Liebe in Wales - Alexandra Zöbeli - E-Book
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Liebe in Wales E-Book

Alexandra Zöbeli

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Beschreibung

Drei Mal große Liebe in Wales!  Der Himmel über den Black Mountains Seit Jahren hatte Emma keinen Kontakt mehr zu ihrer Tante Milly. Jetzt ist Milly tot und hinterlässt ihrer einzigen Nichte nicht nur eine Menge Geld, sondern auch ihre Farm am Fuße der Black Mountains an der Grenze zu Wales. Also wagt Emma das Abenteuer und haucht der alten Farm neues Leben ein. Unterstützung erhält sie dabei unter anderem vom smarten Polizisten Jack. Bald schon sprühen die Funken zwischen den beiden. Doch Jack hütet ein Geheimnis, dass sie beide in größte Gefahr bringen könnte… // Der Pub der guten Hoffnung Nach dem Tod ihres Sohnes haben sich Sam und Hannah völlig voneinander entfernt. Als Hannah Sam schließlich nicht mehr sehen will, kommt das Angebot seines Freundes, eine Auszeit in dessen Cottage im kleinen Ort Dinorwig in Wales zu nehmen, gerade recht.  Im örtlichen Pub Zur guten Hoffnung zwischen grünen Hügeln und kauzigen Dorfbewohnern schöpft er wieder Mut. Nicht zuletzt wegen Hope, die bald mehr als nur eine Freundin für ihn ist. Doch dann steht Hannah wieder vor ihm und Sam muss sich entscheiden… // Die Sterne über den Black Mountains Die erfolgreiche Kimi-Autorin Caitlin ist zufrieden mit ihrem Leben in Glasgow. Doch bei einer Lesung geht alles schief und am nächsten Tag findet sich Caitlin verkatert in einem Hotelzimmer wieder mit einer Notiz eines rettenden Helfers, der sie dorthin verfrachtet hatte. Entnervt flüchtet sie aus der Stadt auf eine abgelegene Farm am Fuße der walisischen Black Mountains um wieder zu schreiben. Dort stellt sich ein vermeintlicher Einbrecher jedoch nicht nur als der charmante wie gutaussehende Tierarzt Ben heraus, sondern auch als ihr Retter in der Not in Glasgow. Fast scheint es Schicksal, dass die beiden sich hier wiedertreffen sollten…

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Seitenzahl: 2067

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Liebe in Wales

Die Autorin

Alexandra Zöbeli lebt gemeinsam mit ihrem Mann im Zürcher Oberland in der Schweiz. Sie bekennt sich selbst als Britoholikerin — verrückt nach allem, was von der Insel kommt. Für Alex gibt es kaum etwas Schöneres, als die verschiedenen Ecken Großbritanniens zu entdecken und sich dabei vorzustellen, welche Geschichte sich an Ort und Stelle gerade abspielen könnte. Seit sie das Schreiben für sich entdeckt hat, leidet zwar der Haushalt, aber zumindest hat ihr Kopfkino endlich ein Ventil erhalten. Unter der Aufsicht ihres Katers Noah, der mit Vorliebe neben Alex' Laptop schläft, sind bisher sieben Romane entstanden.

Das Buch

Drei Mal ganz große Gefühle in Wales!

Emma erbt von ihrer Großtante eine Farm am Fuße der Black Mountains. Sie wagt das Abenteuer und haucht der alten Farm neues Leben ein. Unterstützung erhält sie dabei unter anderem vom smarten Polizisten Jack. Nach dem Tod ihres Sohnes haben sich Sam und Hannah völlig voneinander entfernt. Da kommt Sam das Angebot, eine Auszeit in dessen Cottage im kleinen Ort Dinorwig in Wales zu nehmen, gerade recht. Im örtlichen Pub Zur guten Hoffnung zwischen grünen Hügeln und kauzigen Dorfbewohnern findet er wieder Mut und eine neue Liebe... Krimi-Autorin Caitlin flüchtet nach einer reichlich misslungen Lesung in die walisischen Black Mountains um endlich wieder Zeit und Ruhe zum Schreiben zu finden. Doch dann kommt alles ganz anders. Nicht zuletzt wegen des gut aussehenden Tierarzt Ben...

Von Alexandra Zöbeli sind bei Forever erschienen:Ein Bett in CornwallEin Ticket nach SchottlandDie Rosen von Abbotswood CastleDer Himmel über den Black MountainsDer Pub der guten HoffnungDie Sterne über den Black MountainsEin Schotte im Gepäck

Alexandra Zöbeli

Liebe in Wales

Drei Romane in einem Bundle

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Sonderausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinJuli 2020 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privat

ISBN 978-3-95818-585-2

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Inhalt

Titelei

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Der Himmel über den Black Mountains

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

Epilog

Schlusswort

Der Pub der guten Hoffung

1.  Kapitel

2.  Kapitel

3.  Kapitel

4.  Kapitel

5.  Kapitel

6.  Kapitel

7.  Kapitel

8.  Kapitel

9.  Kapitel

10.  Kapitel

11.  Kapitel

12.  Kapitel

13.  Kapitel

14.  Kapitel

15.  Kapitel

16.  Kapitel

17.  Kapitel

18.  Kapitel

19.  Kapitel

20.  Kapitel

21.  Kapitel

22.  Kapitel

23.  Kapitel

24.  Kapitel

25.  Kapitel

26.  Kapitel

27.  Kapitel

28.  Kapitel

29.  Kapitel

30.  Kapitel

Epilog

Nachwort

Die Sterne über den Black Mountains

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

Epilog

Danksagung

Anhang

Leseprobe: Ein Schotte im Gepäck

Empfehlungen

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Cover

Titelseite

Inhalt

Der Himmel über den Black Mountains

Der Himmel über den Black Mountains

1. Kapitel

Die Wolken hingen tief über dem Golden Valley, das heute seinem Namen alles andere als gerecht wurde. Es schien, als hätte sich der Himmel den Trauernden auf dem Friedhof in Michaelchurch Escley angepasst. Die Worte des Priesters gingen beinahe unter im stetigen Prasseln des Regens auf den zahlreichen Regenschirmen. Doch die Menschen hatten sich vom Wetter nicht abhalten lassen, einer von ihnen die letzte Ehre zu erweisen. Emma war erstaunt, wie viele Leute ihre Tante gekannt haben musste. Bereits in der Kirche war jeder Platz besetzt gewesen, und die Trauer, die sie in den Gesichtern gesehen hatte, war echt gewesen und nicht gespielt wie jene, die sie im Gesicht ihres Freundes Richard sah, der an ihrer Seite stand. Richard hatte ihre Tante noch nicht mal gekannt, aber er war Schauspieler von Beruf, und es lag ihm wohl einfach im Blut, sich der Situation anzupassen. Vermutlich war er in Gedanken bereits wieder in London, bei einem seiner nächsten Auftritte im Queens Theatre, wo er eine der Hauptrollen in einem Musical besetzte. Nur ungern hatte er sie zu der Beerdigung begleitet. Die Reise an die Grenze Englands zu Wales dauerte von London immerhin gute drei Stunden, die er zum Schlafen hätte nutzen können, nachdem er erst gestern noch einen Auftritt gehabt hatte. Emma hatte all ihre weiblichen Waffen einsetzen müssen, damit er sie nicht hatte allein fahren lassen. Der Notar, der sie vor wenigen Tagen angerufen hatte, um sie über den Tod ihrer Tante zu informieren, meinte, sie wäre die letzte Verwandte von Milly. Kein Wunder, dass sie sich da bereits allein mit dem Priester vor Millys Grab hatte stehen sehen. Doch wenn sie jetzt in die Runde blickte, war klar, dass diese Furcht unbegründet gewesen war. Milly schien sehr beliebt gewesen zu sein im Dorf. Das tröstete Emma ein wenig, denn seit sie von dem Tod ihrer Tante erfahren hatte, machte sie sich große Vorwürfe, nicht früher den Kontakt gesucht zu haben. Es sollte niemand allein und einsam sterben müssen. Emma verdankte Milly ihre schönsten Kindheitserinnerungen. Als ihre Eltern noch nicht getrennt gewesen waren, hatte die kleine Emma ihre Ferien immer auf Millys Farm verbringen dürfen. Das war mittlerweile über dreißig Jahre her, aber sie erinnerte sich noch an die Zeit, als wäre es erst gestern gewesen. Sie musste sich eine Träne aus den Augenwinkeln wegwischen, als sie sich daran erinnerte, wie Milly sie eines Nachts geweckt hatte, um sie in das Wunder des Lebens einzuweihen. Sie hatte sie mit in den Stall genommen, wo gerade ein Lämmchen zur Welt gekommen war. Staunend hatte sie sein noch feuchtes Fell gestreichelt und zugeschaut, wie es zum ersten Mal versucht hatte, auf seinen dünnen, wackligen Beinchen zu stehen. Milly war mit ihr auf die Hügel der Black Mountains gewandert und hatte ihr die Schönheit dieser Gegend gezeigt. Aber ihre Tante ließ sie auch auf der Farm mitarbeiten, was Emma mit Stolz erfüllt hatte. Sie war dafür verantwortlich gewesen, dass die Hühner gefüttert waren, dass ihr Stall sauber war und die Eier in der Küche landeten. Einmal war Emma gestolpert, dabei waren ihr einige Eier aus dem Körbchen und auf den Boden gefallen. Sie hatte bereits ein Donnerwetter befürchtet, aber Milly hatte nur gelacht und ihr geholfen, den Küchenboden wieder sauber zu wischen. Emma hatte Milly geliebt, und sie hatte gedacht, ihre Tante hätte diese Liebe erwidert. Der Bruch kam, als Emmas Eltern sich im Streit getrennt hatten. Warum genau, das hatte ihre Mutter ihr nie verraten. Aber als ihr Vater die Wohnung verlassen hatte, kehrte er nie wieder zurück. Er sei ein Herumtreiber und ein Nichtsnutz, hatte ihre Mutter danach immer behauptet, aber darunter konnte sich Emma damals noch nichts vorstellen. Nach der Trennung war noch kein Jahr vergangen, als ihr Vater in Mexiko tot aufgefunden worden war. Milly war die Schwester von Emmas Vater gewesen, und sie hatte seine Frau für den Tod ihres Bruders verantwortlich gemacht. Ihre Tante wolle mit ihnen nichts mehr zu tun haben, hatte ihre Mutter erklärt, als Emma gequengelt hatte, um wieder die Ferien bei Milly verbringen zu dürfen. Für das damals zehnjährige Mädchen war eine Welt eingestürzt. Nicht nur hatte sie ihren Vater verloren, sondern auch noch ihre geliebte Tante. Mit der Zeit waren die Erinnerungen an Milly verblasst. Das Leben war weiter gerollt, hatte ihre Aufmerksamkeit auf anderes gelenkt: Die Schule, die erste große Liebe, ihre Ausbildung zur Bankkauffrau, die erste eigene Wohnung und später dann die schlimme Krankheit ihrer Mutter, die mit nur zweiundfünfzig Jahren den Kampf gegen den Krebs verlor.

