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Lara Labchir

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Beschreibung

Poitiers, Frankreich, im Sommer 1876: Victor Cameil ist ihre grosse Liebe. Doch der nicht standesgemäße Republikaner ist Blanches Mutter ein Dorn im Auge: auf keinen Fall passt er in eine anständig katholisch-konservative Royalistenfamilie! Doch Blanche will sich ihre Liebe nicht aus dem Kopf schlagen und trifft ihren Liebsten, Victor, nachts weiterhin heimlich. Als ihre tyrannische Mutter dahinter kommt hegt diese einen teuflischen Plan: so verschwindet Blanche eines Tages spurlos und niemand kann sich erklären was mit der jungen Frau geschehen sein könnte. Jahrzehntelang scheint Blanche wie vom Erdboden verschluckt zu sein bis eines Tages, im Mai 1901, ein sehr mysteriöser Brief die Staatsanwaltschaft von Poitiers erreicht: der anonyme Verfasser des Schreibens macht auf eine alte Jungfer aufmerksam die unter den unmenschlichsten Bedingungen schon seit vielen Jahren gefangen gehalten wird! Sofort horcht die Staatsanwaltschaft auf: könnte es sich hierbei um die damals erst 27jährige und spurlos verschwundene Blanche Monnier handeln?

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Lara Labchir

Lieben verboten!

Das tragische Schicksal der Blanche Monnier

Inhaltsverzeichnis

Prolog: Ein anonymer Brief…

Kapitel: Heimlichkeiten

Kapitel: Gardinenpredigt

Kapitel: Geständnis

Kapitel: Zukunftsträume

Kapitel: Intrige

Kapitel: Aufgeflogen

Kapitel: Komplott

Kapitel: Gewalt

Kapitel: Gewissensbisse

Kapitel: Vergeblich

Kapitel: Pantoffelheld

Kapitel: Gerüchte

Kapitel: Gebrochen

Kapitel: Verzweiflung

Kapitel: Schuldgefühle

Kapitel: Beichte

Kapitel: Verwahrlosung

Kapitel: Mitleid

Kapitel: Hausdurchsuchung

Kapitel: Befreiung

Kapitel: Wie Dornröschen

Kapitel: Verurteilung

Kapitel: Neuer Prozess

Kapitel: Gerechtigkeit

Kapitel: Erinnerungen

Kapitel: Erlösung

Epilog: Frage nach der Mitschuld

Impressum

LIEBEN VERBOTEN

Das tragische Leben der Blanche Monnier

ROMAN

Lara Labchir

(Blanche Monnier*1.3.1849-+13. 10. 1913)

Impressum:

Martina Körber

Augsburger Str. 15

86157 Augsburg

[email protected]

Fotoquellen:

Iluminasi.com, wikipedia.org, readcastle.com, foodislife772825067.wordpress.com, www.3djuegos.com

Zur Erinnerung an Blanche Monnier

die dazu bereit war für ihren Traum

von der großen Liebe zu leiden…

Das gewalttätigste Element der Gesellschaft ist die Ignoranz.

(Emma Goldman)

Diesen Roman widme ich meinem lieben Mann Helmut Körber

der mir in meinem Leben genauso viel bedeutet

wie viel Victor Cameil wohl damals

seiner Blanche bedeutet haben muss.

Prolog: Ein anonymer Brief…

Poitiers am 3. Mai 1901: es war ein sonniger Frühlingstag und gerade war es Mittag geworden als der ein wenig zu kurz geratene, schon grauhaarige und etwas dickliche Justizbeamte Jean einen anonymen Brief erhielt. „Hm, mal was anderes.“ raunte er überrascht und biss dabei in das gute Bauernbrot, das seine Frau ihm gebacken hatte. Dazu gönnte er sich noch ein Stückchen leckeren Landkäse. Ach, wie herrlich das schmeckte! Jean genoss jeden einzelnen Bissen, denn neben seinem Beruf war das Essen auch noch eine große Leidenschaft von ihm. Oftmals hatte er als wahrer Feinschmecker über das Essen nachgedacht, vor allem darüber was ein gutes Brot ausmacht. Immer noch war er davon überzeugt, dass auch das Baguette ein echtes französisches Brot wäre, auch wenn es ursprünglich aus Wien stammen sollte. Aber seiner Meinung nach hatten die Franzosen es verbessert und daher sei es nun auf jeden Fall Französisch und auf keinen Fall Österreichisch. Aber nichts ginge über das gute Bauernbrot seiner Frau! Jean schloss zeitweise die Augen: jeden einzelnen Bissen wollte er davon genießen… Nur halbherzig las er den Brief. Doch dann, auf einmal, blieb ihm der so gute Bissen fast im Halse stecken: ungläubig starrte er auf die Zeilen, die ihm dieses Schreiben offenbarte. Nervös zog Jean sein Stofftaschentuch hervor, das er sowieso immer pflegte bei sich zu haben, und wischte sich aufgeregt den Schweiß von seiner Stirn. Aufgeregt rief er nach seinem Kollegen. „Louis, Louis!“ Ins Büro kam, fast atemlos, nun ein jüngerer, hagerer und großer Mann hineingestürmt. „Monsieur? Ist was geschehen?“

„Louis, stellen Sie sich nur vor, dieser Brief hat mich soeben erreicht. Er ist anonym verfasst worden, bitte lesen Sie ihn! Was halten Sie davon?“

Immer noch völlig aufgelöst übergab Jean den Brief an seinen jüngeren Kollegen der ihn sofort neugierig las. „Das ist doch nicht…möglich!“ Louis schüttelte ungläubig den Kopf nachdem er den Brief gelesen hatte. Dabei sprangen ihm zwei schwarze Locken ins Gesicht. „Eben.“ meinte Jean weiterhin aufgebracht und schenkte sich zur Beruhigung einen Wein ein. „Was sollen wir nur tun? Immerhin handelt es sich hier um die reichste Familie der ganzen Stadt.“ Unsicher schaute Jean seinem Kollegen ins Gesicht. Doch Louis wollte erst einmal seine Meinung dazu wissen.

„Meinen Sie denn da ist etwas dran?“ Stirnrunzelnd und ratlos schaute Jean zu Louis herüber. „Wie meinen Sie das?“ „Nun ja“, fing dieser seine Zweifel zu erklären an, „immerhin handelt es sich doch um die Familie Monnier. Sie ist nicht nur die reichste, sondern auch gleichzeitig die einflussreichste Familie der Stadt. Ihre überaus großzügige Wohltätigkeit ist im ganzen Land bekannt. Glauben Sie denn wirklich, dass ausgerechnet diese stinkreiche Familie dazu fähig wäre so etwas Abartiges zu tun? Ich meine, wenn nichts dran an der Sache ist, dann machen wir uns doch zum Gespött bei allen Leuten.“ Jean kam ins Grübeln. „Und wenn doch etwas daran ist? Man bedenke nur was für einen weltweiten Skandal das geben wird! Diese Familie würde doch überall ihr Gesicht verlieren.“ Noch einmal las er den Brief um daran festzustellen ob er tatsächlich der Wahrheit entsprechen könnte. Die Schrift des anonymen Schreibers war krakelig und sehr unschön geschrieben was das Lesen besonders erschwerte. Scheinbar wollte der Verfasser unter allen Umständen unerkannt bleiben und war darum sehr bemüht seine eigene Handschrift möglichst zu vertuschen.

Ich habe die Ehre Sie über einen sehr ernsten Vorfall in Kenntnis zu setzen. Es handelt sich dabei um eine alte Jungfer die im Hause der Madame Monnier festgehalten wird. Sie ist halbverhungert und lebt seit 25 Jahren von verdorbenen Abfällen und in ihrem eigenen Unrat.

