Lichtschacht - Anne Goldmann - E-Book

Lichtschacht E-Book

Anne Goldmann

4,7

Beschreibung

Trau, schau, wem? Lena ist neu in der Stadt, schlägt sich mit Jobs durch, hofft Freunde zu finden. Eines Abends sieht sie, wie eine fremde Frau vom Dach gestoßen wird. Oder hat sie sich das bloß im Rausch eingebildet? Die Geschichte von Lena, die in Wien ihr Glück sucht, entfaltet sich auf der Schnittstelle zwischen einem Thriller – im tradierten Meister-Hitchcock-Sinne: man sieht den Schatten näher rücken, während die verstrickte Sympathieträgerin anderweitig beschäftigt ist – und einem modernen Märchen, so archaisch und schrecklich wie zu Grimms Zeiten: Die junge Einsame auf der Suche nach Heim, Liebe und Sinn, und der Schurke, der sich nach Macht und Besitz verzehrt, begegnen sich im Zauberwald des 21. Jahrhunderts, der Großstadt. Anne Goldmann erzählt ihren bitterbösen Roman mit tiefer Menschenkenntnis und der ihr eigenen unaufgeregten Lebendigkeit. Ihre schöne, einfühlsame Schreibweise verdichtet das Geschehen zu einem unaufhaltsamen Sog. Wie viele gute Schriftsteller erschafft sie Szenarien, die überall stattfinden könnten, wiewohl sie deutlich in ­einem bestimmten soziokulturellen Kosmos verankert sind. Das drückt sich auch in der Sprache aus: In Syntax und Wortwahl schwingt die Melodie Wiens mit, durchzieht Alltag und Wahrnehmung der Figuren. Dies lektorisch einzuebnen und in die Uniform des allgemeinen Hochdeutsch zu zwingen, hieße Anne Goldmanns Erzählkunst Gewalt antun. Viele »Austriazismen« erschließen sich auf Anhieb, selbst wenn sie einen leicht exotischen Beiklang haben, z.?B. Pfefferoni, Spital für ein Krankenhaus oder Melange für einen Milchkaffee Wiener Art. Doch auch manches, was sich für Hamburger spontan wie eine Stilblüte liest, gehört ganz akkurat zum Repertoire der ­österreichischen Erzählsprache. Am Ende des Buches findet sich daher eine kleine Liste der im Norden ungewohntesten Begriffe. Anne Goldmanns Romane laden dazu ein, sich auf ein paar ­Nuancen dieser Mundart einzulassen, ihrem charakteristischen ­Groove zu folgen, ihre Rhythmen und Eigenheiten zu verinnerlichen. Genießen Sie das wie einen Ausflug an die Donau. Die Spannung der Geschichte wird Sie ohnehin ereilen.

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Anne Goldmann

Lichtschacht

Ariadne Krimi 1220 Argument Verlag

Ariadne Krimis Herausgegeben von Else Laudanwww.ariadnekrimis.de

Deutsche Originalausgabe

Alle Rechte vorbehalten

© Argument Verlag 2014

Glashüttenstraße 28, 20357Hamburg

Telefon 040/​4018000 – Fax 040/​40180020

www.argument.de

Umschlag: Martin Grundmann, unter Verwendung eines Bühnenbilds des Cirque du Soleil

Lektorat: Else Laudan

Satz: Iris Konopik

ISBN 9783867549622

Zweite Auflage 2014

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014

Ein Lichtschacht ist eine durch alle Stockwerke gehende Lücke im Baukörper, wie sie in alten Mietskasernen üblich war. Damit werden gefangene Räume, also Zimmer ohne Fenster, vermieden. Ein typischer Lichtschacht ist nur etwa zwei mal zwei Meter groß. Das genügt meist nicht, um auch die Wohnungen in den unteren Etagen ausreichend mit Helligkeit zu versorgen. In den Lichtschacht münden daher die Fenster von Räumen, die nur kurz genutzt werden: Badezimmer, Abstellkammer oder Klosett.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Über das Buch

Lichtschacht

Ein Hauch von Österreich

Weitere Bücher von Anne Goldmann

Die Geschichte von Lena, die in Wien ihr Glück sucht, entfaltet sich auf der Schnittstelle zwischen einem Thriller – im tradierten Meister-Hitchcock-Sinne: man sieht den Schatten näher rücken, während die verstrickte Sympathieträgerin anderweitig beschäftigt ist – und einem modernen Märchen, so archaisch und schrecklich wie zu Grimms Zeiten: Die junge Einsame auf der Suche nach Heim, Liebe und Sinn, und der Schurke, der sich nach Macht und Besitz verzehrt, begegnen sich im Zauberwald des 21.Jahrhunderts, der Großstadt.

Anne Goldmann erzählt ihren bitterbösen Roman mit tiefer Menschenkenntnis und der ihr eigenen unaufgeregten Lebendigkeit. Ihre schöne, einfühlsame Schreibweise verdichtet das Geschehen zu einem unaufhaltsamen Sog. Wie viele gute Schriftsteller erschafft sie Szenarien, die überall stattfinden könnten, wiewohl sie deutlich in einem bestimmten soziokulturellen Kosmos verankert sind. Das drückt sich auch in der Sprache aus: In Syntax und Wortwahl schwingt die Melodie Wiens mit, durchzieht Alltag und Wahrnehmung der Figuren. Dies lektorisch einzuebnen und in die Uniform des allgemeinen Hochdeutsch zu zwingen, hieße Anne Goldmanns Erzählkunst Gewalt antun. Viele »Austriazismen« erschließen sich auf Anhieb, selbst wenn sie einen leicht exotischen Beiklang haben, z.B. Pfefferoni, Spital für ein Krankenhaus oder Melange für einen Milchkaffee Wiener Art. Doch auch manches, was sich für Hamburger spontan wie eine Stilblüte liest, gehört ganz akkurat zum Repertoire der österreichischen Erzählsprache. Am Ende des Buches findet sich daher eine kleine Liste der im Norden ungewohntesten Begriffe.