Erst als der Notar Emma angerufen hatte, wurden alle Erinnerungen an die schönen Zeiten mit ihrer Tante in den Black Mountains wieder wachgerüttelt. Sie seufzte und blickte traurig auf das Grab vor ihr. Warum nur hatte sie ihre Mutter nie nach der Adresse ihrer Tante gefragt, um den Kontakt wiederherzustellen? Jetzt war es zu spät, und Emma war endgültig allein auf dieser Welt. Sie fröstelte und rückte etwas näher an Richard heran. Doch der verstand nicht, dass sie etwas mehr gebraucht hätte als nur seine Hand, die nach ihrer griff. Sie hätte sich gewünscht, er würde den Arm um sie legen, ihr Sicherheit und Halt geben. Erneut scannten ihre Augen die Gesichter der anderen Trauernden, in der Hoffnung, jemanden wiederzuerkennen. Wie hatte der Name des Jungen gleich noch mal gelautet, mit dem sie damals immer herumgerannt war? Gabriel … nein, Gavin? Gareth. Ja, Gareth war es gewesen. Doch würde sie ihn wiedererkennen? Wohl eher nicht, dreißig Jahre waren eine lange Zeit, in der man sich mehr als nur ein bisschen veränderte. Bestimmt war der kleine, freche Junge mit den leuchtend blauen Augen, der damals mit ihr barfuß durch die Bäche gewatet war, inzwischen auch weggezogen. Gareth hatte ihr gezeigt, wie man Fische fing, sie ausnahm und dann über dem Feuer knusprig briet. Ihr hatten die Fische immer leidgetan, aber wenn sie dann über dem Feuer hingen und ihr Geruch Emmas Nase erreichte, dann konnte sie der Versuchung doch nicht widerstehen. Nie hatte sie besseren Fisch gegessen als jenen damals am Ufer des Baches.

Der Priester hatte das Grab gesegnet, und nun zogen die Trauergäste einzeln daran vorbei und warfen je eine weiße Rose auf den Sarg. Als Emma an der Reihe war, gab sie ein Küsschen auf ihre Rose und bat die Tante still um Verzeihung, dass sie sich nicht mehr bemüht hatte, den Kontakt wiederherzustellen.

»So, das hätten wir«, sagte Richard hörbar erleichtert neben ihr, als sie den Friedhof verließen. »Und was machen wir nun bis morgen in diesem Kaff?«

»Emma?«, hörte sie plötzlich eine männliche Stimme hinter sich. Sie drehte sich um und blickte in ein ihr unbekanntes Gesicht. »Du bist doch Emma, oder?«, fragte der Typ mit der Schirmmütze nach.

»Ja, aber …« In dem Moment lächelte der Mann, und Emma erkannte dieses schiefe Grinsen sofort wieder. »Gareth!« Freudig umarmte sie ihn.

»Du hast uns also nicht ganz vergessen«, stellte er lächelnd fest und erwiderte die Umarmung. »Das hätte Milly gefreut.« Emma wartete darauf, dass ein Vorwurf folgen würde, aber der kam nicht. Vielmehr meinte Gareth, dass sie alle gleich ins Pub gehen würden, um auf das Leben von Milly anzustoßen. »Ihr kommt doch auch, oder?«

»Wir wollen nicht stören …«, begann Emma, doch Gareth wischte ihre Bedenken einfach weg. »Nun benimm dich nicht wie eine Städterin, und komm einfach mit.« Er stellte ihr seine Frau Lynn und seine drei Kinder vor und begleitete sie dann zum River Inn. Es war dasselbe Pub, in dem Emma und Richard ein Zimmer für die Nacht gemietet hatten, weil sie am folgenden Tag nach Hay-on-Wye mussten, wo der Notar Millys Testament verlesen würde.

Im Pub spielte bereits eine Band, und es wurde für die Erwachsenen Whisky, Cider und Bier ausgeschenkt, während die Kinder Limonade bekamen. Ganz anders als bei der Trauerfeier, die Emma für ihre Mutter ausgerichtet hatte, ging es hier fröhlich und laut zu. Es wurde gelacht, und lustige Anekdoten von Milly wurden ausgetauscht. Emma war beruhigt zu erfahren, dass sie ein gutes Leben geführt hatte. Sie war sehr beliebt gewesen im Dorf, hatte bei jedem Fest mitgewirkt, war da gewesen, wenn jemand sie gebraucht hatte, aber auch dann, wenn sie vielleicht mal nicht erwünscht gewesen war. Wie zum Beispiel damals, als Gareth seine erste Freundin gehabt hatte. Er war gerade mit ihr in Millys Scheune zu Gange gewesen, als Milly einen Eimer kaltes Wasser über sie gegossen hatte. »Du solltest dich schämen, Gareth Baker!«, hatte sie ihm nachgerufen, als er mit der Hose unter dem Arm davongerannt war. Geschämt hatte er sich tatsächlich, aber nicht wegen dem, was er mit seiner Freundin gemacht hatte, sondern weil Milly ihn nackt gesehen hatte. »Ich habe mich bestimmt vier Monate lang nicht getraut ihr in die Augen zu schauen, wenn ich ihr begegnet bin«, erzählte Gareth lachend. »Aber Milly hat dichtgehalten und mich nicht bei meinen Eltern verpetzt.«

»Und was ist aus deiner ersten Freundin geworden?«, fragte Emma schmunzelnd.

»Meine erste und einzige Frau.« Gareth beugte sich zu Lynn und gab ihr einen Kuss, was seinem Jungen, Sam, der neben ihm saß, ein lautes »Iiiih« entlockte, während der älteste Spross, Jason, nur mit den Augen rollte. Doch Gareth und Lynn lachten nur und schienen keineswegs verlegen zu sein. »Habt ihr auch Kinder?«, erkundigte sich Lynn, mit ihrer einjährigen Tochter im Arm, bei Richard und Emma.

»Nein, wir sind beruflich zu eingespannt«, antwortete Richard etwas überheblich.

»Aha.« Gareth schien das nicht zu beeindrucken, und er grinste ihn an. »Was hält dich denn so Wichtiges von der schönsten Sache der Welt ab?«

»Ich spiele eine tragende Rolle in einem Musical im Queen’s Theatre in London.« Emma hätte vor Scham im Boden versinken können. Warum musste er damit immer so herumprahlen?

»Wirklich?«, fragte Sam mit vor Aufregung glänzenden Augen. »Du stehst auf der Bühne und gibst Autogramme? Darf ich auch eines haben?«

»Sam«, wies ihn Lynn sanft zurecht. »Lass den armen Mann in Ruhe.«

»Das macht mir nichts aus. Ich gebe dir gerne ein Autogramm.« Schon zückte Richard aus seiner Jackentasche einen Stift und signierte einen Bierdeckel, den er dem Jungen hinhielt. Dieser sah die Unterschrift mit leuchtenden Augen an. »Wow! Danke! Das werde ich in der Schule erzählen, dass ich einen Star kenne.«

Emma verdrehte die Augen. Richard war weit entfernt davon, ein Star zu sein, aber er schien sich in der Rolle ziemlich gut zu gefallen. Doch sie konnte ihm nie lange böse sein, denn Richard war nun mal einfach Richard.

