Leo und Lucy 2: Der dreifache Juli - Rebecca Elbs - E-Book

Leo und Lucy 2: Der dreifache Juli E-Book

Rebecca Elbs

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Beschreibung

Riesiger Lesespaß ab 9 Jahren! Für alle Fans von Rico und Oskar Oh Mann, beim Sommerfest in Chorweiler soll es ein Skater-Turnier geben! Diesmal muss Leo auf jeden Fall dabei sein. Doch Lucy hat ihn und Lius schon überredet, beim Theaterstück im Jugendzentrum mitzuspielen. Und außerdem muss Lius beim Stadtteillauf mitmachen, sagt seine Familie. Die findet nämlich, dass Lius zu dick ist. Als herauskommt, dass alles drei gleichzeitig stattfindet, sind die Freunde verzweifelt. Aber sie wären nicht das L-Team, wenn sie nicht eine geniale Lösung finden würden. Und zwar ganz ohne Wurmlöcher! Ein wunderbares Kinderbuch mit Herzenwärme zum Kichern und Mitfiebern. Zum Vor- und Selberlesen! Alle Bände der Serie: Leo und Lucy – Die Sache mit dem dritten L (Band 1) Leo und Lucy – Der dreifache Juli (Band 2) Leo und Lucy – Chaos hoch drei (Band 3)

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Rebecca Elbs

Leo und Lucy: Der dreifache Juli

Oh Mann, beim Sommerfest in Chorweiler soll es ein Skater-Turnier geben! Diesmal muss Leo auf jeden Fall dabei sein. Doch Lucy hat ihn und Lius schon überredet, beim Theaterstück im Jugendzentrum mitzuspielen. Und außerdem muss Lius beim Stadtteillauf mitmachen, sagt seine Familie. Die findet nämlich, dass Lius zu dick ist. Als herauskommt, dass alles drei gleichzeitig stattfindet, sind die Freunde verzweifelt. Aber sie wären nicht das L-Team, wenn sie nicht eine geniale Lösung finden würden. Und zwar ganz ohne Wurmlöcher!

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Viten

Für Bille & Nio & alle, die diese Worte gerade lesen

Die Sache ist die: Seit ich erfahren habe, dass man einen eigenen Vater haben kann, wünsche ich mir auch so einen. Am besten einen, der Astronaut ist. Und jetzt, wo sich mein waschechter Astronauten-Vater gemeldet hat, weiß ich nicht, was ich mit ihm anfangen soll.

Keine Ahnung, wie oft ich mir schon vor dem Einschlafen vorgestellt habe, dass mein Vater mir beim Skaten zusieht, mir bei jeder geglückten Drehung auf der Rampe zujubelt und dabei bis über beide Ohren grinst. Weil er so dermaßen stolz auf mich ist, dass er vor Freude überquillt.

Aber stattdessen klemmt nur sein Brief mit 135 Wörtern in der hinteren Tasche meiner Lieblings-Jeans.

Die hat Mama nämlich zum Glück nach der Katastrophe beim großen Vorlese-Wettbewerb vor ein paar Monaten wieder geflickt bekommen.

Also, die Jeans. Nicht die 135 Wörter.

Die hat sie noch gar nicht gelesen.

Ich schon. Wenn ich alleine bin und mich dabei keine Idioten anstarren, geht das Lesen ja schon ganz gut.

Aber auch wenn ich mir diesen Brief selbst schon mindestens 100-mal mit verschieden tiefen Stimmen vorgelesen habe, ist und bleibt mein Vater leider nur ein ziemlich zerknüllter Zettel aus Amerika. Weil ich ihn nämlich noch nie getroffen habe.

Und gegrinst und gejubelt wird hier überhaupt gar nicht. Solange ich ihm nicht antworte, jedenfalls.

