Liora - Tom Ashford - E-Book

Liora E-Book

Tom Ashford

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Beschreibung

Es war einmal… eine Hexe, die nie böse war.
Und eine, die nichts als Liebe wollte, aber nichts als Angst fand.
Dieses Märchen erzählt von Morgana, die verkannt wurde. Von Lysandra, die das Dunkel rief. Und von Liora, die aus beidem geboren wurde.
In einer Welt, in der Licht gegen Schatten kämpfte, erinnerte sich die Natur selbst an ihre tiefste Wahrheit: Nur das Gleichgewicht bleibt.
Ein poetisches, kraftvolles Märchen über Mut, Verbindung, Vergebung – und die Frage, was geschieht, wenn wir aufhören, gegeneinander zu stehen, und beginnen, miteinander zu werden.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Kapitel 1 – Die Ankunft und das Urteil

In einer kleinen Stadt, eingebettet zwischen sanften Hügeln und dem Rand eines tiefen, alten Waldes, erschien eines Tages eine Frau, deren Ankunft so unscheinbar war, dass sie kaum jemand bemerkte – und doch veränderte sie alles.Sie kam zu Fuß, mit einem Koffer, der schon bessere Tage gesehen hatte, einem Mantel, dessen dunkler Stoff schwer vom Regen hing, und einem Blick, der mehr zu tragen schien als jedes Gepäck. Ihre Augen waren wie aus einem anderen Zeitalter – müde, wachsam, und doch voller stiller Hoffnung. Ihr Name war Morgana. Und obwohl niemand wusste, woher sie kam, wirkte es, als sei sie nie fort gewesen.Die Stadt, in die sie trat, war eine jener Orte, in denen die Uhren ein wenig langsamer gingen, in denen jeder jeden kannte, und in denen Fremdes mit einem Lächeln begrüßt wurde, das nicht bis zu den Augen reichte. Die Häuser standen dicht an dicht, in Reih und Glied wie Gedanken, die man sich nicht zu denken traut. Hier war Ordnung wichtig – und Stille. Und niemand mochte es, wenn Fragen keine einfachen Antworten hatten.Morgana sprach wenig. Sie hörte lieber zu. Man sah sie oft am Rand des Marktplatzes stehen, den Blick in den Himmel gerichtet, als würde sie nach etwas suchen, das längst vergangen war. Die Kinder begannen, Geschichten über sie zu erfinden – dass sie mit Tieren sprach, mit Bäumen flüsterte oder nachts barfuß durch den Wald tanzte. Und wie Kinder nun mal sind, erzählten sie es mit leuchtenden Augen.Die Erwachsenen jedoch waren weniger begeistert. In den Fluren der Läden, in den stillen Ecken des Cafés, beim Sonntagsgottesdienst begannen die Stimmen zu raunen. „Sie trägt ein Amulett“, flüsterte die Frau des Apothekers. „Und sie lächelt zu oft allein.“Niemand sprach sie direkt an. Aber jeder sah sie – und sah weg.Morgana fand Arbeit als Kellnerin im alten Hotel am Stadtrand, dem „Waldblick“, das seinen Namen zu Recht trug: Hinter dem Gebäude begann der Wald, so dicht und grün, dass selbst das Licht darin leiser wurde. Dort arbeitete sie still und gewissenhaft. Sie brachte das Frühstück, ohne sich aufzudrängen, und kehrte in der Nacht die Flure, wenn niemand mehr hinsah. Sie tat, was zu tun war – und mehr.Doch selbst das genügte nicht, um Vertrauen zu schaffen.Ein leiser Fehler, eine gute Tat zur falschen Zeit, eine Kollegin mit zu viel Angst und zu wenig Herz – und plötzlich stand Morgana vor der Tür. Gekündigt. Ohne Lohn. Ohne Erklärung, außer: „Wir sind hier kein Hexenhaus.“Die Stadt hatte sich entschieden. Und Morgana ging. Nicht mit Wut. Sondern mit einer Traurigkeit, die nur jene kennen, die schon einmal versucht haben, neu zu beginnen – und daran zerbrochen sind.Doch der Wald vergaß sie nicht. Und was die Menschen nicht sehen wollten, spürten die Tiere.Und so beginnt diese Geschichte. 

