Liebelei - Arthur Schnitzler - E-Book

Liebelei E-Book

Arthur Schnitzler

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Beschreibung

Wien um das Jahr 1900: Jede/r ist auf der verzweifelten Suche nach Liebe, nach Erlösung aus der Einsamkeit, nach dem Sinn des (eigenen) Lebens. Niemand erkennt, dass immer neue Liebesbeziehungen keinen Ausweg bieten. - Dieses Drama aus dem Jahr 1895 widmet sich Schnitzlers Lebensthema: der Verbindung zwischen Mann und Frau.

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Seitenzahl: 78

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Arthur Schnitzler

Liebelei

- mit Leitfaden zur Interpretation -

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Personen

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Leitfaden zur Analyse von Dramenszenen

Impressum neobooks

Personen

Hans Weiring,Violinspieler am Josefstädter Theater

Christine,seine Tochter

Mizi Schlager,Modistin

Katharina Binder,Frau eines Strumpfwirkers

Lina,ihre neunjährige Tochter

Fritz LobheimerundTheodor Kaiser,junge Leute

Ein Herr

Ort: Wien. Zeit: Gegenwart [1896]

Erster Akt

Zimmer Fritzens. Elegant und behaglich.

Fritz, TheodorTheodor tritt zuerst ein, er hat den Überzieher auf dem Arm, nimmt den Hut erst nach dem Eintritt ab, hat auch den Stock noch in der Hand.

Fritzspricht draußen Also es war niemand da?

Stimme des Dieners Nein, gnädiger Herr.

Fritzim Hereintreten Den Wagen könnten wir eigentlich wegschicken?

Theodor Natürlich. Ich dachte, du hättest es schon getan.

Fritzwieder hinausgehend, in der Tür Schicken Sie den Wagen fort. Ja... Sie können übrigens jetzt auch weggehen, ich brauche Sie heute nicht mehr. Er kommt herein. Zu Theodor Was legst du denn nicht ab?

Theodorist neben dem Schreibtisch Da sind ein paar Briefe. Er wirft Überzieher und Hut auf einen Sessel, behält den Spazierstock in der Hand.

Fritzgeht hastig zum Schreibtisch Ah!...

Theodor Na, na!... Du erschrickst ja förmlich.

Fritz Von Papa... Erbricht den anderen von Lensky...

Theodor Lass dich nicht stören.

Fritzdurchfliegt die Briefe.

Theodor Was schreibt denn der Papa?

Fritz Nichts Besonderes... Zu Pfingsten soll ich auf acht Tage aufs Gut.

Theodor Wäre sehr vernünftig. Ich möchte dich auf ein halbes Jahr hinschicken.

Fritzder vor dem Schreibtisch steht, wendet sich nach ihm um.

Theodor Gewiss! – Reiten, kutschieren, frische Luft, Sennerinnen –

Fritz Du, Sennhütten gibt's auf Kukuruzfeldern keine!

Theodor Naja also, du weißt schon, was ich meine...

Fritz Willst du mit mir hinkommen?

Theodor Kann ja nicht!

Fritz Warum denn?

Theodor Mensch, ich hab' ja Rigorosum zu machen! Wenn ich mit dir hinginge, wär' es nur, um dich dort zu halten.

Fritz Geh, mach dir um mich keine Sorgen!

Theodor Du brauchst nämlich – das ist meine Überzeugung – nichts anderes als frische Luft! – Ich hab's heute gesehen. Da draußen, wo der echte grüne Frühling ist, bist du wieder ein sehr lieber und angenehmer Mensch gewesen.

Fritz Danke.

Theodor Und jetzt – jetzt knickst du natürlich zusammen. Wir sind dem gefährlichen Dunstkreis wieder zu nah.

Fritzmacht eine ärgerliche Bewegung.

Theodor Du weißt nämlich gar nicht, wie fidel du da draußen gewesen bist – du warst geradezu bei Verstand – es war wie in den guten alten Tagen... – Auch neulich, wie wir mit den zwei herzigen Mäderln zusammen waren, bist du ja sehr nett gewesen, aber jetzt – ist es natürlich wieder aus, und du findest es dringend notwendig Mit ironischem Pathos – an jenes Weib zu denken.

