Liebesglück für Anfänger - Katharina Siebert - E-Book
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Liebesglück für Anfänger E-Book

Katharina Siebert

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Beschreibung

Liebe - lieber nicht.

Ausgerechnet Fanny - Single aus Überzeugung - soll eine Artikelreihe über die verschiedenen Möglichkeiten der Partnersuche verfassen. Der Haken: Ihr Chef erwartet mehr als nur ein bisschen Internetrecherche. Er verlangt Erfahrungen aus erster Hand.

Der Selbstversuch führt Fanny nicht nur in ein Seminar mit dem schönen Titel "Liebesglück für Anfänger - In vier Schritten zum Traumpartner", sie erlebt auch allerlei weitere Skurrilitäten. Nachdem sie die ganze Bandbreite so gar nicht liebenswerter Männertypen kennengelernt hat, fühlt sie sich bestätigt: Partnersuche lohnt sich nicht! Zumal der einzige interessante Mann bestens versorgt zu sein scheint. Denkt sie zumindest ...

Begleiten Sie Fanny in diesem humorvollen Roman über das Leben, die Liebe, aber vor allem skurrile Datingerlebnisse.

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Seitenzahl: 378

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumKapitel 1 – Salon der LustKapitel 2 – November ist der neue MaiKapitel 3 – FachgesprächeKapitel 4 – Herzlichen Glückwunsch, Sie haben überlebt!Kapitel 5 – Rache ist süßKapitel 6 – Süße SündenKapitel 7 – WürstchenschnappenKapitel 8 – (K)ein Wurstbrot für die LiebeKapitel 9 – Ein Meter zehnKapitel 10 – FleischeslustKapitel 11 – Liebesglück für AnfängerKapitel 12 – Ball der einsamen HerzenKapitel 13 – Schnelle LiebeKapitel 14 – Drei Gänge für ein Happy EndKapitel 15 – LiebeszauberKapitel 16 – Der virtuelle TraummannKapitel 17 – Singles in freier WildbahnKapitel 18 – Liebe zum Dessert

Über dieses Buch

Ausgerechnet Fanny – Single aus Überzeugung – soll eine Artikelreihe über die verschiedenen Möglichkeiten der Partnersuche verfassen. Der Haken: Ihr Chef Rouven erwartet mehr als nur ein bisschen Internetrecherche. Er verlangt authentische Erfahrungen aus erster Hand.

Der dazu nötige Selbstversuch führt Fanny nicht nur in ein Seminar mit dem schönen Titel »Liebesglück für Anfänger – In vier Schritten zum Traumpartner«, sie erlebt auch allerlei weitere Skurrilitäten. Nachdem sie auch noch die ganze Bandbreite so gar nicht liebenswerter Männertypen kennengelernt hat, fühlt sie sich bestätigt: Partnersuche lohnt sich nicht! Zumal der einzige interessante Mann bestens versorgt zu sein scheint. Denkt sie zumindest …

Über die Autorin

Katharina Siebert, geboren 1975 in München, studierte Germanistik, Psychologie und Pädagogik sowie anschließend Sozialarbeit. Sie lebt und arbeitet in München.

Nach ihrem gemeinsam mit Miriam Henrici verfassten Debüt »Strudel oder Currywurst?« ist »Liebesglück für Anfänger« ihr erstes Einzelprojekt.

Katharina Siebert

LIEBESGLÜCK FÜR ANFÄNGER

beHEARTBEAT

Digitale Originalausgabe

»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Stefanie Kruschandl

Lektorat/Projektmanagement: Anna-Lena Meyhöfer

Covergestaltung: © Manuela Städele-Monverde unter Verwendung von Motiven © Makistock/shutterstock, © Chiociolla/shutterstock, © JoyStudio/shutterstock und © Africa Studio/shutterstock

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-4341-0

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Kapitel 1

Salon der Lust

»Och bitte, Fanny, wenigstens die rote mit dem schwarzen Spitzenrand«, bettelt Britta so laut, dass alle Anwesenden es mitbekommen.

Ist das zu fassen? Hat diese Frau denn wirklich überhaupt kein Schamgefühl?

»Sag mal, spinnst du?«, zische ich ihr zu und bemühe mich, die neugierigen Blicke der anderen Gäste zu ignorieren. »Kommt überhaupt nicht infrage! Außerdem muss die gar nicht gewaschen werden, schließlich war sie ewig nicht mehr in Gebrauch.«

»Das ist doch für meine Zwecke völlig egal«, quengelt meine beste Freundin in voller Lautstärke weiter. »Den Unterschied sieht man sowieso nicht, wenn ich sie zusammengeknüllt in die Maschine stopfe.«

Ich muss unbedingt daran denken, sie bei Gelegenheit zu erwürgen. Aber Tötungsdelikte kommen in einem vollbesetzten Café am Samstagvormittag ja nicht so gut.

»Mein Gott, Britta!«, flüstere ich daher, penibel darauf bedacht, dass mich sonst niemand hören kann. »Ich möchte einfach nicht, dass du meine Unterhosen im Waschsalon zur Schau stellst, jetzt akzeptier das doch endlich! Und würdest du bitte etwas leiser sprechen? Schließlich muss nicht gleich die ganze Welt von deinem fragwürdigen Plan erfahren.«

»Gut, wie du meinst. Entschuldige bitte, dass ich dich damit belästigt habe. Wenn die Natur mir dein Aussehen mitgegeben hätte, würde ich das wahrscheinlich auch nicht verstehen.« Um Brittas Mund bilden sich beleidigte Fältchen.

»Sei doch nicht gleich eingeschnappt!«

»Ich bin doch nicht eingeschnappt!« Die Fältchen um ihren Mund herum verstärken sich. »Es ist nur so: Ich habe eben nicht deine tolle Figur, und auch nicht deine blauen Augen, geschweige denn deine süße Stupsnase, Fanny. Im Gegensatz zu dir bin ich noch nicht mal naturblond! Logischerweise muss ich eine andere Art von Kapital einsetzen, um auf dem Singlemarkt ausreichende Erträge zu erwirtschaften. Und die rote mit dem schwarzen Rand hätte mein Portfolio enorm aufgewertet. Aber wenn du mich partout nicht unterstützen willst, muss ich das wohl tatsächlich akzeptieren.«

»Du hörst dich an, als würdest du an der Börse spekulieren«, seufze ich.

Brittas beleidigte Mundfältchen glätten sich abrupt. »Im Prinzip funktioniert es auch genauso«, lässt sie mich in verschwörerischem Tonfall wissen. »Man muss möglichst breit aufgestellt sein, wenn man die Erfolgsaussichten optimieren will, das liegt doch auf der Hand!«

Nun ja, für meine Begriffe liegt ziemlich genau das Gegenteil auf der Hand, aber das behalte ich lieber für mich. Schließlich strengt mich der Arbeitsalltag in der Redaktion mit meinen dreiunddreißig Jahren inzwischen mehr an, als ich es mit zwanzig je für möglich gehalten hätte. Mein Wochenende ist mir deshalb heilig, da möchte ich mich entspannen. Nach einer stundenlangen Grundsatzdiskussion steht mir im Moment absolut nicht der Sinn. Es hat sowieso keinen Zweck. Britta ist ein Jahr jünger als ich und, nach einigen eher unbedeutenden Beziehungen in ihrer Jugend, inzwischen seit über dreizehn Jahren Single. Unfreiwillig, versteht sich. Ihr Frust über diesen Zustand ist enorm, und je länger er andauert, desto verbissener bemüht sie sich, ihn endlich zu beenden.