In der Hütte hing der Geruch nach Lavendel, getrocknetem Salbei und altem Holz. Wenn der Wind durch die Ritzen pfiff, summte Morgana leise Lieder aus ihrer Kindheit. Es waren uralte Melodien, deren Worte sie längst vergessen hatte, doch die Töne wohnten tief in ihrem Herzen.

Eines Morgens stand ein Mädchen vor ihrer Tür. Vielleicht zwölf Jahre alt, mit verweinten Augen und einer blauen Jacke, deren Ärmel zu kurz waren. Sie sagte kein Wort, hielt aber ihre Hände aufgeschürft vor sich. Morgana ließ sie herein, ohne Fragen zu stellen. Sie reinigte die Wunden, schmierte eine Salbe darauf und reichte dem Kind eine Tasse warmen Tee.

Am nächsten Tag kam das Mädchen wieder – diesmal mit ihrem kleinen Bruder. Auch er war still, aber sein Lächeln sprach Bände. So begann es. Erst kamen die Kinder, dann die Alten. Niemand sagte offen, dass sie Hilfe suchten, doch jeder, der den Weg zur Hütte fand, ging mit einem leichteren Herzen zurück.

Die Geschichten verbreiteten sich im Flüsterton. Von einer Frau im Wald, die heilen konnte. Manche nannten sie die „Kräuterfrau“. Andere warnten: „Geht nicht zu der Hexe, ihr Zauber hat zwei Seiten!“ Die Meinungen in der Stadt waren gespalten. Während einige begannen, ihr zu vertrauen, nährten andere ihre Angst.

 

Der Bürgermeister, ein Mann mit großem Bauch und kleinem Herz, sah das wachsende Interesse mit Argwohn. „Das ist unrechtmäßige Heiltätigkeit“, sagte er im Gemeinderat. „Ohne medizinische Ausbildung! Ohne Lizenz!“ Der Pfarrer stimmte ihm zu: „Sie könnte die Menschen vom Glauben abbringen. Wer weiß, welchen Mächten sie dient?“

So wurde ein Entschluss gefasst. Die Hütte sollte durchsucht werden. Am Morgen darauf kamen Männer mit Uniformen und ernsten Gesichtern. Morgana war nicht überrascht. Sie stand bereits an der Tür, Knochen an ihrer Seite, als die Beamten eintrafen.

„Wir haben Hinweise auf gefährliche Substanzen“, sagte der Erste. Morgana antwortete ruhig: „Dann tretet ein. Aber tretet mit Respekt.“ Die Männer waren zunächst über ihre Ruhe irritiert. Drinnen fanden sie nichts als Kräuter, getrocknete Beeren, Bücher mit Zeichnungen von Pflanzen, und eine einfache Schlafstätte. Nichts Verbotenes. Nichts Gefährliches. Nur Leben.

Trotzdem wurde sie mitgenommen. „Zu viele Gerüchte“, murmelte der Hauptmann. „Wir müssen sie wenigstens befragen.“ Die Kinder, die Alten – sie alle sahen die Szene aus dem Wald heraus. Still. Enttäuscht. Traurig.

In der Stadt wurde Morgana ins alte Gefängnis gebracht. Nicht, weil sie ein Verbrechen begangen hatte – sondern weil sie anders war. Drei Tage lang saß sie in einer Zelle mit kaltem Boden und nackten Wänden. Kein Licht drang durch das kleine Fenster, nur die Schatten der Gitter.

Am vierten Tag kam ein Mann zu ihr. Ein Arzt, wie er sagte. Und Vater eines kranken Kindes. „Sie haben meiner Tochter geholfen“, begann er zögerlich. „Sie schläft endlich wieder, ohne zu schreien. Ich... ich danke Ihnen.“ Morgana lächelte müde. „Ich habe nur gegeben, was mir die Natur schenkte.“

Noch am selben Abend wurde sie entlassen – ohne Entschuldigung, ohne Erklärung. Doch draußen wartete bereits eine kleine Menschenmenge. Kinder mit Blumen. Alte Frauen mit Taschen voller Äpfel. Junge Männer mit gesenktem Blick. Sie alle waren gekommen, um sie abzuholen.