»Und was hast du all die Jahre über gemacht?«, wollte Gareth von Emma wissen. So fasste sie die letzten dreißig Jahre in wenigen Sätzen zusammen, was nicht gerade schwer war, denn ihr Leben war nicht besonders aufregend gewesen. Lachend tauschten sie danach weitere Erinnerungen aus ihrer Jugendzeit aus. Richard, der da nicht mitreden konnte, fühlte sich bald gelangweilt und zog sich aufs Zimmer zurück. Als Lynn mit den Kindern ebenfalls den Heimweg angetreten hatte, erkundigte sich Emma bei Gareth, wie Milly gestorben war. Er fühlte, dass sie sich Vorwürfe machte, und legte daher tröstend seine Hand auf die ihre. »Sie ist ganz plötzlich gestorben. Der Arzt meinte, dass sie wohl abends ins Bett gegangen und am nächsten Morgen einfach nicht mehr aufgewacht wäre. Ein schöner Tod, einfach ein bisschen früh. Siebzig ist ja noch kein Alter heutzutage.«

Emma nickte. »Ich hätte mich auf die Suche nach ihr machen sollen.«

»Du hast nicht gewusst, wo wir wohnen?«, fragte er erstaunt.

»Ich war damals zehn oder elf Jahre alt, Gareth!«, brachte sie zu ihrer Verteidigung vor. »Meine Mutter hat mir gesagt, Milly wolle keinen Kontakt mehr zu uns.« Dann berichtete sie ihm von dem Streit in ihrer Familie. Er hörte zu, und als sie geendet hatte, meinte er nur: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Milly dich nicht mehr hier haben wollte. Sie hat dich sehr gern gehabt. Trotzdem, mach dir keine Vorwürfe! Auch Milly hätte schließlich den Kontakt zu dir suchen können. Wie hast du überhaupt von ihrem Tod erfahren?«

»Ein Notar hat mich angerufen. Wir haben morgen einen Termin zur Testamentseröffnung bei ihm.«

»Schön, dann sehen wir uns wieder. Lynn und ich wurden ebenfalls eingeladen.« Er hob sein Glas, trank einen Schluck und sah sie dann amüsiert an. »Wie hältst du es bloß in der Stadt aus? Ich würde da keinen Tag sein wollen.«

Am nächsten Morgen fuhren Richard und sie nach Hay-on-Wye. Die Straßen waren so schmal, dass Richard mehrmals schimpfend in die Hecke ausweichen musste, um entgegenkommenden Fahrzeugen auszuweichen. Und das, obwohl Richards Wagen lediglich ein kleiner VW Polo war. Die Hecken aus Weißdorn, Geißblatt und Heckenbuche waren so hoch, dass man oftmals nur erahnen konnte, ob man freie Fahrt hatte oder nicht. »Warum können die auf dem Land keine vernünftigen Straßen bauen?«, wetterte Richard, als er erneut einem Lieferwagen ausweichen musste. Der Fahrer winkte ihnen freundlich zu.

Emma winkte gut gelaunt zurück. »Ich dachte immer, du magst das Risiko? Schau mal, da vorne!« Sie zeigte mit dem Finger auf einen Hasen, der gerade über die Straße hoppelte.

Das entlockte selbst Richard ein versöhnliches Lächeln. »Ich glaub, ich hab noch nie einen Hasen in freier Wildbahn gesehen.«

Emma gab ihm ein Küsschen auf die Wange. »Vielleicht sollten wir mal einen Urlaub auf dem Land einplanen. Dann kann ich dich in die Geheimnisse des Landlebens einführen.«

Richard manövrierte den Wagen wieder auf die Fahrbahn. »Sagt die Frau, die ihr bisheriges Leben in London verbracht hat«, neckte er sie gutmütig. »Aber so eine Nacht mit dir im Heu könnte schon ihren Reiz haben.«

Hay-on-Wye war ein verträumtes, kleines Städtchen am Fluss Wye. Es war gerade Markttag, und sie mussten lange suchen, bis sie einen Parkplatz gefunden hatten. Hand in Hand liefen sie durch die schmalen Straßen, vorbei an einem alten Fachwerkhaus, in dem ein Buchladen untergebracht war, der gebrauchte, aber auch neue Bücher verkaufte. So was hatte Emma noch nie gesehen, am liebsten wäre sie hineingegangen, um darin etwas zu stöbern. Dazu blieb aber keine Zeit, wenn sie nicht zu spät zu ihrem Termin erscheinen wollten. Das Büro des Notars befand sich ebenfalls in einem alten Fachwerkhaus, das nur unweit des Flusses lag. Im Gegensatz zu seinem Äußeren war es im Hausinneren sehr modern eingerichtet. Viel Glas, weiße Möbel und Spotlichter verliehen dem Notariat einen edlen Touch. Eine Sekretärin führte sie gleich in das Sitzungszimmer, wo der Notar, der sich als Thomas Finch vorstellte, und Gareth und Lynn bereits auf sie warteten. Nach der Begrüßung bat Finch sie, ebenfalls an dem langen Besprechungstisch Platz zu nehmen. »Dann wären wir bereits vollzählig und können mit der Verlesung des Testaments beginnen.«

Emma blickte zu Gareth, der ihr gegenübersaß und ihr aufmunternd zulächelte. Sie hatte das Gefühl, nicht wirklich hierher zu gehören. Nachdem sie all die Jahre über keinen Kontakt zu ihrer Tante gehabt hatte, hatte sie doch kein Recht, auch nur irgendetwas von ihr zu erben. Bestimmt war sie nur pro forma eingeladen worden oder bekam allerhöchstens ein Teeservice vererbt.

Mr Finch setzte sich seine Lesebrille auf und öffnete die Aktenmappe, die vor ihm lag und Millys letzten Willen enthielt. Er nahm das Dokument in die Hände und begann mit seriöser Stimme vorzulesen.

Milly bedankte sich zuerst bei Gareth für all seine Hilfe und die jahrelange Freundschaft der beiden Familien. Sie vermachte ihm ein Stück Land, das an seines angrenzte. Ebenfalls erhielt er zehntausend Pfund für die Versorgung von Millys Tieren, bis für diese eine Lösung gefunden werden konnte. Die nächsten Zeilen waren an ihre Nichte gerichtet:

Liebe Emma, ich weiß und bedaure es sehr, dass sich unsere Familien so zerstritten und wir uns daher aus den Augen verloren haben. Immer habe ich mir gewünscht, dass Du irgendwann den ersten Schritt machst, obwohl Du ja für den Zwist gar nichts konntest. Dumm und stur war ich. Ich hoffe, dass Du es mir verzeihst.Die Zeit, die Du bei mir auf der Farm verbracht hast, war für mich ganz besonders. Deine Freude an der Natur und Deine Liebe zu den Tieren, die hat uns verbunden. Erinnerst Du Dich noch? Ich weiß, dass meine Farm bei Dir gut aufgehoben wäre. Bestimmt hast Du aber mittlerweile ein Leben aufgebaut, in das eine Farm vielleicht nicht passt, oder Dein Mann und Deine Kinder wollen nicht aufs Land ziehen. Alldas kann ich sehr gut verstehen. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass die Farm im Familienbesitz bliebe. Daher biete ich Dir an, die Farm während eines Jahres zu bewohnen und zu bewirtschaften und Dich erst dann zu entscheiden, ob Du sie erben möchtest oder nicht. Wenn Du sie annimmst, geht auch mein restliches Gespartes, vollumfänglich anDich. Für die Auslagen der Farm während des Probejahres wird Dir Mr Finch ein Kapital von vierzigtausend Pfund überweisen. Solltest Du bereits jetzt wissen, dass Du die Farm nicht möchtest, wird er sie einer Tierrettungsorganisation überschreiben. Dies wird auch geschehen, wenn Du Dich nach dem Jahr gegen die Übernahme entscheidest. In dem Fall wird mein gesamtes Vermögen ebenfalls an die erwähnte Organisation gespendet.Liebe Emma, es istverständlich, wenn Du Dich nicht gleich entscheiden kannst, was Du mit dieser vielleicht etwas eigenartigen Erbschaft tun sollst. Daher räume ich Dir eine Bedenkzeit von drei Monaten ein. Wenn Du bis dahin keinen Entschluss gefasst hast, wird Mr Finch meinen Anweisungen folgen und die Farm der Tierrettung überschreiben. Es würde mich aber sehr freuen, wenn Du es mit der Rosebud Farm versuchen möchtest, und bestimmt werden Dir Gareth und Lynn am Anfang zur Seite stehen.

Als der Notar geendet hatte, blieb es einen Moment mucksmäuschenstill im Raum. Emma versuchte zu verstehen, was sie eben gehört hatte. Sie sollte hierherziehen und die Farm übernehmen?! Aber das ging doch gar nicht! Sie hatte einen Job und eine Wohnung in London! Was sie definitiv nicht hatte, war eine Ahnung vom Leben auf einer Farm! In ihrem Kopf schwirrten die Gedanken umher wie wildgewordene Wespen.

»Wie hoch ist das Vermögen von Emmas Tante?«, erkundigte sich Richard nüchtern beim Notar.

»Tut mir leid. Das darf ich Ihnen nicht sagen. Sollten Sie sich nach einem Jahr für die Farm entscheiden, werden Sie es erfahren.« Mr Finch legte seine Lesebrille ab und schaute Emma erwartungsvoll an. Irgendwie erinnerte er sie mit seinen graumelierten Haaren und der schlanken Statur an Paul Newman im Film Mr & Mrs Bridge.