Die Möglichkeit, dass man auch ohne Mann an seiner Seite ein erfülltes und glückliches Leben führen könnte, ist in Brittas Weltbild schlicht nicht vorgesehen. Sobald es mit einem Typen schiefgelaufen ist – und das kommt ziemlich häufig vor –, steht sie sofort wieder in den Startlöchern, um sich an den nächsten ranzumachen. Sie kapiert einfach nicht, dass sie sich mit ihrem Übereifer ständig selbst im Weg steht und dringend an ihrer Grundhaltung arbeiten muss! Da hilft auch gutes Zureden nichts. Ich habe es oft genug versucht, ohne jedes Resultat. In puncto Männer zeigt sie sich trotz ihrer hohen Misserfolgsquote von beachtlicher Beratungsresistenz. Streng genommen grenzt es schon ein wenig ans Wahnhafte. Im Prinzip kann man nur versuchen, Schadensbegrenzung zu betreiben und sich nicht von ihr für eine ihrer bizarren Aktionen einspannen zu lassen.

Im Moment hat sie sich jedenfalls in den Kopf gesetzt, den Mann fürs Leben in einem Waschsalon zu finden. In einem Waschsalon! Mit meinen Unterhosen! Da ist es natürlich kein Zufall, dass sie sich ausgerechnet in diesem Café mit mir treffen wollte. Schließlich liegt es für sie sehr günstig, mitten in ihrem aktuellen Jagdrevier nämlich, vis-à-vis eines neu eröffneten SB-Waschsalons. Seit Tagen hat sie hier ihren Spähposten eingerichtet und beobachtet kaffeetrinkenderweise, wer dort drüben ein und aus geht.

»Nimm doch deine eigene Wäsche«, schlage ich ihr vor.

Britta schaut mich über den Rand ihrer Brille hinweg vorwurfsvoll an. »Du weißt ganz genau, dass das nicht geht. In meiner Größe sieht so was einfach nicht gut aus. Was sollen denn die Kerle denken, wenn ich da mit meinen Zelten rumhantiere?«

»Also, bitte! In deiner Jeans trägst du unverkennbar einen Hintern in Größe XL mit dir herum. Glaubst du ernsthaft, dass keinem der Widerspruch auffällt, wenn sich in deinem Wäschekorb trotzdem lauter Slips in Größe S – na ja, sagen wir M – türmen?«

»Ach, du hast zugenommen?«

»Jetzt lenk nicht ab!«

»Auf solche Details achtet doch kein normaler Mann. Die sehen mich und die scharfen Höschen, und schon geht das Kopfkino los. Die Realität tritt dabei völlig in den Hintergrund«, erläutert sie in einem Tonfall, als würde sie die Funktionsweise einer Küchenmaschine erklären, und nippt an ihrem Getränk.

Mich schaudert. »Ich möchte auf keinen Fall, dass meine Unterhosen in diesem Film irgendeine Rolle spielen!«

»Ach menno, ich muss schließlich meine eigene Wäsche auch ein bisschen schonen, bis sie ihren großen Einsatz hat. Wenigstens das wirst du doch verstehen?«

»Und deshalb bettelst du mich um meine Reizwäsche an? Entschuldige, aber das ist wirklich erbärmlich!«

Britta überhört meinen Einwand. Scheinbar geistesabwesend sieht sie aus dem Fenster, wirft dann einen kurzen Blick auf die Uhr über der Kuchentheke und wird auf einmal ganz hektisch. »Ich muss jetzt auch los«, murmelt sie kaum hörbar.

»Schon? Wir sind doch gerade erst angekommen«, wundere ich mich.

Sie schüttet in einem Zug ihren restlichen Kaffee hinunter. »Wir holen das nach, versprochen. Aber gerade muss ich mich wirklich beeilen. Kürzlich habe ich in einer Studie gelesen, dass samstags um diese Uhrzeit in Waschsalons mit der höchsten Dichte an Singlemännern im gesamten Wochenverlauf zu rechnen ist!«

Bevor ich etwas erwidern kann, klemmt sie sich einen Beutel voller Köder in Form von aufreizenden Wäschestücken unter den Arm – ich möchte lieber nicht wissen, bei wem sie sich die zusammengeschnorrt hat – und stürmt im Laufschritt aus dem Café. Verdattert sehe ich ihr hinterher. Ich beobachte, wie sie zügig die Straße überquert und sich zielstrebig an die Fersen eines schlanken Enddreißigers heftet, der sich, eine Sporttasche lässig über die Schulter geworfen, soeben dem Waschsalon nähert. Offensichtlich hält sie ihn für einen der Singlemänner, von denen in besagter Studie die Rede war. Von wegen Studie! Was die Seriosität ihrer Quellen betrifft, neigt Britta seit jeher zur Beschönigung. Bestimmt hat sie ihre neuesten Weisheiten in irgendeiner Frauenzeitschrift aufgeschnappt! Und dass die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht gerade zum Kerngeschäft solcher Magazine gehört, weiß ich nur zu gut – schließlich arbeite ich selbst bei einem!

Auf der anderen Straßenseite verschwindet die Sporttasche jetzt im Waschsalon. Keine zwei Sekunden später folgt Britta mit ihrem Wäschebeutel. Armes Mädchen! Stürzt sich mal wieder Hals über Kopf in die nächste Enttäuschung.

Mir könnte so was ja nicht passieren! Seit der Sache mit Sven sind mir Männer suspekt. Geradezu unheimlich. Ich mache seit damals vorsichtshalber einen großen Bogen um sie. Damals ist jetzt vier Jahre, drei Monate und elf Tage her.

Sven und ich hatten uns kurz nach meinem Abitur kennengelernt. Seitdem führten wir eine wundervoll harmonische Beziehung, und ich rechnete längst nicht mehr damit, dass er es jemals tun würde. Aber zu unserem zehnjährigen Jubiläum – wir feierten es in einem sündhaft teuren Restaurant bei einem Candle-Light-Dinner – kniete Sven zwischen Vorspeise und Hauptgang tatsächlich vor mir nieder und machte mir einen Heiratsantrag! Ich war glücklich.

Einige Zeit später bemerkte ich die ersten Anzeichen. Mein Verlobter interessierte sich plötzlich auffallend stark für meinen Terminkalender. Wollte stets ganz genau wissen, wo ich war, wie lange, mit wem und warum. Manchmal wendete er richtiggehende Verhörmethoden an, um an die gewünschten Informationen zu kommen. Ich freute mich.

Die Indizien verdichteten sich in der Folgezeit. Erst blieb er unter der Woche immer öfter bis spätabends im Büro. Wegen Überstunden, wie er behauptete. Ich glaubte ihm kein Wort, ließ mir aber nichts anmerken.

Dann fing er an, sich an den Wochenenden häufig mit Freunden zu verabreden. Das zumindest wollte er mir weismachen.

Als er mir schließlich auch noch einen Spanisch-Intensivkurs an der Volkshochschule spendierte, der mich mehrere Abende pro Woche beschäftigte, gab es keinen Zweifel mehr. Ich war entzückt!

Schon immer hatte ich von einer romantischen Märchenhochzeit mit allem Drum und Dran geträumt. Sven wollte davon jedoch leider nie etwas wissen und tat diese Idee als völlig übertriebenen Mädchenkram ab, bis ich in eine rein formelle Trauung auf dem Standesamt einwilligte. Und nun hatte er ganz offensichtlich vor, mir meinen Herzenswunsch doch noch zu erfüllen!

