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Brandaktuell und gefährlich realitätsnah Rußstadt wird von einer neuen Gefahr bedroht: Ein unbekannter Feuerteufel zündet scheinbar wahllos Häuser an. Die Schornsteinfeger tun alles, um die Bewohner der Stadt zu schützen, doch dafür müssen sie Maßnahmen ergreifen, die bei nicht wenigen die Glut der Wut weiter schürt. Auch Cleo und Leander bekommen hautnah zu spüren, wie leicht ein einzelner Funke die angespannte Situation entzünden könnte. Bei ihrem Versuch, die Bevölkerung vor dem Feuerteufel zu schützen, kommen sie sich unweigerlich näher. Und längst ist nicht mehr nur Gwynnie davon überzeugt, dass die Stadt endlich von dem Ruß und der Macht der Industriellen befreit werden muss. Es geht um Leben und Tod – besonders für die Menschen, die Cleo liebt ... Weitere Bände der Reihe: Lichterloh - Stadt unter Ruß (Band 1) Lichterloh - Himmel in Flammen (Band 3) erscheint im September 2025
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Seitenzahl: 361
Veröffentlichungsjahr: 2025
Für euch, weil ein Traum heller brennt als das größte Flammenmeer.
Prolog
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Epilog
Danksagung
Leseprobe
1. Berlin 2075
2. Berlin 2075
Macht die Feuer an
Lasst sie lodern bis zum Himmel
Macht die Nacht zum Tag und dann
ist es vielleicht hell genug
»Funkenflug« – Versengold
Die Nacht schweigt, wenn der Teufel in der Nähe ist. Aufgrund der finsteren Ahnung, dass er kommen wird, verbarrikadiert man die Häuser und versteckt sich vor ihm. Verharrt mucksmäuschenstill, voller Angst, dass er einen selbst als sein nächstes Ziel auserwählt. Leise hört man ihn durch die Straßen ziehen. Mit seiner Maske, die sein Gesicht versteckt. Mit seinen Fackeln, die das Verderben bringen. Wie ein Narr, der nur Hohn für die Menschen übrig hat und unerkannt seine Lügen speit, wo immer er zuschlägt: »Kohle ist Dunkelheit«, schreibt er an die Wände. »Kohle ist Verderben. Ohne Kohle wird unser Leben hell und warm.« Wenn dann seine Flammen alles verzehren, was einem lieb und teuer ist, könnte man glauben, dass er recht hat.
Und vor lauter Angst vergisst man sich und die, die einem am Nächsten sind, und sucht die Schuld bei allen, nur nicht bei sich selbst. Aus Freund wird Feind, aus Feind wird Freund und das Misstrauen breitet sich aus wie ein Feuer, das immer neue Funken schlägt. Ohne dass man sieht, wer wirklich schuld ist, greift man nach dem einfachsten und sinnlosesten Weg, um das Elend zu beenden. Denn zwischen all der Suche vergisst man, wie der Teufel aussieht. Unter all den Anschuldigungen vergisst man die Gefahr, die von ihm ausgeht. Bis wieder ein Haus brennt. Und der eigentliche Feind vernebelt einem mit dem Rauch die Sicht, sodass man seinen wahren Plan nicht erkennt, während er einen längst ins Unglück führt wie eine Marionette an einem Faden. Während seine giftige Stimme übertönt wird von Hunderten verzweifelten Schreien. Feuer, rufen sie. Die Stadt steht in Flammen. Alles brennt. Lichterloh.
Die Kohle klapperte die metallenen Rutschen entlang, die sich immer weiter verzweigten, bis sie bei den Häusern ihr endgültiges Ziel erreichten, was sie mit einem mehrstimmigen, melodischen Klingeln verkündeten. Blitzschnell öffneten sich die Türen und Fenster und die Menschen holten die Kohleeimer herein, wie bei einem perfekt funktionierenden Uhrwerk.
Cleo beobachtete das Schauspiel mit Staunen, sicher, dass sie davon nie genug bekommen würde. Es war wie Musik, eine frühmorgendliche Symphonie, mit der das Leben der Menschen begann. Ein neuer Tag, voll neuer Hoffnung und neuer Kohle, mit dem sie ihn bestreiten konnten.
Bis vor wenigen Wochen noch hatte Cleo diesen Vorgang nur bei sich zuhause vorm Fenster verfolgt. Doch die Arbeit als Schornsteinfegerin begann in aller Frühe und das Rattern der Kohlerutsche war ihr Signal loszulegen.
Willa Feuerstatt grinste sie auffordernd an. »Bereit?«
Cleo setzte sich ihren Zylinder auf und nickte. Gemeinsam liefen sie die Stufen vom Wachturm hinab, der das Kupferviertel überblickte. Hier verbrachten sie außerhalb der Rundgänge ihre Zeit, hielten Ausschau nach Brandherden und waren für die Menschen des Viertels erreichbar. Sie folgten bei ihren Kontrollen einem strikten Plan, eine Straße pro Tag, der sie ihre ganze Aufmerksamkeit schenkten, und dann wieder von vorne. In wenigen Wochen hatte Cleo alles über das Viertel, seine Bewohner, deren Eigenheiten und ihre Häuser gelernt. Familie Kufenschmal, Mitglieder der Straßenbaugilde, mit ihren fünf Kindern, verfügte über gleich zwei Waschtrommeln, um immer genug saubere Wäsche zu haben, und Herr Pinselstrich, genialer, aber verschrobener Künstler, dessen Gemälde in den Häusern der Industriellen hingen, besaß ein Musikabspielgerät, das vor Jahren längst den Geist hätte aufgeben müssen, aber immer noch einwandfrei funktionierte.
Das Kupferviertel hatte früher Konradin Glanzruß unterstanden, der den Leuten eiserne Konsequenzen aufgebrummt hatte für Probleme, die oftmals durch seine eigene Nachlässigkeit aufgetreten waren. Doch seit er seine Stellung als Schornsteinfeger bei Cleos Abschlussprüfung vor zwei Monaten verloren hatte, war die Herrschaft über das Viertel an Willa Feuerstatt übergegangen, die ihn zuvor als untergebene Schornsteinfegerin unterstützt hatte. Eine große Ehre, hatte Willa selbst doch ihre Ausbildung erst vor zwei Jahren beendet. Seither waren die Kamine und Schornsteine gepflegter, die Maschinen gefahrenfreier nutzbar und die Menschen Willa sogar wohlgesonnen. Auch heute winkten sie freundlich lächelnd aus ihren Häusern, als sie vorbeigingen. Eine Aufmerksamkeit, die jedoch nicht nur der älteren Schornsteinfegerin galt, sondern auch Cleo. Die Menschen riefen genauso oft ihren Namen zum Gruß wie den von Willa.