„Das kann doch unmöglich der Wahrheit entsprechen.“ wiederholte Jean noch einmal, mehr für sich selbst als für Louis. Louis, der es gehört hatte, bestärkte ihn darin: „Sicherlich nicht. Wenn daran was wäre dann müsste sich der Verfasser des Schreibens sicherlich nicht verstecken. Es ist ja bekannt, dass diese Familie ziemlich viele Neider hat. Vielleicht handelt es sich hierbei um eine Rache für ein verpatztes Geschäft womöglich? Das könnte doch gut möglich sein, dass jemand darauf aus ist den Ruf der Familie zu ruinieren. Oder er könnte von einem unterbezahlten Dienstboten sein der sich auf diese Weise revanchieren will… Ich meine, dass ausgerechnet diese einfachen Leute, seit der französischen Revolution vor fast über hundert Jahren, sich doch immer wieder gegen die Reichen in unserer Gesellschaft auflehnen.“ „Das klingt schon plausibel.“ stimmte Jean ihm nachdenklich zu. „Und doch müssen wir dieser Sache nachgehen, Louis. Es ist ganz einfach unser Job! Ich hoffe nur, dass wir es sind die sich da irren…denn das wäre ja äußerst grausam wenn es wahr sein sollte!“ Er schwieg kurz. Ihm fiel auf einmal ein altes Rätsel ein das, bis zum heutigen Tag, ungereimt geblieben war. „Vor allem wenn es doch wahr ist dann müssen wir etwas unternehmen und helfen. Es könnte sich vielleicht um die damals plötzlich spurlos verschwundene Tochter des Hauses handeln…“ sagte er nun entschlossen. „Sie meinen diese junge Frau namens Blanche Monnier die vor gut 25 Jahren, noch vor der Jahrhundertwende, auf einmal spurlos verschwunden ist?“ Jean nickte. „Hieß es denn nicht sie sei damals ins Ausland gegangen?“ half Louis seinem Chef nun gedanklich auf die Sprünge. „Man vermutet es.“ gab der nur kurz zur Antwort. „Aber es kam nie die ganze Wahrheit heraus. Immerhin sprechen wir hier nur von Gerüchten. Es gibt Leute die etwas ganz anderes behaupten. Zum Beispiel dass das junge Fräulein auf einmal an einer unbestimmten Krankheit verstorben sein könnte.“ „Also gut“, gab Louis schließlich nach, „ich werde der Sache auf jeden Fall nachgehen. Ich werde zwei Polizeibeamte dorthin schicken lassen die sich um diese Sache kümmern.“ Bekümmert wischte sich Jean wieder den Schweiß von der Stirn. „Tun Sie das bitte...ja, tun Sie das. Am besten so schnell wie möglich.“ „Wahrscheinlich ist sowieso nur alles heiße Luft.“ beruhigte ihn Louis. „Wollen wir’s hoffen.“

Kapitel: Heimlichkeiten

Ende August 1876, Rue Sainte-Croix, nachts gegen 23 Uhr vor der Kathedrale von Poitiers:

