Light & Justice - Die Geheimnisse von Asgard Band 3 - S.T. Bende - E-Book

Light & Justice - Die Geheimnisse von Asgard Band 3 E-Book

S.T. Bende

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Beschreibung

Band 3 der fesselnden Urban-Fantasy-Reihe rund um die nordische Mythologie


Elsa, eine Hohe Heilerin und Tyrs kleine Schwester, korrigiert das Unheil, das diejenigen angerichtet haben, die sich für die dunkle Seite entschieden haben. Doch selbst Asgards Geheimwaffe kann nicht alle Wunden heilen - vor allem dann nicht, wenn ihr Schicksal mit dem Gott, den sie zu retten versucht, völlig verwoben ist.

Ihre große Liebe Forse, der Gott der Gerechtigkeit, erwidert ihre Gefühle. Doch er fürchtet sich zu sehr: davor, dass Elsa wieder etwas passiert und er sie nicht beschützen kann; und davor, seiner Aufgabe nicht mehr gerecht zu werden, wenn er sein Herz zu sehr öffnet.

Es ist ein schmaler Grat zwischen Liebe und Angst. Und Elsa muss sich bald entscheiden: Ist es wichtiger, die Welten in einem perfekten Gleichgewicht zu halten oder denjenigen, den sie über alle Maßen liebt, zu retten?


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Seitenzahl: 353

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Inhalt

Cover

Titel

Widmung

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Danksagungen

Weitere Titel der Autorin

Impressum

S.T. Bende

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch vonStephanie Pannen

Für meine drei Jungs – mögen eure gütigen Herzen jedes Reich erhellen, das ihr berührt. Jeg elsker deg.

„Erwache, liebes Herz. Dein Schlaf war süß. Erwache.“ –

Prospero, Der Sturm

Eins

»Ich zeige dir meins, wenn du mir deins zeigst.« Forse Styrke verzog einen Mundwinkel zu einem Lächeln. Mein Herz pochte, bevor es kopfüber in einen vertrauten Abgrund stürzte.

»So funktioniert das nicht, und das weißt du auch«, erinnerte ich ihn.

Forse zuckte mit den Schultern. »Fair ist fair.«

»Und wenn der Gott der Gerechtigkeit das sagt, muss es wahr sein.«

Forse zwinkerte mir nur zu.

»Lässt du mich das jetzt machen oder nicht? Odin weiß, dass ich die Übung brauche.« Ich stemmte die Hände in die Hüften und starrte den Mann an, in den ich seit einer Ewigkeit verliebt, aber mit dem ich noch viel länger befreundet war. Es dauerte nicht lange, bis er einknickte.

»Schon gut, schon gut.« Forse hob die Hände. »Du weißt, dass ich deinen großen blauen Augen nichts abschlagen kann.«

Ich klimperte lächelnd mit den Wimpern.

Forse hob die Hand und strich mir mit einem Finger über die Schläfe. Gänsehaut breitete sich auf meinem Hals aus, als ich mich gegen die Berührung lehnte. Sekunden nachdem seine Fingerknöchel meine Wange gestreift hatten, zog Forse seine Hand zurück und machte einen Schritt zur Seite. »Also gut, Miss Vereinigerin, dann zeig mir mal, was du drauf hast.«

Ich presste die Lippen aufeinander und versuchte, meine Enttäuschung zu verdrängen. Forse und ich tanzten schon ewig umeinander herum – sogar noch länger, wenn man die Zeit vor meinem Koma dazu zählte. Forse mochte mich ... oder zumindest bildete ich es mir ein, dennoch zog er sich jedes Mal zurück, wenn wir uns näherkamen. Und obwohl Odin mir die Fähigkeit verliehen hatte, Gefühle, Auren und gelegentlich auch Gedanken zu lesen, konnte ich nicht begreifen, warum Forse sich nicht auf mich einlassen wollte. Mein normalerweise intuitives Gehirn nahm eine Andeutung von Angst wahr, die irgendwo in Forses emotionalem Zentrum aufblitzte, aber ich konnte beim besten Willen nicht feststellen, woher sie kam.

Der Gott der Gerechtigkeit erwies sich als eine irritierend unüberwindbare Mauer der Sturheit. Und meine vermeintliche Gabe ließ mich völlig im Stich.

»Elsa?« Forse wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum, und ich kehrte in die Gegenwart zurück.

»Hm?« Eine Windböe lenkte meine Aufmerksamkeit auf den Redwood-Hain vor dem Fenster meines kleinen Hauses. Ein weiterer Sturm war im Anmarsch – der zweite in diesem Monat und der sechste seit Dezember. Ein Märzregen in Nordkalifornien war nicht ungewöhnlich ... aber ein Winter mit Schneefällen so nah am Meer schon. Ich behalte das besser im Auge.

Forse runzelte besorgt die Stirn. »Ich hab dich verloren. Willst du immer noch deine Energieanalyse üben, oder musst du dich eine Weile hinlegen?«

»Mir geht's gut. Fangen wir an.«

»Es ist erst ein paar Monate her, dass du aus dem Koma erwacht bist, und du weißt, dass es noch Nachwirkungen geben kann. Vielleicht sollten wir ...«

»Mir geht's gut, Forse, ich schwöre. Ich war nur abgelenkt. Es hängt viel davon ab, dass ich das hier schaffe. Also bleib bitte da stehen und lass mich üben.«

»Ich würde ja gerne, aber ...«

»Aber nichts. Wir beide wissen, wenn ich diese Fähigkeit nicht bald beherrsche, werden die Reiche in ernsten Schwierigkeiten stecken. Asgard braucht eine anständige Vereinigerin. Meine Mutter hat die Reiche des Lichts so gut im Gleichgewicht gehalten, dass sie sich selbst nach ihrem Tod bis jetzt zusammengerissen haben. Aber das kann nicht mehr lange so weitergehen, und ich will gar nicht daran denken, wie mächtig die dunklen Welten werden, wenn ich das nicht hinbekomme.«

Forse schüttelte den Kopf. »Ich denke immer noch, dass es zu früh ist. Fenrir hätte dich fast umgebracht. Du ...«

Ich legte meine Hand auf seinen Arm. »Ich schaffe das.«

Forse und ich starrten uns einen scheinbar endlosen Augenblick lang an. Er war der Erste, der blinzelte. »Sagst du mir Bescheid, wenn du eine Pause brauchst?«

Ich strich mit den Fingern über die Decke, die auf meinem hellbraunen Sofa lag. Die weichen blauen Fasern passten perfekt zu meinen neuen Vorhängen. »Du hast mein Wort. Jetzt lass uns noch mal durchgehen, was wir gelernt haben, seit die Nornen mich zur Übergangsvereinigerin ernannt haben. Vielleicht können wir so vermeiden, einige unserer früheren, äh, Fehler zu wiederholen.«

»Wie damals, als du aus Versehen meine Energie mit so viel Liebe gefüllt hast, dass ich beinahe Brynn geküsst hätte?« Forse zog eine Augenbraue hoch, und meine Wangen wurden heiß. Das war kein Versehen gewesen. Gleich nach dem Tod meiner Eltern hatten die Nornen mich zum Ersatz für meine Mutter ernannt, und Forse hatte sich freiwillig gemeldet, um mit mir zu üben, wie man gegnerische Fraktionen zusammenführt. Bei meinem ersten Versuch hatte ich eine überwältigende Menge an bewundernder Energie in Forses Liebeszentrum gepumpt, weil ich dachte, dass er sich dadurch seine Gefühle für mich eingestehen würde. Brynn war genau im falschen Moment hereingekommen und hätte beinahe die Früchte meiner fehlgeleiteten Arbeit geerntet. Richtiger Ort, falsche Göttin. Lektion gelernt.