Schornsteinfeger, die über ein Viertel verfügten, durften sich einen oder mehrere Lehrlinge des letzten Jahrgangs aussuchen, die sie im Viertel begleiteten. Cleo hatte erwartet, dass keiner der Schornsteinfeger sich freiwillig melden würde, sie aufzunehmen. Dafür hatte sie für zu viel Aufruhr gesorgt und zu viel Ärger gemacht. Doch einen Tag nach der Prüfung hatte Willa vor der Tür des Signalturms gestanden, in dem Cleo lebte, und fröhlich erklärt, dass Cleo sie ab sofort begleiten würde. Allerdings hatte sie auch einen bitteren Preis dafür zahlen müssen, denn alle anderen Schornsteinfeger des Kupferviertels hatten sofort um eine Versetzung gebeten, sodass jetzt nur noch sie beide für dieses riesige Viertel zuständig waren. Cleo rechnete es Willa hoch an, dass sie ihr trotzdem treu geblieben war.
Heute führte der Weg sie in eine etwas niedriger gelegenere Gasse, die nicht mehr gänzlich der Ästhetik der sonstigen so gehobenen, kupfergefertigten Häuser entsprach. Nur noch einige Bauteile bestanden aus diesem Material und waren sonst aus simpleren Metallen und Holz gefertigt. Dennoch waren die Gebäude lange nicht so heruntergekommen wie die in der Schuttgasse, die Cleo von hier aus sehen konnte. Immer noch überfiel sie ein leichter Schauer bei dem Anblick. Dort hatte alles angefangen. Dort hatte sie am Tag der Schornsteinfegerparade verbotenerweise einen Hausbrand eingedämmt. Dort hatte Konradin Glanzruß sie vor den Augen der Leute weggezerrt und schließlich zum Brandrat geführt. Und von dort hatte sich ein Aufruhr gebildet, der bis auf den Schlotplatz gezogen war, was schließlich dazu geführt hatte, dass Cleo zur Schornsteinfegerin ernannt worden war.
Willa blieb vor dem letzten Haus der Straße stehen und klopfte an die Tür. Eine Frau, Undine, wie Cleo wusste, öffnete ihnen die Tür und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
»Meisterin Feuerstatt, Meisterin Lichterloh. Willkommen, kommen Sie doch herein.«
In der Stube saß ein kleiner Junge auf dem Boden und spielte mit Holzfiguren, auf dem Tisch lag ein Berg an Spielzeugen.
»Ich bessere sie aus für die Nachbarn, wenn sie kaputtgegangen sind«, erklärte Undine, als sie eintraten. »Als Nebenverdienst, während mein Thoma in der Bäckereifabrik arbeitet.« Sie zwinkerte Cleo zu. »Ein wenig, wie du die Maschinen immer repariert hast. Äh, ich meine natürlich ›Sie‹«, verbesserte sie sich schnell. »Verzeihung, Meisterin Lichterloh.« Sie lächelte Cleo entschuldigend an.
Cleo lächelte zurück und versuchte, nicht zu zeigen, wie unangenehm ihr das war. Es war noch immer seltsam, mit wie viel Respekt die Menschen ihr jetzt begegneten, hatte sie doch vor einem Jahr noch verbotenerweise an Maschinen geschraubt, damit die Schornsteinfeger keinen Grund hatten, sie zu konfiszieren. Sie begutachtete die Puppen auf dem Tisch und nahm eine der Marionetten in die Hand, welche Undine schon bearbeitet hatte, überprüfte die Gelenke und Verbindungsstücke. Die Frau hatte neue Fäden eingesetzt, die Farbe nachgemalt und die Beine wieder befestigt. Cleo erkannte sofort, wo Ausbesserungen vorgenommen worden waren, aber ein ungeschultes Auge würde keinen Unterschied sehen. Sie bemerkte Undines unsicheren Blick und legte die Puppe schnell wieder zurück. »Entschuldigung, Gewohnheit«, murmelte sie. »Das ist sehr gute Arbeit.« Sie runzelte die Stirn. »Aber Sie sind doch nicht in der Spielzeuggilde, oder?« Cleo wusste, dass Thoma den Nachnamen Hefequell trug, aber soweit sie wusste, hatte Undine nur ihren Vornamen, wie alle Menschen, die zu keiner Gilde gehörten.
Undine zögerte. »Das ist doch kein Problem, oder? Dass ich die Sachen trotzdem repariere?«
Lächelnd schüttelte Willa den Kopf. »Keine Sorge. Aber vielleicht sollten Sie sich um einen Platz dort bemühen. Passiert nicht oft, dass Meisterin Lichterloh eine handwerkliche Arbeit lobt.«
»Das ist doch gar nicht wahr!«, protestierte Cleo, doch Willa schmunzelte.
»Du bist schon erstaunlich pingelig.«
Cleo verschränkte die Arme. So eine Frechheit.
Nachdem Undine sich geschmeichelt bedankt hatte, begannen sie mit der Arbeit. Während Willa Schornstein und Kamin fegte, machte Cleo sich an das Überprüfen der Maschinen. Ein paar Lampen, ein Wassererhitzer, sogar einen Brotröster besaß die Familie, was wohl nur natürlich für jemanden aus der Bäckergilde war. Genau dieser machte Cleo jedoch Sorgen. Die Heizdrähte hatten ihre besten Tage hinter sich und stanken nach nur kurzer Benutzung nach Rauch. »Was meinst du?«, fragte sie an Willa gewandt, die beim Kamin stand.
Die Schornsteinfegerin sah sie unter der Krempe ihres Zylinders schelmisch an. »Du weißt doch, was zu tun ist.«
Cleo grinste und zog ihren Schraubenzieher aus der Halterung an ihrer Kluft. Wenig später war der Brotröster wieder einsatzbereit und die beiden Schornsteinfegerinnen verließen beschwingt das Haus.
Willa knuffte ihr in die Seite. »Du bist so praktisch, Maschinenflüsterin. Ich muss gar nichts mehr reparieren.«
Cleo schnaubte. »Ein Schelm, wer denken würde, dass du dich nur davor drücken willst.«
Willa winkte ab. »Jede von uns hat andere Fähigkeiten und diese Rumfummelei an Winzigkeiten ist nicht meins, da macht meine Geduld nicht mit.« Willa sagte es scherzhaft, dennoch zuckte ein flaues Gefühl durch Cleos Magen. Nur Schornsteinfegern war es erlaubt, Maschinen zu reparieren, genau wie auch nur auf ihre Anweisung hin Brände gelöscht werden durften. Wenn die wenigen, die Geräte instand setzen durften, so schlechte Mechaniker waren, sorgte das nicht nur für viele fehlerhafte Geräte und Menschen, die sich beim Reparieren strafbar machten – sondern auch für unnötige Konfiszierungen. Alles andere als gerecht.
Langsam, aber stetig arbeiteten Cleo und Willa sich durch die Straße. Es wurde schon Abend und sie reinigten gerade den Schornstein eines niedrigen Hauses, als Cleo der Duft von frischem Brot in die Nase stieg. Ein Mann, den sie als Thoma Hefequell erkannte, und eine Frau schlenderten die Gasse entlang, in der typischen Arbeitskleidung der Bäckereifabrik. Teig klebte daran und ihre Gesichter und Hände waren mehlig.
