Leo und Lucy 3: Chaos hoch drei - Rebecca Elbs - E-Book

Leo und Lucy 3: Chaos hoch drei E-Book

Rebecca Elbs

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Beschreibung

Für alle Fans von »Rico und Oscar« – und alle Jungen und Mädchen ab 9 Aufruhr in der Lille 15! Das Büdchen auf dem Dachgarten soll abgerissen werden. Das kann das L-Team unmöglich zulassen. Sofort hecken Leo, Lucy und Lius einen Büdchen-Rettungsplan aus. Dabei hat Leo gar keine Zeit: Sein Vater kommt aus Amerika zu Besuch und klingelt fünf Tage früher als geplant an der Wohnungstür. Nun soll sich Leo um das Besuchsprogramm kümmern, weil Mama ja arbeiten muss. Aber was zeigt man bitteschön einem Astronauten, der die Erde schon vom Universum aus gesehen hat? Zu allem Übel ist dann auch noch Mo verschwunden – ist er etwa eifersüchtig? »Eine mitreißende Geschichte über kreative Problemlösungen und die Magie der Freundschaft.« Kulturette Leselust über Band 1  »Anrührend und mit augenzwinkerndem Humor beschrieben. Die Protagonisten kann man nur ins Herz schließen!« PotsKids! über Band 1 Alle Bände der Serie: Leo und Lucy – Die Sache mit dem dritten L (Band 1) Leo und Lucy – Der dreifache Juli (Band 2) Leo und Lucy – Chaos hoch drei (Band 3)

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Rebecca Elbs: Leo und Lucy – Chaos hoch drei

 

Aufruhr in der Lille 15! Das Büdchen auf dem Dachgarten soll abgerissen werden. Das kann das L-Team unmöglich zulassen. Sofort hecken Leo, Lucy und Lius einen Büdchen-Rettungsplan aus. Dabei hat Leo gar keine Zeit: Sein Vater kommt aus Amerika zu Besuch und klingelt fünf Tage früher als geplant an der Wohnungstür. Nun soll sich Leo um das Besuchsprogramm kümmern, weil Mama ja arbeiten muss. Aber was zeigt man bitteschön einem Astronauten, der die Erde schon vom Universum aus gesehen hat? Zu allem Übel ist dann auch noch Mo verschwunden – ist er etwa eifersüchtig?

Alle Bände der Serie:

Leo und Lucy – Die Sache mit dem dritten L (Band 1)

Leo und Lucy – Der dreifache Juli (Band 2)

Leo und Lucy – Chaos hoch drei (Band 3)

Wohin soll es gehen?

  Buch lesen

  Viten

 

 

Für Mona & Annie, Joakim & Milan, Carlo & alle Leos & Lucys da draußen. Und natürlich für alle, die diese Worte gerade lesen

Regel 1:

Auf keinen Fall die Schwerkraft ausknipsen

Ich habe da so eine Vermutung: Entweder das Universum kennt mich nicht besonders gut oder ich bin ihm komplett egal. Eines von beidem muss es sein. Denn wer mich kennt und wem ich nicht komplett egal bin, der weiß, dass ich es nicht mag, wenn alles plötzlich total anders ist.

Ganz schlimm ist es, wenn man sich an etwas schon so sehr gewöhnt hat, dass man gar nicht gemerkt hat, wie wichtig es einem ist. Und wenn dieses Etwas dann auch noch innerhalb der nächsten zwei Wochen abgerissen werden soll, dann ist das so, als hätte irgendein Idiot aus Versehen die Anziehungskraft der Erde ausgeknipst und man würde raus ins Universum driften. Aber dabei fühlt man sich dann nicht schwerelos wie ein Luftballon, sondern einfach nur verloren.

Und genau so geht es mir seit gestern Nachmittag 16 Uhr 37. Da haben Lucy, Lius und ich nach der Schule nämlich diesen Zettel mit den fies kleinen Buchstaben am Schwarzen Brett unseres Hochhauses in der Lille 15 entdeckt. Und darauf stand: »Das Büdchen auf dem Dach der Liller Str. 15 wird wegen Baufälligkeit abgerissen und ist bis spätestens 17. Mai zu räumen.«