»Ähm, ja. Genau so.« Ich starrte an die Deckenlampen meines Wohnzimmers und versuchte, mich wieder unter Kontrolle zu bekommen. »Also werden wir das nicht noch einmal versuchen. Genauso wenig wie dein Bewusstsein außer Kraft zu setzen – entschuldige, dass ich dich am Ende glauben ließ, du wärst eine Fee.«

Forse warf mir einen wütenden Blick zu.

»Und wir werden nicht versuchen, deinen Selbsterhaltungssinn zu unterdrücken – im Ernst, ich hätte echt nicht gedacht, dass du meinem Bruder sofort dein Breitschwert übergeben und dich vor ihn knien würdest.« Ich kicherte.

Forse starrte mich noch finsterer an.

»Wie auch immer.« Ich hielt mir den Mund zu. »Und wir werden ganz sicher nicht die Schutzgeister von Walhalla anrufen. Das hat nicht gut geendet.«

»Danke, dass du mich rausgeholt hast, bevor mich die Betrunkenen enthaupten wollten. Denk dran, sie trainieren tagsüber. In der Freizeit ist es ein riesiges Met-Besäufnis.«

Forse verschränkte die Arme vor seiner perfekt geformten Brust. Sein graues T-Shirt dehnte sich über seinen angespannten Bizeps, und sein Profil wurde von der Lampe neben dem Fenster beleuchtet, was ihm einen fast ätherischen Schimmer verlieh. Bei allen Göttern, er ist wunderschön. So schön. Es ist völlig unfair, dass Odin ...

»Streckst du mir die Zunge raus?«, fragte Forse.

Oh nein! Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich mir über die Lippen geleckt hatte. Odin sei Dank war Forse ziemlich begriffsstutzig. »Ähm, ich wollte es dir nur schwer machen. Ich verspreche, dass ich diese Fehler nicht wiederholen werde. Aber man sollte doch meinen, dass wir dank all der Recherche, all der Bücher, die wir gelesen, und all der Leute, die wir ausgefragt haben, mehr darüber wissen würden, wie Mom es hinbekommen hat und es dabei auch noch so leicht hat aussehen lassen. Und das ... ist es einfach nicht.«

»Das ist das Ding an dieser speziellen Aufgabe.« Forse zuckte mit den Schultern. »Das Vereinigen ist eine intuitive Gabe. Es ist nicht wie Tyrs Job. Der kann sich einfach alte Kriegsstrategien ansehen, um die Schwäche eines Feindes einzuschätzen. Oder wie mein Job, bei dem ich die Rechtssysteme der Reiche studiere, um zu verstehen, wie sie funktionieren. Was du zu tun versuchst ist ein Rätsel. Alle von uns befragten Personen hatten keine Ahnung, wie deine Mutter ihnen geholfen hat; sie wussten nur, dass sie es getan hat. Wir haben wirklich keine andere Wahl – wir müssen es einfach immer wieder versuchen, bis es klappt.«

»Na gut. Heute werden wir also ...« Ich seufzte frustriert. »Bei Odins Bart, was haben wir noch nicht versucht? Wir sind hier doch schon Ewigkeiten dran.«

Forses Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und gaben den Blick auf zwei Reihen blendend weißer Zähne frei. Alles an ihm war perfekt. »Warum bleiben wir nicht bei dem, was du kennst? Du bist eine grandiose Hohe Heilerin. Versuche, meine Energiezentren nach Blockaden zu scannen, wie du es bei einer normalen Heilung tun würdest, und wenn du etwas findest, ziehe es heraus. Eine entfernte Blockade sollte mich offener dafür machen, mich mit meinem Feind anzufreunden, oder?«

»So ähnlich.« Ich lächelte zurück und versuchte, mich nicht in seinen wunderschönen grünen Augen zu verlieren. »Und wenn das nicht klappt, werde ich einfach meinen Kopf gegen deine Brust rammen und weinen.«

Oh, wenn ich weine, tröstet er mich vielleicht. Seine Arme um mich legen und mich an sich ziehen, damit ich ...

Nicht hilfreich!

Forse schmunzelte, ohne meinen inneren Aufruhr zu bemerken. »Meine Brust kann den Kopfstoß verkraften«, meinte er. »Aber ich könnte es nicht ertragen, dich weinen zu sehen.«

Wieder begannen meine Wangen zu brennen. »Okay, los geht's. Vereinigen für Anfänger, der neunhundertste Versuch.« Ich wollte lernen, wie man Geister zusammenbrachte, und wenn es das Letzte war, was ich tat. Es war nicht nur mein von Odin gegebenes Schicksal – zumindest so lange, bis ich die Fackel an Mia, die sterbliche Freundin meines Bruders, weitergeben konnte –, sondern es war auch eine Schlüsselfunktion der asgardischen Sicherheit und damit unbedingt erforderlich für das Überleben unseres Volkes und der Reiche, wie wir sie kannten. Außerdem bestand eine winzige Chance, dass mein Training mit Forse dabei helfen würde, ihn dazu zu bringen, endlich mit mir auszugehen. Das wäre natürlich nur ein angenehmer Nebeneffekt meiner Ausbildung und keineswegs der Hauptgrund, warum ich so hart arbeitete. Ich war schließlich nicht völlig egoistisch.

»Lass es uns tun«, sagte Forse. Er schloss die Augen.

Ich tat es ihm gleich und atmete tief ein und wieder aus. Dann presste ich meine Handflächen auf den Boden, um alle fremde Energie aus meinem Körper zu vertreiben. Meine Energie zu mir zurückzurufen, war mir in Fleisch und Blut übergegangen, und als ich meine Energieblase ausdehnte, um sanft gegen Forses Raum zu stoßen, schickte ich ein Dankgebet an meine Mutter, die mir diese äußerst nützliche, wenn auch höchst verwirrende, Gabe weitergegeben hatte.

»Du bist jetzt drin, oder?« Forse klang unbehaglich.