»Diese Doppelschichten rauben mir echt die Kraft«, murrte die Frau mit finsterem Blick und streckte sich. »Nur, damit die Industriellen jeden Tag ihre Abertausenden Backwaren haben, die eh am Abend weggeschmissen werden. Wenn es nach mir ginge, würde man längst mal etwas gegen diese Schnösel da oben unternehmen.«
Thoma senkte seine Stimme. »Glaub mir, das wird man auch. Seit dieses Silberdreh-Mädchen Schornsteinfegerin ist …«
In diesem Moment steckte Willa hustend den Kopf aus dem Schlot. »Der war rußiger als gedacht!«
Die beiden Bäckereiarbeiter wirbelten herum, Schreck in ihren Gesichtern. Ertappt tippten sie sich an die Mützen. »Guten Abend, Meisterin Feuerstatt. Meisterin Lichterloh«, murmelte Thoma und sie eilten schnell weiter.
»Erzähl mir nachher mehr«, hörte Cleo die Frau noch zischen, wobei Thoma sich hektisch den Finger an die Lippen legte.
Willa klopfte Cleo auf die Schulter. »Lass uns für heute Feierabend machen.« Schon begann sie mit dem Abstieg.
Cleo sah den beiden Arbeitern nachdenklich hinterher. Silberdreh, das war ihr inoffizieller Nachname gewesen, bevor sie eine Schornsteinfegerin geworden und sich den mutigen Namen »Lichterloh« gegeben hatte. Eine Provokation, war es doch eine Bezeichnung für die Leute, die draufgängerisch waren und kein Risiko und keine Gefahr scheuten. Ihre Schwester Gwynnie meinte, dass sich deshalb bestimmt Leute von Cleo angestachelt fühlen würden, das System infrage zu stellen und vielleicht selbst danach zu streben, Dinge zu ändern. Und vielleicht hatte sie damit gar nicht so unrecht.
Nach der Arbeit wollte Cleo noch ein Paar neue Schornsteinfegerhandschuhe in der Händlergasse abholen, wo viele kleine Läden allerlei handwerkliche Gegenstände von hoher Qualität herstellten. Mehrmals hatte sie Willa gesagt, dass sie sie wirklich nicht begleiten musste, doch die Schornsteinfegerin hatte darauf bestanden. Als sie die Schneiderei erreichten, verstand Cleo endlich, wieso. Schneiderlehrling Valentin Nadelstich saß wie immer an seinem Tisch am Fenster, den Blick durch seine Brille mit Stahlrahmen konzentriert auf die Nähmaschine vor ihm gerichtet, während silberne Locken ihm in die Stirn fielen. Doch er war nicht allein – am großen Tresen lehnte Cleos Schwester Gwynnie und beobachtete Valentin scheinbar desinteressiert bei der Arbeit, während sie ihren Flechtzopf zwirbelte. An ihrer Weste glänzte eine silberne Brosche, auf die zwei Sterne über einer Flamme eingraviert waren. Seit Cleos Abschlussprüfung trug sie sie jeden Tag. Als das kleine Glöckchen an der Tür ihre Ankunft verkündete, kräuselte sich ein unwillkürliches Lächeln auf Gwynnies Lippen.
»Hallo«, hauchte sie und ihre Stimme brach, während sie die Augen fest auf Willa gerichtet hielt. Cleo entging nicht, dass die behandschuhten Finger der rechten Hand, deren oberste Glieder fehlten, zitterten, wie immer, wenn ihre Schwester aufgeregt war.
*
»Hallo«, erwiderte Willa und wirkte gar nicht mehr wie die resolute Schornsteinfegerin von vorhin.
Cleo fixierte Gwynnie in Erwartung, dass sie auch sie begrüßen würde. Doch keine Chance – es war, als würde Cleo gar nicht existieren. Sie verdrehte die Augen und sah zu Valentin, der seine Näharbeiten unterbrochen hatte und nun vielsagend seine Brille zurechtrückte. Cleo stöhnte. So ging das nun schon, seit Gwynnie und Willa sich bei Cleos Prüfung kennengelernt hatten. Sie hatte sogar schon einmal scherzhaft den Verdacht geäußert, dass Willa sie nur unter ihre Fittiche genommen hatte, um Gwynnie näherzukommen. »Wusste gar nicht, dass ihr verabredet wart«, rief sie, etwas lauter als nötig.
Sofort lief Gwynnie rot an und wich Willas Blick aus. »Sind wir auch nicht. Ich wollte nur, äh, das hier für Cornelius abgeben.« Sie klatschte einen braunen Umschlag auf den Tresen, der ein metallisches Geräusch von sich gab. »Und da Valentin zufällig erwähnte, dass du heute noch vorbeikommen wolltest, dachte ich, ich könnte auch auf dich warten.«
Valentin hob die Augenbrauen. »Ja. Ich habe das ›zufällig erwähnt‹, nachdem du mich ausdrücklich danach gefragt hast. Mehrfach.«
Gwynnies Gesicht wurde noch röter. Sie sah nach unten und murmelte etwas wie: »Wollte ja nur sichergehen.«
Cleo presste die Lippen aufeinander und gab alles, um nicht loslachen zu müssen. Sie genoss es, ihre Schwester so verlegen zu sehen. Das war bei Gwynnie selten der Fall. In dem Umschlag waren wahrscheinlich nur irgendwelche Schrauben oder Ähnliches, eine Ausrede, um herzukommen, Krimskrams, welchen der Schneidermeister Cornelius Knopfgarn sicherlich mit reichlich Verwirrung entsorgen würde.
Willa, die den Blick nicht von Gwynnie abwendete, lächelte amüsiert, auf die Weise, wie man lächelt, wenn ein kleines Kind gerade etwas besonders Niedliches gemacht hatte. Keine Spur von Röte in ihrem Gesicht. »Aber was für ein schöner Zufall, dass wir uns hier treffen.« Gwynnie traute sich nicht mal aufzusehen, während sie nickte.
Cleo beschloss, die beiden zu erlösen. »Ich habe heute Abend tatsächlich noch was vor. Aber da ihr beide jetzt ›zufällig‹ hier seid«, sie betonte das Wort ganz besonders, »kann Willa dich ja nach Hause begleiten, Gwynnie.« Leise fügte sie hinzu: »Oder ihr macht, was auch immer ihr eigentlich tun wolltet.«
Gwynnie kratzte sich am Hinterkopf. »Soll ich nicht lieber warten, bis deine Handschuhe fertig sind?«
Aufs Stichwort zog Valentin das Paar aus einer Schublade und hielt es hoch. »Das sind sie doch längst, ihr könnt also gleich los.« Cleo schnappte sie sich und zwinkerte ihm zu, was er erwiderte.
Willa und Gwynnie sahen sich an. »Dann machen wir das wohl so«, sagte Willa und lächelte.
Die beiden verließen die Schneiderei, wobei sie auffällig nah nebeneinanderliefen. Irgendwann wähnten sie sich weit genug weg, sodass Gwynnie schüchtern Willas Hand nahm, woraufhin diese ihr einen Kuss auf die Wange hauchte.
»Was für ein Theater«, murmelte Cleo, auf Valentins Tisch gelehnt. Klar, Gwynnie hatte immer laut vor Cleo kundgetan, wie sehr sie Schornsteinfeger verabscheute. Da war es sicher schwer zuzugeben, dass sie sich jetzt ausgerechnet in eine verliebt hatte. Aber dieses schlechte Versteckspiel wurde langsam albern.