eine große, hagere Gestalt mit ziemlich geduldigem Eindruck, die dort in der Dunkelheit schon eine sehr lange Zeit zu warten scheint. Es ist ein elegant gekleideter Herr mit einem Zylinder und einem schwarzen, dreiteiligem Anzug. Eigentlich hätte er auch um diese späte Uhrzeit einfach nur mit einem lockeren Gehrock rausgehen können aber er hatte sich extra schick gemacht. Es dauert noch eine Weile bis in der Dunkelheit eine weitere Person auftaucht: eine junge Frau von lieblicher Gestalt die sich ihm, sich mehrmals vorsichtig umblickend, nähert. Auch wenn es mittlerweile stockdunkel geworden ist so könnte es noch jedermann erkennen, dass die dunklen Augen des Mannes mit einem Mal zu strahlen beginnen. Wie ein bezaubernder Engel inmitten einer dunklen Welt so erscheint ihm dieses nette Geschöpf in diesem langen Kleid mit der modischen Betonung desselben im Rücken über dem zarten Gesäß. Ein gewollter Effekt der angesagten Pariser Mode, der durch den halbkreisförmigen Überrock und den vielen Schleifen auf der Hinterseite noch verstärkt wird. Während die junge Frau ihm atemlos näherkommt bestaunt er immer noch ihre feenhafte Erscheinung und ihre typisch elegante Frisur, wie sie nur die adeligen Frauen zu tragen pflegen. Er ist sich sicher: zweifellos, vor allem die Frisur musste wohl besonders viel Mühe gekostet haben. Aber gerade diese perfekte Frisur scheint noch das letzte i-Tüpfelchen zu sein das ihm seine makellose Angebetete wie einen wahrgemachten Traum erscheinen lässt. Obwohl er mit seinen schon etwas gräulichen Schläfen wohl allmählich in seinen Mittvierzigern sein muss grinst er nun über beide Ohren wie ein frecher und verliebter Schulbub. Er öffnet nun empfangend seine Arme und lacht dabei glücklich. Sie hebt jetzt ihr langes Kleid etwas an und rennt das letzte Stück Weg auf ihn zu. Schließlich rettet sie sich mit einem erlösenden Seufzer in seine Arme die sie sofort liebevoll umschließen. „Da bin ich ja, mein lieber Victor! Wartest du denn schon lange, mein Liebster?“ fragt sie ihn besorgt und schnauft dabei. „Ach, nein mein Herz. Meine kleine, schöne Blanche.“ Andächtig schaut er sie an. „Und wenn schon! Selbst wenn ich 100 Jahre auf dich warten müsste, ich würde es tun.“ Väterlich streichelt er nun ihre sanften Wangen und schenkt ihr einen demütigen Handkuss. Selig lächelt sie dabei. Obwohl sie selbst schon in ihren Endzwanzigern ist und damit eigentlich längst verheiratet sein sollte, genießt sie das Gefühl der kindlichen Geborgenheit das nur ein Mann in Victors Alter ihr geben kann. Vor allem seine großen Hände mit den zarten, langen Fingern haben es Blanche angetan. Denn sie sprechen für einen sehr feinfühligen Menschen und sind immer sanft und freundlich. Vor allem wenn diese Hände liebevoll und extrem behutsam, so als könnten sie aus Versehen etwas kaputtmachen, ihre sanften Wangen berühren. „Verzeih mir bitte, Victor. Aber ich konnte mich leider nicht eher davonschleichen. Sie saßen alle unten und hätten es sofort gemerkt. Mutter bewacht mich schon längerer Zeit wie eine Gefangene. Sie will mich ständig unter die Haube bringen!“ Blanche verdreht genervt die Augen, gefolgt von einem wehmütigen Seufzer. Verständnisvoll nickt Victor. „Heute hatten Mutter und ich sogar einen so schlimmen Streit, dass unsere Köchin dazwischen gehen musste. Stell dir vor, Victor, es hat nicht mehr viel gefehlt und ich wäre auf sie losgegangen! Ich hätte ihr fast eine runtergehauen, so wütend hat sie mich diesmal gemacht!“ Mittlerweile sind schon vereinzelte Sterne am Himmel erschienen und so kann Victor sehen, dass Blanche sich heimlich eine Träne aus ihrem Auge wischt. Diese großen, saphirblauen Kinderaugen! Victor Cameil ist sich sicher, dass er dieses zerbrechliche Wesen unbedingt vor dieser harten Welt beschützen muss. Er ist der Meinung, dass seine Harmonie bedürftige Blanche einer so harten Welt einfach nicht gewachsen ist. Mitfühlend bietet er ihr nun seinen schützenden Arm an, der Blanche Geborgenheit verspricht. Gerne nimmt sie dieses Angebot an und hakt sich ein. Schweigend gehen sie so eine Weile nebeneinander her, so wie immer. Bis sie den nächsten Park erreichen. „Wie schön die Sterne heute funkeln. Findest du nicht auch, Victor?“ „Ja, “ stimmt er ihr ehrfürchtig zu und traut sich nun sie zärtlich bei der Hand anzufassen, „sie sind fast so wunderschön wie du, meine kleine Blanche. Aber du bist noch weitaus schöner als sie.“ Bei diesem ehrlichen Kompliment errötet sie auf einmal und senkt geschmeichelt ihren Blick. Doch Victor spürt, dass sie etwas auf dem Herzen hat das sie zutiefst zu bedrücken scheint. Mehr noch als beim letzten Mal als sie sich trafen. „Blanche, was hast du denn? So sag mir’s doch.“ Noch besorgter als je zuvor blickt er nun in ihr Gesicht. „Es ist einfach ein Jammer, dass wir uns nur nachts sehen können und das auch nur heimlich!“ klagt Blanche auf einmal. „Dabei hab ich doch die Sonne so gerne. Ich will nicht nur die Nächte mit dir erleben sondern auch die Tage. Ich will mit dir zusammen die Vögel singen hören und stolz mit dir bei Tageslicht spazieren gehen und ein jeder sollte neidisch auf uns sein weil wir uns so liebhaben. Ich habe es einfach satt, dass wir unsere Zuneigung vor allen immer wieder verbergen müssen!“ Victor Cameil sagt nichts dazu. Stattdessen seufzt er nur und guckt betrübt zu Boden. „Sie fangen immer wieder an, Victor!“ schimpft Blanche verzweifelt weiter, „Ständig wollen sie mich verheiraten. Heute war es besonders schlimm: ich durfte mir anhören, dass ich in meinem Alter längst schon endlich unter der Haube sein müsste und dann musste ich wieder etliche Verehrer abweisen, die meine Mutter zu uns eingeladen hatte und die mir den Hof machen wollten. Ich kann das einfach nicht mehr länger ertragen, Victor! Es ist so grausam. Ich liebe doch nur dich allein, mein teurer Victor!“ Immer noch schweigend blickt Victor sie an. Dann küsst er sie so sanft auf die Wange als wolle er all ihre zuletzt geweinten Tränen damit wiedergutmachen. „Und ich liebe dich, meine kleine Blanche. Bitte, vergiss das niemals!“ bestätigt er ihr ehrlich. Dann, auf einmal, verfinstert sich sein Gesicht. „Blanche“, seine Worte klingen auf einmal streng und sachlich, „aber vielleicht solltest du dich nicht länger unglücklich machen.“ Erschrocken schaut Blanche ihm in die Augen. Damit hat sie nicht gerechnet. „Was sagst du da?“ Es fällt ihm schwer doch er nimmt allen Mut zusammen um seine Aussage noch einmal unmissverständlich zu bekräftigen: „Ich meine, vielleicht solltest du um deiner Eltern Willen doch einen dieser adeligen Männer heiraten.“ Blanche ist entsetzt. „Victor!“ Oh, diese betroffen dreinschauenden, ängstlichen Kinderaugen! Augenblicklich tut ihm das Gesagte leid aber er muss jetzt stark bleiben. Immerhin ist er der Ältere von beiden und muss damit auch der Vernünftige sein. „Ich meine es doch nur gut mit dir, Kleines.“ versucht er sie nun wieder mit seinem väterlichen Tonfall zu besänftigen, „Du stammst nun mal aus einer der reichsten Adelsfamilien von ganz Poitiers und ich bin doch nur ein einfacher Anwalt aus einer Proletarierfamilie. Noch dazu bist du die Tochter eines katholischen Aristokraten und ich ein Protestant. Was werden die Leute dazu sagen? Denk doch mal nach, Blanche. Es ist einfach unmöglich!“ „Das ist mir doch gleich was die Leute sagen!“ entgegnet Blanche jetzt trotzig. Dann kommt ihr eine geniale Idee. „Wir könnten doch auch einfach durchbrennen, so wie die romantischen Liebespaare aus den früheren Romanen!“ Bei diesem Gedanken schöpft sie sofort neue Hoffnung und muss lachen weil sie dabei an das verdutzte Gesicht ihrer tyrannischen Mutter denken muss. Ja, ihrer Mutter würde sie solch einen Skandal gönnen! Selbst Schuld. „Sei doch vernünftig, Blanche!“ appelliert Victor an ihr Gewissen, „Mir geht es ja nicht unbedingt um deine Eltern aber dein Ruf wird dann für immer ruiniert sein. Du könntest dich nirgendwo mehr blicken lassen und müsstest dich nur noch vor der Gesellschaft verstecken. Was für ein Leben wäre das dann? In ständiger Gefangenschaft zu sein. Blanche, hör mir zu! Du brauchst die Menschen um dich herum, du bist niemand der andauernd allein leben könnte.“ Doch Blanche nimmt ihn nicht ernst. „Ach was, allein. Ich hab doch dann dich und das reicht mir doch vollkommen! Und noch einmal: mir ist es gleich was die anderen von mir denken könnten. Wenn ich denn nur endlich die Freiheit habe dich zu lieben!“ Als sie Victors abneigende Haltung spürt wird sie plötzlich unsicher. „Oder wäre es womöglich ein Problem für dich? Vielleicht willst ja du dein Gesicht vor der Gesellschaft nicht verlieren als jemand, der eine Adelstochter dazu verführt hat, dass sie mit ihm durchbrennt? Vielleicht könntest ja du nicht mit diesem Ruf leben!