Gerade stehen wir aber nicht vor dem Schwarzen Brett, sondern oben auf unserem Dachgarten. Lius, Lucy, ich und unser Nachbar Möllmenner aus dem 16. Stock. Eigentlich sind wir hier, um dem Möllmenner beim Ausmisten zu helfen. Aber Lucy rollert jetzt schon zum mindestens zehnten Mal ums Büdchen herum und ruft: »Das muss ein Fehler sein! Die meinen ein anderes Büdchen auf einem anderen Hochhaus. Unseres ist überhaupt gar nicht so kaputt wie die Hausverwaltung schreibt! Das Loch im Dach, die paar lockeren Mauersteine und das eingeschlagene Fenster kann man doch reparieren!«

»Na ja, übernachten sollte man darin jedenfalls nicht«, sagt Lius, der neben dem Möllmenner auf dem Boden sitzt und dessen uralte Schallplatten alphabetisch ordnet. Die hat unser Nachbar nämlich vorhin aus dem Büdchen geräumt. Neben sehr viel anderem Zeugs, das er über die letzten Jahre dort reingestopft hat. »Stimmt ja schon, dass es baufällig ist. Stell’ dir vor, da geht einer rein und ihm fällt ein Dachziegel auf den Kopf und dann …«

Lucy sieht Lius böse an.

Ich kann es auch nicht fassen, was Lius da labert. Wenn unser Büdchen nämlich wirklich baufällig sein sollte, dann war das bisher überhaupt gar kein Problem. Weil Möllmenners ganzer Kram ja alles stabil von innen ausgestopft hat. Und müssten wir jetzt nicht »ALLES UND BITTE KOMPLETT!!!« ausräumen, so wie es mit Rotstift auf dem Aushang unten im Flur ergänzt wurde, dann könnte überhaupt niemandem ein Dachziegel auf den Kopf fallen. Weil dort nämlich niemand reinpasst. Das ist nicht nur meine Meinung. Das ist wirklich so.

Und eines ist ja wohl klar: Nichts in meinem Leben kann mehr gut werden, wenn das Büdchen weg ist. Weil das Büdchen so was wie der Badewannenstöpsel in meinem Leben ist. Keine Ahnung, warum. Aber wenn der Stöpsel jetzt gezogen wird, dann ist alles futsch. Ein schwarzes Loch unterm Aufzug und kein Büdchen, um sich auf dem Dachgarten dran anzulehnen, das ist einfach zu viel.

Lucy starrt Lius immer noch böse an. Mittlerweile tippelt sie auch noch mit den Fingern auf ihren Armlehnen rum.

Lius sieht so aus, als würde er gerade die Luft anhalten. Dabei schaut er von Lucy zu mir und wieder zurück. Nachdem er endlich ausgeatmet hat, murmelt er, dass wir uns nicht allzu große Sorgen machen sollen. Das könnte man wahrscheinlich alles regeln. Weil das Büdchen wahrscheinlich schon sooo alt ist, dass es unter Denkmalschutz steht. Und dass die Hausverwaltung das Büdchen in dem Fall überhaupt nicht abreißen darf. Seine Nachbarin, die Mutter von Niklas aus unserer Klasse, wüsste so was, und die würde er heute Abend direkt mal fragen. Und dann sortiert er weiter die Schallplatten und beißt dabei auf seiner Unterlippe rum.

»Genau, und deswegen musst du dort morgen früh unbedingt anrufen, Möllmenner. Und denen das sagen!«, sagt Lucy zu unserem Nachbarn, der aufgestanden ist und gerade mit Spinnweben in den Haaren mein Teleskop aus dem Büdchen zieht.

Ich schlucke. Weil der Möllmenner es eigentlich echt nicht mag, wenn man ihn nur Möllmenner nennt. Aber Lucy darf das wohl.

»Ach, das bringt doch nichts, Lucy! Erstens erreicht man die von der Hausverwaltung nie. Und zweitens haben die bisher jeden einzelnen Brief ignoriert, den ich ihnen geschrieben habe. Sogar den wegen der kaputten Fenster-Rollos vor drei Jahren«, sagt der Möllmenner und drückt mir mein Teleskop in die Hand.

Ich merke mal wieder, wie schwer dieses Ding ist, puste den Staub von der kupferroten Oberfläche und reibe mit meinem Hoodie-Ärmel eine Stelle blank. So lange, bis ich mich mit extrem breiten Backen und Alien-Augen darin spiegele.

Dass Lius ausgerechnet Niklas’ Mutter aus dem Horror-Weg um einen Gefallen für unser Büdchen bitten will, gehört auf keinen Fall zu seinen besten Ideen. Unser Spion Flitzke lässt ganz schön nach.