»Hab ein bisschen Verständnis«, meinte Valentin sanft, während er sich wieder seiner Nähmaschine zuwandte. »Sie kommen aus verschiedenen Welten und sind eben vorsichtig. Es ist sicherlich schon schwierig genug für sie selbst, mit ihren Unterschieden klarzukommen. Da braucht man nicht noch das Getuschel von anderen.«
Cleo verschränkte die Arme. »Schon. Aber warum wollen sie es vor mir verheimlichen?«
»Vielleicht weil du ein zutiefst unromantischer Mensch bist, Cleo Lichterloh«, sagte Valentin, ohne aufzusehen.
»Ach, aber du, oder wie?«
Valentin schmunzelte und schnitt einen Faden ab. »Natürlich, ich bin äußerst begehrenswert.«
Das brachte ihm einen Klaps mit den Handschuhen gegen die Schulter ein. »Vorsicht, Valentin Nadelstich! Ich bin immer noch eine Schornsteinfegerin und ich finde bestimmt irgendeinen Fehler an deiner Nähmaschine, der eine Konfiszierung rechtfertigt.«
Valentin lachte nur und nickte in Richtung der Handschuhe. »Und wer würde dir dann deine Klamotten nähen?«
»Auch wieder wahr.« Sie verstaute die Handschuhe in ihrer Tasche. »Danke übrigens. Die alten waren schon so durch, dass ich mir ständig die Finger an den Kaminen verbrannt habe. Hoffentlich kommt jetzt etwas Ruhe ins Kupferviertel, sodass die hier länger halten.«
Valentin deutete eine Verbeugung an. »Es ist mir eine Ehre, der Schneider der Schornsteinfegerfamilie Lichterloh zu sein.«
Cleo deutete ungläubig auf sich. »Eine Familie, die nur aus einem einzigen Mitglied besteht?«
Valentin winkte ab. »Irrelevant.« Er musterte sie. »Was hast du denn noch so Wichtiges vor?«
Jetzt spürte Cleo, wie sie selbst rot anlief. »Ich … muss noch ein paar Überprüfungen in den Vierteln machen«, stammelte sie. »Ein paar Leuten unter die Arme greifen.«
»Soso«, murmelte Valentin, der ihr ganz offensichtlich nicht glaubte. »Was für Leuten denn?«
Cleo wich seinem Blick aus. »Ist doch unwichtig.«
Valentin lächelte, als er weiternähte. »Und wer hat jetzt Geheimnisse?«
Rasch huschte Cleo aus der Schneiderei, bevor er noch mehr aus ihr herauskitzeln konnte. Valentin war ihr bester Freund und sie konnte ihm alles anvertrauen. Aber in diesem Fall wollte sie es doch lieber für sich behalten. Auch wenn sie wusste, dass sie damit keinen Deut besser als Gwynnie war.
Cleo fuhr mit ihrem Rad in gemäßigtem Tempo durch die Viertel. Immer wieder passierte sie Leute, die sie fröhlich grüßten, was sie durch ein freundliches Lächeln und das Antippen ihres Zylinders erwiderte. Kinder hielten ihr Schornsteinfegersammelhefte hin und baten sie schüchtern um ihren Daumenabdruck. Es war immer noch seltsam für Cleo, dass sie nun eine eigene Seite in diesem Heft hatte, in dem Kinder die Daumenabdrücke aller Schornsteinfeger Rußstadts sammelten. Noch hielt sich der Glaube, dass man selbst die Möglichkeit bekam, Schornsteinfeger zu werden, hatte man alle Abdrücke beisammen. Die Hoffnung daran war noch einmal bestärkt worden, nachdem Cleo zur Schornsteinfegerin ernannt worden war und die Industrielle Toska Liebkind dies mit ihrem vollen Sammelheft begründet hatte. Cleo wusste jedoch, dass es nur eine Lüge war, um die Menschen bei Laune zu halten, da sie so von einem besseren Leben träumen konnten. Dennoch tat Cleo den Kindern jedes Mal den Gefallen und drückte ihren Abdruck ins Heft. So dauerte es eine ganze Weile, bis sie endlich im Messingviertel ankam. Dieses lag ein wenig erhöht an einem Berghang, aber noch nicht so hoch wie etwa Cleos Kupferviertel. Die Häuser waren hochwertig und schön, mit edlen Beschlägen aus Messing, und viele Gebäude sahen neuer aus als im Rest der Stadt. Das lag daran, dass vor ein paar Jahrzehnten fast das gesamte Viertel abgebrannt und neu aufgebaut worden war. Etwas, was Fjodor Sottje, ein Vorfahr von Cleos Mitschüler Tamino, zu verschulden hatte. Er hatte es damals mit den Kontrollen der Maschinen nicht so genau genommen. Das hatte ihn zwar beliebt gemacht, aber auch dafür gesorgt, dass die Bevölkerung schließlich den Preis dafür hatte zahlen müssen.
Cleo steuerte direkt auf den Uhrenturm in der Mitte des Viertels zu. Er war das Einzige gewesen, was damals die Flammen überlebt hatte, wenn auch nur knapp. Seitdem hatte man ihn mit Messingplatten verstärkt und so galt er als eines der imposantesten und schönsten Bauwerke von Rußstadt. Sie schloss ihr Rad daneben an, dann hetzte sie die knarzenden Stufen den Turm hinauf bis auf den kleinen Balkon, direkt unter dem riesigen Ziffernblatt.
An der Balustrade lehnte bereits ein Jugendlicher in ihrem Alter. Seine feuerroten Haare wurden von dem Wind hier oben zerzaust, seine schwarze Schornsteinfegeruniform sah wie immer makellos und perfekt aus. Leander Glanzruß. Tadelnd hob er die rechte Augenbraue, die wie die Wimpern des dazugehörigen Auges von weißen Streifen durchzogen war. »Du bist zu spät«, sagte er.
»Entschuldige«, keuchte Cleo. »Ist halt vom Kupferviertel doch ein wenig weiter bis hierhin.«
Sofort verschwand der Witz aus seiner Miene und er drehte sich um. »Tja, das Bleiviertel ist gleich nebenan«, sagte er bitter.
»Und deshalb bist du auch immer pünktlich.« Sie stupste ihm gegen die Schulter, was ihm zumindest ein freches Schmunzeln entlockte, und lehnte sich neben ihn auf das Geländer. Von hier hatten sie einen exzellenten Blick über die Stadt, und wenn Cleo nicht solche Höhenangst gehabt hätte, wäre es sicher sogar schön gewesen, wie sich langsam die Nacht über Rußstadt senkte und die Lichter in den Fenstern der Häuser heller und hoffnungsvoller leuchteten.
Obwohl Leander sich bei der Prüfung gegen seinen Vater gestellt hatte, beäugten die Menschen ihn nun ebenfalls mit Misstrauen, als erwarteten sie, dass auch er jede Sekunde etwas Schlimmes tat, und viele wünschten sich wohl auch für ihn eine Strafe. Etwas, was sich auch bis in die obersten Schichten der Schornsteinfegergilde zog. Somit war Leander statt eines gehobenen Lernbezirks, womit er andernfalls hätte rechnen können, das Bleiviertel zugeteilt worden. Einer der tiefsten und verrußtesten Teile der Stadt, wo hauptsächlich Arbeiter wohnten und in dem wohl niemand einen Nachnamen trug. Um die Demütigung perfekt zu machen, unterstand er damit Uljana und Silvan Sottje, den Eltern von Tamino. Die beiden waren fähige Schornsteinfeger, keine Frage – aber dennoch hatte Leander nie einen Hehl daraus gemacht, dass er auf die Sottjes herabsah, was er Tamino auch hatte spüren lassen. Und das zahlten die beiden ihm nun auf ihre Art heim.