Kapitel 2 – Im Wald erwacht etwas

„Sie ist keine böse Hexe“, sagte das kleine Mädchen von damals laut. „Sie ist unsere weiße Hexe.“

 

 

 

Kaum hatte Morgana den Marktplatz betreten, begann die Erde zu beben. Erst leicht, dann stärker. Häuserfenster klirrten, Dachziegel rutschten, Menschen schrien. Die Kirchturmglocke schlug dreimal – obwohl niemand an ihrem Seil zog. Aus der Tiefe des Waldes stieg dunkler Rauch auf, als würde die Erde selbst brennen.

„Das kommt vom Berg!“, rief jemand. „Der alte Stollen!“ Dort, wo einst ein Bergwerk betrieben wurde, das man vor Jahrzehnten geschlossen hatte – aus Sicherheitsgründen. Niemand hatte sich seitdem dorthin gewagt. Alte Legenden erzählten von einem Wesen, das dort unten gefangen war. Ein Schatten aus einer anderen Zeit.

Plötzlich begann der Brunnen am Hauptplatz zu sprudeln – nicht mit Wasser, sondern mit schwarzer Flüssigkeit, zäh wie Öl und übelriechend. Der Bürgermeister taumelte rückwärts, sein Gesicht kreidebleich. „Was ist das?!“

Morgana trat einen Schritt nach vorn. In ihrem Blick lag keine Angst, sondern Entschlossenheit. „Es ist erwacht“, sagte sie leise. „Das, was ihr vergessen habt. Das, was unter der Erde geschlafen hat, lebt wieder. Und es hat Hunger.“ Die Menschen wichen vor ihr zurück. Manche kreuzten die Finger. Andere weinten.

„Du hast es geweckt!“, schrie jemand. „Du mit deinen Zaubern!“ Morgana schüttelte den Kopf. „Nicht ich. Eure Gier. Eure Missachtung der Natur. Ihr habt den Wald verletzt, den Berg ausgehöhlt. Ihr habt nie gefragt, was dort unten lebt.“

Ein Schrei gellte durch die Luft – langgezogen, unmenschlich. Vom Waldrand näherte sich eine dunkle Gestalt. Groß. Schattenhaft. Als würde der Nebel selbst eine Form annehmen. Menschen rannten. Kinder schrien. Knochen knurrte und stellte sich schützend vor Morgana.

Sie aber blieb stehen. Sie hob ihre Hände, und aus ihrem Amulett brach ein Licht. Nicht grell. Kein Blitz. Sondern warm. Weiß. Sanft. Wie das erste Morgenlicht nach einer langen Winternacht. Die Gestalt hielt inne. Der Nebel zitterte. Die Schatten zogen sich zurück – einen Moment lang.

„Ich brauche Hilfe“, sagte Morgana. „Ich kann es nicht allein.“ Doch keiner trat zu ihr. Nur das kleine Mädchen mit der blauen Jacke kam zögernd nach vorn. „Ich helf dir.“ Dann kam der Arzt. Dann ein alter Mann mit Stock. Und dann, einer nach dem anderen, schlossen sich mehr Menschen an.

 

Gemeinsam stellten sie sich im Kreis um Morgana. Sie reichten sich die Hände. Morgana begann zu singen – eine alte Melodie, die der Wind kannte, der Boden, die Bäume. Die Schatten zischten, tobten, wirbelten um sie herum, doch das Licht blieb.

Dann, wie von einer unsichtbaren Kraft getragen, hob sich Morgana in die Luft. Ihr Mantel flatterte, das Amulett leuchtete hell. Aus dem Licht strömten goldene Fäden in alle Richtungen, woben sich um die Schatten, banden sie, beruhigten sie – bis sie sich schließlich auflösten wie Nebel im Sonnenschein.