Letzte Lesung Langeoog - Antje Friedrichs - E-Book

Letzte Lesung Langeoog E-Book

Antje Friedrichs

4,4

  • Herausgeber: Prolibris
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Bombenalarm beim Dünensingen, ein Erpresser droht, Lebensmittel zu vergiften, aus einer Dusche am Strand fließt plötzlich Blut ... Schon reisen Gäste übereilt ab. Hauptkommissar Onno Tjaden aus Wittmund soll vor Ort die Vorfälle aufklären. Schon bald nach seiner Ankunft gibt es einen Toten. Das Undenkbare hat sich ereignet: Mord auf Langeoog, der Insel fürs Leben! Ein ganzer Reigen skurriler Figuren begegnet uns vor der detailgetreu gezeichneten Kulisse Langeoogs, und Verdächtige unter den Gästen und sogar unter den Langeoogern gibt es genug. Der sympathische Tjaden stürzt sich in die Ermittlungen.

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Seitenzahl: 283

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Antje Friedrichs

Letzte Lesung Langeoog

Langeoog Krimi

Prolibris Verlag

Handlungen und Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Für meine Betty, die mir alles gezeigt hat,

und für meinen Lieblingslektor Karl Heinrich!

Prolog

Freitag

„Das ist ja unerhört! So was hat’s hier früher auch nicht gegeben!“

Die Frau rang nach Worten, ihr Mann war sprachlos. Die Sandburg, die er gestern unter stundenlangen Mühen geschippt hatte, dieser Wall, der den rotweiß gestreiften Strandkorb umgab, ihr Zuhause für drei Wochen Urlaub an der See – verwüstet! Vandalen waren über Nacht eingefallen, Vandalen! Der Schwanz der Seejungfrau, den der Burgherr liebevoll aus Sand geformt und mit grauen Herzmuschelschuppen akkurat besetzt hatte, war zertrampelt, der aus schneeweißen Sandklaffmuscheln ebenso akkurat gebildete Name der Stadt Bielefeld, wo der Burgherr jahrzehntelang bis zu seiner Pensionierung als Richter am Landgericht gewirkt hatte, zerstört. Vandalen! Der Strandkorb klaffte inmitten einer Sandwüste.

Die Menschen standen ratlos. Eine Möwe schrie über ihren Köpfen, landete ein paar Schritte von ihnen entfernt und beobachtete sie lauernd.

„Hau ab, blödes Vieh!“ zischte die Frau. „Das hat es früher nicht gegeben! Diese Jugendlichen vom Zeltplatz, die besaufen sich da oben in der Disco oder nehmen Drogen, und dann machen die uns alles kaputt!“

„Macht kaputt, was euch kaputt macht!“ rief es aus dem Strandkorb nebenan. Der Oberstudienrat in den mittleren Jahren, der an einer Gesamtschule im Hessischen wirkte, ließ seine Wochenzeitung sinken, stand auf und näherte sich teilnahmsvoll. Seine nackten Beine leuchteten aufdringlich weiß. Er selbst hatte nur die Andeutung eines Walls geschippt, sein Strandkorb stand nahezu frei. Glück gehabt, bei ihm war nichts kaputt zu machen.

„Da muss man doch was unternehmen! Wo ist der Strandwärter eigentlich? Wofür zahlen wir denn Kurtaxe?!“ schrillte die Stimme der Frau, während ihr Mann, über den Sand gebeugt, nach Spuren suchte. „Barfuß“, murmelte er, „und mittelgroß.“

Wieder schrie die Möwe. Machte ein paar Schritte auf die Menschen zu, dann hob sie die Flügel, stieg auf und glitt über die Reste der Seejungfrau und die verwüstete Burg hinweg. Kreischend. Spöttisch kreischend, so schien es.

Samstag

An diesem Morgen schien die Sonne. Ein wolkenloser Himmel wölbte sich über der Insel, die in den letzten Tagen nicht gerade von Sonne verwöhnt worden war.

Die erste am Strand war eine 61jährige Frau aus Bottrop. Sie kam seit über dreißig Jahren hierher und war schon längst im Besitz des goldenen Treueabzeichens der Kurverwaltung. Erika Stracke schritt rüstig die Bohlen zum Strand hinunter. Flut! Unter ihrem dunkelblauen Bademantel trug sie bereits ihren dunkelblauen Badeanzug. So hielt sie es schon seit über dreißig Jahren. Sie musste sich nicht erst am Strand umziehen, sondern konnte gleich hinunterlaufen ans Meer, das jetzt in der Morgenfrühe einsam an den Strand rollte. Es war so früh, dass die ABM-Kolonne der Kurverwaltung, die den Meeressaum von Strandgut säuberte, noch nicht da gewesen war.