»Ich würde die Farm gerne sehen, bevor wir zurück nach London fahren. Geht das?«, fragte Emma ihn.

»Aber natürlich, Miss Fitzgerald. Ich fahre gerne mit Ihnen raus.«

Eine Dreiviertelstunde später folgten Richard und sie in ihrem Wagen dem Jaguar von Finch die schmalen Straßen zurück nach Michaelchurch Escley. Sie fuhren durch das Dorf hindurch, weiter den Hügel hinauf und dann die Kuppe entlang, bis sie zu einem hölzernen Tor gelangten. Finch hielt vor ihnen an, stieg aus und öffnete das Tor, damit sie hindurchfahren konnten. Die gekieste Straße führte nun wieder etwas den Hügel hinab. Als das Haus dann endlich auftauchte, raubte es Emma schier den Atem. Es sah alles noch so aus, wie sie es aus ihrer Kindheit in Erinnerung hatte. Das Hauptgebäude war aus massivem Stein gebaut, und eine Kletterhortensie wuchs daran empor. Das Dach war mit Schieferschindeln gedeckt, die Fensterrahmen waren weiß lackiert, und die Haustür leuchtete fröhlich in zartem Mint. Kaum hatte Richard den Wagen auf dem großen Kiesplatz neben dem von Finch geparkt, stieg Emma auch schon aus. Ihr Blick wanderte über die sanften Hügel und die Felder, die mit den ortsüblichen Hecken abgetrennt waren. Sie hörte die Schafe in der Ferne blöken, ansonsten herrschte absolute Stille.

»Schön, nicht?«, unterbrach Finch die Stille.

»Na ja, ein bisschen sehr still«, meinte Richard.

Emma war im Moment nicht in der Lage, zu sprechen. Zu viele Erinnerungen stürmten auf sie ein. Das Einzige, was fehlte, waren die Hunde, Hühner und Laufenten, die damals immer frei auf dem Hof herumgelaufen waren.

Finch hatte inzwischen die Haustür aufgeschlossen. »So, bitte. Schauen Sie sich in aller Ruhe um. Ich setze mich so lange in die Sonne.«

Emma betrat den Flur, wo an der Garderobe noch immer Jacken an Haken hingen und Stiefel aufgereiht standen. Die Türe zu ihrer linken Seite führte in die Küche, erinnerte sich Emma, und rechts ging es ins Wohnzimmer mit dem großen, steinernen Kamin. Sie betrat zuerst das Wohnzimmer. Im großen Kamin stand jetzt ein kleiner Ofen, das war bestimmt ökologischer, und es ging weniger Wärme verloren. Aber Emma erinnerte sich nur zu gerne an die großen Feuer, die Milly am Abend oftmals entfacht hatte. Sie meinte förmlich, den Rauch riechen und das Feuer noch knacken hören zu können. Der Boden bestand hier wie in den restlichen Räumen im Untergeschoss aus großen Kalksteinplatten, über die bei den Sitzgelegenheiten Teppiche gelegt waren. An die Einrichtung konnte Emma sich nicht mehr erinnern. Gut, bestimmt hatte ihre Tante in den vergangenen Jahren das eine oder andere Teil ausgetauscht. Sie trat zu den großen Flügelfenstern, die einen herrlichen Ausblick über die Hügel boten und viel Licht in das Wohnzimmer ließen. Dicht gefolgt von Richard ging sie weiter in die Küche.

»Mann, Mann, Mann. In das Haus müsstest du ziemlich viel Geld investieren, um es zu modernisieren.« Richard blickte verächtlich auf den alten Aga-Herd und die verschnörkelten Wasserhähne. Emma lächelte nachsichtig. Sie wusste, dass Richard noch nie was für den Landhausstil übriggehabt hatte. »Du irrst dich, Richard. Die Küche ist nur auf alt gemacht. Sie scheint mir erst vor wenigen Jahren eingebaut worden zu sein. Schau dir nur den Aga-Herd an, der wird mit Strom und nicht mit Holz betrieben. Das Belfast Sink hat noch kaum einen Kratzer.« Emma war total begeistert. Auch darüber, dass der alte Eichenholztisch noch immer in der Küche stand. Sie hatte als Kind oft an dem Tisch gesessen und gemalt, während ihre Tante kochte. Sanft strich sie über die Tischplatte, die einige Kratzer und Dellen aufwies, die davon zeugten, dass der Tisch schon viele Jahre auf dem Buckel hatte und einiges zu erzählen gehabt hätte, wenn er könnte. Eine weitere Tür führte von der Küche direkt auf die Terrasse, wo ihre Tante früher Tomaten und Kräuter in Töpfen wachsen ließ.

»Komm, zeig mir, wo du geschlafen hast, wenn du bei deiner Tante warst.« Richard wollte möglichst bald das alte Haus verlassen und den Rückweg nach London antreten. Im oberen Stock fand Emma schnell ihr Zimmer und war verblüfft, wie beengt es tatsächlich war. Sie hatte es viel geräumiger in Erinnerung. Noch immer stand ein Gästebett darin, aber der Raum war nicht mehr so hübsch wie damals, als es sozusagen ihr Zimmer gewesen war. Jetzt war er für Erwachsene und nicht wie damals für ein kleines Mädchen eingerichtet. Doch der Blick aus dem Fenster war derselbe geblieben. Man sah direkt auf den Hofplatz hinunter. Emma erinnerte sich daran, wie sie von hier oben oftmals die Hunde beobachtet hatte. Es war wirklich seltsam die Farm ohne die Tiere zu sehen.

Richard holte sie aus ihren Erinnerungen zurück, als er vom Familienbadezimmer aus rief: »Emma, das musst du dir ansehen!«

Als sie neben ihn trat, musste sie schmunzeln. Das Bad war wirklich etwas speziell: Die Badewanne mit Löwenkopf-Füßchen stand vor einem Fenster, von wo man über die Weiden blicken konnte. Natürlich waren alle Armaturen im Antik-Look, was Richard nur den Kopf schütteln ließ. »Es gibt noch nicht mal eine vernünftige Dusche in diesem Haus! Wie kann man nur ein Badezimmer ohne Dusche bauen?! Und schau dir mal die Armaturen an, noch nicht mal einen Mischer haben die!«

Emma musste über sein Entsetzen laut lachen. »Ja, es grenzt an ein Wunder, dass Tante Milly überhaupt ihr Alter erreicht hat«, zog sie ihn auf.

»Haha, sehr lustig. Du musst doch zugeben, dass das nicht praktisch ist, ebenso wenig wie das Parkett. Holz in einem Badezimmer?! Das weiß man doch mittlerweile, dass das nicht gut geht.«

»Hmm, aber es fühlt sich unter nackten Füßen bestimmt viel angenehmer an als Fliesen. Schau mal aus dem Fenster! Es muss absolut herrlich sein, hier bei dieser Aussicht in der Badewanne zu entspannen.«

Richard knurrte etwas Unverständliches. Auf diesem Stockwerk gab es ansonsten nur noch ein Zimmer, in dem Milly ihr Büro eingerichtet hatte, und ihr riesiges Schlafzimmer. Irgendjemand hatte die Bettwäsche abgezogen, nachdem Milly darin gestorben war, aber ansonsten sah der Raum aus, als würde derjenige, der ihn benutzt hatte, gleich wieder zurückkommen. Auf dem kleinen Schminktischchen standen noch immer verschiedene Cremes und Töpfchen. Kleider lagen über dem Stuhl, in die Milly wohl am nächsten Morgen wieder hatte schlüpfen wollen. In diesem Raum duftete alles noch so sehr nach ihrer Tante, dass Emma die Tränen in die Augen traten. Wie hatte sie diesen Duft nach Maiglöckchen, der ihre Tante immer umgeben hatte, nur vergessen können?

»Komm, lass uns gehen, bevor du noch rührseliger wirst«, drängte Richard zum Aufbruch.

Auf dem Hofplatz verabschiedeten sie sich von Finch, und dann machten sie sich auf den Rückweg nach London. Während der Fahrt meinte Richard: »Deine Tante muss ziemlich verrückt gewesen sein, wenn sie glaubt, dich zwingen zu können, in diesem Kaff zu leben. Du solltest dir einen Anwalt nehmen und das Testament anfechten.«

Emmas Kopf schnellte zu ihm herum. »Das werde ich mit Sicherheit nicht tun! Das Testament ist ihr letzter Wille, und den respektiere ich.«

»Du überlegst dir doch nicht wirklich ernsthaft, ein Jahr da draußen zu leben, oder? Wie sollte das gehen? Du hast einen Job in London.«

»Ich weiß, Richard! Das ist mir durchaus bewusst. Aber ihr Testament anzufechten kommt für mich definitiv nicht in Frage. Ich hatte über Jahrzehnte keinen Kontakt zu Milly. Wieso sollte ich da überhaupt etwas von ihr erben?«

»Weil du mit ihr verwandt warst. Du hast ein Recht darauf!«

»Das sehe ich anders. Wenn ich ihrem Wunsch nicht nachkommen kann, dann soll das Grundstück den Tieren zugutekommen. Tiere waren für sie damals schon das Wichtigste, und das scheint sich nicht geändert zu haben.«

»Aber …«, wollte Richard ansetzen, doch Emma unterbrach ihn gleich aufgebracht: »Nichts aber, Richard! Ich setze mich ganz bestimmt nicht über den Willen einer Toten hinweg.«

Die weitere Fahrt legten sie schweigend zurück, bis Richard sie vor ihrer Wohnungstür in London absetzte und sich mit einem Kuss verabschiedete.