Es war so süß. Er scheute keine Kosten und Mühen, um mich abzulenken und auf diese Weise möglichst ungestört an der großen Überraschung für mich tüfteln zu können. Ich spielte natürlich nur allzu gerne mit, wusste ich doch genau, wie viel Vorbereitung für eine märchenhafte Vermählung dieser Größenordnung nötig war. Schließlich hatte ich bereits im Alter von etwa zehn Jahren damit begonnen, im Geiste meine eigene Hochzeit zu planen. Immer und immer wieder, bis ins letzte Detail.

Monatelang mimte ich brav die Ahnungslose und ließ mich auf jedes seiner Ablenkungsmanöver ein. Meistens machte es wirklich Spaß, besonders der Spanischkurs war genau mein Ding. Unsere Gruppe war toll und die Lehrerin absolut bezaubernd. Sie war ein wahres Energiebündel. Regelmäßig spornte sie uns zu sprachlichen Höchstleistungen an. Ihr einziges Manko war ihre Vorliebe für High Heels, die sich mit ihrem überbordenden Temperament nicht immer vertrug. So kam es, dass sie eines Abends – der Kurs hatte erst vor wenigen Minuten begonnen, und sie verdeutlichte uns gerade mit vollem Körpereinsatz die korrekte Betonung des Wortes »concatenación« – aus zehn Zentimetern Höhe plötzlich umknickte. Dies bescherte ihr einen Bänderriss sowie eine Blaulichtfahrt ins Krankenhaus und uns Schülern einen freien Abend, was mir natürlich überhaupt nicht passte! Um bloß nicht zu früh nach Hause zu kommen, überredete ich eine andere Kursteilnehmerin, noch etwas trinken zu gehen. Leider wurde ihr bald schlecht, sodass ich die dritte Margarita notgedrungen alleine trank und mich danach auf den Heimweg machte.

Leicht beschwipst, dafür nur unwesentlich verfrüht, sperrte ich die Tür auf und trat über die Schwelle. Sofort zog mich die erotische Atmosphäre, die in der Wohnung herrschte, in ihren Bann. Der lange Flur war in gedämpftes Licht getaucht, aus dem Schlafzimmer drang leise Klaviermusik, eine Spur scheinbar achtlos hingeworfener Kleidungsstücke wies den Weg dorthin. Ich taumelte vor Glück. Heute war also die Nacht der Nächte. Heute würde mein Verlobter sein sorgsam gehütetes Geheimnis lüften und mir endlich gestehen, dass er seit Monaten heimlich daran arbeitete, mir den Traum von einer rosaroten Riesenhochzeit zu erfüllen. Und ganz offensichtlich hatte er vor, seine Beichte mit einer umwerfenden Liebeserklärung voll knisternder Erotik zu verbinden.

Schade, schoss es mir kurz durch den Kopf, dass meine weibliche Intuition mich wieder einmal völlig im Stich gelassen hat. Hätte ich auch nur ansatzweise geahnt, was mein Liebster heute noch mit mir vorhat, hätte ich mir was Netteres angezogen. Zumindest untendrunter. Doch egal! Ich war nicht gewillt, diesen großen Moment mit solch kleinlichen Gedanken zu zerstören. Stattdessen griff ich lieber die eindeutigen Hinweise auf und entledigte mich auf dem Weg ins Schlafzimmer bereits meiner kompletten Oberbekleidung, in der Erwartung, dort von einem nackten Sven bei Kerzenschein in einem mit Rosenblättern dekorierten Bett empfangen zu werden. Die Schlafzimmertür war angelehnt, ich gab ihr einen sanften Stoß, sie schwang lautlos auf.

Was soll ich sagen? Das Szenario, das ich vorfand, entsprach in weiten Teilen meinen Erwartungen. Mein Verlobter lag nackt auf dem Bett, Kerzen brannten, ein Meer von Rosenblüten verströmte einen betörenden Duft. Allerdings störte die vollbusige Blondine, die sich, ebenfalls unbekleidet, soeben an seiner Körpermitte zu schaffen machte und dabei befremdliche Grunzlaute von sich gab, den Zauber des Augenblicks doch ganz erheblich.

In ihrem Eifer bemerkten mich die beiden überhaupt nicht. Ich stand fassungslos im Türrahmen, während sich der Mann, der bis eben noch mein Verlobter gewesen war, mit seiner jugendlichen Gespielin auf unserem Bett rekelte, das nun niemals ein Ehebett werden würde.

Nun hofft man ja immer, dass man einen Moment von solcher Tragweite nicht einfach so verstreichen lässt, sondern einer spontanen Eingebung folgend automatisch etwas Erhabenes oder zumindest sehr Bedeutsames von sich gibt. Etwas, das bleibt, wenn man selbst längst gegangen, oder besser: davongeschritten, ist. Hoch erhobenen Hauptes, stolz, anmutig und würdevoll wie eine Göttin. Etwas, das sich ins Gedächtnis des Partners einbrennt und ihn noch Jahre später bitter bereuen lässt, sich auf diesen banalen Seitensprung eingelassen zu haben und deswegen von der fantastischsten Frau des Universums verlassen worden zu sein.

Nichts dergleichen geschah. Allerdings muss man dazu sagen, dass der rosa Bärchenslip, der in diesem Moment meine einzige Bekleidung darstellte, es mir nahezu unmöglich machte, auf die desaströse Situation zumindest mit einer gewissen Würde zu reagieren. Inzwischen setze ich mich dafür ein, dass der Verkauf von Unterwäsche mit pastellfarbenen Tiermotiven an erwachsene Frauen gesetzlich verboten wird. Solche Wäschestücke haben schon viel Unheil angerichtet! Wie auch immer: Sobald ich damals begriffen hatte, was sich vor meinen Augen gerade abspielte, konnte ich nichts weiter tun, als zu schreien. Das allerdings wie am Spieß. Dann rannte ich irgendwann einfach weg, und über zehn Jahre vermeintlich glücklicher Beziehung waren mit einem Mal Geschichte.

Es ist übrigens nicht so, dass ich nie in Betracht gezogen hätte, vielleicht irgendwann betrogen zu werden. Aber nachdem Sven mir aus freien Stücken diesen Heiratsantrag gemacht hatte, wähnte ich mich doch in Sicherheit. Zumindest bis zur Trauung. Eine fatale Fehleinschätzung, wie mir heute klar ist.

In dem einzigen Gespräch, das wir nach diesem Vorfall noch miteinander führten, teilte Sven mir übrigens mit, dass es ihm leidtäte, aber ich sei ihm einfach zu alt, um als Partnerin für ihn noch infrage zu kommen. Außerdem sei ihm klar geworden, dass er sich für eine Ehe noch nicht reif genug fühle. Er war zu diesem Zeitpunkt einundvierzig, ich neunundzwanzig.

Kapitel 2

November ist der neue Mai

»Gut, dass du endlich da bist«, werde ich am Montagmorgen von Rouven empfangen, kaum dass ich einen Fuß in die Redaktion setze, »du kannst direkt zu mir ins Büro kommen!«

Ich stöhne innerlich auf. Ein Gespräch mit dem Chef! Und das, bevor ich meinen ersten Kaffee getrunken habe. Schlimmer noch: Bevor ich mit den anderen die gestrige Tatortepisode nachbesprochen habe. Eine Zumutung ist das, wirklich! Die Diskussion über den Sonntagabendkrimi ist schließlich ein festes Ritual, das wir im Kollegenkreis seit Langem hingebungsvoll pflegen. Ein Start in die Woche ohne diesen kollegialen Austausch ist kein guter Start, so viel steht schon mal fest. Wie soll ich mich auf meine Arbeit konzentrieren, solange ich nicht weiß, ob die anderen den gestrigen Mörder auch so sympathisch fanden wie ich? Ein deutlicher Anflug von Selbstmitleid überkommt mich.