“ Enttäuscht wendet sie sich nun von ihm ab. Wie ein trotziges Kind das beleidigt seinen Lockenkopf schüttelt... Diese Art von Verhalten weckt sofort Victors männlichen Beschützerinstinkt und entlockt seinen Lippen ein zärtliches Grinsen. „Aber Blanche, das ist doch kindisch.“ antwortet er ihr gutmütig. Obwohl er versucht hat seiner Stimme Strenge zu verleihen schwingt eine tiefe Zärtlichkeit in ihr die Blanches Herz unmittelbar höherschlagen lässt. Als sie ihm tief in die Augen blickt hält Victor es nicht mehr länger aus. „Natürlich ist mir der Ruf egal! Du weißt doch, dass ich sowieso ein Republikaner bin und ich könnte es unmöglich sein wenn mir mein gesellschaftlicher Ruf so wichtig wäre. Aber um dich bin ich besorgt, mein Herz. Du könntest doch alles verlieren was du im Moment besitzt und du bist es auch nicht gewöhnt ein normal bürgerliches Leben zu führen!“ „Aber was könnte ich denn schon verlieren wenn ich dafür doch dich gewinne?“ beharrt Blanche weiterhin überzeugt auf ihre Idee mit Victor gemeinsam durchzubrennen. Er jedoch schüttelt entschieden den Kopf bei dem bloßen Gedanken, dass Blanche doch tatsächlich ernsthaft vorhat mit ihm abzuhauen. Doch seltsamerweise amüsiert es ihn auch gleichzeitig. Man kann nicht anders als diesen hartnäckigen Lockenkopf mit all diesen kindlichen Träumen, der sich keinerlei Gedanken um mögliche dauerhafte Auswirkungen zu machen scheint, einfach nur liebzuhaben! Aber gerade dafür liebt er seine Blanche ja so sehr: mit ihr kann er jeden Augenblick so intensiv genießen als gebe es keinen Morgen mehr. Eine Leichtigkeit, die er in seinem Alter selbst schon seit langer Zeit verlernt hatte. „Bedenke Blanche, ich bin nun einmal älter als du. Was ist wenn ich sterbe? Du wärst mutterseelenallein auf dieser Welt und ohne den Luxus, den du doch so gewöhnt bist.“ redet er ihr noch ein letztes Mal ins Gewissen. „Still jetzt!“ Blanche will nichts mehr davon hören und legt ihm einen Finger auf den Mund. „Rede nicht mehr so weiter, ich bitte dich Victor! Sterben…ich will so etwas nicht hören von dir!“ Victor Cameil gibt auf. „Du liebst mich also so sehr, dass du auf den Luxus und deinen Ruf verzichten würdest?“ wird ihm auf einmal klar. Blanche nickt. „Ja, Victor. Und du liebst mich also so sehr, dass du auf mich verzichten würdest. Und das reicht mir als Liebesbeweis. Ich wäre wirklich bereit all diese Strapazen auf mich zu nehmen, wenn es denn sein muss, und dir überallhin zu folgen.“ Etwas scheu und unsicher wie ein kleines Mädchen und doch gleichzeitig entschlossen wie eine erwachsene Frau begegnet sie seinem erstaunten Blick. Als ihre beiden Augen dabei mitten unter dem zauberhaften Sternenhimmel aufeinandertreffen, kann Victor Cameil nicht mehr anders als das liebliche Geschöpf, dessen Herz so voller Zuneigung für ihn ist, fest an sich zu drücken und es auf die weiche Stirn zu küssen. „Ich habe heute früh zwei Schwalben vor meinem Fenster fliegen sehen.“ meint Blanche verträumt, „Sie haben mich an uns erinnert, so liebevoll waren die beiden miteinander. Ich wünschte wir wären auch so frei wie sie.“ „Aber Blanche, frei, das sind wir ja auch. Bald. Du wirst sehen. Mir fällt bald etwas ein, wir müssen taktvoll vorgehen. Dann werde ich den Schritt wagen und zu deinen Eltern gehen und um deine Hand anhalten. Aber du musst noch eine Weile warten bis ich soweit bin. Ich habe noch einige Geschäfte zu erledigen damit ich nicht mit leeren Händen vor deinen reichen Eltern treten muss. Bis dahin bitte ich dich um Geduld und noch mit den Schwalben vorlieb zu nehmen.“ „Und wenn sie gegen eine Heirat sind?“ will Blanche unsicher wissen. Er lacht. „Na, dann haben wir alles versucht. Dann ist auch der letzte Versuch gescheitert vernünftig die Sache zu regeln. Dann bleibt uns nur noch eins…“ Aufmunternd dreht er sein Gesicht zu ihr hin und zwinkert ihr verschmitzt zu. Sie begreift seinen Wink. „Durchbrennen!“ lacht Blanche entschlossen. „Komm jetzt“, meint er dann behutsam, „es ist schon wieder viel zu spät geworden. Du solltest nun wirklich wieder nach Hause gehen bevor sie etwas merken.“ Seufzend nickt sie. „Ja, du hast Recht. Aber du wirst doch nachts wieder hier auf mich warten, oder?“ vergewissert sie sich mit bittendem Blick. Tröstend lächelt er ihr zu. „Wie könnte ich das nicht tun, meine liebe Blanche?“ Er begleitet Blanche noch ein kleines Stückchen in Richtung der Rue de la Visitation wo die prunkvolle Villa steht in der sie lebt. Dann bleibt er plötzlich abrupt stehen und wagt es nicht mehr weiterzugehen. Ein Kloss sitzt ihm im Hals in Anbetracht des fast schon kleinen Schlosses und mit einem Mal wird ihm wieder bewusst, dass ganze Welten zwischen ihnen liegen. Blanche spürt seine Unsicherheit. „Ich werde es ihnen heute sagen. Alles. Vielleicht versteht Vater es ja wenn er wieder daheim ist…“ Sie sagt es obwohl sie eigentlich daran zweifelt. Aber sie will Victor Mut machen. Immerhin steckt Blanche ihre Hoffnung mehr in ihrem Vater als in ihre strenge und luxusgierige Mutter. Denn vor dem wohlhabenden Charles-Èmile hat sie weniger Scheu als vor der herrschsüchtigen Madame Louise Monnier, die alle Republikaner des Landes als Feinde des französischen Adels stets und sogleich zutiefst verachtet. „Nein, Blanche. Das ist keine gute Idee, tu das nicht.“ Die drängende Stimme von Victor reißt sie augenblicklich aus ihren Gedanken. „Das ist nicht gut.“ wiederholt Victor noch einmal. „Du hättest nur Ärger. Ich bin der Mann und ich werde es ihnen sagen sobald ich eine geeignete Möglichkeit sehe. Im jetzigen Zeitpunkt würde ich ihn mit meiner Karriere noch nicht überzeugen können. Wir müssen taktvoll vorgehen, wie ich dir gesagt habe. Mir fällt schon was ein.“ verspricht er dann noch. „In Ordnung, Victor. Ich sage nichts und werde eben weiterhin jeden Heiratsversuch verhindern und die Verehrer verschmähen. Aber bitte lass dir nicht mehr allzulange Zeit denn das Drängen meiner Mutter wird immer unerträglicher.“ Schon wieder, als sie das sagt, hat Blanche Tränen in den Augen. „Nicht weinen, Liebes.“ Behutsam wischt er ihr mit seinen Fingern die Tränen aus dem Gesicht. Es zerreißt ihn fast vor Mitleid und dieser Ohnmacht ihr nicht helfen zu können. Noch nicht. „Ich verspreche dir, dass ich dich da rausholen werde. Und dann werden wir eine kleine aber liebevolle Familie gründen. Wir werden vielleicht nicht viel Geld haben aber ich bin mir sicher: wir werden zusammen sehr glücklich werden. Also, weine nicht mehr kleine Blanche.“ Noch einmal vergräbt sie zum Abschied ihr Gesicht unter seinen väterlichen Armen während er verspielt eine ihrer Locken sanft um seinen Finger zwirbelt. Schon immer hatte Blanche sich nach dieser Art von Geborgenheit gesehnt. Denn sie hat von Kindesbeinen an noch nie so etwas wie elterliche Fürsorge oder gar Liebe durch ihre Eltern gespürt. Seit sie denken kann kümmerte Vater sich nur um seine Geschäfte und wenn er einmal im Hause war dann sperrte er sich allein in seinem Zimmer, im ersten Stock, ein. Längst schon hatte Charles-Èmile resigniert seiner streitsüchtigen Frau Parole zu bieten. Madame Monnier hingegen geht mittlerweile äußerst selten aus dem Haus wo sie es nicht als nötig empfindet sich überhaupt noch zurechtzumachen und seitdem im Morgenrock als wahrer Haustyrann regiert. Es ist kein großes Geheimnis, dass sie es sich mit allen verscherzt hatte und sie sich seitdem deshalb nur noch in der Villa verschanzte. Nur zu seltenen Anlässen erscheint sie noch, dann natürlich perfekt gestylt obwohl sie weiß, dass die Menschen hinter ihrem Rücken über ihre unglückliche Ehe und ihren herrischen Charakter tuscheln. Aber das würde selbstverständlich niemand zugeben, denn alle wussten um ihren gesellschaftlichen Einfluss und ihre Macht. Genauso wie Madame Monnier es niemals zugeben würde, dass sie unglücklich darüber ist unbeliebt zu sein. Ihre einzige Hoffnung ist nun Blanche, die sie mit allen Mitteln gut verheiraten will. „Ich wollte dieser Moment dauert ewig.“ seufzt Blanche nachdem sie sich wieder vorsichtig von Victors Umarmung befreit hatte. Schon beim Gedanken an ihre Mutter verkrampft sich ihr der Magen. „Bald schon, liebe Blanche. Bald schon ist es kein Moment mehr, du wirst sehen, dann wird dieser Moment zur Ewigkeit solange ich lebe! Ich werde dir weiterhin treu sein und ich werde diese Nacht wieder auf dich warten.“ Sie nickte ihm nochmal zu und sieht es ein: es dämmert schon und die Dienstboten würden sicherlich schon in der Küche schaffen. Sie sollte nun wirklich schleunigst ins Haus gehen. Noch bevor ihre Mutter oder Marcel, ihr älterer Bruder, aufwachen würden und etwas merken könnten.