Fritzsteht auf, ärgerlich.

Theodor Du kennst mich nicht, mein Lieber. Ich habe nicht die Absicht, das länger zu dulden.

Fritz Herrgott, bist du energisch!...

Theodor Ich verlang' ja nicht von dir, dass du Wie obenjenes Weib vergißt... ich möchte nur, Herzlich mein lieber Fritz, dass dir diese unglückselige Geschichte, in der man ja immer für dich zittern muss, nicht mehr bedeutet als ein gewöhnliches Abenteuer... Schau Fritz, wenn du eines Tages »jenes Weib« nicht mehr anbetest, da wirst du dich wundern, wie sympathisch sie dir sein wird. Da wirst du erst drauf kommen, dass sie gar nichts Dämonisches an sich hat, sondern dass sie ein sehr liebes Frauerl ist, mit dem man sich sehr gut amüsieren kann, wie mit allen Weibern, die jung und hübsch sind und ein bißchen Temperament haben.

Fritz Warum sagst du »für mich zittern«?

Theodor Du weißt es... Ich kann dir nicht verhehlen, dass ich eine ewige Angst habe, du gehst eines schönen Tages mit ihr auf und davon.

Fritz Das meintest du?...

Theodornach einer kurzen Pause Es ist nicht die einzige Gefahr.

Fritz Du hast recht, Theodor – es gibt auch andere.

Theodor Man macht eben keine Dummheiten.

Fritzvor sich hin Es gibt andere...

Theodor Was hast du?... Du denkst an was ganz Bestimmtes.

Fritz Ach nein, ich denke nicht an Bestimmtes... Mit einem Blick zum Fenster Sie hat sich ja schon einmal getäuscht.

Theodor Wieso?... Was?... Ich versteh' dich nicht.

Fritz Ach nichts.

Theodor Was ist das? So red doch vernünftig.

Fritz Sie ängstigt sich in der letzten Zeit... zuweilen.

Theodor Warum? – Das muss doch einen Grund haben.

Fritz Durchaus nicht. Nervosität – Ironisch schlechtes Gewissen, wenn du willst.

Theodor Du sagst, sie hat sich schon einmal getäuscht –

Fritz Nun ja – und heute wohl wieder.

Theodor Heute – ja, was heißt denn das alles –?

Fritznach einer kleinen Pause Sie glaubt... man passt uns auf.

Theodor Wie?

Fritz Sie hat Schreckbilder, wahrhaftig, förmliche Halluzinationen. Beim Fenster Sie sieht hier durch den Ritz des Vorhanges irgendeinen Menschen, der dort an der Straßenecke steht, und glaubt – Unterbricht sich Ist es überhaupt möglich, ein Gesicht auf diese Entfernung hin zu erkennen?

Theodor Kaum.

Fritz Das sag' ich ja auch. Aber das ist dann schrecklich. Da traut sie sich nicht fort, da bekommt sie alle möglichen Zustände, da hat sie Weinkrämpfe, da möchte sie mit mir sterben –

Theodor Natürlich.

Fritzkleine Pause Heute musste ich hinunter, nachsehen. So gemütlich, als wenn ich eben allein von Hause wegginge; – es war natürlich weit und breit kein bekanntes Gesicht zu sehn...

Theodorschweigt.

Fritz Das ist doch vollkommen beruhigend, nicht wahr? Man versinkt ja nicht plötzlich in die Erde, was?... So antwort mir doch!

Theodor Was willst du denn darauf für eine Antwort? Natürlich versinkt man nicht in die Erde. Aber in Haustore versteckt man sich zuweilen.

Fritz Ich hab' in jedes hineingesehen.

Theodor Da musst du einen sehr harmlosen Eindruck gemacht haben.

Fritz Niemand war da. Ich sag's ja, Halluzinationen.

Theodor Gewiss. Aber es sollte dich lehren vorsichtiger sein.

Fritz Ich hätt' es ja auch merken müssen, wenn er einen Verdacht hätte. Gestern habe ich ja nach dem Theater mit ihnen soupiert – mit ihm und ihr – und es war so gemütlich, sag' ich dir!... Lächerlich!