»Muss das jetzt sein? Was gibt es denn so Dringendes?«, frage ich gequält.

»Das besprechen wir besser in aller Ruhe unter vier Augen«, antwortet der Chefredakteur und marschiert forschen Schrittes den Flur entlang. Dabei macht er eine wedelnde Handbewegung, die mir zu verstehen gibt, dass ich ihm folgen soll.

Auf halbem Weg kommt uns seine Stellvertreterin Conny entgegen, meine persönliche Erzfeindin. »Viel Spaß, Süße«, raunt sie mir im Vorbeigehen giftig zu und schenkt mir ein eisiges Lächeln. Tja, als der liebe Gott damals die Herzlichkeit verteilt hat, war Conny wohl gerade auf dem Klo.

Ich ignoriere ihren Kommentar und trotte missmutig hinter Rouven her. Mir schwant Schreckliches.

»Setz dich doch!«, fordert er mich prompt auf, als wir sein Büro erreicht haben.

Das hatte ich befürchtet! Das Problem ist, dass mein Chef in den letzten Jahren dazu neigt, sowohl sein Äußeres als auch seine Arbeitsumgebung konträr zu seinem Lebensalter zu gestalten. Je älter er wird, desto jugendlicher wirken seine Kleidung und die Büroeinrichtung. Zu dem fragwürdigen Einrichtungskonzept gehört auch, dass es in der Besprechungsecke keinerlei ernst zu nehmende Sitzgelegenheiten gibt. Stühle, Sessel oder gar Sofa: Fehlanzeige. Was stattdessen herumsteht, oder besser: herumliegt, sind Sitzsäcke. Quietschbunt und höllisch weich. Eine Beleidigung für die Augen und eine echte Herausforderung für die Bandscheiben. Bei dem Versuch, aus einem dieser wackeligen Dinger wieder hochzukommen, fühle ich mich jedes Mal wie ein gestrandeter Wal. Da ich dann vermutlich auch so aussehe, halte ich diese obskuren Sitzgelegenheiten für ungeeignet, um bei Gesprächen meine professionelle Ausstrahlung optimal zur Geltung zu bringen. Wann immer es geht, versuche ich daher, Besprechungen in Rouvens Büro im Stehen hinter mich zu bringen.

Bedauerlicherweise leide ich jedoch an einem ausgeprägten Morgenmuffelsyndrom und bin vor dem ersten Kaffee grundsätzlich nicht zu komplexen Denkleistungen fähig. Aus diesem Grund fällt mir auf Anhieb keine plausible Ausrede ein, mit der ich verhindern könnte, mich hier und jetzt hinsetzen zu müssen. Notgedrungen lasse ich mich in einen der Sitzsäcke fallen und werde von dem neongelben Polsterungetüm sogleich verschluckt. Auf jeden Fall fühlt es sich so an. Doch damit nicht genug: Ich muss zu meinem großen Entsetzen auch noch feststellen, dass mein Rock für eine solch unnatürliche Sitzposition eindeutig zu kurz ist!

Vorsichtig schiele ich zu meinem Chef hinüber. Der zerknüllt gerade einige Notizzettel zu kleinen Kugeln und scheint von meinem unvorteilhaften Erscheinungsbild zum Glück nichts mitzubekommen. In Momenten wie diesen hat seine geistesabwesende Art eindeutig ihre Vorzüge.

»Das Jahr neigt sich allmählich dem Ende zu«, setzt Rouven nun an, ohne den Blick zu heben, »und in wenigen Monaten steht Weihnachten vor der Tür.«

»Hmmhh«, erwidere ich vage. Richtig zugehört habe ich nicht, denn der Versuch, mir vom Sitzsack nebenan möglichst unauffällig ein kleines Kissen zu angeln und dabei das Gleichgewicht zu halten, fordert meine volle Aufmerksamkeit.

»Conny und ich haben uns vorhin Gedanken darüber gemacht, mit welchem Special wir in der dunklen Jahreszeit möglichst viele Leserinnen erreichen könnten.«

»Ist das so?«, sage ich, während ich mit den Fingerspitzen einen Zipfel des Kissenbezuges zu fassen bekomme.

»Ja, so ist das! Und wir haben auch eine wunderschöne Idee entwickelt.«

»Und möchtest du mir diese wunderschöne Idee vielleicht auch verraten?« Hochkonzentriert halte ich die Balance in meinem Sitzsack, während ich das Kissen zu mir ziehe und es mir als Sichtschutz auf den Schoß lege. Sofort fühle ich mich wesentlich besser.

»Das Motto lautet: Weihnachten nicht mehr allein«, informiert mich Rouven und schnippt mit den Fingern eins der Kügelchen Richtung Mülleimer, an dem – total jugendlich – ein kleiner Basketballkorb montiert ist. Er trifft knapp daneben.

Ich sehe ihn skeptisch an.

»Es geht um die Frage, wie man heutzutage am besten einen Partner finden kann. Wir planen eine Serie über die zehn besten Möglichkeiten der Partnersuche«, erklärt er mir und springt mit einem Satz aus seinem Sitzsack auf.

»Aha, interessant. Allerdings verstehe ich nicht ganz, was ich damit zu tun haben sollte. Wie dir bestimmt nicht entgangen ist, bin ich für das Ressort Kochen und Genießen zuständig.«

Mein Chef bleibt mir eine Antwort schuldig und bückt sich ächzend nach dem Papierkügelchen, das auf dem Boden gelandet ist. Als er sich wieder aufrichtet, verzieht er einen Augenblick lang schmerzverzerrt das Gesicht.

Dies nehme ich mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis. Allem Jugendwahn zum Trotz scheint es ihn dennoch altersentsprechend im Rücken zu zwicken.

»Soll ich für den Fall, dass sämtliche Partnersuchmethoden versagen, etwa ein Rezept entwickeln?«, frage ich grinsend. »Nach der Devise: Wie backe ich mir meinen Traumprinzen?«

Ich selbst finde meinen Scherz sehr gelungen und amüsiere mich köstlich darüber. Rouven hingegen lässt keinerlei Gefühlsregung erkennen, zumindest nicht in Zusammenhang mit meiner Bemerkung. Er kommt in leicht gebeugter Haltung zurück in die Besprechungsecke und nimmt wieder auf seinem Sitzsack Platz. Das Tempo seiner Bewegungen ist dabei auffallend gemächlich, fast schon zeitlupenartig.

Hach, ein kleines bisschen gönne ich ihm ja seinen Rückenschmerz, das muss ich zugeben! Schließlich zwingt ihn niemand, sich mit seinen siebenundfünfzig Jahren noch immer wie ein Zwanzigjähriger zu benehmen.

»Wie wäre es passend zur Jahreszeit mit einem schönen Lebkuchenteig?«, lege ich, von meiner Schadenfreude beflügelt, nach.

Der Chefredakteur sieht mich streng an. »Bitte reiß dich zusammen, wir sind eine seriöse Zeitschrift.«

»Das ist mir neu.«

Seine Augen beginnen gefährlich zu funkeln.

»Ist ja schon gut! Aber mal im Ernst: Ich wüsste wirklich nicht, was ich zu dieser Serie beitragen soll.«

»Nun ja, so einiges, will ich hoffen.« Er zwirbelt nervös seinen dünnen Oberlippenbart. »Du wirst sie nämlich schreiben.«

Sehr witzig. »Netter Versuch, Chef!«, pruste ich los und beginne mich aus dem monströsen Polster herauszuarbeiten. Wenn er mich auf den Arm nehmen will, muss er sich etwas Besseres ausdenken!