Erika Stracke war ganz allein. Das Wasser war wunderbar klar und wärmer als die Luft. 18 Grad, schätzte sie als erfahrener Badegast. So früh am Morgen war der Turm der Rettungsschwimmer noch nicht besetzt, offizielle Badezeit würde erst am späten Nachmittag sein. Am Horizont war die dunkle Silhouette eines einsamen Wanderers zu erkennen. Noch einer, der die Frühe liebte, wenn er sich auch nicht ins Wasser wagte. Keine Qualle im Wasser, für Quallen war die Witterung zu kühl. Erika Stracke ließ sich von den Wellen tragen. Tauchte unter, Gischt sprühte über ihren Kopf hinweg.

Allein sein, ganz allein, das war es, wonach sie sich sehnte, einen größeren Genuss gab es für sie nicht. Eine Riesenwelle türmte sich vor ihr auf, sie drehte sich um und ließ die Woge mit voller Wucht über sich hinwegrauschen, das Wasser schlug über ihr zusammen und zog ihr den Boden unter den Füßen weg, der Sog riss sie weiter und weiter. „Baden Sie nie außerhalb der Badezeiten und nicht außerhalb des abgeteilten Badestrandes“, ging ihr durch den Kopf. Überall auf der Insel war das zu lesen. Aber daran hatte sie sich dreißig Jahre lang nicht gehalten, und noch nie war ihr etwas passiert. Jetzt hatte sie Wasser geschluckt, sie hustete, keuchte. Als sie aus dem Wasser watete, sah sie das blaue quallige Riesenauge zu spät und trat mitten hinein. Blauer Glibber, der sie eigentlich noch nie geekelt hatte. Aber etwas war anders an diesem Morgen, anders als sonst in all den Jahren zuvor.

Etwas Unheimliches lag in der Luft. Sie schauderte, fühlte sich beobachtet, blickte sich um. Die blaue Rettungsstation war natürlich leer, keine Fahne war aufgezogen, nicht morgens um 6 Uhr. Da war niemand. Oder doch? Regte sich nicht etwas hinter den blauen Wänden des Turms? War da nicht hinter der Fensterscheibe ein Licht? Als ob ein Feuerzeug aufflammte, kurz nur, ganz kurz. Hinter ihr rauschte die See. Lauter als sonst, unnatürlich laut.

Die Sonne, noch tief im Osten, hatte sich jetzt hinter einer Wolke verborgen. Wo kam die Wolke her? So plötzlich? Eben war der Himmel doch noch ganz klar gewesen, ungetrübt blau. Der unbekannte Wanderer am Horizont, dort, wo der Strand in Nebel überging und die anderen Inseln, Spiekeroog und Wangerooge, lagen, war verschwunden.

Erika Stracke warf sich ihren Bademantel über, der sich klamm anfühlte, und hastete nach oben zur Düne. Nur schnell zurück in die Pension! Etwas war anders als sonst, sie konnte es spüren! Aber vorher schnell noch wie immer unter die Dusche, die am Dünenaufgang installiert war. Süßwasser natürlich, wofür zahlte man denn Kurtaxe. Bei aller Liebe zu Langeoog und zur See, Salz auf ihrer Haut konnte Erika Stracke nicht ertragen. Es verursachte ihr Juckreiz, gegen das Salz war sie allergisch, auch noch nach dreißig Jahren. Sie warf den Bademantel ab, trat ohne hinzusehen auf die Bohlen unter der Dusche, griff nach dem Hahn, um das Wasser aufzudrehen – und schrie. Schrie. Schrie. Stand wie angewurzelt, konnte sich nicht rühren, und schrie. Der Wasserhahn war blutverschmiert, Erika Stracke stand im Blut. Schreiend rot klebte es an den Holzbohlen, bedeckte den Sand, der feucht war, als wäre hier gerade eben, unmittelbar bevor sie ihren Fuß darauf gesetzt hatte, Blut geflossen und eingesickert.