»Was ist los, Justice? Traust du mir nicht?«

»Ich vertraue dir. Es ist nur ...«

»Schon okay, ich weiß, dass es seltsam ist. Du kannst mich jederzeit wieder rausstoßen. Du weißt ja, wie es geht. Stell dir einfach vor, mich aus deinem Raum zu vertreiben. Deine Energie wird deiner Absicht folgen.«

»Ich werde dich nicht hinausdrängen«, sagte Forse. »Wir sind so kurz vor einem Durchbruch, das spüre ich.«

»Es wäre viel einfacher gewesen, wenn wir gewusst hätten, dass ich Moms vereinigendes Gen geerbt habe«, flüsterte ich. »Sie hätte mir alles erklären können, bevor Fenrir ... Du weißt schon.«

Forses Energie flackerte. Ein Hauch von Reue durchzog seine Aura und verdunkelte sie ein wenig. »Es tut mir so leid, dass wir deine Eltern verloren haben.«

»Es ist nicht deine Schuld. Du hast Fenrir nicht auf sie gehetzt.« Ich schickte ihm eine Welle der Liebe – gerade genug, um das Äquivalent einer festen Umarmung zu sein, definitiv nicht genug, um ihn dazu zu bringen, die erstbeste Frau zu küssen, die vorbeikam. Nicht noch mal. Die glückliche Brynn.

»Ja, aber ...«

»Nichts aber. Sie sind fort, und niemand ist schuld außer Fenrir ... na ja, Fenrir und sie.«

Ich verdrängte das Bild von Fenrirs Komplizin aus meinem Kopf. »Und diese Teufelin ist am Tag des Angriffs aus Asgard geflohen, also lass uns vorwärtsblicken und Moms Vermächtnis auf eine Weise ehren, auf die sie stolz sein kann.«

Forse nickte. Ich wusste, dass es ihm schwerfiel, seine Sorgen beiseitezuschieben, aber er blieb ganz ruhig, und seine Energie begann sich zu beruhigen. »Ich gehöre ganz dir.«

Bei den Göttern, ich wünschte, es wäre so.

»Ich gehe wieder rein«, erklärte ich. »Mal sehen, ob ich es dieses Mal richtig mache.«

Forse nickte erneut. Nachdem der Weg zu seinen Energiezentren frei war, begann ich mit meiner Beurteilung. Analysiere jede Stelle. Identifiziere alle Blockaden. Isoliere und entferne das Hindernis. Das schien einfach genug. So Odin wollte, würde dieser Ansatz funktionieren. Zwischen Fenrirs Angriffen, Hels Entführung unserer Liebesgöttin Freya und diesem bizarren Kältezauber in einem Reich, das von der globalen Klimaerwärmung geplagt wurde, spürte ich, dass das perfekte Gleichgewicht unserer Reiche zur dunklen Seite hin zu kippen begann. Ich musste mich nur lang genug zusammenreißen, bis mein Bruder seine Freundin Mia endlich geheiratet hatte. Denn dann würde sie nach asgardischem Recht die Rolle der Vereinigerin übernehmen. Ich war zuversichtlich, dass sie diese Aufgabe hervorragend meistern würde. Sie hatte ein angeborenes Talent dafür, emotional aufgeladene Situationen zu glätten, und sie schaffte es irgendwie, meinen sonst so verklemmten Bruder so zu beruhigen, dass er das große Ganze sehen konnte. Sobald Mia Asgards Vereinigerin wurde, würde ich zu meinem anderen Vollzeitjob zurückkehren, den der Hohen Heilerin – einer Berufung, in der ich wesentlich besser war.

Ich hoffte für uns alle, dass Tyr ihr bald einen Antrag machen würde. Am besten schon gestern.

»Elsa? Machen wir noch weiter?«, unterbrach Forse meinen entgleisten Gedankengang.

»Ja. Tut mir leid. Ich bin heute wirklich abgelenkt.«

Forse lachte auf. »Bin ich innerlich so langweilig?«

»Ganz im Gegenteil. Du bist innerlich absolut brillant.« Das war er. Sein ganzes Wesen war von einem auffallend goldenen Licht erfüllt. Es war das Zeugnis eines Lebens, das mit ære gelebt wurde. Mit Ehre.

»Du schmeichelst mir, hjärtat. Nun geh an die Arbeit.«

»Ja, Sir.« Ich konzentrierte mich auf das glühende Licht an der Basis von Forses Wirbelsäule. Die Sterblichen nannten die pulsierenden Markierungen dort Chakren, aber die Asen kannten sie als Energiezentren. Diese winzigen Kugeln enthielten eine Blaupause von Forses Vergangenheit und sagten die Entscheidungen für seine Zukunft voraus. Jedes stellte eine andere Funktion dar – Forses erstes Zentrum, das an der Basis seiner Wirbelsäule, durchströmte ein klares weißes Licht. Es ergab Sinn, dass das Zentrum, das seine Herkunftsfamilie widerspiegelte, so rein war – Forses Vater Balder war der Gott des Lichts, und seine Mutter Nanna war die Göttin der Wärme – die unsterbliche Verkörperung der mütterlichen Liebe. Forses Kindheit war für einen Asen untypisch sicher gewesen, und er hatte eine enge Beziehung zu seinen Eltern und seinem Bruder aufrechterhalten, nachdem er seinen eigenen Titel angenommen hatte.

»Dein erstes Zentrum ist frei – keine Blockaden dort. Wie geht es deinen Eltern?«, fragte ich.

»Gut. Mom möchte, dass du zum Abendessen vorbeikommst, wenn wir das nächste Mal in Asgard sind. Sie hat sich die Bilder angesehen, die ich ihr von dir und Mia geschickt habe – sie ist überzeugt, dass du nicht genug isst, und sie will dich mästen.« Ich konnte Forses Lächeln hören, auch wenn ich die Augen geschlossen hatte.

»Deine Mutter ist die Beste.« Ich grinste zurück und runzelte dann die Stirn, als ich die nächsten beiden Kugeln analysierte. »Dein zweites Zentrum ist klar, und dein drittes Zentrum ist wunderschön – du weißt wirklich, wo du in der Welt hingehörst, nicht wahr?«

Forse seufzte. »Das ist der Segen und der Fluch von Asgard – wenn Odin dir einen Titel schenkt, musst du eben dabei bleiben.«

»Wem sagst du das«, murmelte ich. »Das vierte Zentrum ist ... hmm.«

»Was?«, fragte Forse.

»Da ist etwas in deinem Liebeszentrum – ein kleiner Fleck, der sich vom Gold abhebt. Hättest du etwas dagegen, wenn ich tiefer hineingehen würde?« Um Erlaubnis zu fragen war eine Voraussetzung für die Heilung. Ich nahm an, dass die Regeln für die Vereinigung dieselben waren. Schließlich war der Geist eines Gottes etwas Einzigartiges.