Ich schiebe mir mein XW90 unter den Arm und nehme jeweils zwei Stufen auf einmal bis oben zur Rollstuhl-Rampe vom Jugendzentrum bei uns in Köln-Chorweiler. Samstagmorgens ist hier überhaupt nichts los und ich habe meine Spezial-Rampe ganz für mich. Da hat es nämlich zu, weil sowieso alle, die unter der Woche nachmittags ins Jugendzentrum kommen, noch schlafen oder frühstücken oder mit ihren Vätern zum Baumarkt fahren. Weil sie übers Wochenende zusammen eine Seifenblasen-Maschine, ein Baumhaus oder ein Piratenboot bauen wollen. Oder was man eben so macht, wenn man einen Vater hat, der nicht nur aus Papier und Tinte besteht.

Das alles wissen meine besten Freunde Lucy und Lius – der Rest unseres L-Teams – natürlich besser. Die sind nämlich gerade mit ihren echten Vätern unterwegs. Zu zwei verschiedenen Baumärkten, die in komplett anderen Richtungen liegen. Das muss man sich mal überlegen.

Und deswegen stehe ich hier oben gerade ganz allein.

Ich streiche über den fetten neongrünen Streifen in der Mitte meines Skateboards und kann es nicht fassen, wie viele Kratzer das Brett schon hat, obwohl es gerade mal vier Monate alt ist. Aber so ist das eben, wenn man etwas nicht nur auf den Schrank legt, sondern jeden Tag benutzt. Und wegen der paar Schrammen lässt es sich kein bisschen schlechter fahren.

Ist ja schließlich auch das XW90.

Ich stelle mein Skateboard auf den marsroten Pflastersteinen ab. Aus denen besteht bei uns im Stadtteil sehr viel. Alles um die Stadtteilbibliothek und das Jugendzentrum jedenfalls. Von den Wänden bis zum Boden. Und das ist auch gut so. Weil ich mir beim Skaten dann immer vorkomme, als würde ich gerade über den Mars düsen.

Leider ist die Schwerkraft hier ums Jugendzentrum herum die gleiche wie überall sonst auf der Erde. Auf dem Mars dagegen wären ich und mein Brett 30 Prozent leichter. Und wenn ich dort oben über die Hilfsrampe aus Holz springen würde, die gerade leider im Spiele-Raum des Jugendzentrums eingeschlossen ist, wäre das sicher so wie fliegen.

Gerade als ich mit dem linken Bein Schwung nehmen will, höre ich Schlüssel-Geklapper hinter mir und mein Herz macht einen Luftsprung.

»Na, Kumpel, alles klar?«, höre ich Finn rufen.

Ich drehe mich um, renne zu ihm und will ihm am liebsten direkt um den Hals fallen. Aber ich kann mich gerade noch zurückhalten. Stattdessen boxen wir wie immer unsere Fäuste gegeneinander und tun anschließend mit den ausgespreizten Fingern so, als würden unsere Fäuste wie Super-Novas explodieren. Samt Zisch-Geräuschen und allem Drum und Dran.

»Ist heute doch auf?«, frage ich und kann mein Glück nicht fassen.

»Eigentlich nicht«, antwortet Finn und schließt die Glastür auf. »Aber ich habe meine Kletterausrüstung im Büro vergessen und heute Nachmittag will ich noch in die Kletterhalle. Die hole ich nur schnell.«

»Ach so. Na, dann …«, murmele ich und zwinge mich, an das Super-Sandwich zu denken, das ich mir heute morgen noch geschmiert habe, mit extraviel Waldmeisterbrause und drei weißen Mäusen, und das in meiner Planeten-Brotbox auf der Mauer auf mich wartet. Zum Aufheitern. Weil: In das schwarze Loch in mir drin will ich heute auf keinen Fall fallen.

»Wo ist denn der Rest des L-Teams?«, fragt Finn und steckt sich seinen Monster-Schlüsselbund wieder in die Jackentasche.