Sie schrie. Nichts regte sich um sie herum, es blieb totenstill. Der große Zeiger auf der Uhr des Rettungsturms zeigte auf die fünf, der kleine Zeiger war gerade ein winziges Stück über die sechs hinausgerückt. Ungerührt rollten die Wellen weiter an den Strand. Um ein winziges Stück war die Flut näher gekommen.

Endlich hastete die Frau den Dünenaufgang hoch und schlug mit den Fäusten gegen die Tür des „Seekrugs“.

Sonntag

Als die Eheleute Walter und Ingrid Klöters aus Bremerhaven morgens um 8 Uhr 36 in ihren Strandkorb im Strandabschnitt C blickten, erstarrten sie.

Um sich für den Tag am Strand einzurichten, hatte Ingrid Klöters gerade das aufblasbare Gummikissen, das sie immer mit sich führte, in den Strandkorb legen wollen, um sich gegen die Kühle des Plastikpolsters zu schützen. Hilfesuchend tastete sie nach dem Arm ihres Mannes, der hinter ihr stand, sein eigenes Kissen in der Hand, die blauweiß gestreifte Badetasche abgestellt hatte und sich bückte, um die rechte Fußstütze des Strandkorbs herauszuziehen und die Schaufel herauszuholen, die er über Nacht immer unter dem Korb versteckt hielt.

„Nimm das weg!“ kreischte seine Frau. Auf dem blauweiß gestreiften Polster des Strandkorbs lag ein Vogel, eine Silbermöwe. Das Gefieder zerzaust, der gelbe Schnabel geöffnet. Die Augen blicklos. Die Flügel spreizten sich auf dem Polster. Die gelben Füße weggeknickt. Und offenbar war dieses Tier nicht hier gestorben und auch nicht erst vor kurzem. Es trug Spuren von Flut und langer Zeit im Gefieder, eine Wasserleiche, die schon tage- oder wochenlang irgendwo gelegen hatte, dann aufgelesen worden war und hierher geschleppt. „Nimm das weg, nimm das weg!“ kreischte Ingrid Klöters.

Walter Klöters, der vor seiner Pensionierung trotz eines leichten Sprachfehlers jahrzehntelang Standesbeamter in einer Kleinstadt im Emsland gewesen war, griff beherzt zu. Er warf das hellblaue Frotteebadehandtuch, das er gerade aus der Badetasche geholt hatte, um damit die Rückwand des Strandkorbs gegen Zugluft abzudichten, auf den Kadaver, so dass er nicht mehr zu sehen war, wenigstens das.

„Bist du wahnsinnig, doch nicht das gute Handtuch!“ kreischte seine Frau. Hysterisch war sie immer schon gewesen, und es wurde schlimmer von Jahr zu Jahr.

„Nun reg dich doch nicht auf, Mutti, das kann man doch wieder wassen“, sagte der Mann beruhigend. „Wozu haben wir die Wassmassine in der Wohnung?“

„Bist du wahnsinnig, bist du wahnsinnig!“ wiederholte die Frau unbeirrt.

Aus den benachbarten Strandkörben rundum schauten jetzt Köpfe heraus. Mit beherztem Griff packte Walter Klöters das hellblaue Bündel, er spürte den befiederten, leichenstarren Körper und den spitzen Schnabel durch den Frotteestoff hindurch und lief zum Steg am Fuß der Düne, öffnete den Deckel der grünen Tonne, die „Nur für organischen Abfall!“ bestimmt war – auch müllmäßig war auf der Insel alles vorbildlich geregelt, die Abfalltrennung funktionierte perfekt – und ließ den Kadaver in der Tiefe der Tonne verschwinden. Es plumpste, die Tonne war noch gähnend leer. Die ABM-Kolonne der Kurverwaltung war schon in aller Frühe tätig gewesen.

Das hellblaue Badetuch mit zwei spitzen Fingern von sich abhaltend, als wäre es aussätzig, lief er zurück zu seiner Burg, wo jetzt die Nachbarn sich eingefunden hatten und laut diskutierten. Man kannte sich schon seit Jahren, kam immer wieder im Urlaub hierher: eine eingeschworene Gemeinschaft.

„Ein dummer Jungenstreich“, sagte die freundliche grauhaarige Dame aus Lüdenscheid und stapfte wieder zu ihrem Strandkorb zurück.

