Liebende - Jeong Ho-seung - E-Book
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Jeong Ho-seung

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Beschreibung

"Lieben musst du jetzt, in diesem Augenblick. Verschieb es nicht auf morgen." Diese poetische Liebesgeschichte entführt einen mitten in die Kostbarkeit des Lebens und hat Millionen Menschen berührt. Gibt es so etwas wie Bestimmung im Leben? Blauperlenauge, der Karpfen eines Tempelglöckchens, kann zumindest sein Glück kaum fassen, als er Schwarzperlenauge begegnet: Es ist Liebe auf den ersten Blick. Zusammen werden sie hoch oben am First des buddhistischen Tempels angebracht und spielen mit ihren Glöckchen im Wind, um traurigen Menschen Trost zu spenden und Freude in einsame Herzen zu tragen. Mit den Jahren wird Blauperlenauge jedoch unzufrieden. Ihm ist sein Leben zu eng geworden. Er möchte frei sein, die Welt entdecken und erfahren, was Liebe wirklich bedeutet. Wie durch ein Wunder wird ihm dies tatsächlich ermöglicht. Er erlebt viele gefährliche Abenteuer, bis ihm das wahre Wesen der Liebe bewusst wird. Blauperlenauge erkennt, dass er nicht anders sein muss, als er ist, und dass sich in der Akzeptanz erst die Schönheit des Lebens offenbaren kann. Jeong Ho-seung ist Südkoreas bekanntester Dichter. Mit dieser spirituellen Fabel gelingt es ihm, unaufdringlich an das Wesentliche im Leben zu erinnern und mit seiner einfühlsamen Poesie und Weisheit direkt die Herzen der Menschen zu erreichen. Die acht Illustrationen von Gisela Goppel wurden extra für die deutsche Ausgabe von "Liebende" angefertigt.

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Seitenzahl: 123

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Jeong Ho-seung

Liebende

Eine poetische Fabel über die unermessliche Kraft verbundener Herzen

Aus dem Englischen von Bernhard Kleinschmidt

Mit Illustrationen von Gisela Goppel

Knaur e-books

Über dieses Buch

Eine poetische Geschichte über die Liebe – zauberhaft leicht und wunderschön illustriert. Der Legende nach sind die zwei Karpfen der Windspiele, die hoch am First der Tempel ihre Glöckchen erklingen lassen, Liebende, die sich aus vielen Leben kennen. Sie sind füreinander bestimmt. So verhält es sich auch mit Blauperlenauge und Schwarzperlenauge – bis zu dem Tag, als Blauperlenauge anfängt, von einem anderen Leben zu träumen. Ihm ist sein Leben zu eng geworden, er möchte frei sein und die Welt erkunden. Wie durch ein Wunder wird ihm dies tatsächlich ermöglicht. Er fliegt zum Meer, in die Städte, erlebt viele Abenteuer bis ihm die wahre Kostbarkeit des Lebens bewusst wird … »Liebende« zu lesen ist wie eine Art Meditation, die berührt und beim Lesen den Fokus auf das Wesentliche im Leben ausrichtet.

Inhaltsübersicht

Fabel
[home]

Eine Kiefernnadel, vom Wind herbeigetragen, prallt gegen meine Seite und fällt zu Boden. Es ist eine frische, grüne Nadel aus dem fernen Kiefernwäldchen, in dem die beiden ruhenden Buddhas liegen. Noch bevor sie den Boden erreicht, sende ich einen hellen, klingenden Ton in den blauen Himmel. Mein Körper wiegt sich in der Brise, mit der die Kiefernnadel gekommen ist. Das bringt den kleinen, kreuzförmigen Klöppel, der auf eine Bewegung von mir gewartet hat, zum Schwingen. Er schlägt von innen gegen die Glockenwand und ruft einen klaren Ton hervor, der heiter bis in alle Winkel des Tempels am Berghang schallt.

Mein Klang lässt sich auf den Grashalmen nieder, die in den Felsritzen hinter der Haupthalle wachsen, und erreicht sogar die Schale mit Reis, die man dem Buddha in der Halle dargebracht hat. An Frühlingstagen hört man im Bambusdickicht frische Triebe aus dem Boden sprießen. Im Herbst überzieht knisternd Raureif das herabgefallene Laub. Im Winter knirschen einsame Schritte auf den schneebedeckten Pfaden.