Ich würde ja auch gern was zu dem ganzen Büdchen-Schlamassel sagen. Aber ich kann nicht. Weil ich nicht mal weiß, was ich denken soll. Lucy hat vollkommen recht. Aber der Möllmenner leider auch. Und Lius sowieso. Und ich stehe dazwischen wie diese Insel im Kreisverkehr bei der Aral-Tankstelle und verstehe wieder mal alle. Und das hilft dann auch nicht weiter.

Im Moment habe ich nicht nur einen fetten Knoten im Bauch, sondern auch im Kopf. Vom vielen Nachdenken, wie wir das Büdchen retten könnten. Deswegen ist es wahrscheinlich das Beste, ich stehe einfach weiter hier rum, zwischen den zwei vertrockneten Dachgarten-Sträuchern in Plastikkübeln von Frau Milchmayer, und lasse die anderen reden. Und dabei halte ich mich an meinem Teleskop fest, damit ich nicht ins Universum hinausdrifte. Das Universum ist nämlich nicht nur endlos, das weitet sich auch noch jede einzelne Sekunde weiter aus.

»Jetzt sag doch auch mal was, Leo! Wir müssen was tun! Du liebst das Büdchen doch auch!« Lucy sieht mich mit diesem Blick an, bei dem man einfach nicht nichts tun kann.

»Was soll ich denn sagen, Lucy?! Natürlich liebe ich das Büdchen. Onkel Bastian und ich wollten es sogar schon mal in eine Sandwich-Bar ummodeln. Und außerdem ist es perfekt, um sich dagegenzulehnen, wenn man sich nachts die Milchstraße in Ruhe anschauen will. Und im Sommer ist neben dem Büdchen der einzige richtig gute Schattenplatz hier oben. Aber ich glaube nicht, dass es unter Denkmalschutz steht. Und ich weiß auch nicht, warum uns ausgerechnet die Mutter von dem größten Idioten aus dem Horror-Weg helfen soll. Eigentlich weiß ich gerade überhaupt nichts. Nur, dass ich es hasse, wenn nichts mal einfach so bleiben kann, wie es ist.«

Lucy seufzt, verdreht erst die Augen und starrt dann auf den linken Reifen ihres Rollstuhls. Dabei hat sie wieder diese Falte in der Mitte ihrer Stirn. Genau die, die sie bekommt, wenn sie tief in sich drin nach einer Idee sucht.

»Ach, hier ist es ja, das alte Ding!«, ruft der Möllmenner so begeistert, als hätte er gerade einen zweiten bewohnbaren Planeten in unserer Galaxie entdeckt.

Hat er dann aber doch nicht.

»Der Plattenspieler? Aber genau so einen haben Sie doch schon in Ihrer Wohnung rumstehen«, sage ich und stelle das Teleskop auf den Boden. Langsam wird es echt zu schwer.

»Das ist mein Ersatzplattenspieler, Leo! Aber den meinte ich gar nicht. Sondern die Platte! Die suche ich jetzt schon seit Wochen«, sagt der Möllmenner, während er den Schallplattenspieler einstöpselt.

Dass das Büdchen eine Steckdose hat, konnte man vor Möllmenners Ausmist-Aktion gar nicht sehen.

»Nichts kann einen mehr aufmuntern als dieses Lied. Ihr werdet schon sehen. Und das kann ich jetzt gut gebrauchen, wo Frau Milchmayer ein Häuschen von ihrer Großtante in Wuppertal geerbt hat und mit mir dorthin ziehen will.«

»Sie beide wollen was?«, rufen Lucy und ich fast genau gleichzeitig.

Der Möllmenner sagt nichts, nickt nur vor sich hin und legt dem Plastikarm des Plattenspielers auf die äußerste Rille der Platte. Erst knackst es durch die Mini-Lautsprecher, dann rauscht es und dann bohren sich quietschige Geigentöne in mein Ohr.

Lucy und ich starren uns an.

Ich bin mir sicher, dass sie genau dasselbe denkt wie ich. Nämlich, dass bald gar nichts mehr so ist wie früher. Denn wenn die Milchmöllers aus der Lille 15 wegziehen, dann gibt es auch keine Dienstags-Kuchen-Nachmittage mehr und dann war’s das mit dem Hausfrieden.