»Also, Lucy ist mit ihrem Vater im Baumarkt, weil die beiden was für ihre Seifenblasenmaschine brauchen, die verbessert werden muss. Außerdem muss sie dringend irgendwas auswendig lernen. Und Lius, der ist mit seinem Vater und seinen beiden Brüdern im anderen Baumarkt, weil sie übers Wochenende ein Baumhaus bauen und …«

»Ich verstehe«, sagt Finn und wuschelt sich dabei seine blonden Haare so fest durch, dass er aussieht, als wäre er eben erst aufgewacht. Anschließend starrt er auf seine Armbanduhr und dann wieder zu mir. »Weißt du was?«, fragt er nach einer kleinen Ewigkeit, holt sein Handy aus der anderen Jackentasche und fängt an, wie wild zu tippen.

Ich weiß so gut wie überhaupt nichts, will ich schon antworten. Aber dann warte ich doch lieber erst mal ab. Es kommt mir vor, als würde Finn gerade einen Deutsch-Aufsatz in sein Handy hämmern, aber das ist ja dann doch eher unwahrscheinlich.

»Ich muss sowieso noch meine E-Mails checken und ein bisschen Bürokram erledigen, Leo. Da kann ich dir in der Zeit auch die neue Holzrampe aus dem Spiele-Raum rausholen und du könntest deine coolen Skatersprünge üben, oder?«

Ich nicke und bekomme überhaupt kein Wort mehr raus, weil ich mich so irre freue, als würden ein paar Sternschnuppen in meinem Bauch Geburtstag feiern.

»Willst du eigentlich bei unserem Theaterstück fürs Sommerfest mitmachen?«, fragt Finn, während er ein paar Minuten später die Holzrampe an das untere Ende der Rollstuhlrampe stellt.

»Wann ist das Sommerfest denn genau?«, frage ich und denke dabei, dass ich mir die Frage eigentlich hätte sparen können. Schließlich weiß ich jetzt schon, wie meine Antwort zum Thema Theaterspielen lautet.

»Das steht leider immer noch nicht genau fest, weil sich das Chorweiler Sommerfest-Komitee nicht einig wird. Aber irgendwann Mitte Juli.«

»Das wird leider nichts«, antworte ich und laufe die marsrote Rollstuhlrampe hoch. »Nimms mir nicht übel, Finn. Aber ich bin nicht so wild aufs Theaterspielen: Kostüme mit bunten Strumpfhosen, Auswendiglernen und Lesen war noch nie so mein Ding. Vor allem, wenn einen dann jede Menge Leute anstarren, die man nicht kennt. Das überlasse ich lieber Lucy. Die kann es übrigens überhaupt nicht abwarten, endlich wieder auf der Bühne zu stehen. Ich bin dann doch eher der Zuschauer-Typ.«

»Oh, ich weiß«, sagt Finn und grinst mich an. »Also, das mit Lucy. In den letzten zwei Wochen ist kein Tag vergangen, an dem sie nicht bei mir im Büro stand, um mir eine Szene aus Casablanca vorzuspielen. Ist wohl der Lieblingsfilm ihrer Eltern.«

Jetzt muss ich auch grinsen. Das passt zu Lucy. Auch wenn mir dieser Film nicht wirklich was sagt.

»Wie du meinst, Leo«, sagt Finn schließlich und öffnet die Tür zum Jugendzentrum wieder. »Aber falls du es dir anders überlegst: Du bist jederzeit willkommen! Wir könnten jemanden wie dich brauchen, und komische Strumpfhosen muss bei uns auch keiner anziehen. Dafür kommt meine gesamte Kletter-Ausrüstung zum Einsatz und es wird jede Menge Action geben und …«

Ich schüttele den Kopf.

»Na ja, wenn du nicht willst … wie du meinst, Leo …« Finn blickt auf den Boden und sieht dabei plötzlich ein bisschen enttäuscht aus.

Und das ist mir dann auch wieder nicht recht. Aber was soll ich machen? Nach der Katastrophe beim Vorlesewettbewerb vor ein paar Monaten werde ich bestimmt keine Bühne mehr betreten, wenn es nicht um Leben und Tod geht.

Auch wenn ich dadurch den mit Abstand nettesten Sozialarbeiter unserer gesamten Galaxie enttäuschen muss.