»Das ist kein Scherz, Fanny!«, tönt es aus dem gegenüberliegenden Sitzsack.

Ich sehe Rouven belustigt an. Dumm nur, dass sein Gesichtsausdruck exakt zu den Worten passt, die er soeben sagte. Augenblicklich vergeht mir das Lachen. »Kein Scherz?«, krächze ich entsetzt.

Er schüttelt den Kopf.

Erschüttert lasse ich mich in die Tiefen des Sitzsacks zurückplumpsen. Eine Artikelreihe zum Thema Partnersuche ist so ziemlich das Letzte, was ich machen möchte! Schließlich will ich mit Männern nichts mehr zu tun haben. Berechtigterweise, wie ich finde.

»Aber ich bin doch für das Ressort Kochen und Genießen zuständig«, wiederhole ich nochmals meinen Einwand. Nur zur Sicherheit, um hundertprozentig auszuschließen, dass diesem absurden Arbeitsauftrag eine Verwechslung zugrunde liegt.

»Das ist mir durchaus bewusst«, gibt mein Chef ungerührt zurück, »doch im Gegensatz zu dir stecken die Kollegen von Psychologie und Lifestyle ausnahmslos in glücklichen Beziehungen. Denen kann man so eine Reihe wirklich nicht zumuten, es könnte ihr Privatleben gefährden.«

»Aber mir kannst du so was zumuten, oder wie? Dabei weißt du ganz genau, was mir damals mit Sven widerfahren ist!«, erwidere ich beleidigt.

»Das ist über vier Jahre her! Ob du willst oder nicht: Irgendwann musst du mit der Geschichte abschließen. Und falls du an deinem Job hängst, ist jetzt der ideale Zeitpunkt dafür.«

Huihuihui! Er scheint heute nicht zu längeren Verhandlungen aufgelegt zu sein, der Gute. Unter diesen Umständen wechsle ich doch lieber die Taktik. Vielleicht lässt er sich wenigstens zu einem Aufschub bewegen.

»Du hast natürlich völlig recht. Ich muss mit der Sache abschließen«, flöte ich.

Rouven nickt zufrieden.

»Allerdings halte ich es ehrlich gesagt für ungünstig, so eine Serie ausgerechnet zu dieser Jahreszeit zu machen. Überleg doch mal: Alle sind im Vorweihnachtsstress, da kümmert sich kein Mensch um die Partnersuche. Bestimmt könnten wir mit dem Thema im Frühling viel mehr Leserinnen erreichen«, gebe ich listig zu bedenken.

»Papperlapapp!«, kontert mein Chef, »Das sind völlig überholte Vorstellungen! November ist der neue Mai, so sieht’s aus!«

Ich seufze. »Na gut, wenn es unbedingt sein muss. Aber gib mir später bloß nicht die Schuld, wenn unsere Verkaufszahlen mit dem Aufhänger total einbrechen! Am besten fange ich gleich mit der Recherche an, dann habe ich es wenigstens schnell hinter mir. Wir sind uns hoffentlich darüber einig, dass es eine Artikelserie vom Schreibtisch aus wird? Oder soll ich zu diesem Quatsch etwa auch noch jemanden interviewen?«

»Nun ja, nicht direkt …«

»Gut, dann dürfte wohl für den Moment alles geklärt sein!« Ich atme erleichtert auf und starte einen weiteren Versuch, aus diesem verflixten Sitzsack hochzukommen.

»… wir möchten die Geschichte dieses Mal etwas origineller aufziehen.«

»Was soll das heißen?«

»Ich stelle mir vor, dass du dem Ganzen eine, sagen wir, persönliche Note verleihst.«

»Oh nein!«, rufe ich alarmiert und lasse mich wieder in den Sack fallen. »Lass mich raten: Es sollen mehrere Interviews werden?«

»Keinesfalls«, antwortet Rouven. »Ich denke eher an einen umfangreichen Selbstversuch, an dem du unsere Leserinnen hautnah teilhaben lässt.«

Selbstversuch? Mir bleibt fast die Luft weg. »Das kommt überhaupt nicht infrage!«, japse ich.

»Eine enge Kundenbindung ist heutzutage sehr wichtig. Überlebenswichtig, um genau zu sein. Die Leserinnen sollen das Gefühl bekommen, dass du ihre Freundin bist und nicht eine beliebig austauschbare anonyme Redakteurin«, fährt mein Chef unbeirrt fort.

»Vergiss es, nur über meine Leiche!«, erkläre ich entschlossen und schwinge mich mit einem Ruck aus dem Sitzsack hoch. Dabei lege ich in etwa die Anmut einer trächtigen Elefantenkuh an den Tag, was meine Überzeugungskraft offensichtlich entscheidend schmälert. Mein Protest zumindest verhallt scheinbar ungehört in den Untiefen des Raumes.

»Idealerweise schreibst du nicht nur die Artikel für die Printausgabe, sondern erstellst zusätzlich noch einen Blog. Du könntest natürlich auch während der Dates pikante Details twittern oder so was in der Art«, überlegt Rouven laut.

»Dates?«, kreische ich hysterisch. »Du kannst doch nicht allen Ernstes von mir verlangen, dass ich mich für dieses blödsinnige Special auch noch mit irgendwelchen wildfremden Singlemännern treffe!«

Rouvens Nasenflügel blähen sich bedenklich. »Oh doch, genau das kann ich! Wenn dir diese Zeitschrift und deine Stelle etwas wert sind, gehst du jetzt da raus und machst diesen verdammten Selbstversuch«, verliert er die Geduld. »Ende der Diskussion!«

»So eine Unverschämtheit! Dieser verdammte Mistkerl!«, wüte ich abends am Esstisch lautstark. Meine Familie scheint von meinem Gefühlsausbruch indes keine Notiz zu nehmen. Mama und meine Schwester Lola kauen stumm vor sich hin, mein Neffe Anton ist damit beschäftigt, eine autobahnbreite Spur aus Pfeffer und Salz auf das Tischtuch zu streuen und meine Nichte Mia sieht ihrem großen Bruder gebannt dabei zu. Typisch! Im Grunde könnte ich mich ebenso gut mit der Wand unterhalten. Nur Kurti ist meine miserable Verfassung anscheinend nicht völlig egal. Er stellt sich auf die Hinterpfoten und reibt tröstend seinen Kopf an meinem Unterarm. Guter Hund! Dass er dabei mit seiner gefleckten Schnauze immer weiter in Richtung meines Tellers rückt, übersehe ich in meiner Not geflissentlich. Natürlich könnte man auf den Gedanken kommen, dass sein Hauptinteresse in Wahrheit weniger meinem Seelenleben als vielmehr meinem Abendessen gilt, zumal heute Schnitzeltag bei Mama ist. Wie jeden Montag, übrigens. Doch ich möchte diese Möglichkeit im Moment gar nicht weiter in Betracht ziehen. Denn wo sollte es noch hinführen, wenn nicht einmal mehr der Hund sich dafür interessiert, wie schlecht es mir geht? Man möchte dem Tier ja auch keine bösen Absichten unterstellen, schließlich kann es sich nicht verteidigen! Also kraule ich den süßen Jack Russell Terrier, dessen Nase jetzt fast den Tellerrand berührt, liebevoll hinter dem Ohr und versinke noch ein Stückchen tiefer in Selbstmitleid.