Einige Mönche können nicht einschlafen, wenn sie mich nicht hören. Besucher des Tempels, die meine Stimme nicht vernehmen, finden keinen Frieden, und ihr Herz verlässt vor ihnen diesen Ort.

Niemand stört sich an mir und dem Ton, den ich von mir gebe, wenn ich im Wind schwinge; es ist ein kühles Geräusch, so klar, als strömte Licht hindurch. Manche Leute aus der Stadt hängen sich sogar einen wie mich auf ihren Balkon und warten, dass der Wind vorbeistreift.

Wer es erraten hat, weiß, wer ich bin – der Fisch an der Windglocke, die an der Dachtraufe des Tempels Unju-sa in Hwasun hängt, einer Stadt in der Provinz Jeollanam, ganz im Südwesten von Korea. Gefertigt bin ich aus dünnem Kupferblech, doch durch meine Adern strömt klares Blut. Meine Schwanzflosse zuckt ständig, und jeder Windhauch lässt meine sämtlichen Flossen beben, als würde ich fliegen. Außerdem habe ich einen hübschen Namen: Blauperlenauge. An der anderen Ecke hängt an einer Glocke ein zweiter Fisch wie ich. Er heißt Schwarzperlenauge.

Dass Schwarzperlenauge und ich uns kennengelernt haben, verdanken wir einem Mönch aus dem Tempel Jogye-sa in Seoul. Damals hing ich ganz allein an der Decke eines Ladens in Insa-dong; auf dessen Schild stand: Buddhistischer Supermarkt. Eines Nachmittags, als an den Ginkgo-Bäumen am Straßenrand die ersten Blätter sprossen, kaum so groß wie ein Fingernagel, betrat der Mönch den Laden, stupste mich sanft an, um meinen Klang zu prüfen, und sagte zu der Besitzerin, er wolle mich kaufen. »Der ist genau das Richtige für die Haupthalle des Unju-sa«, erklärte er. »Ein wunderschöner Klang. Der Tempelvorsteher wird begeistert sein.« Dabei lächelte er zufrieden.

Ich hatte keine Ahnung, was das Lächeln des Mönchs bedeutete, wurde aber augenblicklich von der Decke genommen und hübsch in rosa Maulbeerpapier verpackt. Doch kurz bevor das Papier mich einhüllte, geschah etwas Unerwartetes. Die Ladenbesitzerin öffnete die Tür des Lagerraumes, in dem verschiedene buddhistische Artikel verwahrt wurden, holte einen Windspielfisch wie mich heraus und legte ihn auf die Theke.

Das nahm mir fast den Atem! Nie hätte ich mir träumen lassen, dass es dort in jenem staubigen Lagerraum, eingeschlagen in Zeitungspapier, einen Doppelgänger gab, einen, der genauso aussah wie ich.

Die ganze Zeit über war ich unendlich einsam gewesen und hatte mich nach jemand anderem gesehnt. Ich hatte mir so sehr gewünscht, wahrhaftig einem Gefährten zu begegnen, mit dem ich mein Leben verbringen konnte. Ob ich wohl jemals auf ihn treffen würde, diesen jemand, der meine Tage erfüllen würde? Ob es überhaupt jemanden gab, der mich mein Leben begleiten konnte, hatte ich mich gefragt, jemanden, der sein ganzes Dasein in der Hoffnung verbrachte, mich kennenzulernen?

Je nachdem, wem wir begegnen, kann unser Leben eine sehr unterschiedliche Gestalt annehmen. Das Leben ist ein Mosaik aus Begegnungen und Abschieden. Bisher jedoch hatte ich noch nicht einmal die einfachste Form eines solchen Zusammentreffens erlebt. Deshalb war ich zwangsläufig mehr als verblüfft, dass ein Windspielfisch genau wie ich dort im Lagerraum eingesperrt gewesen war und nur darauf gewartet hatte, mir zu begegnen.

Ich besänftigte mein klopfendes Herz, sah ihn an und winkte mit der Schwanzflosse.