Als ich zum mindestens fünfzigsten Mal heute die Rollstuhl-Rampe mit extraviel Schmackinowsky runterbrettere und mir die Fahrtluft so richtig schön durch die Haare zieht, habe ich das Gefühl, dass ich mit meinem Skateboard fast ein bisschen verschmelze. So, als ob die Räder des XW90 meine wahren Füße wären. Und das macht mich so dermaßen glücklich, dass ich es verpasse, nach rechts Richtung Holzrampe abzubiegen. Ich sehe gleich, dass das nichts mehr wird, und springe ab. Während mein XW90 weiterrollert, umarme ich schon den Baum, der da steht, und bin so richtig froh, dass mich gerade niemand beobachtet.

»Oh, wen haben wir denn da?«, höre ich Niklas’ Stimme hinter mir. »Wenn das mal nicht unser Legastheniker ist.«

Wenn es schon ein L-Wort sein muss, dann wenigstens Legostein-Tiger, bitte schön!, denke ich, und lasse den Baum los. Bevor ich mich umdrehe, weiß ich schon, dass Niklas aus dem Orrer Weg nicht alleine ist. Das Lachen von Tine und Maya erkenne ich sofort. Die ganze Horror-Weg-Truppe eben. Während ich mich langsam zu ihnen umdrehe, zupfe ich ein paar Stückchen Baumrinde aus meinen Haaren und ärgere mich, dass die drei keinen meiner 50 perfekten Sprünge gesehen haben. Sondern ausgerechnet den in den Baum rein.

»Musst wohl noch ein bisschen üben, Leo!«, ruft Tine und hakt sich bei Maya unter. »Kann ja nicht jeder wie Matt Matzke skaten. Über den habe ich in der letzten Görlz gelesen.«

Die drei grinsen mich an und gehen weiter Richtung Einkaufszentrum, wo sie sich sicher mit ihrem riesigen Taschengeld haufenweise Süßigkeiten und Computerspiele kaufen. Oder ein Geschenk für Jannis. Der feiert nämlich heute Nachmittag seinen Geburtstag nach.

Das weiß ich von Lius. Der muss da hin, weil seine Mutter das so will.

Ich bin natürlich nicht eingeladen. Und das Ganze lässt meinen Vulkan wieder so dermaßen hochkochen, dass ich lieber gleich was sage, bevor ich platze.

So, wie es Lucy mir immer eintrichtert.

»Ihr werdet schon noch sehen!«, rufe ich so laut, dass sich meine Stimme ein bisschen überschlägt. »Wenn ich den nächsten Skater-Pokal von Matt Matzke überreicht bekomme! Dann werdet ihr euer dummes Geschwätz bereuen. Der weiß nämlich, dass ich ein waschechter Skater bin und überhaupt nicht mehr viel üben muss. Ich skate hier gerade aus lauter Spaß!«

Tine und Maya lachen, bis sie sich die Bäuche halten, winken ab und laufen langsam weiter.

»Als ob Matt Matzke dich kennen würde!«, ruft Niklas in meine Richtung und schnappt sich mein XW90, das mitten auf die Pariser Passage gerollert ist.

Mein Bauch knüllt sich so sehr zusammen, dass ich schon Angst bekomme, mich gleich übergeben zu müssen. Direkt hier auf den ganzen marsroten Steinboden. Zum Glück kann ich mich gerade noch zurückhalten.

Ich will zu Niklas rennen und dem Idioten mein XW90 aus den Armen reißen, als ich sehe, dass er es in den überfüllten Mülleimer auf der anderen Straßenseite stopft. Da bricht mein Vulkan erst so richtig aus. So sehr, dass ich plötzlich nur noch Sternchen sehe und meinen Kopf auf der Stelle mit Schmackinowsky in Niklas’ Bauch rammen will.

Doch als ich gerade Anlauf nehme, höre ich Finns megalaute Stimme hinter mir dröhnen und ich bleibe automatisch stehen.