»Ich musste heute diesen einen Schornstein schrubben, bis er glänzte«, beschwerte Leander sich. »Im Bleiviertel! Dabei ist der morgen sicher schon wieder komplett zugerußt!«
Cleo zuckte mit den Schultern. »Das gehört eben auch zur Ausbildung. Und wenigstens weißt du, dass dort heute Nacht kein Feuer durch Rußablagerungen entstehen wird.«
»Was soll ich denn bitte davon lernen, einen Schlot zu kehren, bis man sich darin spiegeln kann?«
»Vielleicht etwas Demut?«
Leander funkelte sie wütend an. »Kannst du bitte einfach auf meiner Seite sein und mich jammern lassen, anstatt blöde Sprüche zu klopfen?«
Cleo seufzte theatralisch und tätschelte ihm mitfühlend die Schulter. »Entschuldige. Du hast recht. Du bist wirklich sehr arm dran. Keinem Schornsteinfeger geht es schlechter als dir.«
»Na bitte, war doch gar nicht so schwer.« Leander zwinkerte ihr zu. Als Antwort streckte sie ihm die Zunge raus.
Es war schon seltsam. Während der Ausbildung hatte Leander Cleo das Leben zur Hölle gemacht, am Ende sogar versucht, sie umzubringen. Und jetzt waren sie Freunde, Verbündete. Jede Woche, am gleichen Tag, um die gleiche Uhrzeit, trafen sie sich hier. Etwas, was sie nicht einmal Gwynnie erzählt hatte. Ihr ganz persönliches Geheimnis.
Sie blickte in die Ferne, zum Schornsteinfegerviertel am östlichen Berghang, gleich unter dem weißen Viertel der Industriellen. »Wie geht es deinem Vater?«
Leander zuckte mit den Schultern. »Unverändert. Er kriegt eigentlich nichts von seinem Umfeld mit, er ist ganz in seiner eigenen Welt und murmelt vor sich hin. Neulich ist er mitten in der Nacht aufgesprungen, hat sich seinen Kehrbesen gegriffen und geschrien, dass der Schornstein verstopft wäre und er ihn reinigen müsste, bevor wir alle verbrennen.«
Auch wenn es absolut nicht abwegig war, fiel es Cleo doch schwer, sich das vorzustellen. Aus diesem stolzen und grausamen Schornsteinfeger sollte ein solch gebrochener Mann geworden sein? »Muss schwer sein, wenn einem das weggenommen wird, was die eigene Identität ausgemacht hat«, sagte sie bitter.
Leander schnaubte. »Was für eine Identität? Schornsteinfegersein? Alles eine Lüge.« Seine Stimme klang finster und es überraschte Cleo, wie sehr ihr seine Worte zusetzten. Leander war immer so stolz gewesen, ein Schornsteinfeger zu sein. Aber seit sie entdeckt hatten, dass die Industriellen sie nur für ihre Zwecke benutzten, hatte er begonnen, sich sogar dafür zu schämen. Sosehr Cleo sein Sinneswandel freute, so sehr vermisste sie auch das Feuer, das vorher in ihm gelodert hatte.
»Hast du irgendwas zu den Rohrleitungen herausgefunden?«, fragte sie.
Doch wie jede Woche schüttelte Leander den Kopf. »Ich habe mich durch alle Bücher in unserer Bibliothek gearbeitet. Nichts. Und ich war nie unbeobachtet genug, um herauszufinden, wo die Rohrleitungen enden.«
Bei ihrer Abschlussprüfung hatten sie entdeckt, dass die Industriellen den Ruß ihrer Kamine nicht sammelten und entsorgten wie alle anderen, sondern mittels eines Rohrsystems in die untersten Viertel leiteten. Das sorgte dafür, dass der oberste Stadtteil sauber blieb, während der am tiefsten liegende, der sowieso schon mit mehr Kohleablagerungen zu kämpfen hatte als der Rest, mit nur noch mehr Ruß bedeckt wurde. Ruß, für den die Menschen dort nichts konnten, aber für den sie die Konsequenzen tragen mussten. Cleos und Leanders Bemühungen, etwas dagegen zu unternehmen, waren jedoch bisher absolut im Sande verlaufen. Sie wussten nichts über die Rohrleitungen oder wie man sie sabotieren konnte, vor allem, ohne dass die Industriellen etwas bemerkten und sie ihre einzige Chance vertaten. Schon oft hatte Cleo überlegt, Gwynnie von ihrer Entdeckung zu erzählen. Allerdings befürchtete sie, dass ihre Schwester, in ihrer Wut auf die Industriellen, dann etwas Unbedachtes tun würde. Und dabei genoss Cleo es gerade, wie friedlich Gwynnie war. Endlich hatte sie die Schornsteinfeger einigermaßen akzeptiert und fürchtete nicht mehr, an jeder Ecke hintergangen zu werden. Das wollte sie nicht verlieren.
»Und ich habe immer noch nichts von Lex gehört«, murmelte sie.
Schon kurz nach ihrer Prüfung hatte sie den Kopf der Kohlediebe aufgesucht und Lex erzählt, warum die untersten Viertel so verrußt waren, so wie Lex es ihr aufgetragen hatte. Lex hatte sich dafür bedankt, sie aber zur Geduld ermahnt und dass sie warten solle, bis die Kohlediebe sich bei ihr meldeten.
Leander schnaubte. »Ich wette, Lex plant längst, das ganze Industriellenviertel in die Luft zu sprengen und Rußstadt zu einem Haufen Asche zu verbrennen. Und schiebt es dann uns in die Schuhe. Schönen Dank auch.« Er strich über seine Hand, wahrscheinlich war es ihm nicht mal bewusst, aber Cleo entging es nicht. Eine große rote Brandnarbe zog sich über den Handrücken. Sie war gut verheilt in den letzten Wochen, aber es würde noch dauern, bis sie blasser wurde. Cleo konnte immer noch den Schrei hören, als Lex Leanders Hand gegen den heißen Ofen gedrückt hatte. Dass Leander nicht gut auf den Kopf der Kohlediebe zu sprechen war, verstand sich von selbst.
»Das würde Lex nicht tun«, sagte sie, aber so richtig überzeugt war sie selbst nicht.