Minutenlang spricht niemand ein Wort. Kauend und schweigend sitzen wir da.

»Wann kommst du eigentlich nächste Woche zum Essen? Ich würde gerne schon mal den Einkauf planen. Wie wäre es am Freitag?«, fragt meine Mutter unvermittelt in die Stille hinein und versetzt meinem angeknacksten Selbstwertgefühl damit den nächsten Hieb.

»Mama!« rufe ich entrüstet. »Nach all den Jahren müsstest du dir endlich merken können, dass ich freitags nie zum Essen komme!«

»Warum eigentlich nicht?«, erkundigt sie sich, als würde sie das gerade zum ersten Mal hören.

Ist das die Möglichkeit? »Weil ich Fisch nicht ausstehen kann, vielleicht!?«

»Das macht Papa auch nicht wieder lebendig.«

»Lass Papa aus dem Spiel, das hat überhaupt nichts mit ihm zu tun. Ich habe Fisch bereits gehasst, bevor er beim Hochseeangeln verunglückt ist!«, echauffiere ich mich. »Wenn du irgendwann deinen tausendjährigen Speiseplan aufgeben solltest, kann ich gerne noch mal darüber nachdenken. Aber solange es freitags Fisch gibt, musst du auf mich verzichten!«

»Hundertjährig.«

»Wie bitte?«

»Es heißt: hundertjähriger Speiseplan.«

»Das kommt aufs Gleiche raus. Solange du dich an diesen Plan hältst, werden wir alle trotzdem nie erleben, dass er irgendwann zu Ende ist und es mal was anderes zu Essen gibt.«

»Dir kann man es aber wirklich auch nie recht machen!«, generalisiert meine Mutter nun gekränkt.

Ich bin ein friedliebender Mensch. Daher ziehe ich es vor, auf diese Äußerung nicht weiter einzugehen. Sonst tobt hier gleich das Chaos. Schnell schiebe ich mir eine Gabel mit einem riesigen Stück Schnitzel und extra viel Pilzrahmsauce in den Mund. Und zur Sicherheit gleich noch eine große Portion Reis hinterher. Das ist die eleganteste Lösung, die mir in der Kürze der Zeit einfällt, um vorerst nichts mehr sagen zu müssen. Bis ich mit dem Kauen fertig bin und man theoretisch den nächsten Redebeitrag von mir erwarten könnte, werden sich die Wogen am Esstisch hoffentlich wieder geglättet haben.

»Dabei ist Fisch sehr gesund!«, schmollt Mama, während ich kaue.

Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. »Fisch!«, rufe ich mit vollem Mund und schlage mir mit der flachen Hand auf die Stirn.

»Wie bitte?« Meine Mutter und Lola sehen mich verständnislos an.

»Fisch!«, wiederhole ich, als würde das irgendetwas erklären. »Das hätte ich Rouven heute Morgen sagen sollen! Dass ich schließlich auch ständig Fischrezepte ausarbeiten muss, obwohl ich Fisch auf den Tod nicht ausstehen kann. Deshalb wäre es nur gerecht, dass die Kollegen von Psychologie und Lifestyle diese blöde Reportage machen, obwohl sie in Beziehungen stecken!«

Schade eigentlich, dass die guten Argumente mir immer erst zeitverzögert einfallen. Am Timing muss ich dringend noch arbeiten! Jetzt aber blicke ich triumphierend in die Runde. Sofort wird mir klar, dass meine geniale Argumentationskette völlig wirkungslos an meiner Familie abgeprallt ist.

Statt mir beizupflichten und mich zu ermutigen, morgen noch mal das Gespräch mit dem Chef zu suchen, sehen mich alle an, als hätte ich den Verstand verloren.

»Ich an deiner Stelle würde mich freuen, wenn ich so eine Chance bekäme«, sagt Mama und spießt mit der Gabel ein paar Pilze auf. »Du musst wirklich etwas offener werden, wenn du einen Mann kennenlernen willst.«

»Aber ich will doch gar keinen Mann kennenlernen. Das ist ja genau das Problem!«

»Eben!«, seufzt meine Mutter.

Prima! Meine Familie belegt mal wieder spielend Platz eins im aneinander Vorbeireden. Hilfesuchend wandert mein Blick zu meiner älteren Schwester hinüber.

Lola zuckt mit den Schultern. »Ich fürchte, ich muss Mama recht geben. Ich fände es auch an der Zeit, dass du dir endlich wieder jemanden suchst. Das kann doch nicht ewig so weitergehen.«

»Vielen Dank auch, Lola! Als ob du in dieser Hinsicht mit besonders gutem Beispiel vorangehst«, gifte ich sie an. »Im Gegensatz zu dir habe ich es zumindest beinahe zu einer Ehe gebracht. Wie lange hat deine längste Beziehung gleich wieder gehalten? Du weißt schon: die zu Antons Vater? Elf Monate? Mias Papa hast du jedenfalls schon vor der Geburt den Laufpass gegeben. Und seitdem hattest du doch auch nie wieder was Festes.«

»Na und«, gibt meine Schwester unbekümmert zurück und fährt sich mit der Hand durchs hennagefärbte Haar, »in meinem Leben ist für einen festen Partner ja auch kein Platz. Ich bin mit meinen beiden Kindern sehr glücklich und hinreichend ausgelastet.«

Letzteres glaube ich ihr aufs Wort! Also, das mit dem ausgelastet meine ich. Anton und Mia fallen eindeutig nicht unter die Kategorie brave Kinder, sondern weisen eher Parallelen zu einem Sack Flöhe auf. Meine Schwester behauptet, im Alter von sieben und fünf Jahren sei das völlig normal. Ich hingegen denke, dass es hauptsächlich an Lolas viel zu laxem Erziehungsstil liegt. Wenn ich die Sorgeberechtigte der beiden wäre, würde ich ihnen jedenfalls einiges nicht so einfach durchgehen lassen. Aber lassen wir das! Ich bin eben nur die Tante. Damit ist mein Aufgabengebiet klar abgesteckt. In der Regel bewegt es sich irgendwo zwischen Babysitten und Geschenkeverteilen.

»Geht euch jetzt bitte mal die Hände waschen«, fordert Lola ihre Sprösslinge beiläufig auf. Die beiden liegen inzwischen halb auf der Tischplatte, malen mit den Fingern Kurven in die Gewürzstraße und reagieren in keiner Weise auf die Bitte ihrer Mutter. »Wenn ihr euch die Hände gewaschen habt, dürft ihr drüben im Wohnzimmer fernsehen«, legt Lola wirksam nach.

Sobald die beiden den Raum verlassen haben, wendet sich meine Schwester wieder mir zu. »Außerdem kannst du mir kaum vorwerfen, dass ich mich nicht ausreichend für Männer interessiere.«

»Da muss ich dir recht geben«, entgegne ich zynisch. »Es ist wohl eher so, dass du dich zu sehr für sie interessierst. Deshalb fällt es dir auch so schwer, dich für einen von ihnen zu entscheiden.«

Lola grinst vieldeutig. »Schwesterherz, sei doch nicht immer so furchtbar spießig! Wenn der ganze Garten voll köstlicher Früchte ist, warum um Himmels willen sollte man nur von einer einzigen Sorte naschen?« Lasziv lässt sie eine Gurkenscheibe zwischen ihre rot geschminkten Lippen gleiten.