Kapitel: Gardinenpredigt

Mit wachsender Ungeduld blickt Madame Monnier auf die edle Comtoise- Tisch-Uhr die Monsieur Monnier ihr, vermutlich allein nur aus reinem Pflichtgefühl anstelle von Zuneigung, letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hat.

„Dieses Kind macht mich krank! Sie macht was sie will! Nicht einmal zum Frühstück kann sie pünktlich sein.“ beschwert sich Madame mal wieder empört. Für einen kurzen Moment sieht ihr Sohn Marcel gelangweilt von seiner Echo-Zeitung auf, der er sich dann sogleich wieder widmet. Für ihn ist das ewige Gemecker seiner Mutter über seine Schwester Blanche schon seit langem wirklich nichts großartig Neues mehr und er möchte sich eigentlich nur ungern in solche Arten von Angelegenheiten einmischen. „Sie wird schon noch kommen.“ meint er darum nur beiläufig. „Mir reicht es inzwischen!“ meckert Madame Monnier weiter und läutet unmittelbar nach ihrer Dienstmagd.

Alsbald erscheint eine ältere Dame an der Tür des Salons. „Sie wünschen, Madame?“ „Wecken Sie mir unverzüglich meine Tochter, Marie! Sie hat schließlich endlich zu erscheinen!“ Schadenfroh nickt die Magd und macht sich sogleich von dannen. Madame ist mehr als nur stinkig auf ihre Tochter und Marie ist sich sicher, dass es gleich wieder einen großen Krach zwischen Madame und der Tochter des Hauses geben wird. Sehr zur Freude von Marie. Das geschieht dem undankbaren Mädchen schon recht! Könnte sie doch alles haben und muss sich nie die Hände schmutzig machen so wie ich. Was betrübt sie auch immer wieder ihre arme Mutter! denkt Marie sich dabei. Im Gegensatz zu Blanche hatte sie es niemals einfach im Leben gehabt und musste schon von Kindesbeinen an hart arbeiten. Marie ist stolz darauf es endlich soweit gebracht zu haben nun bei der reichsten Familie von Poitiers angestellt zu sein. Ganz allein hochgearbeitet hatte sie sich! Wäre sie damals an Blanches Stelle gewesen dann hätte sie sicherlich der Mutter niemals widersprochen und brav eine reiche Partie geheiratet. Doch leider ist ihr dieses Glück im Leben verwehrt geblieben und so ist sie nun eine alte Jungfer geworden und kinderlos geblieben. Insgeheim beneidet sie Blanche um deren Reichtum und Jugend. Ja, das ganze Leben steht diesem undankbaren, verzogenen Gör offen und es weiß es nicht mal zu schätzen. Zufrieden seufzt Marie. Es tut ja so gut, dass Blanche nun endlich mal wieder zurechtgewiesen wird. Nachdem Marie an Blanches Zimmer geklopft hatte, meldet sich eine helle Stimme von innen: „Ja, ich komme gleich. Bitte richtet es meiner Mutter aus!“ Nachdem die Magd wieder gegangen ist, betrachtet Blanche sich nervös im Spiegel. Schnell zupft sie noch das ein und andere Strähnchen zurecht und streift mit ihren Händen die Falten ihres Kleides gerade. „Ich sehe blass aus.“ stellt sie dann fest und kneift sich vorsichtshalber noch einmal gründlich in die Wangen die sofort gut durchblutet erscheinen. Ich hoffe nur Mutter bemerkt die Augenränder nicht. Sie könnte sich darüber noch wundern und Verdacht schöpfen, dass ich nachts kaum geschlafen habe! sorgt sich Blanche. Entschlossen eilt sie aus der Tür heraus und macht sich schnurstracks auf den Weg zum Salon.

Ihr Bruder Marcel ist der erste, der sie begrüßt als er Blanche bemerkt. „Guten Morgen, meine kleine Gertrude! Na, schon ausgeschlafen?“ spottet er dann augenzwinkernd. Damit versucht Marcel der Mutter den Wind aus den Segeln zu nehmen und die peinliche Situation etwas harmloser darzustellen. Dankbar lächelt Blanche ihm zu und setzt sich mit an den Tisch. Dabei starrt Madame Monnier sie unversöhnlich an. Typisch für Mutter, denkt Blanche sich verachtend, sie ist mal wieder nur in ihrem Morgenmantel, mit ungekämmtem Haar und wie immer gereizt! Insgeheim bedauert sie ihren Vater, dass er mit dieser Frau eine reine Vernunftsehe eingegangen war. Und das auch nur wegen gesellschaftlicher Zwänge und wegen dem Reichtum. Ich werde niemals nur aus reiner Vernunft heiraten! Da sieht man ja was dabei herauskommt, nur unglückliche Menschen.

Blanche bedient sich. Sie nimmt ein paar von den kleinen Kuchen, die auf dem Tisch stehen und lässt sich von ihrem hilfsbereiten Bruder eine Tasse von ihrem geliebten Rosen-Tee einschenken, so wie sie es gewohnt ist. Blanche liebt nämlich alles was mit Blumen zu tun hat, vor allem aber liebt sie Rosen. Verträumt denkt sie nun daran wie Victor ihr einmal eine rote Rose geschenkt hatte und ihr damit seine Liebe gestanden hatte… Dabei muss sie versonnen lächeln.

Ihr Bruder hingegen ist als Sohn des Hauses ein sehr erfolgreicher und angesehener Rechtsanwalt der es gerne elegant liebt. So trinkt er zum Frühstück seinen Puschkin, einen modernen Schwarztee mit Zitrusfrüchten und Bergamotte, zurzeit der letzte Schrei unter allen Adeligen!

Etwas länger schon hatte die Mutter sie feindselig angestarrt. Sie scheint aber nur darauf gewartet zu haben bis Blanche sich endlich hingesetzt hat um ihre Worte wiederzufinden. „Es ist mir unverständlich wie du hier so ruhig herumsitzen kannst! Ist dir unser guter Ruf denn völlig egal?“ Blanche antwortet nicht darauf und beißt schweigend in einen ihrer kleinen Kuchen. Was sollte sie denn auch schon dazu sagen? Es ist ja doch immer wieder das gleiche Schauspiel, jeden Morgen, mit ihrer Mutter. Sie ist es inzwischen einfach Leid sich ständig immer wieder dafür rechtfertigen zu müssen, dass sie nun mal noch nicht heiraten will. „Marie Léonide Pauline Blanche Monnier, ich rede mit dir!“ Mutters Ton wird ungeduldiger und harscher. „Was ist denn nun schon wieder, Mutter?“ haucht Blanche lustlos. Marcel schaut kurz auf und entscheidet sich dann doch lieber wieder zu schweigen während seine Mutter mit der alten Leider anfängt. „Unsere Familie Monnier de Marconnay genießt, wie du weißt, ein hohes Ansehen. Unser Reichtum beläuft sich auf mehr als 1 Million Francs. Wir sind als reichste und einflussreichste royalistische und katholisch-konservative Familie stadtbekannt. Vor allem auch durch unser soziales Engagement. Wir sind auch mehrfach ausgezeichnet dafür. Und was machst du, du undankbares Kind?“ „Was mache ich denn nur, Mutter?“ Blanche klingt gelangweilt. Nicht mal der Kuchen scheint ihr mehr zu schmecken bei dem strengen Anblick ihrer Mutter. Zögernd beißt sie noch einmal hinein und legt ihn dann entschieden zur Seite. Da muss einem ja der Appetit vergehen! Nun mischt Marcel sich doch ein. „Ach Mutter, so lass Blanche doch erst einmal in Ruhe essen.“ Doch sofort erntet er ein genervtes Zischen. „Du mischst dich da nicht ein, Marcel! Es ist allein meine Aufgabe das Kind zu erziehen.“ Erschrocken verstummt Marcel nun und flüchtet sich wieder in seine Zeitung. Jetzt reut es Madame Monnier doch etwas zu weit gegangen zu sein. „Mein geliebter Sohn, du bist doch schließlich mein ganzer Stolz. Du bereitest mir ja auch nie nur einen einzigen Kummer. Du bist ja schließlich auch schon längst verheiratet und trägst viel zu unserer Familie bei.“ erwidert sie gütig. Marcel gibt auf. Madame Monnier wendet sich nun zurück an ihre Tochter. „Glaubst du ich dulde das alles noch eine Minute länger? All diese Gerüchte und das Getuschel der Leute. Und in so etwas ziehst du unsere gute Familie mit hinein! Du schadest unserem guten Ruf, Blanche! Ich hoffe doch, dass dir das ein für alle Mal klar ist. Sie lachen schon über uns, ich weiß es! Hinter unserem Rücken tuscheln sie darüber warum meine schon längst heiratsfähige Tochter immer noch schamlos ihre Füße unter meinem Tisch ausstreckt und noch immer nicht verheiratet ist. Du machst uns alle zum Gespött der Leute! Denk nur mal an deinen armen Bruder was du ihm damit antust!“ Madame Monniers Stimme ist dabei so laut und energisch geworden, dass eines der Dienstmädchen vor Schreck beim Abräumen des Geschirrs eine Tasse fallen lässt. „Verzeihen Sie, Madame!“ Sofort wird auch das Personal angezischt. „So passen Sie doch auf! Und jetzt gehen Sie mir bitte aus den Augen, das hier können Sie auch noch später erledigen! Sie sehen doch, dass wir zu reden haben oder sind Sie so begriffsstutzig?“ Gehorsam entfernt sich das Dienstmädchen so diskret wie nur möglich. „Alles in Ordnung, Madame?“ Marie, die älteste und treueste Dienstmagd der Madame Monnier ist augenblicklich an der Tür erschienen. „So passen Sie doch bitte mehr auf die jungen Mädchen auf. Sie merken scheinbar noch immer nicht wann sie stören!“ befiehlt Madame Monnier im schroffen Tonfall. „Aber selbstverständlich, Madame.“ antwortet Marie und schließt die Tür hinter sich. Diese unterwürfige Dienstmagd, einfach nur widerlich wie sie ständig an Mutters Lippen hängt! denkt Blanche voller Abneigung. Blanche ist sich sicher, dass diese Dame ihrer Mutter wohl alles erzählen würde wenn sie mehr wüsste. Ständig steckt diese blöde Magd ihre Nase in Dingen, die sie nichts angehen und freut sich über das Leid anderer. Nur weil es ihr dann besser ginge und sie sich unentbehrlich fühlen kann. Blanche mag diese alte Jungfer absolut nicht. Sie ist sich sicher, dass diese alte Magd wohl den gleichen herrischen Charakterzug ihrer Mutter hat und bisher darum immer einer Meinung mit Madame Monnier war. Insgeheim spürt Blanche, dass sie sich vor dieser gehässigen Dame ganz besonders in Acht nehmen muss. Sie will sich davor hüten sich bloß niemals von Marie dabei erwischen zu lassen wenn sie sich nachts heimlich aus dem Haus stiehlt. Diese Magd würde vermutlich bei ihrer Mutter sofort petzen gehen, da ist sich Blanche absolut sicher. „Ich habe nun beschlossen es selbst in die Hand zu nehmen. Ich werde diese ewige Gerüchteküche endlich zum Schweigen bringen und dich unter die Haube bringen!“ fährt Madame Monnier das Gespräch fort. Erschrocken blickt Blanche auf. „Nun starr mich nicht so entsetzt an! Nimm dir lieber mal ein Beispiel an deinem Bruder. Jedenfalls habe ich dir nun einen Mann ausgesucht den du heiraten wirst und basta! Er ist eine sehr gute Partie und würde dich, trotz deinem mittlerweile schon ziemlich schlechten Ruf, dennoch nehmen. Er hat ebenfalls ein gutes Vermögen, zwar etwas weniger als wir aber immerhin… Ich denke, dass unser Ansehen mit dieser Heirat sich wohl noch mehr steigern wird, wenn eine Steigerung unseres Ansehens denn finanziell überhaupt noch möglich ist. Aber immerhin zieht er unseren familiären angesehenen Ruf auch nicht herunter. Er ist also absolut standesgemäß.“ Blanche ist entsetzt. „Ich bin doch keine Kuh mit der du woanders handeln kannst, Mutter!“