»Tu, was du tun musst«, stimmte Forse zu. Aber der Fleck wurde größer, während er sprach.

Interessant.

»Okay.« Ich holte tief Luft und drückte meine Energie gegen die von Forse, bahnte mir einen Weg durch die goldenen Wellen, die sein Herz umgaben, bis ich mich dem Fleck näherte. So nahe am Kern des Liebeszentrums war die Energie ein trübes Braun. Seltsam. Ich schob mich näher heran, und zum ersten Mal spürte ich einen Widerstand. Mit einem weiteren Atemzug stieß ich vor. Die Energie von Forse wies meine Annäherung zurück. Ich straffte die Schultern und versuchte es erneut. Dieses Mal gab die Energie nach und ließ mich durch. In dem Moment, in dem ich die eiserne Wand erblickte, die den Kern des Zentrums umgab, schloss die braune Energie ihre Reihen und vertrieb mich gewaltsam aus dem Energiefeld des Gottes der Gerechtigkeit.

»Elsa? Alles okay?« Forse streckte seine Hand aus, um mich zu stützen. Ich riss die Augen auf. Der plötzliche Übergang hatte mich aus dem Gleichgewicht gebracht. Forses Finger drückten meine Schulter, und ich konzentrierte mich darauf, wie sich die Muskeln seiner Unterarme anspannten, als er mich wieder aufrichtete. »Warum legst du dich nicht ein bisschen hin?«

»Mir geht's gut.« Ich riss meinen Blick von Forses Armen los und studierte sein Gesicht. »Was ist passiert? Du hast mich rausgestoßen.«

»Ich ... äh ...«

Die Körpersprache von Forse sprach Bände. Seine Schultern waren angespannt, die Fäuste geballt. Alles an ihm schrie nach Flucht.

»Hey.« Ich legte meine Hand auf sein Herz. Es pochte in einem frenetischen Rhythmus gegen meine Handfläche, sein hektischer Puls ein krasser Gegensatz zum beruhigenden Schneefall draußen vor dem Fenster. »Es tut mir leid. Ich hätte dich nicht unter Druck setzen sollen. Du musst nicht darüber reden, was auch immer es ist.«

»Ich will dir helfen, Elsa, es ist nur ...«

In diesem Moment unterbrach die Freundin meines Bruders in einem Wirbel aus violettblauen Augen und Vanilleparfüm die Erklärung von Forse. Die Haustür flog auf, und Mia stürmte in mein Wohnzimmer. Ihr normalerweise glattes Haar kräuselte sich unter einer leichten Schneeflockenschicht.

»Hei, Mia. Alles in Ordnung?« Ich ließ meine Hand von Forses Brust sinken und ging zu ihr.

»Nicht so ganz.« Sie kämmte mit den Fingern durch ihre Haare, um sie zu bändigen.

»Was ist denn?«, fragte Forse.

»Also erstens schneit es schon wieder. Wir leben in Arcata, um Himmels willen. Wenn ich im Schnee zum Unterricht hätte gehen wollen, wäre ich an der Ostküste geblieben, um zu studieren.« Mia schüttelte den Kopf. »Aber viel wichtiger ist, dass Tyr Forse sofort bei sich sehen will. Ich dachte, ich würde ihn hier finden.«

»Bin ich so berechenbar?«, fragte Forse.

»Ja.« Mia nickte. »Elsa, du kommst besser auch. Tyr spannt wieder seine Kiefermuskeln an. Was immer es sein mag, das ihn so aufregt, es ist wahrscheinlich nichts Gutes.«

Forse zog eine Augenbraue hoch, und ich zuckte mit den Schultern. Wir hatten eine Reihe von ruhigen Monaten hinter uns, seit wir Freya aus Helheim zurückgeholt hatten. Es war mal wieder höchste Zeit für eine Krise.

»Lasst uns gehen.« Forse ging zur Garderobe am Eingang und half mir in meine Jacke. Er zog sich seinen Pullover über den Kopf und öffnete die Haustür. Mia ging hindurch, und ich folgte ihr. Als wir durch den Wald zum Haus meines Bruders marschierten, warf ich einen Blick auf den Gott, der neben mir die Fäuste ballte.

Irgendetwas sagte mir, dass es nicht die Tatsache war, dass Tyr ihn zu sich rief, die ihn so nervös machte. Was verbarg Forse Styrke hinter dieser Eisenmauer?

Zwei

»Tyr ist in der Männerhöhle. Er hat mir gesagt, ich soll dich hochschicken.« Mia schloss die Haustür meines Bruders und hängte ihre Schlüssel an den Haken.

In Asgard schloss man normalerweise nicht ab, aber Midgard war momentan so verrückt, dass wir uns auf zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen geeinigt hatten.

»Elsa, ist es für dich in Ordnung, wenn ich nach oben gehe?« Bevor ich antworten konnte, wandte er sich an Mia. »Sie hat gerade mit mir trainiert, und ich glaube, es hat sie ziemlich angestrengt.«

Mia rang ihre Hände. »Geht es dir gut, Elsa? Ich habe Lasagne zum Abendessen gemacht, und danach geht es den Leuten normalerweise besser. Willst du hierbleiben?«

Ich schüttelte den Kopf. »Forse, ich hab dir doch gesagt, dass es mir gut geht. Moment mal, hast du Lasagne gesagt?«

»Hab ich.« Mia nickte.

»Wir wollen uns nicht aufdrängen ...« Mias Kochkünste waren fantastisch. Aber sie und mein Bruder hatten in letzter Zeit nicht viel Zeit für sich gehabt, und ich wollte auf keinen Fall den Zorn des launischsten Gottes im Kosmos auf mich ziehen. Vielleicht könnten Forse und ich etwas von der Lasagne einpacken und mitnehmen ...

»Ach Quatsch, du drängst dich nicht auf. Brynn und Henrik werden jeden Moment nach Hause kommen, und du weißt, wie viel sie essen. Ich habe genug gemacht, um eine kleine Armee zu ernähren.«

»Na ja, wenn du darauf bestehst.« Ich grinste. »Kann ich dir helfen, einen Salat zu machen?«

»Alles schon erledigt.« Mia nahm meine Hand und zog mich in Richtung Küche. »Du kannst mir Gesellschaft leisten, während wir auf die Jungs warten.«

Ich spürte den besorgten Blick von Forse, als ich Mia den Flur hinunter folgte. Bevor ich die Tür erreichte, ließ ich Mias Hand los. »Ich komme sofort«, sagte ich. Mia nickte und ging in die Küche vor, während ich mich zu Forse umdrehte. Er stand stirnrunzelnd am Fuße der Treppe.

»Bist du sicher, dass es dir gut geht?«, fragte er.