Denn so wie immer, wenn Finn etwas Wichtiges zu sagen hat, hält er sein klappriges Megafon aus dem letzten Jahrtausend in der Hand. Und mit genau diesem Megafon verkündet er: »Leo Lennert! Bitte sofort in meinem Büro melden! Es geht um den Skater-Wettbewerb im Juli! Ein gewisser Matt Matzke ist am Apparat!«

Seit Mama und ich Mo haben, ist vieles anders. Vor allem die Sonntage. Erst war Mo nur der neue Hausmeister bei uns in der Lille 15. Doch seit dem letzten Lille-Fest gehört er quasi schon zur Familie. Eigentlich hat sich seitdem unser komplettes Leben verändert. Aber an den Sonntagen fällt es mir immer besonders auf.

Mo ist Frühaufsteher und geht sonntags immer schon joggen, während ich noch in den Tiefen unseres Universums herumschwebe und von freundlichen Außerirdischen in fernen Galaxien träume. Oder von feindlichen Erdbewohnern wie denen vom Horror-Weg. Je nachdem.

Und dass Mo sonntags immer schon so früh in Chorweiler unterwegs ist, bedeutet nicht nur, dass er nach dem Sport mit hochrotem Kopf, Feinripp-Unterhemd und Trainingshose bei schnulziger Musical-Musik durch die Küche wirbelt und man sich die Tattoos auf seinen Oberarmen mal so richtig ausgiebig anschauen kann. Sondern auch, dass er frische Blumen vom Kiosk auf den Küchentisch stellt und dann für uns alle das seltsam leckerste Frühstück aller Zeiten zubereitet. Immer mit Brötchen, die so frisch sind, dass man sich mit ihnen an sehr kalten Tagen die Ohren aufwärmen könnte.

Ich finde, das ist ein gutes Zeichen. Und ich bin schwer dafür, dass wir Mo erst mal behalten.

»Gibst du mir mal die Zimtbutter, Leo?«, fragt Mama und setzt ihre lila Monster-Kaffeetasse mit den Glitzer-Herzchen ab. Von den Herzchen-Tassen stehen gerade zwei auf unserem Küchentisch. Und die andere gehört nicht mir! Ich schwörs!

Ich gebe Mama die Butter, schnappe mir schon mal eine von den Vanilleschnecken aus dem Brotkorb und lege sie zur Seite. Für später.

»Genau genommen ist das Rosmarinbutter mit Zimt«, sagt Mo, während er sein zweites Käse-Laugen-Brötchen aufschneidet. »Und die schmeckt besonders gut mit der Aprikosenmarmelade von diesem einen Stand vom Wochenmarkt am Liverpooler Platz. Und das dann zusammen mit diesem Käse-Laugen-Brötchen … ich sags euch. Da fehlen dann nur noch die sauren Heringe und …«

Mama und ich schauen uns an und prusten los. Mama muss sogar so sehr lachen, dass sie fast den Schluck Kaffee mit viel Milch ausprustet. Aber zum Glück nur fast.

Mo ist plötzlich noch ein bisschen röter um die Wangen als sowieso schon. »Ich weiß, ich weiß. Das mit den Heringen ist schon eher was für Fortgeschrittene. Da muss man sich langsam rantasten.«

»Na ja, was Essen angeht, würde ich mich jetzt auch nicht direkt als Anfänger bezeichnen«, sage ich und lege eine zweite Scheibe Stinkekäse auf mein Rosinenbrötchen mit Schokocreme. Und weil mir gerade danach ist, kommen noch ein paar frisch gehackte Zwiebelchen obendrauf.

»Das kannst du aber laut sagen!«, ruft Mama und grinst uns an. »Ihr beiden habt euch ja wohl gesucht und gefunden. Das steht mal fest!«

Mo nickt, boxt mir ganz leicht gegen die Schulter und grinst mich so fett an, als hätte ich den Skater-Pokal schon gewonnen. Und dabei fällt mir ein, dass ich ihnen noch gar nicht alles fertig erzählt habe über das Skater-Turnier mit Matt Matzke und so weiter und so fort. Man kommt ja auch echt zu nichts. Ich hatte vorhin damit angefangen. Aber dann kam Mamas und Mos frischer Kaffee und meine heiße Schokolade dazwischen.