Leander wollte etwas erwidern – hielt dann aber plötzlich inne und beugte sich über das Geländer, die Augen zusammengekniffen. »Was ist das?«
Cleo folgte seinem Blick. Zuerst konnte sie nicht erkennen, was er meinte. Es war zu dunkel, nur die Lichter der Häuser erhellten die Straßen und die Rauchschwaden hoben sich kaum merklich vom Nachthimmel ab. Doch Cleo bemerkte, dass eine der Rauchsäulen ungewöhnlich breit war und stärker qualmte als die anderen. Sie stammte definitiv nicht aus einem Schornstein. Und dann sah Cleo das Feuer, das hell in der Ferne loderten viel größer und verzehrender als jede Kaminglut. Ein Haus stand in Flammen. Als Cleo erkannte, wo, wurde ihr kalt ums Herz: im Kupferviertel, ausgerechnet ihrem eigenen Viertel, wo sie jeden einzelnen Menschen persönlich kannte. Während sie noch verarbeiteten, was passierte, schlug der Rußalarm an und die Glocken des Wachturms erklangen, welche die Menschen und die Schornsteinfeger darüber informierten, was passierte: In Rußstadt brannte es.
*
Die Häuser und Wege verschwammen vor Cleo, so schnell jagte sie durch die Straßen. Ihre Augen tränten, aber nicht vom Ruß. Ihr war egal, dass jemandem auffallen könnte, dass ihr Rad durch einen Motor angetrieben wurde, ohne eine Kohlespur hinter sich herzuziehen. Und ihr war auch egal, dass die Menschen ihr erschrocken aus dem Weg springen mussten und wütend schimpften oder dass einmal sogar eine Straßenbahn, die zum Fabrikviertel fuhr, pfeifend abbremste. Es zählte nur, so schnell wie möglich zum Brand zu kommen. Das Einzige, was ihren Pulsschlag ein wenig beruhigte und sie davor bewahrte, vollkommen in Panik zu verfallen, war Leanders Griff um ihren Bauch. Er hatte sofort entschieden, sie zu begleiten und zu helfen, obwohl es nicht sein Viertel war, das brannte. Aber so gebot es die Schornsteinfegerehre – bei einem Brand wurde jede Hand gebraucht. Trotz ihres rasanten Fahrstils blieb er komplett ruhig. Weder beschwerte er sich, noch verkrampfte er bei ihren wilden Kurven, als wäre das hier eine gemütliche Ausfahrt in ihrer Freizeit. Dafür war sie unendlich dankbar. Es war, als würde er sie festhalten, damit sie nicht den Verstand verlor – und nicht, um sich auf dem Rad zu halten. Und obgleich auch er sich wundern musste, wieso sie so schnell fahren konnten, kommentierte er es nicht.
Schließlich bogen sie in die Straße ein, aus der die Rauchsäule kam, und hielten an. Cleo schnappte erschrocken nach Luft und ein leises Wimmern mischte sich in ihre Stimme. Es war das Haus von Undine und Thoma. »Nein«, hauchte sie und begann zu zittern, unfähig, sich zu rühren. Erinnerungsbruchstücke tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Genauso hatte auch ihr Zuhause einst gebrannt.
Leander nahm sanft ihre Hand. »Komm.« Er schob das Rad zur Seite und zog sie mit sich, auf das Haus zu. Rauch schlug ihnen entgegen und die Hitze brannte in ihren Augen. Menschen huschten umher und brachten Löschschläuche in Position. Cleo erkannte Willa ganz vorne.
»Was ist passiert?«, rief sie ihr entgegen.
Die Schornsteinfegerin drehte sich zu ihr um, ihre Augen aber huschten unkonzentriert hin und her. »Ich bin auch gerade erst gekommen. Gwynnie hat mich bis zum Schornsteinfegerviertel gebracht, und als sie weg war, habe ich den Alarm gehört …« Ihre Stimme verlor sich.
»Was können wir tun?«, fragte Leander.
Willa brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, dann sagte sie: »Hilf mir, die Menschen beim Löschen einzuweisen! Und du …« Sie deutete auf Cleo und zögerte, in ihrem Blick eine flüchtige Erkenntnis, was dieser Brand mit Cleo machen musste. »… finde raus, was der Ursprung des Brandes ist«, sagte sie schließlich. Sie nickten und Leander lief zu den Menschen mit den Schläuchen.
Cleo bemerkte die Familie, die rußverschmiert, aber unverletzt vor dem Haus stand, in Decken gehüllt, der kleine Junge weinend auf Thomas Arm. Sie starrten fassungslos in die Flammen. »Es ist alles weg«, murmelte Thoma. »Alles.«
Cleo wandte sich an Undine. »Wo kommt der Brand her? Wie ist er ausgebrochen?«
Es dauerte quälend lange, bis Undine sie anblickte, die Augen voller Panik. »Ich weiß es nicht«, murmelte sie.
Verrußt. So kam Cleo nicht weiter. »Sind euch irgendwelche Kohlen heruntergefallen?«, versuchte sie es. »Irgendeine Maschine überhitzt? Was hattet ihr in Betrieb?« Cleo hoffte, dass es nicht der Brotröster war. Sie hatte ihn doch heute früh repariert! Verraucht und zugequalmt noch mal, Willa und sie hatten alle Schornsteine gekehrt und die Maschinen überprüft, wie konnte das passieren?
Undine schüttelte den Kopf. »Nein. Nichts. Wir hatten alle Feuerquellen längst gelöscht, wir wollten ins Bett.«
Es war nichts in Betrieb gewesen? Aber das konnte nicht sein. Es brannte nur dieses Haus, irgendetwas darin musste den Brand verursacht haben. Cleo blickte auf die alles verzehrenden Flammen. Das Feuer in der Schuttgasse damals war viel kleiner gewesen, viel unscheinbarer, ausgehend von einem Ofen – hier aber loderte es aus allen Fenstern, von überall. Cleo durchfuhr es wie ein Blitz. Hieß das etwa …? Hektisch sah sie sich um. Dutzende von Leuten wuselten umher, sie starrten, wehklagten und löschten. Alle waren in heller Aufregung – bis auf eine Person. Sie stand gleich neben dem Haus, in dunkle Kleidung gehüllt und viel zu ruhig, als würde sie das alles nichts angehen. Und sie sah Cleo direkt an. Irgendwas schien mit ihrem Gesicht nicht zu stimmen. »He!«, rief Cleo und in diesem Moment lief die Gestalt los. Cleo hechtete hinterher.
Sie musste die Menschen grob beiseiteschieben, um sich zu dem Haus vorzuarbeiten, während die Gestalt bereits das brennende Gebäude umrundete. Cleo setzte ihr nach, nachdem sie sich endlich durch die Menschenmenge gewühlt hatte. Rauch biss in ihr Gesicht, Funken flogen und die Hitze brannte auf ihrer Haut. Die Gestalt war schnell, doch Cleo war ihr dicht auf den Fersen. Sie streckte die Hand nach ihr aus, als die Person sich plötzlich umdrehte. Cleo zuckte zurück. Das Gesicht wurde von einer feuerroten Maske verdeckt, mit gezackten Hörnern, verschlungenen Mustern, tiefschwarzen Augen und einem fies verzogenen Mund. Die Gestalt nutzte Cleos Überraschung, um blitzschnell um die Ecke zu hechten. Cleo lief hinterher, doch als sie um die Ecke bog, fehlte jede Spur des Maskierten.