»Alles bestens. Wenn du dir die ganze Zeit solche Sorgen um mich machst, bekommst du nie etwas erledigt.«

»Ich weiß, aber du wärst bei dir zu Hause fast umgekippt. Du setzt dich zu sehr unter Druck«, erwiderte Forse sanft. Er steckte die Daumen in die Gürtelschlaufen seiner Jeans. Aus seinen grasgrünen Augen strahlte Besorgnis.

Der Anblick brachte mich einfach zum Schmelzen.

»Mir bleibt nicht wirklich eine Wahl. Asgard braucht eine Vereinigerin. Außerdem« – ich drehte den Spieß um – »hast du kaum geschlafen, seit wir Freya befreit haben. Neben deiner regulären Aufgabe als Gott der Gerechtigkeit und dem, was du und Henrik mit dem Lokationator vorhabt ...«

»Dem Lokalisierer. Er wird ein nützlicher Peilsender sein, falls es, Odin behüte, zu einer weiteren Entführung kommen sollte. Wäre er schon einsatzbereit gewesen, hätten wir Freya in weniger als einem Tag vor Hel retten können.« Forse strich sich mit der Hand durch seine hellbraunen Haare. Sie waren mit goldenen Strähnchen durchzogen, die wunderbar zu seiner gebräunten Haut passten.

»Wirklich?«, fragte ich.

»Ziemlich sicher.« Forse erhob seine Stimme, damit man ihn in der Küche hören konnte. »Mia, du hast den ersten Entwurf gezeichnet. Wenn wir den Lokalisierer im Dezember gehabt hätten, hätte er Freya innerhalb von vierundzwanzig Stunden aufspüren können, oder?«

»Wenn sie in einem der Lichtreiche gewesen wäre, auf jeden Fall. Aber angesichts ihrer Koordinaten lautet die Antwort nein.« Mia steckte ihren Kopf um die Ecke. »Die Infrastruktur des Lokalisierers enthält Älva–Staub, eine Verbindung, die auf Lichtmagie basiert. Der Überschuss an dunkler Magie in Hels Versteck hätte den Staub und damit den Lokalisierer unbrauchbar gemacht. Das Gerät funktioniert auch in dunklen Reichen wie Jotunheim, Svartalfheim und sogar in den Außenbezirken von Helheim, aber tote Punkte neutralisieren den Älva-Staub. Und mit toten Flecken meine ich Stellen, die mit einer übermäßigen Dosis an dunkler Magie durchsetzt sind. Nicht Orte, die mit toten Menschen bedeckt sind ... wie der, an dem Hel Freya gefangen gehalten hat.« Mia schauderte, bevor sie sich in die Küche zurückzog.

»Das ist ein großer Konstruktionsfehler«, gab Forse zu. »Henrik und ich müssen das in Angriff nehmen.«

»Vielleicht müsst ihr das«, stimmte ich zu. »Aber nicht gleich heute Abend. Du arbeitest momentan nonstop. Du brauchst eine Pause.«

»Mmm.« Forses Augenbrauen entspannten sich, und seine Mundwinkel verzogen sich ein wenig nach oben. »Wie wäre es, wenn wir einen Deal machen? Ich werde mich einen Abend lang zurückhalten, wenn du das auch tust.«

»Was bedeutet das?«

»Das bedeutet, es ist Freitag. Nach dem Abendessen gehen wir zu dir, schauen uns einen Film an und vergessen unsere To-do-Listen.«

»Okay«, sagte ich, wobei meine äußere Ruhe in krassem Gegensatz zu der Freude stand, die in meinem Herzen pochte. Ich kannte Forse gut genug, um zu wissen, dass ich ihn in seinem eigenen Tempo machen lassen musste, aber der Gedanke, mich in meinem abgedunkelten Wohnzimmer an ihn zu kuscheln und eine Schüssel Popcorn vor dem Kamin zu teilen ... Das ließ mich geradezu euphorisch werden.

Odin sei Dank war ich die Einzige im Raum, die Energie lesen konnte. Meine prallte regelrecht von den Wänden ab.

»Sag Tyr hallo von mir«, sagte ich beiläufig.

Forse nickte, dann joggte er die Treppe hinauf, um seinen Freund zu suchen. Seine dunkle Jeans umspielte perfekt seinen muskulösen Hintern, und als ich mich schließlich umdrehte und in die Küche ging, schenkte mir Mia ein reumütiges Lächeln.

»Tut mir leid, dass ich euch vorhin bei dir gestört habe.« Sie reichte mir einen Becher Tee und nickte in Richtung des Flurs. »Es sah so aus, als hättet ihr da gerade einen besonderen Moment gehabt.«

Ich nahm den Becher und stellte mich an die Kücheninsel. Dann zog ich einen Hocker hervor und setzte mich. »Das hast du nicht. Forse ist ... na ja, er ist eben Forse. Du weißt ja, wie Kerle sind.«

»Überfürsorglich? Überheblich? Rechthaberisch? Hartnäckig? Außerordentlich um dein Wohlergehen besorgt, sodass sie dir eine Vollzeit-Leibwächterin zuweisen?« Mia setzte sich mit ihrem eigenen Becher Tee neben mich.

»Du sprichst wohl von meinem Bruder.« Ich trank einen Schluck. Mmm. Pfefferminze.

»Genau der. Ich habe Brynn gern, und ich liebe es, Zeit mit ihr zu verbringen, aber wir beide wissen, dass sie lieber bei Henrik wäre, statt mir zu den Zwischenprüfungen zu folgen und in der Bibliothek über die Schulter zu schauen. Irgendwann wird Tyr verstehen müssen, dass ich auf mich selbst aufpassen kann.« Mia tippte mit ihren manikürten Fingernägeln gegen ihren Becher.

»Du hast recht«, stimmte ich zu. »Aber dieses ›Irgendwann‹ wird nicht schon wenige Monate später sein, nachdem ein irrer Wolf versucht hat, dich zu töten.«

Mia brummte leise.

»Sieh es ein, Mia, als du dich auf Tyr eingelassen hast, hast du dich auch auf ein Leben voller Verrücktheiten eingelassen. Und ein Teil dieser Verrücktheit ist mit Personenschutz verbunden. Wenn dir das nicht gefällt, kannst du dir immer noch einen sterblichen Freund suchen.« Ich verkniff mir ein Lächeln, denn ich wusste genau, was jetzt kommen würde.

»Halt den Mund, Elsa Fredriksen. Ich liebe deinen Bruder, und damit hat es sich. Aber manchmal frage ich mich, ob er mich jemals als seine Teamkollegin sehen wird statt als jemanden, den er beschützen muss.«

»Er ist Tyr der Beschützer. Das ist buchstäblich seine Jobbeschreibung.« Ich nahm einen weiteren Schluck Tee.