2. Kapitel

Diese Erbschaftsgeschichte ließ Emma nicht los. Sie hatte eigentlich beschlossen, zwei oder drei Wochen zu warten und dann dem Notar Bescheid zu geben, dass sie die Erbschaft nicht annehmen könne. Doch irgendwie erwischte sie sich immer wieder dabei, wie sie sich vorstellte, dort in diesen grünen Hügeln zu leben. Sie konnte es sich gut vorstellen, in dieser gemütlichen Küche zu kochen und am Abend dann vor dem Kamin bei einer schönen heißen Tasse Tee ein gutes Buch zu lesen. Das Blöde war nur, dass sie dann immer wieder die Realität einholte: Von was sollte sie ihren Unterhalt bestreiten, wenn sie auf der Farm lebte? Ihr Job war hier in London, und sie hatte keine Ahnung davon, wie man eine Farm betrieb.

»Wie hat das denn deine Tante gemacht?«, fragte Christy, ihre Freundin, bei einer ihrer gemeinsamen Mittagspausen. Sie hatten sich vor über zehn Jahren in der Bank, wo sie beide arbeiteten, kennengelernt. Der feurige Rotschopf war Emma gleich auf Anhieb sympathisch gewesen. Hemmungen schienen für Christy ein Fremdwort zu sein. Sie sagte immer frei heraus, was sie dachte, und ihr Lachen war einfach ansteckend. Eigentlich war Christy das pure Gegenteil von Emma. War Emma ihrerseits ruhig und überlegt, so war ihre Freundin spontan und unüberhörbar. Christy konnte mit ihrer offenen Art eine ganze Party unterhalten, während die meisten von Emma keine Notiz nahmen, wenn sie den Raum betrat. Nicht dass Emma eine graue Maus gewesen wäre, sie mochte es nur überhaupt nicht, im Mittelpunkt zu stehen, und benahm sich daher eher unauffällig. Sie überließ lieber anderen die Bühne, und Christy rockte diese auf ihre unwiderstehliche Art.

»Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Wie gesagt, wir hatten bestimmt dreißig Jahre keinen Kontakt mehr.« In Erinnerungen versunken schüttelte Emma schließlich den Kopf. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Felder bearbeitet oder gar Tiere gehalten hat, die sie dann zum Schlachten gebracht hat. Für Letzteres war sie einfach zu tierlieb.« Emma seufzte verträumt. »Du hättest diese Küche sehen sollen und das hübsche Badezimmer …«

Christy kicherte. »Du und dein romantisches Landleben! Für mich wäre das ja nichts. Ich brauche die Stadtluft, aber warum wagst du es nicht einfach und versuchst es mal für ein Jahr?«

»Und mein Job? Und Richard?«, wandte Emma ein. »Er war nicht gerade angetan von dem Haus. Richard würde es hassen, so weit fahren zu müssen, damit wir uns sehen können.«

»Er ist ein Idiot! Du solltest ihn in den Wind schießen.«

»Christy! Sag nicht so was! Nur weil er noch nicht mit mir zusammenziehen will, ist er noch lange kein Idiot.« Emma hatte Christy schon öfters davon erzählt, dass ihre Beziehung mit Richard seit einiger Zeit stagnierte und der Zeitpunkt für eine gemeinsame Wohnung doch eigentlich längstens gekommen war. Richard fand aber immer irgendeinen Grund, weshalb sie diesen Schritt noch nicht wagen sollten.

»Ihr seid nun schon vier Jahre zusammen, und noch immer lebt ihr in getrennten Wohnungen. Wenn ihr so weitermacht, schafft ihr es noch nicht einmal in ein gemeinsames Zimmer im Altenheim. Er ist es nicht wert, dass du auf ihn Rücksicht nimmst und deswegen auf deinen Traum verzichtest, Emma.«

»Es ist ja nicht nur wegen ihm«, versuchte sie ihren Freund etwas in Schutz zu nehmen, obwohl sie selbst nicht verstand, warum Richard sich so zierte. Wenn man sich wirklich liebte, dann wollte man doch möglichst viel Zeit mit dem anderen verbringen. Emma hingegen kam es vor, als ob sie mehr Zeit in der U-Bahn mit Pendeln verbrächte als mit Richard. Auch fand sie es etwas seltsam, dass er in ihrer Wohnung nicht ein einziges Kleidungsstück oder sonst irgendwas von sich deponiert hatte. Er hatte immer alles bei sich, was er brauchte, und manchmal kam ihr das so vor, als wolle er sichergehen, sie jederzeit und für immer verlassen zu können.

»Du willst mir nicht etwa weismachen, dass du wegen diesem langweiligen Job hier das Erbe nicht antrittst?«

»Er mag langweilig sein, aber er ermöglicht mir vieles, was ich mir sonst nicht leisten könnte«, argumentierte Emma, wie immer die Vernunft in Person.

»Emma, du liegst mir jetzt schon seit Jahren in den Ohren, wie schön ein Leben auf dem Land wäre, und nun bietet sich die Möglichkeit und du ziehst einfach den Schwanz ein?!« Christy sah sie herausfordernd an.

»Ich zieh den Schwanz nicht ein!«, empörte sich Emma.

»Doch, du bist ein Feigling.«

»Christy! Ich …«

Christy grinste übers ganze Gesicht. »Feigling!«

Emma stellte ihr Geschirr zusammen und erhob sich von ihrem Stuhl. »Nenn mich, wie du willst. Nur weil ich vernünftig bin und auch an meine Zukunft denke, bin ich noch lange kein Feigling.«

Christy stand ebenfalls auf. »Doch, das bist du. Was hättest du denn schon zu verlieren? Einen Job findest du immer wieder. Du bist schließlich die perfekte Mitarbeiterin: zuverlässig, still und emsig wie ein Bienchen.«

Scheppernd stellte Emma ihr Geschirr in den dafür vorgesehenen Trolley. »Es kann nun mal nicht jede so sein wie du, Christy! Ich mag mein Leben, so wie es ist.«

Christy hob eine Augenbraue. »Ah ja, daher schwärmst du mir immer von einem Landgut vor, auf dem du die Tiere halten könntest, die du hier nicht haben kannst. Von Vogelgezwitscher beim Aufwachen, von Grillenzirpen in den Abendstunden auf der Terrasse und gemütlichen Nächten vor dem Kamin. Emma, du bist kein Stadtmensch!«

»Mag sein, aber auch ein Landei muss sich von irgendwas ernähren. Und nun Schluss damit! Es bringt nichts zu träumen, wenn ich das Erbe doch nicht annehmen kann.«

Als Emma am Abend von der Arbeit nach Hause kam, fiel ihr im Poststapel gleich der Brief der Liegenschaftsverwaltung auf. Mist, wenn das mal nicht wieder eine Mieterhöhung war! Die Preise für Wohnungen in London nahmen wirklich langsam Ausmaße an, die sich ein Normalsterblicher kaum noch leisten konnte. Allein schon deswegen sollten Richard und sie endlich zusammenziehen. Das wäre viel kostengünstiger. Himmel, Emma, wie redest du schon! Man zieht doch nicht wegen der Kosten zusammen! Kopfschüttelnd und mit einem unguten Gefühl im Bauch öffnete sie das Schreiben. Rasch überflog sie die Zeilen, dann musste sie sich erst mal setzen. Es war keine Mieterhöhung, sondern die Kündigung! Der Wohnblock sollte komplett renoviert werden und wäre für eine gewisse Zeit unbewohnbar. Daher müsse man allen Mietern leider kündigen, anschließend hätten sie aber das Vorkaufsrecht für ihre neue Wohnung. Super! Als ob sie es sich leisten könnte, eine Wohnung zu kaufen. Sie war nur eine Angestellte der Bank und nicht die Besitzerin! Der Kündigungstermin war auf in zwei Monaten festgesetzt. Wie sollte sie es schaffen, in dieser Zeit in London eine neue Bleibe zu finden? Ihr Handy klingelte, und Richards Name erschien auf dem Display.

»Hey, Süße. Hast du Lust heute Abend nach der Vorstellung auszugehen? Es gibt was zu feiern, und ich möchte dich ins Chez Margo ausführen.«

Emma hatte bereits von dem französischen Restaurant gehört, das zurzeit völlig angesagt war in London. Eigentlich war ihr nicht nach Feiern zumute, aber Richard klang so aufgekratzt, dass sie ihm die Freude nicht verderben wollte. Zudem würde es sie vielleicht etwas von der Sorge um ihre Wohnung ablenken. Sie verabredeten sich vor dem Restaurant. »Ach und zieh was Hübsches an. Der Laden ist im Moment absolut hip.«

Bevor sie ihm entgegnen konnte, dass er sich wegen ihr schon nicht zu schämen bräuchte, hatte er bereits aufgelegt. Super, nun musste sie sich auch noch aufbrezeln! Seufzend trat sie vor ihren Kleiderschrank und zog ihr kleines Schwarzes heraus, das immer für solche Gelegenheiten herhalten musste. Wie gut, dass Christy das nicht sah. Sie war schon immer der Meinung gewesen, Emma kleide sich viel zu langweilig und müsse mehr Mut zur Farbe haben. Aber mit einem schwarzen Kleid konnte man nichts falsch machen, das hatte ihr schon ihre Mutter beigebracht.