„In erster Linie bist du meine Tochter und darum bestimme ich was mit dir geschieht! Merk dir das gefälligst!“ Blanche bricht in Tränen aus. Schluchzend muss sie feststellen, dass es ihrer Mutter mal wieder gelungen ist sie in eine totale Enge zu treiben. Sie kann diese Strenge nicht mehr länger ertragen. „Nein, Mutter! Und wenn du dich auf den Kopf stellst, ich werde niemals so einen reichen Schnösel heiraten!“ brüllt sie nun verzweifelt. Madame Monnier hebt erstaunt ihre Augenbrauen an. „Nun sieh dich doch einmal an! Du bist so launisch wie eh und je. Man könnte wirklich meinen du seist geisteskrank.“ Blanche reicht es nun. Blanche ist nun außer sich. Wütend schnaubt sie. Typisch, jetzt versucht Mutter mir wieder einzureden dass ich psychisch krank bin! Blanche reicht es nun genauso endgültig wie ihrer Mutter. Sie ist mittlerweile so zornig, dass es, ehe sie sich versieht, schon aus ihrem Mund heraussprudelt. „Ich kann niemanden heiraten weil ich längst schon einen anderen liebe!“ So, nun ist es heraus. Sofort bereute Blanche es und könnte sich auf die Zunge beißen. Warum nur hatte sie das ausgeplaudert? Aber ihre Mutter hatte einfach nicht locker gelassen! Erstaunt hatte Marcel auf einmal aufgehorcht. Er legt nun abrupt seine Zeitung beiseite und setzt sich aufrecht in seinen Sessel. Seine Schwester hat eine Liebschaft? Warum nur hat er bisher nichts davon gewusst? Seine geliebte Schwester scheint ja absolut kein Vertrauen mehr zu ihm zu haben! Dabei sind sie mal als Kinder früher die engsten Vertrauten gewesen… Aber noch mehr besorgt ihn im Moment wie Mutter nun darauf reagieren wird: sicherlich wird es gleich in mächtiges Donnerwetter geben! Für einen Moment war Madame Monnier tatsächlich völlig aus der Fassung geraten, doch nun starrt sie ihre Tochter ungläubig an.

Dann findet sie ihre Worte wieder. „Wie bitte?“

Sie räuspert sich kurz und gibt ihrer Stimme nun wieder mehr Ausdruck. „Das ist ja erstaunlich! Um wen handelt es sich bitteschön?“ Ängstlich überlegt Blanche. Sollte sie ihrer Mutter doch tatsächlich seinen Namen verraten?

Kapitel: Geständnis

Und wenn schon! Jetzt, wo es schon mal heraus ist, nimmt Blanche ihren ganzen Mut zusammen. Ja, sie will endlich zu ihrem Victor stehen: und wenn Mutter noch rot wird vor Wut, falls Madame Monnier überhaupt noch wütender auf sie werden kann!