»Ich weiß, aber ...«

»Hey.« Ich griff nach Mias Hand. »Schon verstanden. Er behandelt mich auch so, und ich bin ein Schlüssel.« Schlüssel waren Götter, die in der asgardischen Infrastruktur eine wichtige Rolle spielten – Seher, Beschaffer, Transporter und ich, der schrullige Hybrid aus Hoher Heilerin und Vereinigerin. »Aber du bist eine Sterbliche. Und er ist in dich verliebt. Es wird eine Weile dauern, bis er aufhört, so ein Helikopter-Freund zu sein.«

»Ein Helikopter-Freund?« Mia kicherte.

»Du weißt, was ich meine.« Ich drückte ihre Hand. »Eines Tages wirst du an Tyrs Seite stehen und unser Reich mit einer Stärke beschützen, die der seinen entspricht. Du wirst es nur auf deine eigene Weise tun. Und bis dahin ...« Ich zuckte mit den Schultern.

»Ist er ein Helikopter-Freund.«

»Ganz genau.«

Wir lächelten uns an. Mia führte ihren Becher an die Lippen und trank einen Schluck Tee. Nach einer Minute drehte sie sich wieder zu mir um. »Also, wann fange ich mit dem Training an?«

»Training?« Ich legte den Kopf schief.

»Um eine Vereinigerin zu werden. Je schneller ich mich einarbeite, desto eher kann ich euch helfen, Asgard und die Erde zu schützen. Und desto eher wird Tyr diese ganze Leibwächter-Sache aufgeben, richtig? Gott weiß, dass sich Brynn im Moment besser auf ihr eigenes Leben konzentrieren sollte als auf meines.«

Adrenalin durchströmte mich, als mir Mias Frage durch den Kopf schoss. Mia trainieren? Ich verstand kaum selbst, was das Vereinigen war, wie sollte ich der wichtigsten Person im Leben meines Bruders beibringen, damit die Reiche zu schützen ... und sich selbst? Ich unterdrückte einen unwillkürlichen Schauer und setzte ein Lächeln auf, um die Frage zu überspielen. »Brynn ist eine ziemlich eindrucksvolle Walküre. Sie hat alles unter Kontrolle.«

»Ja, aber sie muss auch Zeit mit Henrik verbringen. Sie haben ewig darauf gewartet, zusammen zu sein.« Mia nickte.

»Stimmt. Aber sie nehmen sich Zeit füreinander, wann immer sie können.« Ich zwang meinen Puls, sich zu beruhigen. »Sie sind jetzt nicht hier, oder?«

»Nein. Sie sind joggen gegangen. Moment mal.« Mias Augenbrauen zogen sich hoch, und ich erlaubte mir einen Seufzer der Erleichterung. Sterbliche abgelenkt. Auftrag erfüllt. Sie hatte die Frage nach dem Training als Vereinigerin vorerst fallen gelassen, aber ich wusste, dass meine Schonfrist nur vorübergehend war. Mia war ebenso hartnäckig wie klug, und sie wollte unbedingt ihre natürliche Gabe, Menschen zusammenzubringen, nutzen, um unserem Team zu helfen – und sie hatte es verdient. Meine Entschlossenheit, die schwer fassbare Fähigkeit des Vereinigens zu erlernen, wurde stärker. Mia brauchte mich. Die Reiche brauchten uns beide. Ich durfte sie nicht im Stich lassen. Bekomme es hin, Elsa. Schnell.

»Moment mal, was?« Ich richtete meine Energie auf die Gegenwart. Ich konnte mir an einem anderen Tag Sorgen machen.

»Moment mal, Henrik joggt doch gar nicht.« Mia zählte eins und eins zusammen. »Er hebt Gewichte, boxt und macht dieses Schlingentraining, aber er hasst Joggen. Auf keinen Fall würde er ...«

»Genau.« Ich nickte. »Sie sind gut. Und was ist mit dir? Wir sind noch gar nicht dazu gekommen, uns zu unterhalten, seit du die Zwischenprüfungen hinter dir hast. Geht es dir gut?«

Ich machte einen kurzen Scan von Mias Energie. Wie immer strahlte ihr Liebeszentrum in einem leuchtenden, rosa-goldenen Farbton. Sie war eine der erfrischend offensten Sterblichen, die ich kannte. Aber ihr Visualisierungszentrum war getrübt. Sie war verständlicherweise besorgt über die Zukunft und was sie für sie bedeutete, vor allem, da Tyrs Albträume immer wieder wahr wurden – die ihm nahestehenden Götter wurden angegriffen, und bisher hatten wir uns nicht gerade gut geschützt.

»Ich fühle mich ein wenig unwohl«, gab Mia zu. »Ich werde mich viel besser fühlen, wenn ich weiß, dass ich dazu beitragen kann, den Frieden hier zu wahren. Vielleicht werden wir dann nicht mehr von Menschen angegriffen. Oder von Hunden. Oder Dämonen. Oder was auch immer.«

Das arme Mädchen hatte noch nicht verstanden, dass wir immer angegriffen werden würden. Das lag in der Natur der Sache, wenn man aus Asgard kam. Man konnte nicht über die Reiche herrschen, ohne sich eine Menge Feinde zu machen. Verluste gehörten einfach dazu.

Ich vermisse sie so sehr.

»Elsa? Geht es dir gut? Du hältst deinen Becher so fest umklammert.« Mia löste sanft meine Finger von meinem Tee.

»Tut mir leid. Ich wollte eigentlich wissen, wie es dir geht.« Ich schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen zu vertreiben. Es hatte wenig Sinn, über die Vergangenheit zu brüten. Das würde mir meine Eltern nicht zurückbringen, und Mias Seelenfrieden würde es sicher auch nicht fördern. Erneut konzentrierte ich mich auf die Gegenwart. »Okay. Was wolltest du sagen?«

Mia drückte meine Finger. »Ich bitte dich, mich zu trainieren. Ich habe es satt, mich wie ein hilfloser Mensch zu fühlen – ich möchte etwas tun, um euch wirklich zu unterstützen. Die Zwischenprüfungen sind vorbei, und ich habe zwei Wochen frei. In der ersten kommen meine Eltern und Jason, aber dann fahren sie zurück an die Ostküste, also habe ich Zeit zur freien Verfügung. Wenn du Lust hast?«

Ich biss mir auf die Unterlippe. Meine Schonfrist hatte nicht einmal zwei Minuten gedauert. Aber wie konnte ich Mia zur Vereinigerin ausbilden, wenn ich selbst diese angeblich geerbte Fähigkeit nicht beherrschte? Das Vereinigen sollte mir im Blut liegen. Unter meiner Mutter hatten wir weniger Leute als zu jedem anderen Zeitpunkt in unserer Geschichte verloren.

Ich hingegen konnte nicht einmal die Mauer zum Herzen meines ewigen Schwarms überwinden.