Da ihre High Heels nicht wirklich für längere Spaziergänge taugten, gönnte sie sich ein Taxi. Richard wartete bereits vor dem Restaurant und begrüßte sie mit einem Kuss. »Wie war dein Tag?«, erkundigte er sich höflich, als er ihr aus dem Mantel half.

»Bescheiden. Ich habe vom Vermieter die Wohnung gekündigt bekommen«, platzte Emma gleich mit ihrer Sorge heraus. Doch mehr konnte sie nicht erklären, weil bereits ein Kellner mit einem diskret gemurmelten »Bonsoir« auf sie zutrat und sie zu ihrem Tisch geleitete. Erst als sie die Speisekarten in den Händen hielten, sah Richard sie mitfühlend an. »Das ist ärgerlich. Was war denn die Begründung für die Kündigung?«

»Sie wollen das Gebäude sanieren und behaupten, es sei in der Zeit nicht bewohnbar. Danach hätten wir aber das Vorkaufsrecht auf die Wohnungen.« Emmas Augen funkelten wütend, als sie fortfuhr: »Als ob wir uns das leisten könnten bei den Preisen, die zurzeit in London verlangt werden! Was glauben die wohl, warum wir zur Miete wohnen?!«

Der Kellner trat wieder an ihren Tisch heran. »Darf ich Ihnen bereits etwas zu trinken bringen?«, fragte er mit französischem Akzent.

»Gerne. Bringen Sie uns bitte eine Flasche Champagner Ihrer Hausmarke. Wir haben etwas zu feiern.«

Entgeistert schaute Emma Richard an. Champagner? Das musste wirklich eine gute Neuigkeit sein, die er erhalten hatte. Sie kannte ihn nicht so spendabel. »Guck nicht so!«, grinste Richard. »Was ich dir zu erzählen habe, könnte vielleicht die Lösung für dein Problem sein.« Würde er sie jetzt etwa bitten, zu ihm zu ziehen? Emmas Herz begann schneller zu klopfen. »Lass uns zuerst bestellen«, schmunzelte Richard, der ihr die Ungeduld ansah.

»Wie könnte ich mich jetzt auf die Speisekarte konzentrieren, wo du Champagner bestellt hast? Nun erzähl schon, Richard!«

»Na schön, du gibst ja doch keine Ruhe. Der Produzent unseres Musicals hat mich heute Nachmittag angerufen und zu sich ins Büro bestellt. Sie planen, das Musical ein halbes Jahr in Paris aufzuführen, und er hat mir die Hauptrolle angeboten. Das heißt, ich bekomme eine höhere Gage und werde ein halbes Jahr in Paris leben!« Er strahlte vor Vorfreude. Paris! Wow, ob er sie wohl bitten würde, ihn in die Stadt der Liebe zu begleiten? Sie sah sich schon bei Kaffee und Croissants in einem kleinen Bistro sitzen.

»In der Zeit, wo ich in Paris bin, könntest du bei mir einziehen. So wäre dein Problem fürs Erste gelöst, und du könntest auf meine Wohnung achten. Bis ich dann zurückkomme, hast du bestimmt was Neues für dich gefunden.« Das Lächeln auf Emmas Gesicht fror ein. So lange er weg war, durfte sie bei ihm wohnen, aber danach hätte sie wieder zu verschwinden. Neben ihr erschien der Kellner, der die Champagnerflasche mit einem leisen Plopp öffnete und ihnen beiden gleich ein Glas einschenkte. Doch Emmas Begeisterung darüber war erloschen. »Haben Madame und Monsieur bereits gewählt?«

Richard schaute sie auffordernd an. »Was möchtest du essen?«

Emma blickte noch einmal auf die Karte, sah aber nur Gerichte mit Fleisch oder Fisch. »Haben Sie auch vegetarische Gerichte?«, fragte sie den Kellner.

»Mais oui. Wir haben Lachs, St. Petersfisch, Thunfischfilet …« Er deutete mit dem Finger auf die Stelle in der Menükarte, wo die Fischgerichte aufgeführt waren.

»Fische sind auch Tiere. Ich esse nichts, was wegen mir sterben musste.« Richard warf ihr einen genervten Blick zu. »Gut, dann nehme ich den gemischten Salat«, beeilte sie sich zu sagen.

»Gerne, aber ich kann Ihnen leider nicht mit Gewissheit sagen, dass beim Waschen des Salates keine Tierchen ertrunken sind.« Der Kellner verzog keine Miene, als er das sagte. Emmas Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen. »Finden Sie das etwa lustig?«

»Oui, Madame … ähm, non, natürlich, entschuldigen Sie bitte. Der Koch würde Ihnen bestimmt gerne einen Gemüseteller zubereiten.«

»Das ist nicht nötig, aber danke«, meinte Emma versöhnlicher. Der Kellner wandte sich nun Richard zu.

»Ich hätte gerne den Hummer …«

»Mit Sicherheit nicht, Richard!«, zischte Emma empört. »Du weißt, wie diese Tiere zubereitet werden!«

»Ja, das weiß ich«, sagte Richard genervt und schaute sich um, ob sie bereits Aufsehen erregten. »Aber ich habe heute was zu feiern und habe nun mal Lust auf Hummer. Warum musst du jedes Mal so einen Aufstand machen in den Restaurants?«

»Wenn du diesen Hummer bestellst, der in der Küche bei lebendigem Leib in kochendes Wasser geworfen wird …«

»Es ist schon spät, Madame«, mischte der Kellner sich ungefragt ein. »Die Tierärzte haben ihre Praxen bereits geschlossen, sodass wir den Hummer leider nicht vorher sanft einschläfern lassen können.«

Empört schaute Emma den dreisten Kellner an. »Sie finden sich wohl sehr witzig, nicht wahr? Es sind Lebewesen, die ein Schmerzempfinden haben, und es ist einfach das Allerletzte …«

»Liebes, bitte!« Die Leute an den Nebentischen blickten neugierig zu ihnen herüber, was Richard mehr als nur etwas peinlich war. »Ich nehme den Hummer«, sagte er bestimmt zum Kellner.

»Wenn du das tust, dann steh ich auf und verlasse augenblicklich das Lokal.« Wütend funkelte sie Richard an, der ihrem Blick nicht auswich.

»Den Hummer, bitte!«, wiederholte Richard seine Bestellung unnachgiebig. Emma stand ohne ein weiteres Wort auf, legte ihre Serviette hin und ging zur Garderobe. Sie hätte erwartet, dass Richard ihr hinterherlief, um sich zu entschuldigen, aber nein. Nicht mal der Kellner folgte ihr, um ihr in den Mantel zu helfen. Na schön! Wütend verließ sie das Lokal, während sie noch damit kämpfte, ihren Arm in die dafür vorgesehene Öffnung des Mantels zu zwängen, ohne dabei das Gleichgewicht auf ihren High Heels zu verlieren. Wer immer Mäntel mit engen Ärmeln erfunden hatte, gehörte bestraft. Sie hatte es beinahe geschafft, endlich alle notwendigen Körperteile in das Kleidungsstück zu bugsieren, als ein verräterisches Ratsch sie in ihrem Schritt bremste. Super, dem Futterstoff war wohl das ganze Gezerre zu viel geworden, und er hatte kurzerhand mal beleidigt die Naht platzen lassen, bevor er ihrem Arm den Weg freigab. Das war definitiv nicht Emmas Abend. Zumindest stand vor dem Restaurant bereits ein Taxi, sodass sie nicht lange warten musste. Nur mit Mühe konnte sie auf der Fahrt ihre Tränen zurückhalten. Richard hatte ihr gerade eben deutlich vor Augen gehalten, dass er nicht beabsichtigte, in näherer Zukunft sein Leben mit ihr zu teilen.

Am nächsten Tag ging Emma völlig gerädert zur Arbeit. Sie hatte kaum ein Auge zugetan und gehofft, Richard würde sich noch bei ihr melden und sich für sein Verhalten entschuldigen. Aber nichts dergleichen geschah. Kein Anruf, keine SMS, einfach nichts. Je länger sie wachgelegen hatte, desto deutlicher hatte sie ihre Zukunft vor Augen gehabt: Würde sie mit Richard zusammenbleiben, wäre sie trotzdem allein. Früher oder später würde der eitle Schauspieler sie vermutlich sowieso gegen eine Jüngere austauschen, und dann? Sie hätte ihre besten Jahre hinter sich, würde weiterhin fleißig und brav zur Arbeit gehen und abends käme sie nach Hause in ihre leere Wohnung. Irgendwann würde sie in Rente gehen und noch mehr vereinsamen, obwohl sie in einer Millionenstadt wohnte. Niemand würde es merken, wenn sie dann irgendwann alleine in ihrer Wohnung ihr Leben aushauchte. Erneut schüttelte sie sich, als sich diese Vorstellung wieder in ihre Gedanken schlich. Warum tat sie nicht etwas dagegen, bevor sie ihr Leben vergeudete?

»Alles okay mit dir?«, fragte ihre Arbeitskollegin am Tisch gegenüber, der aufgefallen war, dass Emma schon minutenlang auf den Bildschirm starrte, ohne wie sonst mit den Fingern über die Tastatur zu sausen.