Als der Sänger auf der Platte irgendwas trällert von Träumen, die platzen, und Hoffnung, die angeknackst ist, und von ganz schlimmer Einsamkeit, frage ich mich, was eigentlich mit dem Möllmenner los ist. Wenn er sich solche Lieder anhört, um sich aufzuheitern!

»Leo hat recht. Veränderungen können richtig mies sein«, murmelt Lucy, verknotet ihre Arme vor dem Bauch und kurbelt eine ihrer Locken auf ihren Finger.

»Alles Neue bringt aber auch sein Gutes, wisst ihr!«, trällert jetzt der Möllmenner so übertrieben fröhlich, als müsste er sich selbst davon überzeugen.

Lucy und ich verdrehen die Augen.

»Na ja, genau genommen gäbe es ja überhaupt kein Leben, wenn alles immer gleich bleiben würde«, sagt Lius. Er hat mittlerweile anscheinend alle Platten nach dem Alphabet sortiert und hat jetzt wieder Zeit zu nerven.

»Ich meine, dann wären wir alle noch Einzeller, wenn überhaupt. Und wenn zum Beispiel immer die Sonne scheinen würde und es nie regnet, dann wäre Chorweiler eine Wüste. Und, Leo, dass dich dein echter Astronauten-Vater nächste Woche zum ersten Mal besucht, das ist doch wohl die beste Veränderung überhaupt, oder?«

Jetzt fängt der Typ in Möllmenners Lieblingslied auch noch damit an, dass »immer, immer wieder die Sonne aufgeht«. Und ich frage mich, ob der Schlagersänger, der Möllmenner und Lius sich irgendwie abgesprochen haben.

Klar ist die Sache mit meinem Vater die beste Sache überhaupt. So genial, dass ich versuche, nicht andauernd daran zu denken. Weil: Dass Jon Hovemann und ich uns bald und ganz in echt kennenlernen, glaube ich erst, wenn es wirklich so ist. Letztes Mal hat er ja auch auf den letzten Drücker meinen Besuch bei ihm in Amerika abgesagt. Weil er anscheinend ganz dringend ins All musste.

Ich schlucke und in meinem Magen kribbelt es, als hätte ich drei Tütchen Waldmeister-Brause auf einmal in mich reingekippt. Ganz ohne Wasser.

Es ist jetzt nicht so, dass ich Jon Hovemann komplett heimlich eingeladen hätte oder so. Ich habe Mama schon Bescheid gesagt. Vor zehn Tagen. Da hat Jon Hovemann nämlich endgültig per Mail zugesagt. Die fünf Wochen davor war noch alles in der Schwebe und damit wollte ich Mama nicht verrückt machen.

Wenn ich daran denke, dass er in genau sieben Tagen in unserer Küche steht, dann komme ich mir vor wie in einem Film. Einem Film, den ich zwar ausgesucht habe, aber von dem ich keine Ahnung habe, ob das jetzt ein Horrorfilm, eine Liebesschnulze oder so ein Film ist, der plötzlich mittendrin aufhört. Und bei dem man am Ende auch nicht schlauer ist als vorher.

Und das macht mich dann wieder verrückt.

Dass ich plötzlich statt null Komma null Vätern gleich zwei habe – nämlich Mo UND einen waschechten Astronauten-Vater mit Namen Jon Hovemann –, bekomme ich auch noch nicht so wirklich auf die Reihe. Eigentlich ist es ja so was wie ein Wunder, dass Mo letztes Jahr bei Mama und mir eingezogen ist, jedes Wochenende für uns Frühstück mit Brötchen direkt aus dem Ofen macht und seit Wochen mit mir an einem Modell des »aller-allergenialsten Skaterplatzes überhaupt« baut.

»Wenn dein Jon Hovemann schon so bald hier ist, dann musst du dir aber dringend was überlegen, das weißt du schon, oder?«, sagt Lucy ernst. »Du brauchst ein richtig cooles Papa-Programm. Ich meine, so ein Astronaut hat ja schon alles gesehen. Die Erde vom Universum aus zum Beispiel.«

Mein Magen knäult sich zusammen. Genau dasselbe habe ich nämlich auch schon gedacht. In der letzten E-Mail von Jon Hovemann, die ich an Lius’ Computer gelesen habe, schrieb er nämlich: »Und wenn wir uns gut verstehen und Spaß zusammen haben, dann machen wir das ja vielleichtirgendwann mal wieder!«

Da mache ich mir natürlich schon so meine Sorgen. Ich meine, was soll denn dieses WENN, DANN, VIELLEICHT und IRGENDWANN? Und was, wenn es ihm bei uns in Chorweiler nicht gefällt? Wars das dann und ich kann ihn auch nie in Florida besuchen? Nie die NASA von innen auschecken, bei einem Parabelflug die Schwerelosigkeit ausprobieren und meine Halbschwester kennenlernen?