»Tja, also ...«, begann ich ausweichend. Ich war Mia eine Erklärung für mein Zögern schuldig. »Ich bin bisher nicht gerade die beste Vereinigerin.«

»Schade.« Mein Bruder stürmte in die Küche wie ein Elefant im Porzellanladen. Er blieb vor der Spüle stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich unverwandt an. »Im Moment bist du nämlich die einzige Vereinigerin, die wir haben. Es ist an der Zeit, sich zusammenzureißen und in Aktion zu treten.«

»Wovon redest du?« Ich strich mir eine blonde Strähne hinters Ohr, als Forse hinter Tyr in die Küche kam. Seine Kiefermuskeln zuckten, seine Schultern wirkten angespannt, und die Falte zwischen seinen Augenbrauen war so tief, dass sie einen Bleistift hätte halten können. »Was ist hier los?«

»Frag ihn.« Forse nickte in Tyrs Richtung und stellte sich hinter mich. Er legte die Hände auf meine Stuhllehne und starrte meinen Bruder an. »Damit das klar ist: Ich bin damit nicht einverstanden.«

»Das weiß ich.« Tyr erwiderte seinen finsteren Blick. »Aber wir haben keine andere Wahl.«

»Man hat immer eine Wahl.« Forses Stimme war ruhig, aber seine Hände umklammerten meinen Stuhl so fest, dass ich seine Fingerknöchel knacken hörte. Die Spannung im Raum war mit Händen zu greifen; die Küche war in den dichten, roten Nebel der Wut gehüllt.

Die Emotionen waren überwältigend. Ich schaltete meine Fähigkeiten ab, um mich konzentrieren zu können. »Was. Ist. Hier. Los?«

Bevor ich eine Antwort bekam, war die Haustür zu hören, und Brynns und Henriks Schritte erklangen im Flur. Als sie in die Küche kamen, fiel mir auf, dass Brynn ihr T-Shirt verkehrt herum anhatte. Ich verkniff mir ein Lächeln.

»Wie war eure ›Laufrunde‹?«, scherzte Mia und setzte Anführungszeichen um das letzte Wort.

Brynn errötete, bevor sie ihren Kopf an Henriks Brust versteckte. »Gut«, murmelte sie.

»Wir haben deine Nachricht bekommen, kille. Alles in Ordnung?« Henrik legte seine Hand auf Brynns unteren Rücken. Sie streckte Mia die Zunge raus, und diese kicherte.

»Alles ist großartig. Wir haben eine der zehn von uns meistgesuchten Personen lokalisiert.« Tyr wandte seinen Blick nicht von Forse ab.

Ich drehte mich um. »Das ist doch eine gute Sache. Oder, Forse?«

»Das ist nicht der Grund, warum ich mich aufrege.« Forse hielt Tyrs Blick stand. Ich hatte meinen Extrasinn ausgeschaltet, aber auch ohne konnte jeder das Äquivalent von energetischem Feuer aus seinen Augen schießen sehen. Oje.

»Worüber regt sich Forse auf?«, fragte Mia.

»Er ist verärgert, weil ich Elsa auf die Mission mitnehmen will, um diese Person zu finden.« Die Ader an Tyrs Hals pulsierte. Na toll. Er war richtig wütend, aber ob auf Forse, mich oder diese noch zu identifizierende Person, konnte ich noch nicht sagen.

»Sie ist noch nicht bereit. Und du weißt, dass es wahrscheinlich eine Falle ist«, sagte Forse durch zusammengebissene Zähne.

»Vielleicht. Deshalb kommen Brynn und ich ja auch mit.« Tyr nickte.

»Was? Und wer wird auf Mia aufpassen? Oder kommt sie mit uns nach ... Moment, wohin geht es denn eigentlich?«, fragte Brynn.

»Ich kann auf mich selbst aufpassen«, wandte Mia ein.

Tyr sah Mia aus den Augenwinkeln heraus an. Man musste keine Hohe Heilerin sein, um zu sehen, wie gereizt sie war, und mein normalerweise dickköpfiger Bruder ging zu ihr hinüber, um sie in einer untypischen Demonstration von Sensibilität zu beruhigen. Er schlang seine Arme um ihre Schultern und sagte zu Brynn: »Du und dein Freund könnt für ein paar Tage die Jobs tauschen. Henrik, ich möchte, dass du hier bei Mia bleibst. Du kannst Freya aus Asgard zurückrufen, wenn du Hilfe brauchst, um alles für den Besuch von Mias Familie vorzubereiten. Mia, du schreibst schon seit Wochen eine Liste mit Plätzchen, die du für Jason backen musst, und Henrik ist der Backprofi von Asgard. Er würde bestimmt gern helfen.«

»Wenn du mich davon abzulenken versuchst, dass du mir nicht zutraust, auf mich selbst aufzupassen, dann bist du nicht so klug, wie ich dachte, Tyr Fredriksen«, schnaubte Mia. Dann wandte sie sich an Henrik. »Aber er hat recht, ich habe eine lange Liste von Dingen zu tun, um mich auf den Besuch meiner Familie vorzubereiten. Inklusive backen.«

»Wartet mal.« Henrik streckte eine Hand aus. »Wo wollt ihr denn hin? Und warum sieht Forse aus, als würde er gleich jemanden töten?«

Wir drehten uns alle zu Forse um. Er hatte die Augen zusammengekniffen, atmete hörbar aus und hatte eine pulsierende Stirnvene, die mit der von Tyrs Hals konkurrierte. Er kochte förmlich vor Wut.

»Wir gehen nach Svartalfheim«, antwortete Tyr kühl. Die vier Götter im Raum schnappten gleichzeitig überrascht nach Luft.

Die Sterbliche nahm unsere Reaktionen mit eingeübter Ruhe auf. »Was war noch mal Svartalfheim?«, fragte sie.

»Das schlimmste Reich nach Helheim«, murmelte Brynn.

»Dort leben die Dunkelelfen«, erklärte ich. »Als der Kosmos geboren wurde, schickte man die schwärzesten Seelen in eine Einöde – ein Reich der Isolation und des Rußes. Svartalfheim.«

»Und da wollt ihr alle hin?«, fragte Mia erschrocken.

»Forse, Brynn, Elsa und ich«, sagte Tyr und legte sein Kinn auf Mias Kopf. »Du bleibst hier bei Henrik.«

»Elsa muss nicht gehen«, argumentierte Forse.

»Du weißt am besten, wie heikel diese Festnahme ist. Die gesuchte Person ist seit einer Ewigkeit auf der Flucht. Sie wird von Dunkelelfen versteckt, die Fenrir an ihrer Stelle gefordert haben, aber ich habe nicht die Absicht, diese Bestie wieder freizulassen. Die Elfen haben eingewilligt, anstelle des Wolfes einen der svartischen Schätze aus der Schatzkammer Asgards zu nehmen, aber sie könnten sich leicht gegen uns wenden, sobald wir dort sind. Wir brauchen eine Vereinigerin, die dafür sorgt, dass der Austausch friedlich verläuft. Im Moment ist Elsa alles, was wir haben«, beendete Tyr seine Erklärung.