»Hallo!«

»Hallo!«

Er erwiderte meinen Blick und winkte ebenfalls mit der Schwanzflosse, wobei er sich den Staub von den Schuppen schüttelte. Während meine Augen blau waren wie der Herbsthimmel, waren seine schwarz wie die letzte Nacht des abnehmenden Mondes.

»Ihr braucht Namen«, sagte der Mönch. »Da du ein Karpfen mit blauen Glupschaugen bist, sollst du Blauperlenauge heißen, und du, der du schwarze Glupschaugen hast, heißt von nun an Schwarzperlenauge.«

Nachdem der Mönch uns Namen verliehen hatte, brachte er uns in seinem grauen Rucksack unter.

Kaum waren wir einander begegnet, steckten wir also zusammen im Rucksack des Mönchs. Vor Begeisterung darüber, dass ich meinen wahren Partner getroffen hatte, der mich hoffentlich mein Leben lang begleiten würde, merkte ich überhaupt nicht, wie erstickend es in diesem Rucksack war. Ich war einfach nur dankbar, dass die Begegnung, die ich so leidenschaftlich erhofft hatte, endlich zustande gekommen war.

An dem Tag, an dem der Mönch uns im Unju-sa an benachbarte Ecken des Dachvorsprungs hängte, schärfte er uns ein: »Streitet nicht. Ihr müsst gut miteinander auskommen.«

Seit jenem Tag lebten wir als Windspiele an der Haupthalle des Unju-sa und blickten einander an, wenn bei jeder Brise unser Klang ertönte.

Jenen aufregenden Augenblick, in dem ich Schwarzperlenauge begegnet bin, kann ich noch immer nicht vergessen. Ich erinnere mich genau an die Wärme, die ich empfand, als er mich im Rucksack des Mönchs umarmte.

Begegnungen sind geheimnisvoll, genauso wie die Liebe. Sobald wir einander begegnen, fangen wir an, die Geschichte unseres Lebens zu schreiben.

 

Wenn ein Kiefernwind weht, liegt in meiner Stimme der Duft von Kiefernnadeln. Weht ein Lehmwind, liegt darin der Duft der lehmgelben Felder von Jeollanam, über die der Wind gestrichen ist. An Frühlingstagen, wenn ein Blumenwind weht, hat meine Stimme den Duft von Azaleenblüten, und wenn im Herbst der Ahornwind kommt, liegt darin eine Spur von scharlachrotem Laub.

Die Leute aus Hwasun, die den Unju-sa besuchen, wissen das. Sie brauchen nur den Klang meiner Glocke hören, um zu erkennen, welcher Wind über Jeollanam weht.

Am liebsten mag ich den Blumenwind. Sobald er weht, spüre ich, dass ich wirklich lebendig bin.

Heute haben wir so einen Blumenwind. Ein Blütenblatt von einer Azalee hat eine Weile an mir geklebt, und nun verströmt mein Körper den feinen Duft von Azaleenblüten. Mein Herz aber ist zerzaust, so zerzaust wie das Gewand des steinernen Buddhas, der gegenüber von mir steht. Schweigend legt er die Hände vor der Brust aneinander wie eine Frau, die sich hinter einer Kiefer verbirgt, um zu beobachten, wie ein Mann zu einer langen Reise aufbricht. Wo sind nur die tausend Buddhas und Tempel, die ein wundertätiger Mönch vor tausend Jahren angeblich in einer einzigen Nacht errichtet hat?

Ich bin einsam, obwohl ich mit Schwarzperlenauge zusammen bin. Einsam schaukelt mein Körper im Wind, und ausgerechnet heute sehe ich weder den bäuerlichen Buddha, der die ruhenden Buddhas bewacht, noch die Lotosblütenpagode.

Das Herz von Schwarzperlenauge hat sich gewandelt. Irgendwann ist er mir gegenüber gleichgültig geworden. Weht der Wind, schaukelt er nachlässig hin und her; ist der Himmel strahlend hell, bleibt er ungerührt und blinzelt träge wie ein Kälbchen vor sich hin.