Das würde sich wahrscheinlich so anfühlen, als hätte man beim Lotto alle Zahlen richtig angekreuzt, aber man findet leider den Schein nicht mehr. Nicht dass ich wüsste, wie sich das anfühlt. Aber der Möllmenner.

»Leo, bist du noch auf der Erde oder schon wieder auf deinem Lieblingszwergplaneten unterwegs?«, fragt Lucy und starrt mich an.

»Alles unter Kontrolle«, sage ich schnell. Und zwar so übertrieben fröhlich wie der Möllmenner vorhin. »Mama hat gesagt, dass ich mir um das Papa-Programm keine Sorgen machen soll. Sie hat sich für nächste Woche extra im Blumenladen freigenommen und hat ganz viele Ideen, was wir zusammen unternehmen können. Mama, Mo, Jon Hovemann und ich. Und dann hat sie noch gesagt, dass ich mich bitte nicht allzu sehr stressen soll. Allein seinen leiblichen Vater kennenzulernen, wäre ja schon eine ziemlich große Sache.«

Lucy nickt vor sich hin. Die Falte auf ihrer Stirn ist aber immer noch da. Die Büdchen-Abriss-Sache macht sie fertig. Das sehe ich.

Mir gehts ja nicht anders.

»Ihre Schallplatte sortiere ich gleich mal unter I wie IMMER in die Kiste, Herr Möllmenner«, sagt Lius und greift nach ihr.

Aber der Möllmenner will das Lied noch mal hören.

Als der Typ von der Platte wieder damit anfängt, von irgendeiner verpatzten Liebe zu singen, wird mir alles zu viel. Weil der Möllmenner uns so ein dämliches Liebeslied untergejubelt hat, ohne uns vorher zu warnen.

Ich schnappe mir mein Teleskop, um es runter in mein Zimmer zu bringen. Und wenn ich schon mal unten im 15. Stock bin, könnte ich auch gleich noch in der Küche ein paar Super-Sandwiches für uns schmieren. Die helfen immer.

Aber dazu komme ich gar nicht. Weil Lucy plötzlich losjubelt und ihre Augen strahlen wie zwei kleine Sonnen.

Ich glaube, nicht wegen des Lieds. Sondern eher weil der Möllmenner gerade eine alte Filmkamera aus dem Büdchen geschleppt hat.

Ich muss direkt grinsen. Vor allem, weil Lucy sich so freut.

Und während auf der Platte die Geigen wieder anfangen zu quietschen, klatscht sie in die Hände und fragt: »Wisst ihr, was das ist?«

Lius, der Möllmenner und ich schauen uns nur an und zucken mit den Schultern.

»Das hier, das ist unsere Rettung!«

Regel 2:

Umwege können eine sehr schöne Aussicht haben

»Und du willst dieses Ding jetzt überall mit hinschleppen? Echt jetzt?«, frage ich Lucy. Langsam wirds echt anstrengend.

Lucy filmt nämlich mit der Super-8-Kamera vom Möllmenner schon die ganze Fahrt über vor sich hin. Und Lius und ich sollen ständig irgendwelche Grimassen schneiden oder »total begeistert« auf Sehenswürdigkeiten zeigen, an denen wir vorbeifahren.

Als ob man mit dem Linienbus 121 in Chorweiler an so was vorbeifahren würde. Aber Lucy meinte, dass wir schon so einige Sehenswürdigkeiten haben und dass wir heute ein bisschen rumcruisen sollen, um sie zu finden. Als Vorbereitung dafür, wenn mein Vater uns besucht. Warum sie das Filmchen nicht einfach mit Lius’ Handy machen kann, ist mir schleierhaft. Aber Lucy sagt, das wäre ja keine Kunst.

»Muss üben«, sagt Lucy und richtet die Kamera wieder auf mich. »Für unseren Büdchen-Rettungsfilm. Und wenns gut läuft, werde ich später mal Filmemacherin.«

»Aber du wolltest doch Astronautin werden«, sagt Lius und greift nach einer der Busstangen. Unsere Busfahrerin gibt ganz schön Gummi.