»Verrußt!«, fluchte Cleo. Sie war sich sicher, dass diese Person etwas mit dem Brand zu tun hatte! Sie konnte doch nicht einfach verschwunden sein. Cleo sah sich um – und stockte. »Oh nein«, entfuhr es ihr. Die Rückwand des Hauses war noch nicht vom Feuer verzehrt worden, doch mitten auf ihr zündelten kleine Flammen, die brennende Buchstaben bildeten, eine lodernde Nachricht:
»Kohle bringt den Tod! Ihr alle brennt bald lichterloh.«
Das letzte Mal als Cleo alle Schornsteinfeger an einem Ort versammelt gesehen hatte, war bei ihrer Abschlussprüfung gewesen. Und dem Murmeln der anderen Schornsteinfeger, das den Versammlungsraum der Akademie erfüllte, entnahm sie, dass diese Zusammenkunft ein äußerst seltenes Ereignis war. Da war Tamino, in der traditionell abgewetzten grauen Kluft der Sottjes, der neben seinen nervösen Eltern stand. Seine schwarzen Locken waren dichter und länger geworden und er winkte Cleo schüchtern zu. Sein Bruder Dustin sah blass und erschöpft aus, als hätte er wenig geschlafen. Er war nicht der Einzige, viele der Schornsteinfeger waren beunruhigt über den Brand am Vortag.
Willa stand bei ihrer großen Familie und sah ungewöhnlich schmal neben ihnen aus. Sie knetete nervös ihre Finger, die braunen Haare hingen ihr ins Gesicht und ihre Wangen waren gerötet und voller Kratzer, Überbleibsel von dem Feuer. Als sie gestern erfahren hatte, dass es Brandstiftung gewesen war, waren ihr die Beine weggeknickt und die sonst so starke Schornsteinfegerin hatte kein Wort mehr rausbekommen. Gerade erst war ihr ein eigenes Viertel zugesprochen worden und dann so was. Cleo wäre am liebsten zu ihr gegangen und hätte sie umarmt. Aber die finsteren Blicke, die ihr Bruder Quentin und das Familienoberhaupt Windrikus Feuerstatt ihr zuwarfen, hielten sie davon ab. Sie wusste, dass auch Willas eigene Familie ihr Vorwürfe gemacht hatte, dafür, dass sie Cleo in ihr Viertel geholt hatte. Viele der Schornsteinfeger waren immer noch nicht gut auf sie zu sprechen, besonders nicht nach der Abschlussprüfung. Jemand legte ihr eine Hand auf die Schulter und sie drehte sich um.
»Alles in Ordnung?«, fragte Leander.
Sie lächelte ihn dankbar an und nickte. Gestern war sie nach dem Brand so durch den Wind gewesen, dass Leander sie nach Hause gebracht und Gwynnie an ihrer Statt erklärt hatte, was passiert war. Ohne ihn wäre sie sicher irgendwo reingefahren.
Plötzlich schoss ein blonder Wirbelwind auf die beiden zu. »Cleo! Oh, das ist ja ewig her!« Zu ihrer vollkommenen Verblüffung schloss Emilia Essenbrand sie fest in die Arme. »Ich freu mich so, dich zu sehen.«
»Na, das ist ja eine unerwartete Begrüßung«, murmelte Cleo.
Emilia grinste. »Wieso, wir sind doch jetzt Freundinnen.«
Nach der Abschlussprüfung hatte Cleo den Respekt der ehrgeizigen Schornsteinfegerin gewonnen, aber mehr auch nicht. Dass Emilia offenbar beschlossen hatte, sie zur Freundin zu ernennen, hatte sie nicht erwartet. Immerhin tat die Schornsteinfegerin selten etwas unüberlegt und ohne Hintergedanken. Aber ihr Lächeln war so ehrlich erfreut, dass Cleo beschloss, diese Zuneigung zu akzeptieren – mal abgesehen davon, dass man Emilia lieber nicht widersprach. »Ach ja, richtig.«
Diese Antwort stimmte Emilia wohl zufrieden, denn sie lächelte noch etwas breiter, bevor sie fragte: »Wie geht es dir?«
Cleo hob die Augenbrauen. »Na ja, es hat gestern in meinem Viertel gebrannt, also …«
Emilias Lächeln fror ein, aber nach einer kurzen, peinlichen Stille zuckte sie mit den Schultern. »Wenigstens hat diese Katastrophe dafür gesorgt, dass wir uns wiedersehen. Und ich nehme, was ich kriegen kann.«
Leander lachte spöttisch. »Hättest sie ja mal besuchen können – aber ich schätze, wenn man im Goldviertel arbeitet, ist alles andere unter der eigenen Würde. Erinnerst du dich überhaupt noch, wie man Kamine kehrt, oder trinkst du nur Tee bei den Reichen und Schönen?«
Emilia stemmte die Hände in die Hüften. »Na, wenigstens weiß ich, wie ein gefegter Kamin aussieht – davon gibt's im Bleiviertel ja wohl nicht so viele, was?« Sofort verschwand Leanders Lachen und auch Emilia wurde klar, dass dieser Spruch ein wenig zu weit gegangen war. »Tut mir leid«, murmelte sie. Als Jahrgangsbeste hatte Emilia sich das Viertel aussuchen dürfen, in welchem sie ihre Ausbildung fortsetzte, und natürlich hatte sie das hoch angesehene Goldviertel unter der Leitung von Susa Frostbruch gewählt. Eine Ehre, die auch Leander gerne für sich beansprucht hätte.
Emilia sah wieder Cleo an. »Furchtbare Sache, was da in deinem Viertel passiert ist. Irgendeine Ahnung, wer es war oder warum?«
Cleo schüttelte den Kopf. »Zum Glück wurde niemand verletzt, aber das Haus ist in kürzester Zeit abgebrannt. Wer auch immer das war, wusste, was er tat, und hatte die absolute Zerstörung im Sinn.«
»Emilia!«, kam es zischend von ihrem Vater Marcellus, der seine Tochter mit strengem Blick zu sich winkte. Emilia zuckte entschuldigend mit den Schultern und huschte zu ihren Vätern, die prompt auf sie einredeten, wobei sie Cleo immer wieder finstere Blicke zuwarfen. Wahrscheinlich erklärten sie ihr, dass Cleo ein schlechter Umgang war.
In diesem Moment kam Bewegung in die Schornsteinfeger und einige deuteten nach oben. Dort, am höchsten Treppenabsatz, standen Elois Kammkehrer, der Gildenvorsteher der Schornsteinfeger, und Toska Liebkind, die Besitzerin der Kohlefabrik, ohne jeden Zweifel erkennbar an ihrem weißen, ausladenden Kleid. Die dritte Person war Amaury Neumach, der schmierige Industrielle, der für Sicherheit und Bauangelegenheiten zuständig war. Die drei bestiegen nacheinander den Paternoster, der sie nach unten beförderte. Schnell stellten sich die Schornsteinfeger geordnet in Reih und Glied auf, auch Leander gesellte sich jetzt zu seiner Familie. Die Glanzruß wirkten seltsam verloren ohne die Präsenz des eindrucksvollen Konradin. Cleo rückte ihren Zylinder zurecht und nahm eine aufrechte Haltung an.