Anne Goldmanns Romane laden dazu ein, sich auf ein paar Nuancen dieser Mundart einzulassen, ihrem charakteristischen Groove zu folgen, ihre Rhythmen und Eigenheiten zu verinnerlichen. Genießen Sie das wie einen Ausflug an die Donau. Die Spannung der Geschichte wird Sie ohnehin ereilen.

Else Laudan

Anne Goldmann, geboren 1961, jobbte als Kellnerin, Küchenhilfe und Zimmermädchen, um sich die Ausbildung zur Sozialarbeiterin zu finanzieren. Einige Jahre arbeitete sie in einer Justizanstalt, derzeit betreut sie Straffällige nach der Haft. Anne Goldmann begann früh zu schreiben, veröffentlichte ein paar Texte, verwarf dann alles und entdeckte erst spät das Schreiben wieder neu. Für ihre aktuellen Romane Das Leben ist schmutzig und Triangel erhielt sie hymnische Kritiken.

Sie saßen nebeneinander auf dem Dach, keine sechzig Meter von ihr entfernt. Direkt vor den roten Schornsteinen, wo noch vor kurzem die Rabenkrähen sich gewärmt, Schutz gesucht hatten vor dem eisigen Wind: zwei Frauen, rechts davon ein Mann. Sie wirkten aufgedreht, waren ständig in Bewegung. Wandten die Köpfe. Schauten über die Dachlandschaft. Nach unten. Sie hielten Gläser in den Händen und prosteten einander zu. Die Frau in der Mitte warf den Kopf zurück und lachte. Die zweite – größer, schlank, mit langen weißblonden Haaren – hob ihr Glas an den Mund und leerte es in einem Zug.

Lena stand in der offenen Terrassentür und schaute sehnsüchtig zu ihnen hinüber. Sie winkte, aber niemand nahm Notiz von ihr. Hastig zog sie den Arm zurück. Der Rauch der Selbstgedrehten in ihrer Hand kräuselte hoch. Ein leichter Wind bewegte den Saum ihres Kleids. Sie fröstelte und wickelte die warme grüne Strickweste enger um sich.

Der erste laue Tag nach einem endlosen Winter ging zu Ende. Es roch würzig. Nach Frühling, Aufbruch. Nach Neubeginn. Lena seufzte. Sie war wohlig benebelt. Entspannt. Mit geschlossenen Augen nahm sie einen weiteren tiefen Zug und blies langsam den Rauch aus. Sie durfte es nicht übertreiben. War es nicht gewohnt. Entschlossen dämpfte sie den Stummel aus und drückte ihn im Blumentopf neben der Tür tief in die feuchte Erde.

Sie konnte ihren Blick nicht von den dreien lösen. Wie waren sie auf das Dach gekommen? Was feierten sie? Der Mann hob die Flasche und schenkte sich ein. Er stieß mit seiner Sitznachbarin an. Die mit der langen Mähne zog die Beine eng an den Körper. So saß sie eine Weile reglos, den Kopf ein wenig nach rechts geneigt, als hörte sie den anderen zu oder hinge ihren eigenen Gedanken nach. Nun hielt sie dem Mann ihr Glas hin. Er füllte es auf. Streckte dann unvermittelt den Arm aus und ließ die Flasche los. Sie prallte auf die Dachziegel und verschwand kopfüber im Abgrund. Drei Köpfe ruckten vor und schauten nach unten. Lena hielt die Luft an. Die waren verrückt, sich dort oben zu betrinken! Das war gefährlich. Wie leicht konnte jemand das Gleichgewicht verlieren, ins Rutschen geraten. Abstürzen. Fünf Stockwerke tief, dachte sie, das überlebt man nicht. Ihr wurde übel. Der Puls dröhnte in ihren Ohren.

Nun rückten sie enger zusammen. Es schien, als umarmten die beiden außen Sitzenden ihre Freundin, die sich einmal nach links, dann nach rechts wandte und schließlich zurücklehnte. Ihre Bewegungen wirkten verlangsamt. Die Frau am Rand hielt ihr Glas nachlässig mit dem Kelch nach unten, der Mann starrte auf den flammend roten Streifen am Horizont, der rasch schmaler wurde und schließlich verschwand.

Lena spähte angestrengt hinüber. Die Dämmerung schluckte die Farben, die ersten Straßenlampen gingen an. Die drei machten keine Anstalten, sich zu erheben. Zurückzuklettern. Sie gähnte und streckte sich. Ihr war kalt. Ein Windstoß fuhr ihr unter das Kleid und wehte ihr die Haare ins Gesicht.

Als sie wieder hinsah, war der Platz in der Mitte leer.

Sie schrie auf und schlug die Hand vor den Mund. Scannte das Dach: Nichts! Keine Spur von der zweiten Frau! Die beiden anderen saßen reglos.

Wieder kam Wind auf. Er wirbelte die langen glatten Haare der Frau durcheinander. Erst nach einer Weile neigte sie den Kopf ein wenig, fasste sie zusammen und schlang sie zu einem Knoten. Der Mann wandte sich ihr zu. Er rückte näher und zog sie zu sich hin. Ihr Kopf sank auf seine Schulter. Er strich ihr über das Haar, das sich wieder löste und sie wie ein heller Schleier umfloss. Eine ganze Weile saßen sie so, wie festgefroren, während Lena sich am Türrahmen festklammerte und nach Luft rang.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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