„Das muss man doch anzeigen!“ empörte sich ihre Nachbarin, die strickend in ihrer Burg sitzen geblieben war und jetzt die Beine in den beigefarbenen Bleylehosen kämpferisch von sich streckte. „Aber wenn man mal einen Strandwärter braucht, ist natürlich wieder keiner da. Die machen doch immer nur Mittagspause!“ Ihre Stricknadel stach in die Luft.

„Unerhört!“ pflichtete ihr Mann ihr bei, der damit beschäftigt war, mit einem Brett seinen eigenen Wall makellos glatt zu klopfen.

Und refrainartig wiederholte sich vielstimmig der Satz: „Das hat es früher nicht auf Langeoog gegeben!“

Montag

Dunkel, dunkel am Meer. Nur das Rauschen der Flut war zu hören. Hand in Hand lief das junge Paar über den Steg zum Burgenstrand hinunter. Eine laue Sommernacht. Von „Düne 13“, der Jugendkneipe, wehte Musik herunter.

Am Strand drängten sich die Körbe wie eine Herde dunkler Tiere, stumm und regungslos im Mondlicht. Die beiden jungen Menschen stolperten durch den hohen Sand, steuerten einen Korb an, ließen sich auf das Plastikpolster fallen, das schon feucht war von der nächtlichen Kühle, die von der See hochstieg. Er legte die Arme um ihre Schultern, drückte sie an die Seitenwand des Korbs, suchte ihren Mund mit seinem – als sie plötzlich aufschrie, aufsprang wie von einer Qualle gebrannt oder von einem Seeigel gestochen, und ihn wegschob: „Hier liegt was! Au, verdammt noch mal!“

Beide beugten sich über den dunklen Innenraum des Korbs. Vorsichtig tastete er den Sitz ab.

„Eine Spritze!“

„Das kann doch nicht wahr sein! Das gibt es doch nicht! Verdammte Sch ... !“

Junkies am Strand. Womöglich noch Aids. Blanker Horror. Und das auf Langeoog. Das gab es doch gar nicht.

„Hast du dich gestochen?“ fragte er besorgt.

„Klar. An der Hand. Meinst du, ich mache aus lauter Spaß so ein Theater?“

„Blutet es?“

„Ein bisschen.“ Sie hielt den Finger schon im Mund und lutschte daran. „Komm bloß weg hier, wer weiß, was hier sonst noch für Dreck rumliegt. Das ist ja lebensgefährlich!“

Von oben wehten immer noch Musikfetzen herüber. „I’ve got you under my skin ...“ Die beiden rannten zurück, zurück zu „Düne 13“, wo jetzt gerappt wurde, sehr laut und einladend, trotz alledem.

Dienstag

Ein Dienstag wie alle Dienstage. Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Und das seit Jahrzehnten, jedenfalls in der Saison. Am Dienstag steht Dünensingen auf dem Programm. Da versammeln sich die Eltern und Großeltern, die alle schon am Dünensingen teilgenommen haben, als sie selbst Kinder waren, mit ihren Babys und Kleinkindern in den Dünen unterm Wasserturm, und der Kantor der evangelischen Inselkirche singt mit ihnen. Er spielt Akkordeon dabei, Schifferklavier sagte man früher, und Erinnerungen werden wach. „Der Mond ist aufgegangen“, „What shall we do with the drunken sailor“, „Wenn die bunten Fahnen wehen“, „Guten Abend, Gut’ Nacht“ ... So war es immer, und so soll es auch bleiben.

Die Kinder, die hier mit ihren Eltern sitzen, werden immer jünger, immer früher wollen sie nichts mehr wissen vom deutschen Volksliedgut, hören stattdessen Pop und Rap und Hip-Hop. Aber solange sie hier in den Dünen sitzen, auf dem Schoß ihrer Eltern, ist die Welt noch heil. Dünensingen bedeutet Papa und Mama, Oma und Opa, Dünensingen bedeutet Familie. Von wegen Scheidungswaisen und wachsendes Gewaltpotenzial, von wegen No future, Null Bock und so weiter. Wer hier mitsingt in Papas oder Mamas Armen, ist behütet, hört das Meer von fern rauschen, spürt den Sand unter den nackten Zehen und wie der Strandhafer piekt, sieht die Sonne untergehen wie einen leuchtenden Ball im Westen und blickt dem Mond ins immer gleiche gleichmütige Gesicht, während man singt, dass der Mond aufgeht und so bleich und nur halb zu sehen ist, und die deutschen Volkslieder hört, von denen die meisten, für ausländische Ohren jedenfalls, die den Text nicht verstehen, von Weihnachtsliedern nicht zu unterscheiden sind. „Behüt uns Gott vor Strafen / und lass uns ruhig schlafen / und unsern kranken Nachbarn auch.“