»Hab ich doch schon tausendmal gesagt: Ich will mich da nicht festlegen. Theaterstücke schreiben will ich ja auch. Und Filmemacherin ist ziemlich ähnlich. Nur mit Kamera. Ich muss eben nur sehr alt werden. Dann werde ich einfach alles.«

»Guter Plan. Wenn jemand alles werden kann, dann du«, sagt Lius und lächelt Lucy wieder so an. So wie er es öfters tut, wenn er denkt, dass ich es nicht merke. Als ob er sie am liebsten gleich heiraten würde.

Das nervt schon ziemlich.

Ich meine, das können die beiden ja alles gerne tun. Aber bitte erst, wenn wir so richtig alt sind.

»Und wie genau soll das jetzt mit deinem Büdchen-Rettungsfilm gehen? Das habe ich echt noch nicht kapiert«, sage ich und schiebe mein Skateboard unter den anderen Arm. Ich frage mich, ob wir aus Versehen zu weit gefahren sind. Weil unser Bus gerade auf einem riesigen Parkplatz wendet. Und von dem aus sieht man direkt auf den Fühlinger See. Hatte komplett vergessen, dass es den überhaupt gibt.

»Ganz genau weiß ich das doch auch noch nicht«, sagt Lucy. »Bis jetzt weiß ich nur, dass der Film Warum unser Büdchen bleiben muss heißen wird. Und dass der Möllmenner ihn zur Hausverwaltung schicken muss, sobald er fertig ist.«

Ich seufze. Ich hatte eigentlich ja schon gehofft, dass Lucy einen richtigen Plan hat. Lucy hat eigentlich immer einen Plan.

Für eine Weile starren wir alle drei nur aus dem Fenster.

Lucy kann weiter sehen, weil sie ja ihre Kamera hat. Und sie sagt, am anderen Ufer wäre ein richtiger Sandstrand mit Liegen und Holzgestellen drum herum. An denen würden sogar weiße Vorhänge hängen. Die kann ich erkennen, die wehen nämlich im Wind. Ich reibe mir die Augen und muss lächeln. Auch wenn es ein bisschen so aussieht: Florida kann das nicht sein. Das Meer dazwischen hätte ich bemerkt.

Lucy sagt, dass da auch Liegestühle in der Gegend rumstehen. Mit Leuten drin. Und sie glaubt auch, dass da eine Pommesbude ist. Und ein kleiner Stand mit Eis. Und dann sagt sie noch, dass wir eigentlich erst Mai haben, aber da drüben ist anscheinend schon August.

»Na ja, wir könnten ja alle Hausbewohner in der Lille 15 fragen, warum das Büdchen unbedingt bleiben muss. Was es ihnen bedeutet und so Gedöns. Und du filmst die Interviews«, sagt Lius, als der Bus endlich weiterfährt. Ich atme auf. Die Aussicht hier war ja ganz schön. Aber wir müssen dringend zu Lucys Geschenke-Laden, bevor der noch zumacht.

»Wir machen Interviews! Perfekt! Und filmen alles«, sagt Lucy. »Ich sags ja immer, Lius. Du bist so was von genial, das gibts überhaupt nicht!«

Dabei sieht sie ihn wieder so an, als würde sie auf jeden Fall »Ja« jubeln, sollte Lius irgendwann mal wirklich vor ihr auf die Knie fallen, wie in Mamas und Mos Liebesschnulzen. Ich schaue die ja nur mit, mein Ding sind die nämlich nicht.

Und ehrlich gesagt wird mir deswegen jetzt doch ziemlich pflaumig.

Der Plan war ja eigentlich, dass Lucy, Lius und ich unser Leben lang das L-Team bleiben. Aber wenn das so weitergeht, dann bin ich irgendwann nur noch eine von den Ersatzrollen. Wie die aus der Verpackung meines XW90-Skateboards. Und das wird sich mit Sicherheit so anfühlen, als ob ich ins schwarze Loch falle. Egal wie alt wir sind.

An der Endhaltestelle »Köln-Langel Fähre« verlassen wir den Bus. Weil wir uns hier kurz umschauen wollen, bis die Busfahrerin zurückkommt. Die hat nämlich gerade die Rollstuhlrampe wieder eingeklappt, den Bus abgeschlossen und ist weggelaufen.