Jetzt erst bemerke ich, dass Mama zwischen Mo und mir hin- und hersieht. Und dabei lächelt sie ganz leicht. »Nein, im Ernst. Ihr beiden seid euch in so vielem so ähnlich. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, du und Mo wärt …« Sie bricht ab und dann sagen wir alle eine Weile gar nichts mehr.

Ich trinke auf den Schock meine ganze Tasse heiße Schokolade auf einmal aus. Und dabei muss ich an den Brief von meinem Astronauten-Vater in meiner rechten Jeanstasche denken und daran, dass Mama und ich immer noch nicht wirklich darüber gesprochen haben, dass es meinen Vater tatsächlich gibt.

Mo könnte gerade glatt als eine der Tomatenscheiben neben den Mini-Mozzarella-Kugeln durchgehen. So rot ist er im Gesicht.

Nach einer kleinen Weile ohne Worte, aber mit einigen Essensgeräuschen räuspert sich Mo. »Wann genau soll das Skater-Turnier eigentlich stattfinden, Leo?«

»Konnte Matt Matzke gestern am Telefon noch nicht sagen. Irgendwann im Juli jedenfalls«, antworte ich und überlege, was ich als Nächstes essen könnte.

»Und wo? Mitten auf dem Pariser Platz?«

Ich nicke. Das mag ich an Mo auch. Er interessiert sich wirklich dafür, was ich den lieben langen Tag alles mache. »So habe ich Matt jedenfalls gestern verstanden. Aber ich kann mich auch verhört haben. Ich sehe Matt ja seit unserem Kennenlernen öfters, wenn wir auf der Rampe am Jugendzentrum üben, weil seine Patentante hier in der Gegend wohnt. Aber Finn war dermaßen aufgeregt, dass ich einen so berühmten Typen kenne, dass er die ganze Zeit in seinem Büro im Kreis gerannt ist und Grimassen geschnitten hat. Und das war so lustig, dass ich mich gar nicht richtig konzentrieren konnte.«

»Verstehe«, sagt Mo, schnappt sich eine Zimtschnecke, schmiert erst Himbeermarmelade und dann eine dicke Schicht Knoblauchcreme drauf und bedeckt das Ganze mit in feine Scheiben geschnittenen sauren Gürkchen. »Wird auch höchste Zeit, dass Chorweiler mal endlich einen eigenen Skaterplatz bekommt.«

Ich nicke. Wo er recht hat. »Aber ich glaube, die bauen die Halfpipe und die anderen Rampen nur für ein einziges Wochenende auf. Dann wird geskatet wie wild. Und am Montag drauf wird alles wieder abgebaut.«

»Das kann ich mir nicht vorstellen, Leo«, sagt Mama, zieht ihre Beine auf den Stuhl und legt ihr Kinn auf die Knie. »Das wäre doch viel zu teuer. Das hast du falsch verstanden.«

Ich glaube ja nicht, dass ich das falsch verstanden habe. Aber ich sage erst mal nichts dazu, sondern beschließe, mir auch so eine Knoblauch-Schnecke wie Mo zu schmieren. Man muss ja alles mal ausprobieren.

Matt hat mir vor ein paar Wochen erzählt, dass es jede Menge Leute gibt, die für alle möglichen Dinge bezahlen wollen, wenn dafür ein Foto von ihm neben irgendwas abgedruckt werden darf, das sie verkaufen wollen. Von Kapuzenpullis und Mützen über Joghurt-Schokolade und Sonnencreme bis hin zu Skateboards ist da alles dabei. Ich weiß, das kann man fast wieder nicht glauben.

Und die zahlen dann anscheinend zum Teil für das Skater-Turnier.