Vielleicht ist gerade dieser Augenblick ja auch die so lang von Victor und ihr herbeigesehnte Möglichkeit endlich mit diesen ewigen Versteckspielchen Schluss zu machen und die Familie vor vollendete Tatsachen zu stellen. „Mutter“, fängt Blanche vorsichtig an, „du erinnerst dich doch sicherlich noch an Victor Cameil, dem wir vor einigen Monaten auf dem Pariser Ball begegnet sind?“ Augenblicklich bekommt Madame Monnier eine schlimme Vorahnung. „Du meinst doch nicht etwa diesen nichtsnutzigen Rechtsanwalt und Monarchie-Feind!“ Blanches Herz beginnt aufgeregt schneller zu klopfen. „Doch, Mutter. Genau den. Dieser Mann ist es dem meine ganze Liebe und Zuneigung gehört.“ gesteht sie mutig. So, nun ist es endlich heraus! Prüfend schaut Blanche ihre Mutter an. Die ist immer noch kreidebleich und scheint für den ersten Moment mal wieder ihre Sprache verloren zu haben. Stattdessen lacht Marcel auf einmal laut auf und schüttelt dann ungläubig den Kopf. „Dieser erfolglose Anwalt? Das ist doch wohl ein Witz, Blanche!“ Marcel fühlt sich gekränkt. Ausgerechnet in seinen beruflichen und ärgsten Rivalen muss sich seine kleine Schwester verlieben! Cameil ist schließlich bekannt dafür alle möglichen Menschen, die in den Augen Marcels Verbrechen an Adeligen begannen hatten und darum ins Gefängnis gehörten, immer wieder vor Gericht zu verteidigen. Giftig kneift Madame Monnier jetzt ihre Augen zusammen. „Wie lange geht das schon, Marie Lèonide Pauline Blanche Monnier?“ Blanche schreckt zurück. Immer, wenn Mutter sie mit vollem Namen anspricht, bedeutet das nichts Gutes! Doch sie darf jetzt nicht aufgeben, nun, wo sie doch schon viel zu weit gegangen ist. Es ist mir eh schon egal was jetzt kommt! Ich jedenfalls stehe zu Victor, erst recht jetzt! „Schon länger!“ gibt sie darum vielsagend und mit trotzigem Unterton zurück. Dabei schenkt sie auch ihrem Bruder einen eindeutigen und hochnäsigen Blick. Die können mich alle mal! Ich bin immerhin längst schon alt genug um zu wissen wen ich lieben will! denkt sie sich dabei. Es ist ihr von Anfang an klar gewesen, dass die royalistisch gesinnte Madame Monnier ihre Beziehung von ganzem Herzen missbilligen würde. Das überrascht Blanche also nicht großartig denn damit hat sie nämlich gerechnet. Doch von ihrem Bruder ist sie schwer enttäuscht, hatte sie sich naiver Weise doch von ihm erhofft, dass Marcel sich wenigstens trotz seiner beruflichen Rivalität mit Cameil für sie vor Mutter einsetzen würde. „Wer weiß noch davon?“ reißt sie die strenge Stimme von Madame Monnier aus den Gedanken. Blanche schluckt. „Niemand, Mutter. Das kann ich dir versprechen. Noch niemand. Dein Ruf ist also immer noch tadellos. Das ist dir doch so wichtig Mutter, nicht wahr?“ Madame Monnier erschrickt. Schwingt da etwa ein verächtlicher Klang, gar ein ironischer Unterton, mit in der Stimme ihrer Tochter? Wie respektlos Blanche doch geworden ist ihr gegenüber! Vor Aufregung wischt sich Madame Monnier die Schweißperlen von der Stirn. Besorgt malt sie sich aus welcher Skandal nur aufkommen könnte wegen der Unvernunft ihrer törichten Tochter. Sie werden reden, alle werden sie sich den Mund zerreißen über die nicht standesgemäße Ehe meiner Tochter! Ausgerechnet in einen Klassenfeind, einen Nicht-Royalisten, einen dreckigen Republikaner, muss sich Blanche verlieben! Noch dazu wird dieser einfache Untermensch unsere Familie finanziell belasten. Vielleicht will er sich deshalb ja in unsere Familie mischen weil er reich werden will. Mich kann sowieso keiner von unseren Kreisen leiden aber dadurch würden alle sicherlich mutig genug werden mir ihre Ablehnung auch zu zeigen. Denn wenn sie keinen Respekt mehr vor mir haben dann werden sich die Leute auch nicht mehr groß anstrengen hinter meinem Rücken zu tuscheln. Oh, diese missratene und egoistische Tochter! Sie will ihre gute, alte Mutter doch tatsächlich zum Gespött aller machen. Aber das werde ich zu verhindern wissen! „Du wirst diesen Mann nicht mehr wiedersehen, Blanche. Hast du mich da verstanden? Ich verbiete es dir!“ „Und wenn nicht?“ entgegnet Blanche erneut trotzig. „Mutter, du willst doch immer dass ich heirate. Ich bin längst alt genug und ich lasse mir da nicht von dir reinreden!“ Madame Monnier ist verzweifelt. Sie will es nochmal im Guten versuchen. „Bitte, Blanche. Denk doch an unseren Ruf und vor allem an mich. Wie soll ich den Leuten in unseren royalistischen Kreisen nur entgegentreten wenn du ausgerechnet einen Republikaner ins Haus schleppst?“ „Wie stellst du dir das nur vor, Mutter. Ich liebe ihn! Versteh doch. Mutter, ich lasse mich nicht davon abbringen!“

Nun reicht es Madame endgültig. „Ich bin keine Frau der man widerspricht. Blanche, du wirst! Ich denke ich habe mich nun klar genug ausgedrückt!“ Blanche rollt mit den Augen. „Ich dulde keine Widerrede mehr!“ bekräftigt Mutter ihre Aussage wieder strenger. Blanches Augen füllen sich mit Tränen der Wut und Verzweiflung. Oh, diese ewige Ohnmacht dieser herrischen Mutter gegenüber! Es ist einfach unerträglich. Schluchzend und energisch springt Blanche auf einmal auf und wirft dabei versehentlich ihren Stuhl um. Doch das ist ihr egal. Sie flieht aus dem Salon in ihr Zimmer. Sie will nur noch weg und allein sein. Weg von ihrer tyrannischen Mutter und von ihrem Bruder Marcel, dem Verräter, der ihrer Mutter nicht mal für sie Parole bieten kann! Sie muss an Victor denken. Ihr Liebster hätte ihr sicherlich bei diesem Gespräch geholfen, nicht so wie Marcel, der charakterlich zu schwach ist und überhaupt nicht männlich genug. Blanche fragt sich in diesem Moment wie sich diese heißblütige Spanierin, die Marcel geheiratet hatte, nur in ihren schwachen Bruder verlieben konnte. Sie könnte solch einen Hampelmann der immer noch an Mutters Rockzipfel hängt niemals respektieren. Aber vermutlich war es auch für diese Ausländerin eine reine Geldheirat gewesen, anders kann Blanche sich das sonst nicht erklären.…

„Nun sieh sich das einer an, Marcel! Sieh nur wie aggressiv das Kind ist. Deine Schwester wird von Tag zu Tag undankbarer und schlimmer!“ Die aufgewühlte Madame Monnier sucht nun Trost bei ihrem Sohn. Sie ist sich mittlerweile absolut sicher, dass ihre Tochter allmählich unter Geisteskrankheit leidet und eine wahre Gefahr für sich selbst sein könnte. „Sie hat das gleiche hitzige Wesen wie ihr Vater. Es ist wahrlich erschreckend!“ Madame Monnier seufzt bei diesem Gedanken. Ausgerechnet nach ihrem lieblosen Mann musste ihre Tochter geraten. Madame Monnier ist erzürnt und leidet schon lange unter Depressionen. „Am liebsten würde ich das undankbare Kind solange einsperren bis es vernünftig wird. Dann hätte ich wahrscheinlich weniger Probleme und Sorgen!“ Verständnisvoll nickt Marcel. „Komm, jetzt rege dich nicht auf, teure Mutter. Ich werde meine Schwester einfach in Zukunft genauer im Auge behalten und sie zu jeder öffentlichen Veranstaltung begleiten. Dadurch wird Blanche in Zukunft weitere Dummheiten sicherlich zu verhindern wissen.“ Dankbar streichelt Madame Monnier über die Hand ihres Sohnes. „Oh, Marcel. Du bist ja schon immer mein Lieblingskind gewesen. Ich wünschte nur, ich hätte anstelle von diesem Gör lieber noch einen zweiten Sohn von deiner Sorte zur Welt gebracht.“ Verbittert denkt sie dabei an Blanches schwierige Geburt zurück die sie damals fast getötet hätte. Schon damals hätte sie es ahnen müssen, dass ihr dieses Kind nur Kummer bereiten wird. Sie spürt auf einmal einen Hass auf Monsieur Monnier, der sie damals nachts unbedingt berühren musste! Und das obwohl sie sich schlafend gestellt hatte. Eigentlich wollte sie dieses zweite Kind gar nicht mehr... Doch es war nun mal eines Tages einfach da gewesen und sie hatte es doch noch ein wenig liebgewonnen. Und jetzt ist es eben ihre Aufgabe dieses nun erwachsene Kind baldmöglichst, auf elegante Art und Weise, mit einer standesgemäßen Heirat wieder loszuwerden. „So darfst du nicht sprechen, Mutter. Blanche braucht nur eine härtere Hand dann wird sie sicherlich bald einsehen, dass sie im Unrecht ist und wohlerzogen sein.“ hört sie Marcels tröstende Worte. „Viel Zeit bleibt uns aber nicht mehr deine Schwester unter die richtige Haube zu bringen. Das Kind wird sonst noch als alte Jungfer enden wenn wir noch länger warten. Eines Tages verblüht sie nämlich und dann wird sie bald keiner mehr heiraten wollen!“ Darauf weiß Marcel nichts mehr zu erwidern aber akzeptiert die Worte seiner Mutter zustimmend. Ja, er liebt seine Schwester Blanche aber versteht auch gleichzeitig die Sorgen seiner Mutter. Was kann er da schon tun? Nachdem sich Marcel vor Madame Monnier mit einer kurzen Verneigung verabschiedet hat, denkt sie noch lange nach. Vor allem ihre plötzliche Idee mit dem Einsperren… Sie ist sich sicher: wenn ihre Tochter Blanche nicht endlich spurt und sich diesen Cameil aus dem Kopf schlägt dann wäre das mit dem Einsperren doch eine gute Möglichkeit. Selbstverständlich nur solange bis das Kind alles eingesehen hätte und sich dann mit dem reichen Herren verheiraten lassen will den sie höchstpersönlich für ihre Tochter ausgesucht hatte. Aber zuerst würde sie wohl den Willen ihrer hartnäckigen Tochter brechen müssen… Doch vielleicht hat ihr Sohn ja Recht und Blanche braucht solch eine harte Erziehungsmaßnahme erst gar nicht. Man müsste das Kind in Zukunft nur besser im Auge behalten und verhindern, dass sie diesem Cameil noch einmal irgendwo begegnen könnte. Was sie also bräuchte wäre ein geeigneter Spion oder eine Spionin für ihre Tochter…