Alle anderen Mitfahrer sind schon zu dieser Fähre gerannt, die sie über den Rhein bringt.

Mama, Mo und ich sind damit letzten Sommer auch mal gefahren. Mo hatte mir davor beim Fähren-Kiosk ganze drei Kirsch-Eis gekauft, weil die doch so klein sind. Und Mama hatte ihr Sommerkleid mit den Punkten an und hat sich auf der Fähre ziemlich weit über das Geländer gelehnt und die Arme ausgestreckt. So, als wollte sie fliegen. Mo ist sofort hingehechtet und hat sie von hinten festgehalten. Und dann haben die beiden sich ewig schlappgelacht und sahen dabei aus wie die zwei aus dieser Liebesschnulze Titanic, bei der am Ende das Schiff untergeht.

Lius und ich setzen uns auf eine der Bänke mit guter Aussicht und Lucy schiebt sich neben uns. Dieses Plätzchen mit Rheinsicht hier könnte vielleicht schon so was wie eine Sehenswürdigkeit sein, die man Jon Hovemann zeigen könnte. Aber das Weltall ist es halt auch nicht.

Ich hoffe schwer, dass es gleich weitergeht mit unserer Fahrt. Wir müssen heute wirklich noch zu Lucys Geschenkeladen.

»Übrigens, mir ist was aufgefallen. Mit Möllmenners Kamera kann man doch gar keinen Ton aufnehmen. Deswegen wird das mit den gefilmten Interviews schon mal nichts«, sage ich.

»Der Möllmenner hat gesagt, dass das mit dem Ton schon irgendwie geht. Er hat ein extra Gerät dafür. Ist wohl nur nicht ganz einfach«, sagt Lucy und zieht eine Knistertüte aus ihrer Jacke hervor.

Mein Herz macht direkt einen Kickflip, als wäre es auf dem Skaterplatz. Das ist der Trick, bei dem man vom Brett abspringt und es unter sich um die eigene Achse drehen lässt.

Während wir die lauwarmen Oladi von Frau Blinow aus Lucys Tüte verputzen, bin ich so richtig froh, dass wenigstens Lucys Eltern kein Häuschen von irgendeiner Großtante geerbt haben, wo sie nun hinziehen wollen.

So wie die Milchmöllers.

»In deinem Geschenkeladen müssen wir aber echt was für Mo finden«, sage ich und schnappe mir den vorvorletzten Oladi. »Sein Geburtstag ist ja schon übermorgen. Und es ist einer mit einer Null dran. Die zählen immer doppelt.«

»Ich hoffe, das mit Mos Geschenk wird noch was«, sagt Lius und wischt sich mit dem Handrücken die Oladi-Brösel vom Mund. »Der Laden macht nämlich in 45 Minuten zu. Genau um 17:30 Uhr. Hab im Internet nachgeschaut. Aber die haben wirklich richtig gute Sachen.«

»Sag ich doch: In meinem Geschenkeladen findet man immer was. Sogar für Mo. Hundertpro!«, sagt Lucy. »Was denkt ihr denn, woher ich die kleinen Walkie-Talkies habe, die ich euch letztes Weihnachten geschenkt habe. Oder Lius’ Yoda-Spardose vom letzten Geburtstag.«

»Stimmt, die ist der Hammer«, sage ich und wische mir meine Oladi-Finger an der der Hose ab.

Die Keramik-Spardose in der Form von Baby-Yoda ist Lius’ absolutes Heiligtum. Sie steht bei ihm im Zimmer auf dem obersten Regalbrett über seinem Computer. Weil er nicht will, dass sie jemandem beim Abstauben runterfällt.

Da oben ist sie anscheinend sicher. Weil da nie jemand abstaubt.

»Blöd, dass Mo kein Star Wars mag. Sonst würde ich ihm die vielleicht auch schenken. Aber es muss trotzdem was richtig Gutes sein«, sage ich und wische etwas Dreck von einer der XW90-Rollen. »Mo macht nämlich immer die besten Geschenke überhaupt. Der überlegt sich so richtig was. Mir hat er zum letzten Geburtstag doch dieses ganze Material vom Baumarkt geschenkt, für unseren genialsten Skater-Platz aller Zeiten in Miniaturform. Und Mama hat sogar fast geweint, als er ihr zu Weihnachten eine uralte Spieluhr vom Flohmarkt geschenkt hat. Weil sie sich immer schon so eine gewünscht hat.

