerzbank im Jahre 2001 5,7 Millionen Euro für Vorstandspensionen bereitgestellt, so waren es im Jahr 2002 bereits 7,6 Millionen, eine Steigerung um schlappe 33 Prozent. The winner takes it all, würden die amerikanischen Freunde wohl beifällig murmeln. Noch besser war die krisengebeutelte Telekom – hier wurden im Jahr 2001 16,5 Millionen für Vorstandspensionen zurückgestellt, im Jahre 2002 aber bereits 38,1 Millionen, Steigerung 131 Prozent. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Okay, so viel von der Neidfront, aber mal ehrlich: Wie geht es Ihnen, wenn Sie solche Zahlen lesen? Mich jedenfalls ärgert diese maßlose Gier.

 

Deutschland wird ärmer, so lautet der schicksalsschwere Satz, den man jetzt überall hören kann. Weniger häufig liest und hört man den klein gedruckten Nebensatz, der da lautet: Unsere Generation wird das im Alter merken.

Wer bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) brav 30 Jahre lang den Höchstbetrag einbezahlt hat, der bekommt 1500 Euro Rente, 40 Jahre Durchschnittsverdienst bringen 1045 Euro, nur wer 40 Jahre lang den Höchstsatz einzahlen konnte, der geht gerade so über die 2000-Euro-Grenze.

Die Falle für unsere Generation ist aufgestellt, je älter wir heute sind, desto weniger Zeit haben wir noch zum Gegensteuern – also schon mal viel Spaß im Alter!

 

Wenn mir junge Kollegen dauernd in den Ohren liegen, ich würde doch nur »Jammern auf hohem Niveau« spielen und hätte in Wirklichkeit für den Tag des Rentenbeginns längst ein Golfhotel auf Mallorca gebucht, dann liegen sie schief. Erstens will ich noch lange nicht in Rente, sondern in den nächsten Jahren noch einiges auf die Beine stellen. Zweitens, selbst wenn aus der Perspektive eines Endzwanzigers jeder über 40 ein Alien sein mag, stünde der Generation Bauchfrei ein wenig Differenzierung dennoch gut zu Gesicht. Die Damen und Herren, die auf den Bahamas und auf Mallorca den Golfschläger schwingen, sind entweder ehemalige Finanzminister oder Bankvorstände oder aber Angehörige der Generation vor uns.

Bei den heutigen Rentnern muss man sehr genau trennen, sonst diskutiert man haarscharf daneben. Denn es gibt mindestens zwei Generationen: die ganz Alten, also unsere Eltern, und die Generation derer, die soeben in Rente geht oder seit zwei, drei Jahren in Rente ist. Die Letzteren, das sind die fat cats, die Absahner, die uns zwei Jahrzehnte lang als Vorgesetzte vor der Nase saßen und die gerade dabei sind, Kasse oder besser Rente zu machen wie noch keine Generation vor und nach ihr. Das sind die Golfrentner, die sich auch schon mal einen neuen Flitzer zum 65. gegönnt haben.

Bernd Raffelhüschen zieht im Namen der Regierung Bilanz: »Der heutigen Rentnergeneration geht es besser als jeder anderen vor und nach ihr, sie erhalten noch eine Rendite von drei bis vier Prozent auf ihre einbezahlten Beiträge.« Schön für sie, ein mieses Geschäft für uns.

Dafür aber bekommen wir und nicht die fat cats den gesammelten Frust der Nachkömmlinge um die Ohren gehauen. Ist doch auch was.

 

Apropos Nachkommen: Auf die schnellen Jungs und Mädels werde ich immer saurer, nicht nur wegen Herrn Missfelder und Co.

Ich bemühe mich redlich, im Job oder auch privat nicht den abgeklärten alten Hasen zu markieren, beobachte aber immer häufiger, wie sehr es unsere jungen, geschmackvoll gestylten Freunde und Freundinnen genießen, uns Ältere vorzuführen. Ein Beispiel ist die digitale Technik.

Kennen Sie die Situation? Man kommt morgens ins Büro – das persönliche Lebensgefühl schwankt je nach Sonnenscheindauer zwischen knapp 26 und höchstens 60 Jahren – und trifft prompt auf zwei stolze Twens, die sich über das neueste Fotohandy beugen und im besten Vertreterjargon von den Vorzüge des teuren Teils schwärmen.

Ab und zu werfen sie mitleidige Blicke zu mir rüber nach dem Motto: Der kapiert das sowieso nicht mehr.

Es wäre müßig, den Handyfreaks die neuesten Untersuchungen von Altersforschern vorzulegen, die zum Ergebnis gekommen sind: Wir werden die jüngsten Alten sein, die es je gab.

Unsere Lebensgewohnheiten bleiben jung, wir benutzen dieselben Techniken wie die Generationen nach uns, und doch tun sie gerne so, als hauten wir unsere E-Mails in Keilschrift auf Hinkelsteine.

Ruhig bleiben, andersrum wird ein Schuh draus.

Fakt ist doch, besonders die ganz Jungen der Generation Bauchfrei fallen auf jeden Schnickschnack herein – und merken es nicht mal. Erinnern Sie sich noch: Erst gab es die berühmte Versteigerung der UMTS-Lizenzen für ein paar Milliarden, und dann die erschreckende Feststellung, dass es für die neue Technik, also für das mobile Versenden größerer Datenmengen, gar keinen erkennbaren Bedarf gibt. Dann kam ein genialer Entwickler auf die Idee, Handy und Fotoapparat miteinander zu koppeln, und schon klingeln die Kassen bei Saturn, Media Markt und den übrigen geilen Geizigen.

Jede bauchfreie Julia muss ihrem pickligen Romeo ihr neuestes Top sofort als MMS schicken, die Handyrechnung steigt, die Netzbetreiber freuen sich. Es ist klar, dass in höchstens einem Jahr die Fotos durch kleine Videosequenzen ersetzt werden, dann kann Julia kurz vor der Mathearbeit noch live in die Kamera hauchen: »Habe von Algebra keine Ahnung, aber ich liebe dich« und Romeo schickt umgehend seinen Kurzfilm zurück: »Liebe dich auch, aber wer zum Teufel ist Algebra?« Papa zahlt die Rechnung und die Netzbetreiber freuen sich noch mehr.

Lassen Sie sich nie, bitte wirklich nie von irgendeinem gegelten Schnellredner oder seiner gepiercten Kollegin einreden, wer das oder jenes Produkt nicht besitze, der sei bereits reif für Haus Waldesruh. Brauchen Sie einen digitalen Sat-Receiver mit DVD-Wiedergabe, Festplatte, MHP-Technologie und common interface, nur weil Sony das jetzt halt mal so anbietet und Britney Spears angeblich schon zwei davon besitzt? In der Regel nein, und wenn doch, dann entscheiden Sie ganz allein nach Ihren Bedürfnissen.

 

Noch schlimmer als die Attitüde »Ihr kapiert eh nichts« aber finde ich die bei Jüngeren äußerst beliebte »Operation Schuldgefühl«.

Mein Kollege Sebastian ist ein begeisterter Anhänger dieser Theorie, er und viele seiner Altersgenossen sind fest entschlossen, uns ein fettes Schuldgefühl einzureden.

Was heißt hier ein Schuldgefühl? Aus dem Stegreif fallen mir mindestens zwei oder drei ein.

Wie wäre es damit: Es sei die 68