»Dann sag mal dem Matt, dass ich mir auch schon den ein oder anderen Gedanken darüber gemacht habe, wie man hier den idealen Skaterplatz für dich aufbauen könnte. Ich hab auch schon ein, zwei Zeichnungen dazu gemacht … also, was soll ich sagen … ich meine, falls Matt mal einen Blick drauf werfen will …«

»In echt jetzt?«, frage ich, während mir meine Zimtschnecke zurück auf den Teller fällt. »Du hast wirklich … ich meine, für mich …?«

Jetzt sagt Mo überhaupt gar nichts mehr, starrt auf den Teller vor sich und sieht wieder aus wie Lucys Hund Blumenkohl, wenn er was gefressen hat, was für Terrier eigentlich verboten ist.

Dann beugt sich Mama zu Mo vor, hebt sein Kinn samt Stoppelbart etwas nach oben und drückt ihm einen fetten Kuss auf den Mund. Und als wäre das nicht genug, reiben die beiden anschließend noch ewig ihre Nasen aneinander. Und dabei schauen sie sich wieder so tief in die Augen, dass man sich direkt vorkommt, als würde man stören.

Und das, obwohl ich hier eigentlich auch wohne.

Ich schaue zur Küchenuhr über der Spüle und bin richtig froh, dass ich gleich mit Lucy, Lius und Blumenkohl im Schwimmbad verabredet bin und mir nicht irgendeine Ausrede einfallen lassen muss, warum ich von jetzt auf gleich vom Frühstückstisch wegrenne.

Beim Aufstehen nehme ich mit meinem linken Ärmel aus Versehen leider den Rest von Mos Zimtschnecke mit Himbeer-Knoblauchcreme mit und das Ganze bleibt mit der schmierigen Seite auf meinem SpongeBob-Hoodie kleben. Weil ich jetzt ganz dringend zu meinem L-Team möchte, ziehe ich hektisch mein Stofftaschentuch aus der Hosentasche, um die ganze Schlabberei abzuwischen. Dabei segelt der Brief von meinem Astronauten-Vater auf den Boden.

Und es hätte so ein perfekter Sonntagmorgen sein können, würden wir jetzt nicht alle drei auf diesen zerknitterten Brief mit dem Absender nach oben starren.

Und würde dort nicht Johannes Hovemann, 348Wilson Ave, Titusville, FL32796, U.S.A. stehen.

»Ich sage es auch gerne ein drittes Mal: Euer Terrier darf trotzdem nicht mit ins Schwimmbad rein, Lucy! Auch wenn Blumenkohl nur sein Deckname ist und er bei seiner Spionage-Ausbildung den Goldenen Rettungsschwimmer für Hunde gemacht hat«, sagt Bademeister Fred hinter der Kassen-Theke und verschränkt die Arme vor der Brust, sodass er ein bisschen aussieht wie Meister Proper aus der Putzmittel-Werbung. Nur grinst Bademeister Fred nicht ganz so fett. Genau genommen grinst er gerade überhaupt nicht mehr. Und das kommt eher selten vor.

»Aber mein Hund ist doch superbrav!«, murmelt Lucy und krault Blumenkohl im Nacken.

Der sitzt auf Lucys Schoß, starrt Bademeister Fred mit seinen Knopfaugen an und hechelt, was das Zeug hält. »Und wenn ich Blumenkohl erkläre, er soll so lange auf meinem Rollstuhl auf uns warten, weil er nicht ins Schwimmbecken darf, dann macht er das auch und …«

»Hör mal zu, Lucy«, sagt Bademeister Fred, bückt sich nach vorne und stützt seine Unterarme auf die Theke. »Ich kenne euch jetzt schon ein ganzes Weilchen. Ihr seid ja in letzter Zeit mindestens zweimal die Woche hier. Und ich finde euch auch echt eine ganz sympathische Truppe. Aber da kann ich nichts machen. Das sind eben die Regeln: Keine Tiere im Schwimmbad! Und wenn mein Chef davon erfährt, dann habt ihr erst mal acht Wochen Hausverbot. So sieht das nämlich aus.«

»Komm, Lucy, dann muss Blumenkohl eben draußen auf uns warten«, sagt Lius, der die beiden riesigen aufgeblasenen Schwimmreifen trägt, die Herr Blinow im Baumarkt für Lius und mich gekauft hat. Einen Flamingo- und einen Meerjungfrau-Schwimmreifen in der Größe von kleinen Planschbecken, um genau zu sein. Die gab es beide für den Preis von einem. Die Dinosaurier, SpongeBobs und Haifische kosteten leider extra.