»Ähm, vielen Dank auch?«, sagte ich ironisch.

»Du weißt, was ich meine.« Tyr richtete seinen Blick auf mich. »Ich will dich genauso wenig in Svartalfheim sehen wie Forse. Ich weiß, dass du mit der Aufgabe der Friedenssicherung noch nicht vertraut bist, und ich möchte dich nicht in Gefahr bringen. Du bist nicht nur meine kleine Schwester, du bist auch ein Schlüssel – du gehörst zu den Göttern, die wir anderen zu beschützen geschworen haben. Ich hasse alles an dieser Sache. Doch leider haben wir keine andere Möglichkeit.«

»Ich könnte gehen«, bot Mia an. Ihre Stimme war zittrig, aber sie hielt ihren Kopf hoch.

»Nein«, erklangen fünf Stimmen gleichzeitig. Eine Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung blitzte in Mias Gesicht auf.

»Wenn ich nicht bereit bin, bist du es definitiv auch nicht«, erinnerte ich sie. »Ich werde es schaffen, und sobald ich diese bizarren Fähigkeiten beherrsche, gebe ich die Fackel an dich weiter. Das verspreche ich.«

»Meinetwegen. Dann halte ich diesmal eben noch hier die Stellung.« Mia starrte mich an. »Aber ich will nicht ewig mit Henrik backen müssen.«

Ich schluckte. Du musst es hinbekommen, Elsa.

»Hey, es gibt Schlimmeres.« Henrik zog eine Augenbraue hoch. »Ich habe dir noch gar nicht beigebracht, wie man die Schokoladenmousse-Torte meiner Mutter macht, oder?«

Mia sah mit einem kleinen Lächeln zu ihm auf. »Benutzt sie mexikanische Vanille?«

»Tahitianische«, konterte Henrik. »Und ich habe einen Vorrat davon in meinem Geheimschrank.«

»Da das nun geklärt ist, kann mir jemand den Namen dieser Person verraten, die wir aus diesem von Odin verlassenen Reich holen sollen?«, meldete sich Brynn zu Wort.

Ich drehte mich zu meinem Bruder um und wartete auf seine Antwort. Als er sprach, war seine Stimme kurz angebunden.

»Runa.«

Der Name legte sofort einen dunklen Schatten über den Raum. Brynn blieb der Mund offen stehen, und Henrik schnappte nach Luft. Ich konnte Forses Gesicht nicht sehen, aber das Geräusch knackender Fingerknöchel hinter mir ließ mich wissen, dass er nicht besonders glücklich war. Ich konnte das gut nachvollziehen.

Bei allen Göttern. Wir sind hinter Runa her.

Plötzlich war es, als würde sich alles um mich herum drehen, und Forse ergriff meine Arme, um mich zu beruhigen. Als er mich wieder aufrichtete, kam die Welt langsam zum Stillstand. Runa war mehr als nur die psychotische Ex-Freundin von Forse. Sie war das Monster, das das Verbrechen begangen hatte, das alles verändert hatte.

Als ich endlich meine Stimme fand, klang sie heiser. »Wir jagen Runa.«

»Ja.« Forse beobachtete mich aufmerksam.

»Und ihr wird Hochverrat vorgeworfen.«

»Ja«, wiederholte Forse.

»Gut.«

Forse behielt seine Hände auf meinen Armen, während ich durch meine Wut hindurch atmete. »Elsa, wenn du nicht mit uns gehen willst, können wir ...«

»Wir können was?«, unterbrach ihn Tyr. »Wir können nicht zulassen, dass die Dunkelelfen sie behalten – ihr Verbrechen richtete sich gegen Asgard, und sie muss sich in unserem Reich für ihre Taten verantworten. Nicht in Svartalfheim. Gerade du als Gott der Gerechtigkeit solltest das wissen.«

»Förbaskat, Tyr, ich werde nicht zulassen, dass sie Elsa etwas antut!«, explodierte Forse. Die Worte hallten von den Marmorarbeitsplatten wider und durchdrangen die sonst so ruhige Küche.

»Ich werde nicht zulassen, dass Runa irgendjemandem etwas antut!«, brüllte Tyr zurück. »Und dafür kann ich nur sorgen, wenn ich sie zu Odin bringe!«

»Es reicht!«, warf ich ein. Als ich meine Gefühle wieder unter Kontrolle hatte, reaktivierte ich meine Fähigkeiten und schickte Wellen der Ruhe zu Forse und Tyr. Sie atmeten weiter wütend ein und aus, aber ihre Auren spiegelten eine leichte Abnahme der Wut wider. Mehr bekam ich nicht hin. »Forse, ich verstehe dich ja. Aber Tyr hat recht. Runa muss für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden. Und da du der Gott der Gerechtigkeit bist und ich dir den Rücken freihalten muss, ob du es willst oder nicht, schließe ich mich euch an. Tyr hat vollkommen recht. Wir wollen nicht, dass dieser Austausch schiefgeht. Wir können nicht zulassen, dass sie noch jemanden verletzt. Ich brauche von dir jetzt dieses Vertrauen in mich, das du mir versprochen hast.«

»Ich glaube an dich, Elsa. Ich habe immer gewusst, dass du das Zeug dazu hast, diesen Job zu meistern, noch bevor du es selbst geglaubt hast. Du bist unglaublich stark, und du kannst alles erreichen, was du dir vornimmst. Aber es gibt so viele Kräfte, die gerade gegen uns arbeiten. Wenn dir etwas zustößt, würde ich mir das nie verzeihen.« Forse drückte seine Stirn an meine. Seine Besorgnis war rührend, und normalerweise wäre ich bei dieser Berührung dahingeschmolzen, aber im Moment konnte ich das einfach nicht.

»Dann lasst uns dafür sorgen, dass wir alle in Sicherheit sind. Wir bringen Runa nach Hause, damit sie nach asgardischem Recht bestraft werden kann.« Ich warf Forse einen Blick zu, der vor Zuversicht strotzte, die ich eigentlich nicht besaß. Da die wütenden Blicke, die Tyr und er einander zuwarfen, darauf hindeuteten, dass sie immer noch bei einer Sechs auf der Wutskala standen, war es klar, dass ich eine bedauernswert ineffektive Vereinigerin war.

Und nun hatte ich den Job meines Lebens vor mir.

»Wann geht es los?« Brynn legte die Hände auf die Arbeitsplatte der Insel.

»Gleich morgen früh. Nach dem Abendessen muss ich nach Asgard, um diesen seltsam geformten Kristall aus der Schatzkammer zu holen.« Tyr fuhr mit einem Finger an Mias Arm entlang. Sie erschauerte.

»Odin ist bereit, sich davon zu trennen?« Henrik klang überrascht. »Das Forschungsteam hat noch nicht herausgefunden, was er bewirkt.«