Ein Dienstag wie jeder andere in der Saison. Die größte Sorge war seit jeher das Wetter, doch an diesem Dienstag war Kantor Wolfgang Moll dieser Sorge enthoben. Den ganzen Tag hatte die Sonne vom wolkenlosen Himmel gelacht. Temperatur 21 Grad, fürs Dünensingen ideal. Wolfgang Moll machte sich bereit zu gehen, packte sein Akkordeon in den Akkordeonkasten, steckte die Thermosflasche mit Kräutertee ein, den er brauchte, um die Stimmbänder geschmeidig zu halten. Denn die Abendkühle könnte ihm auf die Stimme schlagen, und am nächsten Sonntag würde er schon wieder den Ton im Kirchenchor angeben müssen. Und als er gerade auf dem Weg von seiner Wohnung hinüber zum Fahrradschuppen war, klingelte das Telefon. Es hörte nicht auf, es klingelte beharrlich weiter. Obwohl es Zeit wurde für ihn, es war fünf vor acht, lief er zurück, nahm den Hörer ab und meldete sich.

„Hallo.“ Eine männlich klingende Stimme, seltsam belegt, als ob sie eine dicke Watteschicht durchdringen müsste. „Ich muss Ihnen etwas Wichtiges mitteilen. Sie sind doch der Kantor, der das Dünensingen leitet? Hören Sie gut zu!“

Etwas an dieser Stimme jagte dem Kantor Angst in die Knochen, so dass ihm die Knie zitterten.

„Heute Abend geht eine Bombe hoch“, sagte die Stimme wie von weit her. „Beim Dünensingen. Haben Sie verstanden? Eine Bombe. Beim Dünensingen!“ Ganz sachlich hatte sich das angehört. Nüchtern. Und doch grauenerregend. Es klickte. Aufgehängt.Wolfgang Moll starrte auf den Hörer in seiner Hand. Eine Bombe. Das Wort hatte er gehört, doch nichts begriffen. Bis es ihm dämmerte. Der Nebel in seinem Kopf sich lichtete. Kinder, Eltern, Menschenmassen im Dünensand. Eine Bombe!

Er wählte eine Nummer. Nichts. Niemand antwortete. Mit fliegenden Fingern wählte er eine andere. 110, Notruf. Feuerwehr. „Eine Bombe! Beim Dünensingen!“

Es dauerte eine Ewigkeit, bis endlich die Sirene zu hören war und Motorenlärm.

Tjaden, übernehmen Sie!

„Hören Sie, Tjaden, da muss was geschehen! Auf der Insel ist der Teufel los!“ Kriminalrat Ebbo Geerken war erregt. Sein Gesicht war schon gefährlich rot angelaufen, auf der rechten Stirnseite trat eine dicke Ader hervor. Höchste Alarmstufe! Auf der Polizeiwache in Wittmund war die Spannung mit Händen zu greifen. „Die Leute reisen schon ab, Tjaden. Wenn sich das herumspricht! Die Insulaner wissen sich keinen Rat mehr. Die leben doch von den Gästen. Mensch, Tjaden – das wissen Sie doch am besten!“

Und ob Onno Tjaden das wusste. Seine Mutter hatte ihn längst angerufen und ihm alles erzählt. Mutter Antje mit dem unendlichen Redefluss, seine Mutter, der die Wörter und Sprüche nie ausgingen, komme was wolle. Er wusste längst, dass die Feuerwehr angerückt war und wie sie die Leute per Lautsprecher aus den Dünen geholt hatten („Verlassen Sie unverzüglich die Dünen, es besteht kein Grund zur Beunruhigung! Bewahren Sie Ruhe und kommen Sie unverzüglich aus den Dünen heraus!“). Er hatte gehört, wie die Kinder geschrien hatten und die Eltern mit ihnen weggerannt waren wie die Hasen – eine Bombe auf Langeoog, eine Bombe beim Dünensingen, während der Mond gleichmütig geglotzt und kein Wald schwarz und schweigend gestanden hatte, aber alle plötzlich den kalten Abendhauch gespürt hatten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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