Selbst wenn ich mit einem Ton, so zart wie der einer Geomungo-Zither, erklinge, nur für ihn, achtet er nicht darauf. Wenn ich, nur für seine Augen, mit dem traurigen Wirbeln fallender Blätter tanze, macht er sich noch nicht einmal die Mühe zuzusehen. Selbst wenn ich, nur für ihn, ein Lächeln wie eine voll erblühte Seerose auf mein Gesicht zaubere, blickt er ausdruckslos drein.

Früher war es anders, aber jetzt halten wir die Versprechen, die wir einander einst gegeben haben, nicht mehr. Er hat versprochen, die Wärme der Mittagssonne in sich aufzunehmen, wenn sie auf den Hof vor dem Tempel scheint, um mich damit zu wärmen, sobald es bei Anbruch der Dämmerung kühler wird, doch das tut er nicht mehr. Er hat versprochen, im Oktober die ganze Nacht lang das Licht der wunderschönen Sterne in sich aufzunehmen und mir zu senden, wenn ich am nächsten Tag bedrückt bin, doch das tut er nicht mehr. Wir haben einander versprochen, uns gegenseitig etwas zu wünschen, wenn eine Sternschnuppe hinter dem Horizont verschwindet, doch auch das tut er nicht mehr.

Er nennt mich beinahe nie mehr beim Namen, und wenn er mir doch einmal »Blauperlenauge!« zuruft, kann ich in seiner Stimme keine Spur von Zuneigung entdecken. Früher hat er, wenn morgens der erste Schnee des Winters fiel und den Unju-sa mit einer weißen Decke überzog, gerufen: »Schnell, Blauperlenauge, wach auf! Sieh nur, der erste Schnee fällt, der erste Schnee!« Solche Rufe höre ich heute nicht mehr.

Wirft er jedoch einen Blick auf Rotperlenauge, die am Dachvorsprung der Vairochana-Halle hängt, hat er einen anderen Ausdruck in den Augen. Dann liegt darin jene warme Zuneigung, mit der er früher mich betrachtet hat. Legt sich der Wind und alles ist still, richtet er den Blick wie einen Pfeil auf Rotperlenauge. Ob er sich wohl in sie verliebt hat?

In der Liebe ist der Augenblick von großer Bedeutung. Wenn man verliebt ist, braucht man Weisheit, um den Augenblick schätzen und bewahren zu können. Ach, Schwarzperlenauge hat sich so sehr verändert! Gibt es denn keine Liebe, die nie vergisst, wie sich das Herz anfangs gefühlt hat; keine Liebe, die sich niemals verändert?

An dem Tag, an dem wir einander zum ersten Mal begegneten, an dem im Rucksack des Mönchs unsere Körper und Herzen zusammenfanden, ohne dass einer von uns sich über den anderen erhoben hätte, sind wir doch gewiss eins geworden. Wie glücklich wir doch waren an dem Tag, an dem man uns ans Dach des Unju-sa hängte, als ein Mönch einen Hammer nahm, um uns Windspiele zu befestigen. Klar waren unsere Klänge, durchscheinend wie der Herbsthimmel. Als sie in jener Nacht im Mondlicht diesen Tönen lauschten, haben sich da die steinernen Buddhas des Unju-sa nicht tanzend in den Schultern gewiegt? Hat Schwarzperlenauge denn das strahlende Lächeln des Mönchs vergessen, das uns liebkoste, und seine Worte: »Jetzt seid ihr ein einziger Körper, seid freundlich zueinander …«?

Der Tag ist trübe wie so oft. Ein eisiger Wind stemmt sich gegen die Ankunft des Frühlings. Ich sehne mich danach, meinen kalten Körper in der Umarmung von Schwarzperlenauge zu wärmen. Doch der schaukelt nur gleichgültig im staubigen Vorfrühlingswind.

Hier und da liegen noch Reste von Schnee. Ich sehe die Leute, die über den verbliebenen Firn zum Unju-sa gekommen sind, ihren Namen und Gebete auf die neuen Dachziegel schreiben. Eine junge Frau schreibt mit weißer Tusche: »Möge mein Wunsch sich erfüllen.« Was sie sich wohl wünscht? Vielleicht hofft auch sie, jenem einen Menschen zu begegnen, der ihr ganzes Leben erfüllen kann?