Entschlossen klingelt Madame Monnier nun nach ihrer Magd. „Madame?“ Unverzüglich steht Marie vor ihr. „Ich habe Sorgen mit meiner Tochter, wie Sie wohl wissen.“ vertraut Madame Monnier sich ihrer Lieblingsmagd an. Es wäre eigentlich unnötig gewesen denn diese Tatsache scheint kein allzu großes Geheimnis für das Personal zu sein. „Ich weiß, Madame.“ „Marie“, beginnt Madame Monnier nun zögerlich, „ich verlange von Ihnen etwas ganz Spezielles und bitte Sie ausdrücklich um weitere Verschwiegenheit.“ „Natürlich, Madame. Die Diskretion Ihnen gegenüber hat bei mir oberstes Gebot.“ versichert die alte Jungfer sofort.

„Ich werde Ihren Lohn gerne noch ein wenig anheben wenn Sie mir versprechen, dass Sie meine Tochter strengstens im Auge behalten und mir unverzüglich Bericht erstatten, sollten Sie etwas Neues über sie in Erfahrung bringen. Ich denke dabei vor allem an gewisse Männerbekanntschaften, wenn Sie verstehen was ich meine?“ Die alte Magd nickt vielsagend. Nachdem sie ihrer vertrauten Magd den bedeutenden Auftrag erteilt hat fühlt sich Madame Monnier nun schon viel beruhigter. Zufrieden schenkt sie sich einen Cognac ein. Hoffentlich verhindern wir es, dass Blanche noch ein uneheliches Kind von diesem Tunichtgut anschleppt! denkt sie besorgt. Nichts desto trotz werde ich sicherheitshalber einmal veranlassen, dass die kleine, verlassene Dachkammer umgebaut wird… Nur für den Fall, dass ich meiner ungehorsamen Tochter doch noch eine kleine Lektion erteilen muss die sich gewaschen hat! Immerhin meine ich es doch nur gut mit ihr. Denn schließlich geht es ja nicht nur um meinen, sondern auch um ihren gesellschaftlichen Ruf und ihre Zukunft!

Kapitel: Zukunftsträume

Blanche zittert am ganzen Körper. Heute scheint es eine besonders kalte Nacht zu sein! Obgleich sich Blanche fragt ob diese unangenehme Kälte wirklich nur ein Produkt des Wetters ist oder ob es vielmehr diese Art von menschlicher Kälte wäre die ihr heute von Seiten der Mutter entgegengeschlagen hat.

„Wollen wir nicht doch lieber gleich flüchten, Victor? Ich weiß nicht wie lange ich das noch ertrage.“ haucht sie bittend. Behutsam nimmt Victor Cameil ihre beiden zitternden Hände in die Seinigen und versucht sie zu wärmen. Dabei geht er so behutsam vor als hüte er mit ihren zarten Händen einen bedeutenden Schatz von unsäglichem Wert. „Aber Blanche, das haben wir doch schon besprochen. Es wäre doch nicht vernünftig einfach so durchzubrennen. Es muss einen friedlicheren und ansehnlicheren Weg geben für uns beide, da bin ich mir sicher. Jedoch werde ich zusehen, dass ich die nächsten Tage diese für dich äußerst unangenehme Situation so schnell wie möglich regeln werde. Halte nur noch ein wenig aus, meine geliebte Blanche.“ Dabei wirkt Victor ziemlich nachdenklich. Blanche ist etwas verunsichert.

„Das Beste wäre wohl, dass ich ein Kind von dir bekäme. Ich würde es mir so gerne wünschen. So ein kleines und wunderschönes WIR von uns beiden zu haben und eine kleine aber liebevolle Familie zu gründen. Ich würde diesem Kind alles an Liebe geben was ich nur besitze und es soll es so sehr viel besser haben als ich es jemals bei meinen Eltern hatte. Dann wären meine Eltern auch gezwungen unserer Heirat zuzustimmen da das Kind ja sonst ein Bastard sein würde und das wäre doch sehr schlecht für den gesellschaftlichen Ruf meiner Eltern.“ Blanche freut sich bei diesem Gedanken. Ja, mit einem unehelichen Kind im Leibe hätte sie die Mutter in der Hand. Victor muss schmunzeln. „Du willst mir also einen Bastard aufzwingen?“ „Ach, Victor. Hör auf zu scherzen. Mir ist alles andere als zum Lachen, ich bin verzweifelt!“ Sofort wird Victor wieder ernst. „Blanche, bedenke doch: die Leute können eins und eins zusammenzählen. Sie würden dann sagen, dass ich dich nur geheiratet hätte weil du keine bessere Partie mehr machen konntest. Sie würden spekulieren ob unser Kind nicht von einem anderen Mann wäre der dich sitzen gelassen hat. Auch nicht besser für deinen Ruf, mein Kind.“ „Nenn mich nicht immer Kind! Ich bin schon längst kein Kind mehr auch wenn alle mich stets so behandeln.“ protestiert Blanche gekränkt. Entschuldigend küsst Victor nun ihre Hand. „Weißt du, so will ich das Ganze einfach nicht regeln. Außerdem würde unser Kind von Anfang an einen schlechten Ruf haben und es dadurch sicherlich schwer im Leben haben. Aber ich habe eine bessere Idee: jetzt, wo die Wahrheit ja schon mal raus ist, werde ich garantiert die nächsten Tage ganz förmlich um deine Hand anhalten. Komme da was wolle! Du wirst sehen: alles wird bald gut, Blanche.“ Hoffnungsvoll fällt sie ihm um den Hals. „Oh, Victor! Ist das wirklich wahr?“ Er nickt ehrlich. „Auch wenn es mir, gerade vor deiner Mutter und deinem Bruder, graut. Aber bin ich doch auch Rechtsanwalt und besitze ein gewisses Verhandlungsgeschick, oder?“ Blanche hat wieder Hoffnung geschöpft. „Hast du wirklich keine Angst es zu tun?“ vergewissert sie sich nochmal. Seine dunklen Augen glitzern nun vor Entschlossenheit. Obwohl es dunkel ist kann Blanche sie ganz deutlich erkennen. „Ich fürchte nur Gott allein, sonst niemanden.“ Ja, kommt es Blanche in den Sinn, Victor könnte es wirklich gelingen ihre Familie umzustimmen. Immerhin kann Victor ein richtiger Rebell sein und für eine Sache kämpfen wie ein Löwe sofern er nur vollkommen überzeugt von etwas ist.

Sie will ihm vertrauen und wird mit einem Mal so richtig fröhlich. Glücklich ergreift sie Victors Hand und beginnt eine heitere Melodie vor sich hinzusummen während sie beide durch die dunkle, doch nicht mehr gar so kalte Nacht weiterspazieren. „Aber diese Melodie kenne ich doch!“ lacht Victor. „Hübsch, nicht? Das ist von Mozart. Rondo alla Turca.“ gibt Blanche Auskunft. „Aber manchmal spiele ich auch gerne etwas von Chopin auf dem Piano.

---ENDE DER LESEPROBE---