Ich bin mir ganz sicher: Eine von uns muss bei der Geburt vertauscht worden sein. Anders ist dieser Niveauunterschied zwischen uns Geschwistern nicht zu erklären. Meine Hand ballt sich unter dem Tisch zur Faust. »Pass bloß auf, dass du beim Naschen keinen Vitaminschock bekommst«, murmle ich.

»Du solltest das ganze Thema wirklich nicht so persönlich nehmen«, mischt sich nun meine Mutter ein. »Betrachte es einfach als Job wie jeden anderen. Was hast du schon zu verlieren? Im schlimmsten Fall doch wohl deinen Singlestatus – und das wäre eindeutig das Beste, was dir passieren kann.«

Wenn man Mama und Lola so zuhört, könnte man glatt den Eindruck bekommen, bei der von mir gewählten Lebensform handele es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung, die es unter allen Umständen auszurotten gilt. Als wäre die Bezeichnung alleinstehend ein Synonym für aussätzig. Danke, liebes Universum, dass du mir diese Verwandten geschenkt hast – mit ihnen an meiner Seite kann ich auf weitere Feinde getrost verzichten!

Kapitel 3

Fachgespräche

»Ich bin Single – und das ist auch gut so!«, rufe ich theatralisch und nehme mir noch einen Blaubeer-Frischkäse-Muffin. Absolut köstlich, die Dinger! Ich will mich ja nicht selbst loben, aber was das Kochen und Backen angeht, macht mir so schnell keiner was vor.

Im Gegensatz dazu ist es um meine Kenntnisse auf dem Gebiet der zeitgemäßen Partnersuche leider nicht besonders gut bestellt. Wenn ich mich festlegen müsste, würde ich meine diesbezügliche Kompetenz irgendwo zwischen rudimentär und nicht vorhanden ansiedeln. Ich habe jedenfalls überhaupt keine Vorstellung davon, welche Maßnahmen man auf der Suche nach einem Lebensabschnittsgefährten heutzutage soergreift! Wie auch? Schließlich befand ich mich über zehn Jahre lang in einer festen Beziehung. Und seit deren unrühmlichem Ende lebe und liebe ich, wie erwähnt, allein. Aus Überzeugung, wohlgemerkt! Nicht aus Not.

Natürlich hätte ich von meinen beziehungswilligen Bekannten in dieser Hinsicht bereits einiges lernen können. Aber ganz unter uns: Wirklich genau hört man da im Laufe der Zeit eben auch nicht mehr hin, solange man selbst gar keinen Mann erobern, sondern viel lieber seine Ruhe haben möchte. Erschwerend kommt hinzu, dass ich von aktiver Partnersuche schon rein aus Prinzip nichts halte. Ich glaube nämlich an das Schicksal und denke, dass es einen guten Job macht. Man sollte ihm deshalb nicht ständig dazwischenfunken, sondern den Dingen besser ihren Lauf lassen. Selbst wenn einem während des gesamten Lebens niemals ein passender Partner über den Weg laufen sollte, wird das sicherlich einen guten Grund haben. Davon bin ich überzeugt!

Die Anzahl meiner eigenen Ideen, wie ich Rouvens unsäglichen Spezialauftrag praktisch angehen könnte, beläuft sich aus den genannten Gründen auf – null. Eine groß angelegte Internetrecherche erscheint mir wegen der persönlichen Note, die der Chefredakteur wünscht, ebenfalls nicht angemessen. Die Umstände machen es also erforderlich, den Rat von Fachleuten einzuholen. Daher habe ich kurzfristig eine Expertenkommission einberufen. Die illustre Runde, die meiner spontanen Einladung zum Kaffeekränzchen gefolgt ist und nun in meinem Wohnzimmer um den Esstisch herum sitzt, besteht aus meinen Freundinnen Britta, Judith und Helen.

Jede von ihnen verfügt auf dem Gebiet der Partnersuche über spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten. Was die Quantität der Erfahrungen angeht, belegt eindeutig Britta den ersten Platz. Inzwischen habe ich es längst aufgegeben, ihren jeweiligen Lover, sofern ich ihn überhaupt kennenlerne, nach seinem Namen zu fragen. Lohnt sich ja nicht. Namen konnte ich mir nämlich noch nie auf Anhieb merken. Ich muss einen Menschen mindestens zwei- oder dreimal gesehen haben, bevor ich zuverlässig sagen kann, wie er heißt. Da sich diese Gelegenheit bei Brittas Männerbekanntschaften eigentlich nie ergibt, habe ich mich beizeiten dazu entschlossen, meine geistigen Kapazitäten zu schonen. Mit dieser Strategie komme ich schon erstaunlich lange hervorragend zurecht, und ich vermute, dies wird auch in Zukunft so bleiben. Denn Brittas verzweifeltes Bemühen und die ständigen Enttäuschungen haben sich im Laufe der Zeit irgendwie auf ihre Aura übertragen. Wenn Britta einem Mann zum ersten Mal begegnet, liegt stets der stumme Vorwurf Du bist doch sicherlich auch wieder so ein Scheißkerl, der nur schnellen Sex will! in der Luft. Bisher hat sich keine ihrer zahlreichen Bekanntschaften die Mühe gemacht, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Noch bevor beim ersten Date die üblichen Begrüßungsfloskeln ausgetauscht sind, ist die Atmosphäre meist schon völlig vergiftet. Die guten Jungs halten zwar den Hauptgang durch, machen sich aber, von Brittas nonverbaler Anklage eingeschüchtert, bereits vor dem Dessert aus dem Staub. Der weitaus größere Teil will allerdings auf ein bisschen Spaß nicht verzichten und verschwindet erst kurz vor dem Frühstück. Wenn sich ihre düstere Prophezeiung wieder einmal von selbst erfüllt hat, ist Britta noch mieser drauf. Fatalerweise sinken dadurch – auf einer Skala von eins bis zehn – ihre Chancen auf ein Happy End beim nächsten Mann auf circa minus elf. Ein Teufelskreis. Britta weigert sich jedoch konsequent, diesen simplen Zusammenhang zu erkennen. Weshalb ihr breites theoretisches Wissen in Sachen Partnersuche leider völlig nutzlos ist. Sie erzielt einfach keine zufriedenstellenden Ergebnisse.

Ganz im Gegensatz zu Judith. Die agiert eher aus dem Bauch heraus und findet bei Männern auch relativ häufig das, was sie sucht. Paradoxerweise verliert die Liaison für sie meist genau dadurch ihren Reiz. Judith fängt dann schnell an, sich zu langweilen, und begibt sich auf die Suche nach einer neuen Herausforderung.

Helen schließlich – mit ihren neunundzwanzig Jahren das Küken unserer Runde – ist zwar seit knapp einem Jahr verheiratet, hat ihren Gatten jedoch über eine Singlebörse kennengelernt. Dieser Umstand weist sie meiner Ansicht nach hinreichend als Expertin auf dem Gebiet der Beziehungsanbahnung aus.

Ich beabsichtige, vom reichen Erfahrungsschatz der drei zu profitieren und mich in ungezwungener Atmosphäre von ihnen in die Geheimnisse der Prinzenjagd einweihen zu lassen. Zunächst jedoch kann ich es mir nicht verkneifen, ihnen noch einmal in aller Deutlichkeit meinen persönlichen Standpunkt darzulegen.

»Es lebt sich doch viel entspannter ohne Partner! Man kann tun und lassen, was man möchte, ohne ständig auf jemanden Rücksicht nehmen zu müssen«, verkünde ich forsch und beiße genüsslich in den Muffin. »Zum Beispiel kann man in Ruhe Diät machen, so oft und solange man will. Niemand beschwert sich, dass es wochenlang nur Salat zum Abendbrot gibt. Auf der anderen Seite kann man die Diät aber jederzeit abbrechen, ohne sich bissige Kommentare zu seinen Fettpölsterchen anhören zu müssen.«

Britta und Judith werfen sich, so scheint es mir, mitleidige Blicke zu.