Vögel fliegen über den Himmel. Ich sehne mich danach, mich in einen fliegenden Fisch zu verwandeln. Wie ich gehört habe, sieht man auf einer Wandmalerei aus der Goguryeo-Zeit Fische am Himmel umherfliegen. Auch ich wäre gern so ein Fisch, der sich frei in den blauen Himmel schwingen kann. Immer nur an der Ecke eines Dachs zu hängen ist einfach kein Leben.

 

Es vergingen noch einmal so viele Tage, wie ich sie bereits mit Schwarzperlenauge verbracht hatte. Noch immer hing ich am Dach der Haupthalle des Unju-sa. Der Frühling kam, mit kaltem Wetter zunächst, im Winter tobten heftige Schneestürme, und ich verbrachte meine Tage einen wie den anderen, ohne die geringste Veränderung.

Mein Leben war so langweilig. Langeweile auszuhalten tut unglaublich weh. Immer mehr Tage verrannen, ohne dass ich irgendetwas tat; ich träumte nicht einmal. Dabei wusste ich nur zu gut, dass das Heute, das ich mit Nichtstun verbrachte, das Morgen war, nach dem jemand, der gestern gestorben war, sich sehr gesehnt hatte. Dennoch tat ich Tag für Tag nichts. Gab es wirklich kein besseres Leben für mich als eines, in dem ich von einem Dach hing?

Weitere Jahre vergingen. Die Qualen von Einsamkeit und Langeweile nahmen beständig zu. Ich gab mir noch mehr Mühe, Schwarzperlenauge zu lieben. Wenn die Nacht anbrach und Wolken die Mondsichel verhüllten, streckte ich mich weit aus, um seine Vorderflosse zu liebkosen, seine erogenste Zone. Verblassten die Sterne in der Morgendämmerung einer nach dem anderen, ließ ich das reinste Sternenlicht, das ich in der Nacht in meinem Herzen angesammelt hatte, behutsam in seine Brust strömen.

Natürlich erfordert Liebe Anstrengung, schließlich erreicht man nur etwas, wenn man sich Mühe gibt. Leider reicht Anstrengung allein jedoch nicht aus, wenn es ums Lieben geht.

»Ich verstehe nicht, wieso unsere Liebe so lauwarm geworden ist. Da ist keine Spannung mehr. Inzwischen reagierst du nicht einmal mehr, wenn ich deine Flosse halte.«

Wenn ich so etwas sagte, erwiderte Schwarzperlenauge: »So ist es eben mit einer alten Liebe«, und schwieg lange.

»Warum sagst du nichts?«

Erst als ich ärgerlich die Schwanzflosse schüttelte, weil ich sein Schweigen nicht aushielt, machte er wieder den Mund auf.

»Wenn Liebe neu ist, spricht man viele Worte. Alte Liebe hingegen ereignet sich schweigend.«

So verhielt er sich immer. Und ich war immer unzufrieden.

»Wir sind nicht verliebt, und wir sind auch nicht nicht verliebt!«

Eines Nachts weckte ich ihn aus einem unruhigen Schlaf. Mir war plötzlich der Gedanke gekommen, dass das Leben im Grunde ein Mosaik aus Begegnungen und Abschieden war. Und da es so zwischen uns stand, war es womöglich besser, wenn wir auseinandergingen.

»Machen wir Schluss, Schwarzperlenauge. Ich denke, das ist am besten. Wir sollten einander nichts vormachen. So weiterzuleben wäre für uns beide reine Vergeudung. Damit will ich nicht mein restliches Leben verbringen.«

Sobald ich dies alles mit zitternder Stimme gesagt hatte, war mir, als läge es auf der Hand, dass wir uns trennen sollten.

»Schwarzperlenauge, die Liebe ist warm wie Sonnenschein, heiß wie Sonnenlicht, deine Liebe aber ist ausgetrocknet wie Vogelkot. Wenn Liebe verdorrt und schal wird, dann ist es keine Liebe mehr. Hast du jemals gesehen, dass Vögel sich auf einem toten Baum niederlassen? Zusammenzuleben, wenn man einander nicht liebt, ist ein Verbrechen. Nur wer einander liebt, hat das Recht auf ein Zusammenleben.«