Der Einhorn-Schwimmreifen, den ich trage, ist schon etwas älter. Ohne den darf Lucy nämlich nicht ins Wasser.

Da kann man echt nur froh sein, dass keiner, den wir kennen, in unser Lille-Schwimmbad kommt und uns sieht.

Alle anderen aus Lius’ und meiner Klasse gehen zum Glück immer ins große Spaßbad. Aber da ist der Bademeister nicht so nett wie hier und es gibt dort auch nicht mein Kirsch-Raketen-Eis am Kiosk. Sagt Lius jedenfalls.

Einmal dort schwimmen würde außerdem fast mein ganzes Taschengeld für einen Monat aufbrauchen. Und für unser L-Team ist es sowieso zu weit weg. Weil Lucy in Schwimmanzug und Bademantel nicht durch ganz Chorweiler fahren will.

Da ist unser Lille-Bad doch viel praktischer: Das ist nämlich so nah, dass man von unserem Balkon aus locker draufspucken könnte. Wenn man so richtig gute Spucke hat und ordentlich Schmackinowsky jedenfalls.

Jetzt erst merke ich, dass ich inzwischen alleine vor der Bademeister-Theke stehe. Lucy und Lius sind mit Blumenkohl wohl schon raus vor die Tür.

Und die ganze Zeit über habe ich Bademeister Fred mit offenem Mund angestarrt.

Der muss ja auch denken, dass mit mir was nicht stimmt.

Als ich mich zu den Umkleidekabinen umdrehe, durchzuckt es mich kurz, weil ein Junge, der aussieht wie Niklas, durch den Duschraum rennt. Aber das kann überhaupt nicht sein, weil die vom Horror-Weg nie hier sind.

Und dann kommen auch schon Lucy und Lius wieder rein. Lucy hat ihre riesige Einhorn-Glitzer-Badetasche auf dem Schoß und die beiden kichern wie ein verliebtes Ehepaar, das irgendwas ausgeheckt hat.

Als sie näher kommen, weiß ich auch genau, was: Der Kopf von Blumenkohl schaut nämlich kurz aus Lucys Tasche raus und er sieht mich erwartungsvoll an.

Wenn man Lucy und Lius mal kurz aus den Augen lässt … Ich schüttele fassungslos den Kopf.

Und dann gehen wir einfach so durchs Drehkreuz, weil wir ja schon bezahlt haben.

»Kommt ihr wieder mit ins Kinderbecken?«, fragt Lucy mit dem zufrieden schlafenden Blumenkohl auf dem Schoß, als Lius und ich aus dem Duschraum kommen.

Lucy duscht immer schon vor dem Schwimmen zu Hause mit Frau Blinow und kommt fix und badefertig angezogen hierher. Ist ja auch irgendwie praktischer so.

Ich und Lius sehen uns verdattert an. Keine Ahnung, was Lucys Frage soll.

Das machen wir doch immer so.

Eben genau so, wie Herr und Frau Blinow es mit uns geübt haben, bis wir das alleine durften:

1.) Ich lege Lucys großen Einhorn-Schwimmreifen ins Wasser, ganz in der Nähe vom Rand des Kinderbeckens.

2.) Lius und ich packen Lucy jeweils links und rechts unter den Armen und tragen sie von ihrem Sport-Rollstuhl bis über den Einhorn-Schwimmreifen, in den wir sie dann direkt ins Wasser setzen.

3.) Lius wirft seinen Flamingo-Reifen ins Becken, springt komplett mit T-Shirt und Badehose bekleidet rein, taucht unter und kurz danach direkt im Schwimmreifen wieder auf.