»Hä?«

»Na, der Bildschirm übernimmt die Daten nicht per Telepathie, außer du hast da eine neue Methode entwickelt«, grinste ihre Tischnachbarin sie an.

Emma nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte die Nummer ihres Vorgesetzten. »Haben Sie einen Moment Zeit für mich, Mr Coburn?«, fragte sie, sobald er sich gemeldet hatte. Wenige Minuten später saß sie bei ihm im Büro. »Ich weiß, es kommt jetzt etwas überraschend, aber ich wollte Sie persönlich informieren, dass ich meine Stelle kündigen werde.«

Coburn sah sie betroffen an. »Warum denn das? Haben Sie ein besseres Angebot erhalten?«

Emma schmunzelte. »Nein, aber ich muss etwas verändern in meinem Leben …«

»Aha, Midlifecrisis also. Wusste gar nicht, dass die bei Frauen auch vorkommt. Nun ja, wir haben Sie sehr gerne in der Bank, Miss Fitzgerald, und würden es sehr bedauern, Sie zu verlieren. Ich könnte für Sie gerne prüfen, ob Sie allenfalls die Abteilung wechseln könnten. Das wäre doch eine nette Abwechslung.«

»Das ist wirklich sehr freundlich, Mr Coburn, aber das reicht mir nicht. Ich werde aufs Land ziehen. Mir hat sich da eine Möglichkeit geboten, die ich ausprobieren möchte.«

»Sie klingen ziemlich entschlossen. Es scheint, als könnte ich Sie nicht aufhalten«, sagte er mit einem kleinen, angedeuteten Lächeln, das er nicht vielen seiner Angestellten zukommen ließ.

»So ist es, aber danke für Ihre Wertschätzung.« Emma erhob sich von ihrem Stuhl. »Ich werde Ihnen das Kündigungsschreiben selbstverständlich noch zukommen lassen.«

»Selbstverständlich. Sollten Sie herausfinden, dass das Landleben doch nichts für Sie ist, Miss Fitzgerald, dann melden Sie sich wieder bei mir, ja? Fähige Leute können wir immer gebrauchen.«

Emma errötete etwas bei dem ausgesprochenen Lob. »Danke«, sagte sie leise und ging dann zurück zu ihrem Arbeitsplatz.

»Was hast du gemacht?!«, fragte Christy entgeistert in ihrer gemeinsamen Mittagspause in der Kantine der Bank.

»Gekündigt. Du hast mir doch dazu geraten.«

»Ja, aber doch nicht ratzfatz. Und woher kommt plötzlich dein Sinneswandel?«

Emma erzählte ihrer Freundin von dem desaströsen Abend mit Richard und was ihr daraufhin klar geworden war. »Ich will nicht allein in meiner Wohnung sterben, obwohl Millionen von Menschen da draußen sind.«

Christy griff über den Tisch und strich sanft über Emmas Hand. »Hach, Liebes, ich bin doch auch noch da. Natürlich stirbst du nicht allein. Trotzdem bin ich froh, dass du endlich siehst, dass die Beziehung mit Richard keine Zukunft hat. Er ist jemand, der Bewunderer braucht, keine gleichwertige Partnerin, die am Ende noch Ansprüche stellen könnte.« Christy grinste schelmisch. »Aber dass du deswegen hier gleich alles hinwirfst, das hätte ich dir ehrlich gesagt nicht zugetraut.«

»Das ist es nicht allein. Mein Vermieter hat mir zudem die Wohnung gekündigt. Du weißt, wie schwer es ist, in London eine Wohnung zu finden …«, erklärte Emma.

»Du hättest doch bei mir einziehen können!«

»In deine Einzimmerwohnung?! Und wohin hättest du dann deine Dates abgeschleppt? Nein, Christy, das wäre nicht gut gegangen. Aber danke für das lieb gemeinte Angebot. Ich glaube, das Schicksal will mich in eine bestimmte Richtung lenken, und vielleicht ist es wirklich mal an der Zeit, darauf zu hören.«

»Und wovon willst du leben? Etwa vom Kühemelken? Du hast keine Erfahrung, wie man eine Farm führt.«

Emma lachte. »Hast nicht du mir gerade gestern noch dazu geraten?! Zudem hat meine Tante es auch irgendwie geschafft. Ich glaube nicht, dass sie vor Hunger gestorben ist.« Und einsam war sie auch nicht, dachte Emma, als sie sich die vielen Menschen auf der Beerdigung in Erinnerung rief.

»Da bist du ja!« Richard kam mit einem überdimensionalen Rosenstrauß durch die Kantine an ihren Tisch geeilt. Christy zog die Augenbrauen nach oben und schaute ihre Freundin vielsagend an.

»Hör mal, Emma, das gestern Abend tut mir leid. Ich war etwas unsensibel, aber ich war mit meinen Gedanken bereits in Paris und hab nicht weiter nachgedacht.« Er hielt ihr den Strauß Rosen hin und schaute sie so treuherzig an, dass ein Hundewelpe dagegen keine Chance gehabt hätte. Doch Emma machte keine Anstalten, die Rosen an sich zu nehmen. Stattdessen stand sie auf und zog ihn an seinem Arm nach draußen. Es musste ja nicht jeder mitbekommen, was in ihrem Privatleben los war. Die Luft war kühl, als sie hinaus auf den Gehweg traten, und Emma bedauerte es, ihre Jacke nicht dabeizuhaben. Traurig blickte sie auf die Themse, die vor dem Bankgebäude ruhig dahinfloss. Richard lehnte locker an der steinernen Mauer, die den Themseweg von dem Fluss trennte, und machte keine Anstalten, ihr seine Jacke anzubieten. Touristen liefen an ihnen vorbei, aber niemand nahm von ihnen Notiz. So war das eben in London: So viele Menschen und trotzdem war man allein. Emma drehte sich zu ihm um. »Richard, das mit uns beiden macht keinen Sinn …«

»Ich habe mich doch entschuldigt, Emma«, unterbrach er sie ungehalten. »Immerhin bin ich extra hierhergekommen!«

Sie musste schmunzeln. Ja, Richard mochte große Auftritte. Sie beide waren so unterschiedlich, und es verblüffte sie, dass ihr das früher nie aufgefallen war.

»Ich bin nicht sauer, Richard. Eher traurig … vielleicht. Mir ist gestern Abend einiges klar geworden. Du liebst dein Leben, wie es ist, und darin habe ich nur am Rande ein klitzekleines bisschen Platz. Aber das ist mir zu wenig, Richard. Ich will mehr von einer Beziehung. Ich möchte nicht nur dann bei meinem Freund wohnen dürfen, wenn er gerade nicht da ist. Ich will einen Mann, mit dem ich zusammenleben kann, bis wir alt sind. Einen, dem es nicht egal ist, was ich fühle, der mich ernst nimmt und sich nicht für mich schämt. Ich will kein Groupie sein, sondern eine Partnerin, verstehst du?« Sie wartete seine Antwort gar nicht erst ab und fuhr fort: »Es ist doch nicht normal, dass wir nach vier Jahren immer noch kaum mehr als die Zahnbürste in der Wohnung des anderen haben.«

»Ich bin noch nicht bereit für so eine Beziehung«, gab Richard leise zu. »Du wusstest von Anfang an, dass ich meinen Freiraum brauche.«

»Ja«, gestand Emma. »Mir war aber nicht klar, was ich brauche. Jetzt weiß ich es, und ich will mein Leben nicht damit verbringen, darauf zu warten, dass du vielleicht eines Tages so weit bist.«

»Und jetzt? War es das mit uns?«, fragte Richard. »Einfach so? Nur wegen einem Abend, der nicht optimal gelaufen ist?« Er klang eher beleidigt als wirklich getroffen.

Sie hatte versucht es zu erklären, aber er verstand anscheinend trotzdem nicht. »Du weißt, dass es nicht nur dieser eine Abend war, auch wenn er mir vielleicht die Augen geöffnet hat. Ich möchte unsere Beziehung jetzt beenden, wo wir noch Freunde sind.«

Richard schaute sie stumm an und nickte schließlich. »Vielleicht hast du recht.« Sanft strich er ihr eine Haarsträhne hinters Ohr, die der Wind gleich wieder trotzig zurückpustete. »Was hast du nun vor in Bezug auf deine Wohnung? Du könntest natürlich immer noch bei mir einziehen, solange ich weg bin.«

»Das ist lieb, Richard. Aber ich habe beschlossen, Herefordshire eine Chance zu geben. Ich habe heute Morgen meinen Job gekündigt.«

Richard lachte. »Jetzt willst du’s aber wissen! Sind das nicht ein bisschen viele Veränderungen für einen Tag?«

Emma schmunzelte und war froh, dass sie trotz der Trennung normal miteinander reden konnten. »Ja, es macht mir auch eine Höllenangst. Aber jetzt, wo ich die Entscheidung getroffen habe, kann ich es ja etwas langsamer angehen. Die Wohnung muss ich erst in zwei Monaten geräumt haben.«

Richard hielt ihr den Strauß hin. »Hier, du sollst die Rosen trotzdem behalten.« Sie verabschiedeten sich mit einem Küsschen auf die Wange und gingen dann jeder seines Weges. Selbst wenn sie Richard bestimmt vermissen würde, fühlte sie sich irgendwie befreit. Jetzt war sie wieder nur auf sich selbst gestellt. Keine Erwartungen mehr – weder an sich selbst noch an andere. Keine Hoffnungen mehr, dass der andere erkannte, was in einem vorging, aber auch keine Enttäuschungen, wenn das nicht der Fall war. Was übrig blieb, waren ihre Träume.