Nach Verlassen der Aufzugkabinen marschierten Kammkehrer, Liebkind und Neumach zu einem Podest. Das leise Rauschen der Luftfilter in Liebkinds Kleid und Neumachs Kragen waren deutlich zu hören. Die Frau stellte sich mit ihrer gewohnt beherrschten Haltung in die Mitte, Elois Kammkehrer und Amaury Neumach postierten sich rechts und links von ihr. Cleo musste ein Schnauben unterdrücken. Natürlich musste sie auch hier, wo sie unter sich waren, die Schornsteinfeger mit einer Bühne überragen. Allein das weiße Kleid, das in wenigen Minuten voll mit Ruß sein würde, kam einem Schlag ins Gesicht gleich.
»Hochgeschätzte Schornsteinfegerinnen und Schornsteinfeger«, begann die mächtige Industrielle ihre Rede. »Mit Bestürzen haben wir alle von dem gestrigen Vorfall im Kupferviertel gehört. Mutwillige Brandstiftung gegen die Bewohner Rußstadts – als würden wir nicht bereits in der ständigen Gefahr leben, dass ein Feuer auch ohne niederträchtiges Zutun ausbrechen könnte.«
Um nicht abfällig die Augen zu verdrehen, suchte Cleo Leanders Blick und war erleichtert, dass er ebenso empört war wie sie – und genauso versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Es gab kein »wir« – in ihrem geschützten Viertel mussten die Industriellen keine plötzlichen Brände befürchten und die restliche Bevölkerung lebte nur deshalb in Angst davor, weil die Industriellen sie mit schlechten Maschinen und schlechter Kohle ausstatteten und zeitgleich ihren Ruß in die unteren Viertel pumpten.
»Doch nicht nur war dies eine grausame Tat gegen eine wehrlose Familie«, fuhr Liebkind fort. »Es war ein heimtückischer Angriff auf unsere ganze Stadt und unsere Lebensweise selbst. ›Kohle bringt den Tod! Ihr alle brennt bald lichterloh‹«, zitierte sie. »Diese Drohung hat der Vermummte in das Haus eingebrannt, bevor er geflüchtet ist.«
Gemurmel kam auf. Offenbar war diese Nachricht noch nicht allen Schornsteinfegern bekannt gewesen. Willa guckte zu Boden, kalkweiß, und ihr Bruder Quentin legte ihr die Hand auf die Schulter. Leander hatte die Lippen fest aufeinandergepresst. Emilia sah verunsichert zu ihren Vätern auf, richtete aber beim Anblick ihrer festen Mienen die Augen ebenfalls wieder ermutigt nach vorne. Die Sottjes sahen geradezu erschüttert aus. Taminos Lippe bebte, als würde er gleich zusammenbrechen, und seine Eltern schlugen sich die Hand vor den Mund. Dustin war vor Schock wie versteinert, ihm war sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen und die Hände hatte er zu Fäusten geballt.
»Wir müssen davon ausgehen, dass noch weitere dieser Angriffe folgen werden«, sprach Liebkind weiter. »Wir wissen nicht, ob der Täter allein handelt oder ob er Teil einer Gruppe ist. In jedem Fall müssen wir verhindern, dass er Anhänger um sich schart. Er darf die Menschen nicht verunsichern, weswegen wir seine Existenz zunächst geheim halten werden, um keine Panik heraufzubeschwören.« Ein absolut weltfremder Plan, machten in der Stadt doch längst Gerüchte die Runde, dass der Brand fremdverschuldet war. Doch er passte nur allzu gut zu den Industriellen, die immer um ihren Ruf besorgt waren. »Die Schornsteinfeger müssen nun Stärke und Sicherheit beweisen«, fuhr Liebkind fort. »Noch nie waren sie wichtiger als jetzt, um das Volk zu beschützen. Dafür haben wir bereits Pläne.« Sie trat zur Seite und überließ Kammkehrer ihren Platz.
»Wir wissen nicht, wann, wo und ob der Brandstifter erneut zuschlägt«, erklärte er mit ruhiger Stimme. »Aber wir müssen bereit sein und verhindern, dass ein erneuter Brand so ausartet wie der gestern. Unsere wichtigste Aufgabe ist es jetzt, die Menschen zu beschützen. Außerdem laufen bereits Ermittlungen, um den Brandstifter zu fangen. Amaury Neumach hat bereits einige Ordnungshüter und Schutzleute abgestellt, die sich ausschließlich mit der Suche nach ihm beschäftigen.« Er gestikulierte zu dem Industriellen neben sich. »Sobald ein Feueralarm erklingt, werden sich ab sofort alle Schornsteinfeger unverzüglich zu dem Brand begeben, egal, wo sie gerade sind und wo es brennt. Im besten Fall erwischen wir den Schuldigen noch auf frischer Tat.« Kammkehrer holte tief Luft. »Damit wir das Feuer schnell entdecken und besonders effektiv handeln können, werden wir zusätzliche Feuerwachen einführen. Oben im Industriellenviertel wird zu jeder Tag- und Nachtzeit jemand von uns in einem speziell vorbereiteten Wachzimmer postiert. Von dort ist ein umfassender Blick über die Stadt gegeben und es kann eine Warnsirene betätigt werden, die überall zu hören ist.«
Erneut kam Getuschel auf und nun war auch Cleo überrascht. Sie würden Zugang ins Industriellenviertel erhalten, um die Stadt zu überwachen? Das war eine absolut unerwartete Neuigkeit und nie zuvor da gewesen. Emilia wippte vor Aufregung auf und ab und Leander warf Cleo einen ungläubigen Blick zu, indem einiges an Hoffnung mitschwang, hatte er doch nicht damit gerechnet, je wieder in dieses Viertel zu kommen. Und auch in Cleos Bauch meldete sich, zu ihrem Missfallen, die Vorfreude auf die saubere Luft dort, in der sie womöglich mehrere Stunden verweilen durfte.
Kammkehrer sah in die Runde und Cleo hatte das Gefühl, dass er jeden Einzelnen von ihnen musterte. »Wir müssen nun alle an einem Strang ziehen und zusammenarbeiten, bis dieser Verbrecher gefasst und die Gefahr gebannt ist. Ein Schichtplan für die Feuerwachen wird zeitnah verteilt. Bis dahin – seid wachsam und kehrt gründlich und gewissenhaft.«
Alle wiederholten das Gildenmotto und damit war das Treffen beendet.
Sofort scharten Leander und Emilia sich wieder um Cleo. »Im Industriellenviertel Wache halten!«, rief Leander. »Es muss wirklich ernst sein.«
»Ihr platzt sicherlich vor Freude.« Emilia hob die Nase. »Aber da ich dort einmal Schornsteinfegerin sein werde, ist es für mich keine Besonderheit.« Sie sah herausfordernd zu Leander. Früher hätte er ihr mit einem frechen Spruch geantwortet, aber nun zuckte er nur müde mit den Schultern. »Du brauchst es mir wirklich nicht weiter reinzureiben. Ich weiß, dass ich keine Chance mehr habe.«
Emilia verdrehte genervt die Augen. »Ehrlich, du bist so langweilig geworden, seit du in der Rangordnung abgestiegen bist. Mit wem soll ich mich denn jetzt messen? Kilian Kammkehrer? Wohl kaum.« Sie deutete auf einen viel zu großen, viel zu dünnen, und viel zu sommersprossigen Jungen, der ein Jahr vor ihnen seine Ausbildung absolviert hatte.