»Verstehe. Dann müssen wir wirklich was richtig Gutes für ihn finden«, sagt Lius und sieht zum dritten Mal auf seine Armbanduhr. Die Busfahrerin macht jetzt schon seit mindestens zehn Minuten Pause. Ich hoffe, sie kommt bald zurück und ist nicht auch auf die Fähre gegangen, ohne uns Bescheid zu sagen.

»Jetzt macht euch doch nicht so einen Kopf!«, sagt Lucy, knüllt die leere Papiertüte zusammen und stopft sie in die Tasche an ihrer Armlehne. »Wir finden schon was. Macht euch lieber mal Gedanken, in welches Projekt ihr euch in der Schule eintragen wollt. Die Projekttage fangen doch übermorgen an. Was ihr wollt ist nämlich schon voll.«

»Was wir wollen, ist voll? Woher willst du denn wissen, was Leo und ich bei den Projekttagen machen wollen? Ich weiß es doch selber noch nicht«, sagt Lius und sieht noch mal auf seine Uhr.

Ich schlucke. Das gab es noch nie. Lius weiß immer sofort, was er machen will. Vor allem wenns um die Schule geht. Und unsere Projekttage fangen ja schon in zwei Tagen an.

Lucy kichert los. »Ich meinte, mein Projekt ist voll. Das von Frau Lubenstein. Das heißt nämlich Was ihr wollt. Weil sich unsere Gruppe gemeinsam komplett aussuchen darf, was wir machen wollen. Aber da kommt ihr jetzt nicht mehr rein. Frau Lubenstein setzt seit heute keinen mehr auf die Warteliste.«

Lius stöhnt. »Dann bin ich verloren. Für Schach und Ich bau mir einen Roboter war ich auch schon zu spät dran. Jetzt muss ich sicher wieder zu Wandern im Grünen. So wie letztes Jahr.

»Dann komm doch mit zu mir in Mein Hobby & ich. Da sind noch fünf Plätze frei. Ich hab mich vorhin noch eingetragen, weil seit heute klar ist, dass Frau Geber das Projekt macht. Noch mehr Dölb hätte ich nämlich nicht ausgehalten. Die Projekttage sollen ja Spaß machen«, sage ich und sehe mich um. Die Busfahrerin ist immer noch nicht zurück.

»Aber ich habe doch gar kein Hobby. Also, keins das zählt«, sagt Lius. Er sieht dabei sehr zerknirscht aus.

Inhalt

 

Cover

Rebecca Elbs: Leo und Lucy – Chaos hoch drei

Wohin soll es gehen?

Widmung

Regel 1: Auf keinen Fall die Schwerkraft ausknipsen

Regel 2: Umwege können eine sehr schöne Aussicht haben

Regel 3: Manchmal muss man eben schneller sein als die Schwerkraft

Regel 4: Auch gute Überraschungen können stressen

Regel 5: Zwiebelmarmelade kann auch für was gut sein

Regel 6: Sehenswürdigkeiten müssen nicht unbedingt immer schön sein

Regel 7: Es leicht zu nehmen kann echt schwer sein

Regel 8: Gutscheine sollten Nicht-unbedingt-immer-so-gut-Scheine heißen

Regel 9: Das Alphabet kann ziemlich gemein sein

Regel 10: Das ganz große Gedudel ist fast überall

Regel 11: Nicht alles, was strahlt, ist auch ein Stern

Regel 12: In echt läufts halt immer anders

Regel 13: Ohne Mo ist alles nichts

Regel 14: Die Füße müssen den Boden loslassen, wenn man fliegen will

Regel 15: Auch wenn man schon mal im All war, kapiert man nicht immer alles

Regel 16: Immer mal wieder nach oben schauen

Regel 17: Manchmal haben Menschen und Toffifee-Schachteln ja echt was gemeinsam

Regel 18: Manchmal muss man den Leuten eben Bescheid sagen

Regel 19: Torten passen immer. Blumen nicht unbedingt

Regel 20: Manchmal schmeckt ein halbes Sandwich doppelt so gut

Regel 21: Alte Geschichten können einen auch gruseln

Regel 22: Je früher man aufsteht, umso länger kann man Popcorn essen

Regel 23: Auch so ein Dachgarten kann mal schwerelos sein

Rebecca Elbs

Julia Christians

Impressum