Theodor Ich bitt' dich Fritz – tu mir den Gefallen, sei vernünftig. Gib diese ganze verdammte Geschichte auf – schon meinetwegen. Ich hab' ja auch Nerven... Ich weiß ja, du bist nicht der Mensch, dich aus einem Abenteuer ins Freie zu retten, drum hab' ich dir's ja so bequem gemacht und dir Gelegenheit gegeben, dich in ein anderes hineinzuretten...

Fritz Du?...

Theodor Nun, hab' ich dich nicht vor ein paar Wochen zu meinem Rendezvous mit Fräulein Mizi mitgenommen? Und hab' ich nicht Fräulein Mizi gebeten, ihre schönste Freundin mitzubringen? Und kannst du es leugnen, dass dir die Kleine sehr gut gefällt?...

Fritz Gewiss ist die lieb!... So lieb! Und du hast ja gar keine Ahnung, wie ich mich nach so einer Zärtlichkeit ohne Pathos gesehnt habe, nach so was Süßem, Stillem, das mich umschmeichelt, an dem ich mich von den ewigen Aufregungen und Martern erholen kann.

Theodor Das ist es, ganz richtig! Erholen! Das ist der tiefere Sinn. Zum Erholen sind sie da. Drum bin ich auch immer gegen die sogenannten interessanten Weiber. Die Weiber haben nicht interessant zu sein, sondern angenehm. Du musst dein Glück suchen, wo ich es bisher gesucht und gefunden habe, dort, wo es keine großen Szenen, keine Gefahren, keine tragischen Verwicklungen gibt, wo der Beginn keine besonderen Schwierigkeiten und das Ende keine Qualen hat, wo man lächelnd den ersten Kuss empfängt und mit sehr sanfter Rührung scheidet.

Fritz Ja, das ist es.

Theodor Die Weiber sind ja so glücklich in ihrer gesunden Menschlichkeit – was zwingt uns denn, sie um jeden Preis zu Dämonen oder zu Engeln zu machen?

Fritz Sie ist wirklich ein Schatz. So anhänglich, so lieb. Manchmal scheint mir fast, zu lieb für mich.

Theodor Du bist unverbesserlich; scheint es. Wenn du die Absicht hast, auch die Sache wieder ernst zu nehmen –

Fritz Aber ich denke nicht daran. Wir sind ja einig; Erholung.

Theodor Ich würde auch meine Hände von dir abziehen. Ich hab' deine Liebestragödien satt. Du langweilst mich damit. Und wenn du Lust hast, mir mit dem berühmten Gewissen zu kommen, so will ich dir mein einfaches Prinzip für solche Fälle verraten: Besser ich als ein anderer. Denn der andere ist unausbleiblich wie das Schicksal.

Es klingelt.

Fritz Was ist denn das?...

Theodor Sieh nur nach. – Du bist ja schon wieder blass! Also beruhige dich sofort. Es sind die zwei süßen Mäderln.

Fritzangenehm überrascht Was?...

Theodor Ich habe mir die Freiheit genommen, sie für heute zu dir einzuladen. –

Fritzim Hinausgehen Geh – warum hast du mir's denn nicht gesagt! Jetzt hab' ich den Diener weggeschickt.

Theodor Um so gemütlicher.

Fritzens Stimmedraußen Grüß Sie Gott, Mizi!

Theodor, Fritz, Mizitritt ein, trägt ein Paket in der Hand.

Fritz Und wo ist denn die Christin'? –

Mizi Kommt bald nach. Grüß dich Gott, Dori.

Theodorküsst ihr die Hand.

Mizi Sie müssen schon entschuldigen, Herr Fritz; aber der Theodor hat uns einmal eingeladen –

Fritz Aber das ist ja eine famose Idee gewesen. Nur hat er eines vergessen, der Theodor –

Theodor Nichts hat er vergessen, der Theodor. Nimmt der Mizi das Paket aus der Hand Hast du alles mitgebracht, was ich dir aufgeschrieben habe? –

Mizi Freilich! Zu Fritz Wo darf ich's denn hinlegen?

Fritz Geben Sie mir's nur, Mizi, wir legen's indessen da auf die Kredenz.

Mizi