Doch ich bin jetzt ganz in meinem Element. »Ich könnte theoretisch abends vor dem Fernseher eine Tafel Schokolade nach der anderen zu mir nehmen, ohne mich dafür vor irgendjemandem rechtfertigen zu müssen«, schwärme ich mit vollen Backen. »Apropos: Um die Fernbedienung muss man sich natürlich auch nicht mehr streiten. Ein Umstand, dessen positiver Einfluss auf die Lebenszufriedenheit meiner Meinung nach bislang weit unterschätzt wird. Ach, es ist einfach alles so herrlich kalkulierbar und konfliktfrei, wenn man alleine lebt!«

»Klingt irgendwie langweilig«, urteilt Britta trocken und stochert in ihrem Frankfurter Kranz herum.

Judith nickt zustimmend, wobei ihre kupferroten Locken anfangen zu wippen. »Das finde ich allerdings auch. So ohne jede Spannung, das ist doch auf die Dauer nichts. Vielleicht wäre es tatsächlich ganz gut für dich, wenn in deinem Leben endlich mal wieder ein bisschen was los wäre, Fanny?«

Ich schüttle energisch den Kopf. »Glaubt mir, Mädels, die Sache mit Sven war mir Aufregung genug für die nächsten Jahrzehnte! Außerdem mag ich es lieber, wenn alles seine Ordnung hat.«

»Pah, in Wirklichkeit hast du doch nur Angst vor Veränderung. Du solltest viel mehr wagen in deinem Leben«, widerspricht Britta mir.

»Von wegen! Mein Leben ist gut so, wie es ist«, entgegne ich empört. Scheinbar haben sich mal wieder alle gegen mich verschworen.

Nur Helen hält zu mir. »Also, ich kann dich schon verstehen«, pflichtet sie mir bei. »Jedenfalls stelle ich es mir durchaus reizvoll vor, keine Kompromisse mehr eingehen zu müssen. Außerdem kann man sich als Single auf das Wesentliche konzentrieren, statt sich ständig mit absurden Diskussionen aufzuhalten.«

Bei diesem Stichwort legen Britta und Judith, einer Synchronschwimmerinnenformation nicht unähnlich, zeitgleich ihre Kuchengabeln ab. »Was denn für absurde Diskussionen?«, fragen sie wie aus einem Munde und sehen Helen sensationslüstern an.

Deren Gesicht verzieht sich zu einer Leidensmiene. »Zum Beispiel darüber, ob man getragene Socken bis zum nächsten Waschgang in Zimmerecken und unter dem Sofa aufbewahren sollte oder nicht.«

»Ach so, wenn es weiter nichts ist«, entgegnet Britta enttäuscht und greift nach der geblümten Kaffeekanne, deren Grundfarbton, wie ich gerade feststelle, wirklich fantastisch mit der Farbe meines Shabby-Chic-Mobiliars harmoniert.

Judith wendet sich wieder ihrem Apfelkuchen zu.

Ich sehe meine beiden Singlefreundinnen vorwurfsvoll an. »Das ist schon sehr bezeichnend!«, beklage ich mich. »Ausgerechnet die einzige Person in meinem Umfeld, die seit Längerem eine ernsthafte Beziehung führt, bringt volles Verständnis für meinen Lebensentwurf auf.«

»Wie auch immer. Vielleicht sollten wir uns jetzt auch langsam auf das Wesentliche konzentrieren«, lässt Britta mich auflaufen. »Schließlich haben wir uns heute nicht bei dir zusammengefunden, um uns von deiner Abneigung gegen feste Bindungen anstecken zu lassen.«

So ungerne ich es zugebe, aber da hat sie natürlich recht. Die Stunde der Wahrheit lässt sich nicht ewig hinauszögern. Daher beiße ich die Zähne zusammen und nicke tapfer.

Helen lächelt mich aufmunternd an. »Also, wir tun jetzt mal so, als würdest du tatsächlich jemanden suchen. Wie müsste Mister Perfect denn aussehen?«, erkundigt sie sich betont einfühlsam.

Moment mal! Das finde ich jetzt aber wirklich unlogisch! Der Fehler an diesem Mister Perfect wäre doch auf jeden Fall, dass er mir gefallen und allein dadurch mein Lebenskonzept konterkarieren würde. So jemanden möchte ich auf keinen Fall an meiner Seite haben.

Vorsichtig blicke ich in die Runde. Die Mädels sehen mich erwartungsvoll an, also traue ich mich nicht, meine Gedanken offen auszusprechen. »Keine Ahnung«, antworte ich deshalb und zucke mit den Schultern.

Damit lassen sich meine Freundinnen jedoch nicht abspeisen. Mit zu Schlitzen verengten Augen fixieren sie mich unerbittlich.

Ich lächle verlegen. »Vielleicht irgendwie – unsichtbar?«, schlage ich zaghaft vor.

Brittas Blick wandert genervt in Richtung Zimmerdecke. »So wird das nichts, wir müssen es anders angehen. Hast du Alkohol im Haus?«

In den nächsten Stunden plaudern meine drei Beraterinnen bereitwillig aus dem Nähkästchen und bringen mich bezüglich Partnersuche auf den aktuellen Stand der Zeit. Am Ende des Tages habe ich einen genauen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten, die der Frau von heute auf der Suche nach ihrem Traummann zur Verfügung stehen. Für die Artikelserie fühle ich mich nun bestens gewappnet.

Ich fürchte, die Mädels haben trotzdem den Eindruck bekommen, dass ich ein hoffnungsloser Fall bin. Nach je drei Stück Torte, Unmengen von Kaffee und diversen Gläsern Eierlikör wirken sie jedenfalls der Verzweiflung nahe. Und das scheint nicht an der Kalorienorgie zu liegen, die sich soeben in meinem Wohnzimmer abgespielt hat. Grund ist eher meine mangelnde Mitwirkungsbereitschaft in Sachen Finde-deinen-Traummann. Unisono empfehlen mir meine Freundinnen schließlich, ich solle mich der Thematik doch besser von der theoretischen Seite her nähern und als Einstieg zunächst die einschlägige Fachliteratur studieren.

»Du musst zuallererst sehr viel an dir selbst arbeiten«, bereitet Britta mich auf das vor, was mich dabei erwartet.

Die beiden anderen nicken zustimmend.

»Jaja«, entgegne ich lapidar und mache eine wegwerfende Handbewegung. Ehrlich gesagt brüskiert mich dieser Ratschlag ein wenig, denn so schlimm kann es eigentlich nicht werden. Jedenfalls wüsste ich nicht, was meinem Erfolg bei Männern im Wege stehen sollte. Abgesehen von meinem kleinen Motivationsproblem natürlich. Doch das habe ich schon so gut wie überwunden. Schließlich bin ich Profi genug, um mich sämtlichen neuen Aufgaben mit dem notwendigen Engagement zu widmen – ungeachtet aller persönlichen Ressentiments!

Als ich die Tür öffne, ertönt eine entsetzliche Willkommensmelodie in enormer Lautstärke. Na prima, denke ich, mein Plan scheint ja wunderbar aufzugehen. Das ohrenbetäubend laute Glockenspiel über dem Eingang informiert jeden Bürger im Umkreis von mindestens einem Kilometer Luftlinie über meine Ankunft.