3. Kapitel

Zwei Monate nach ihrer Trennung von Richard fuhr Emma mit ihrem neu erstandenen rosafarbenen Land Rover Richtung Herefordshire. Die letzten Wochen waren wie im Fluge vergangen, und sie hatte nicht wirklich viel Zeit gehabt, ihrer Beziehung mit Richard hinterherzutrauern. Das war auch gut so. Er hatte sie gestern vor seiner Abreise nach Paris noch angerufen. Es fühlte sich gut an, mit ihm auch nach der Trennung noch befreundet zu sein. Keiner grollte dem anderen, aber dennoch war Emma froh, erkannt zu haben, dass sie unterschiedliche Vorstellungen in Bezug auf ihre Beziehung gehabt hatten. Wie hatte ihre Mutter immer gesagt? Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Emma musste schmunzeln, als sie sich die mahnenden Worte in Erinnerung rief.

Gestern hatte sie dem Vermieter ihre Wohnungsschlüssel abgegeben. Das hatte in ihr wirklich ein mulmiges Gefühl ausgelöst: Was, wenn es mit der Farm nicht lief, wie sie sich das vorstellte? Ihr ehemaliger Vorgesetzter hatte ihr zwar versichert, sie jederzeit wieder einzustellen, aber was, wenn das dann doch nicht möglich war? Zudem würde es dauern, bis sie in London wieder eine bezahlbare Wohnung fände. Aber eine Wahl hatte sie ja in Bezug auf ihre Wohnung sowieso nicht gehabt. »Nicht zurückblicken, Emma!«, schalt sie sich selber. Freu dich lieber, dass du dieses Schnäppchen von Land Rover im Gebrauchtwagen-Markt gefunden hast. Für nur viertausendfünfhundert Pfund hatte Emma ihn im Internet entdeckt. Bei dem Preis nahm sie gerne in Kauf, dass er optisch wie ein Erdbeer-Sahne-Bonbon daherkam. Der Verkäufer meinte mit gerümpfter Nase, seine Frau hätte den Landi in Rosa umgespritzt haben wollen. Nun hätten sie sich aber getrennt, und sie hätte den Wagen nicht mehr gewollt, weil er sie zu sehr an ihn erinnerte. Gott bewahre! Jetzt verkaufe er ihn für sie, was aber gar nicht mal so einfach wäre, ohne ihn erneut umzuspritzen. Das wäre auch der Grund, warum er den Preis etwas gesenkt hätte. Emma war die Farbe egal, sie brauchte einfach einen fahrbaren Untersatz, der sich im Gelände nicht zickig anstellte. Es war schon ein wenig ein seltsames Gefühl, hinter dem Steuer solch eines großen Wagens zu sitzen. In London hatte sie nie ein Auto benötigt, und wenn doch, hatte sie sich einen Kleinwagen gemietet. Aus lauter Angst, irgendwo anzustoßen, hatte sie die Strecke vom Parkplatz, auf dem sie sich mit dem Verkäufer verabredet hatte, zu ihrer Wohnung im Schneckentempo zurückgelegt. Dabei versuchte sie krampfhaft die Fahrer hinter sich zu ignorieren, die entweder genervt überholten oder wütend auf die Hupe drückten. Als sie dann vor ihrer Wohnung nach einem Parkplatz gesucht hatte, war ihr wieder eingefallen, weshalb sie bisher nie den Wunsch verspürt hatte, ein eigenes Auto zu besitzen. Sie kurvte bestimmt eine Viertelstunde um die Häuser, bis sie endlich eine Lücke fand, weitere fünf Minuten vergingen, bis sie mit vor Anstrengung hochrotem Kopf den Wagen hineingequetscht hatte. Aber das lag nun alles hinter ihr. Genauso wie die Räumung der Wohnung. Sie hatte die meisten ihrer Möbel bei einem improvisierten Wohnungs-Flohmarkt verkaufen können und musste danach nur noch wenige Teile entsorgen. Erstaunlicherweise hatte ihr das gar nicht viel ausgemacht. Vielleicht lag das aber auch daran, dass sie sich an die hübsch eingerichtete Farm erinnerte und ihr klar war, dass sie eigentlich nicht mehr viel aus ihrem eigenen Haushalt brauchen würde. Ihr altes Leben fand nun tatsächlich Platz im Heck des Erdbeer-Sahne-Bonbons. Emma schmunzelte und lenkte den Wagen auf den großen Parkplatz vor dem Notariatsbüro in Hay-on-Wye. Kurz darauf saß sie Mr Finch bei einer Tasse Tee, die seine Sekretärin ihr freundlicherweise gebracht hatte, gegenüber. Sie erledigten den Papierkram, den die Erbschaft auf Probe mit sich brachte. Am Ende übergab er ihr die Schlüssel zur Farm sowie die Bankkarte für die vierziggtausend Pfund, die zur Bewirtschaftung der Farm zu nutzen waren. »Die Farm muss ziemlich gut gelaufen sein«, stellte Emma nüchtern fest, als sie die Bankkarte entgegennahm. Finch lächelte nur, ging aber nicht weiter darauf ein. »Sollten Sie Hilfe benötigen, was den administrativen Teil der Farm betrifft, dürfen Sie sich gerne wieder an mich wenden, Miss Fitzgerald.« Er stand auf und geleitete sie zur Tür. »Was haben Sie mit der Farm eigentlich im Sinn?«, fragte er aufrichtig interessiert.

»Ich weiß es noch nicht«, gestand Emma. »Vom Farmleben habe ich ja noch keine Ahnung. Erst mal werde ich mich von Gareth beraten lassen, vor allem, was die Tiere anbelangt, dann sehe ich weiter.«

»Das ist bestimmt klug.«

Nachdem Emma Finchs Büro verlassen hatte, beschloss sie, zuerst zur Farm zu fahren und den Wagen auszuräumen, bevor sie Lebensmittel besorgen ging. Mittlerweile fühlte sie sich schon viel sicherer mit dem Land Rover, aber die schmalen Straßen nach Michaelchurch Escley forderten dann doch ihre volle Aufmerksamkeit. Immer mal wieder musste sie zurücksetzen, um ein entgegenkommendes Fahrzeug vorbeizulassen. Wie aus dem Nichts sprang plötzlich auch noch ein Hase über den Weg, den sie nur um Haaresbreite verfehlte. Ihr Herz klopfte danach bis zum Hals, und sie wechselte wieder in ihr früheres Schneckentempo. Schließlich wollte sie nicht schon an ihrem ersten Tag für ein Verkehrsopfer verantwortlich sein. Als sie nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die Farm erreichte, war sie völlig fertig. Am liebsten hätte sie sich zuerst eine Weile ausgeruht, aber das ging nicht. Sie musste jetzt ihre Sachen ausladen und sich dann beeilen, damit sie noch vor Ladenschluss im nahegelegenen Farm Shop in Longtown ein paar Lebensmittel besorgen konnte. Vor ein paar Tagen hatte sie sich im Internet schlaugemacht, welche Einkaufsmöglichkeiten sie in der näheren Umgebung der Farm haben würde. Das Ergebnis war ziemlich ernüchternd ausgefallen: Lebensmittel wurden im Umkreis von zehn Meilen nur in diesem Farm Shop verkauft, und selbst für den Weg dahin benötigte sie ein Auto.

Um Zeit zu sparen, stellte sie all ihr Hab und Gut einfach in den Flur. Sie würde sich später darum kümmern. Dann eilte sie zurück zum Wagen und fuhr auch schon wieder los. Zehn Minuten vor Ladenschluss trat sie durch die Eingangstür des Shops.

»Es tut mir leid, dass ich so spät bin«, entschuldigte sie sich bei der Angestellten. »Ich bin gerade erst von London hergefahren.«

Die junge Frau lächelte nachsichtig. »Lassen Sie sich ruhig Zeit, ich hab keine Eile.«

Emma bedankte sich und beeilte sich dennoch. Zu sehr war die Städterin noch in ihr, die es gewohnt war, einen scharfen Blick zu ernten, wenn sie es wagte, kurz vor Ladenschluss noch das Geschäft zu betreten. Mit einem erleichterten Seufzer stellte Emma ihren Einkaufskorb auf den Verkaufstresen. »So, ich denke, das sollte für den Moment ausreichen.«

Die junge Frau begann die Preise in die Kasse zu tippen und stellte die Ware nach und nach in einen großen Karton, damit Emma sie leichter transportieren konnte. »Ich bin Jenny«, stellte sich die Verkäuferin vor, während sie weiterarbeitete. »Bleiben Sie länger hier in der Umgebung?«

»Voraussichtlich für ein Jahr. Ich bin Emma, die Nichte von Milly von der Rosebud Farm.«

»Oh, ich hab Milly gut gekannt. Mein herzliches Beileid, auch wenn’s schon eine Weile her ist.«

»Danke. Hat Milly oft hier eingekauft?«