Lob der Faulheit - Thomas Hohensee - E-Book

Lob der Faulheit E-Book

Thomas Hohensee

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Beschreibung

Die Tugend der Faulheit

Was passiert, wenn wir alle faul wären? Die Erde würde zu dem Paradies, als das sie ursprünglich gemeint war. Anstatt fleißig Kriege zu führen und sämtliche Ressourcen emsig zu verpulvern, bekämen wir ein funktionierendes, kosten­güns­tiges Gesundheitssystem, Schulen, die Lernen ermöglichen, statt es zu verhindern, und eine Politik, die mehr ist als reines Krisenmanagement. Nur eine Utopie?

Wenn wir negative Disziplin durch positive Faulheit ersetzen, ist dieses Ziel erreichbar – davon ist Thomas Hohensee überzeugt. Positive Faulheit ist ein wahrer Segen: Sie gründet auf strikten Prioritäten und höchster Effizienz. Nicht blinder Aktionismus ist gefragt, sondern die Suche nach dem einfachsten, direkten Weg zum Ziel.


Stoppt den Weg in die Leistungsfalle! Damit der Abend wieder zum Feier-Abend wird
Warum wir aufhören müssen, rund um die Uhr zu arbeiten
Zeit für die wahren Freuden des Lebens finden

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Dieses Buch widme ich

Erich Fromm (1900–1980)

dessen Buch »Haben oder Sein« 1979 mein Leben änderte.

Inhaltsverzeichnis

Nichts-Tun ist besser als mit großer Mühe nichts zu schaffen
Ich heiße Thomas und bin faulTotal fit in 30 Minuten – pro Woche!
Copyright
– Wie ich entdeckte, dass Fleiß und Disziplin nichts bringen.– Warum 30 Minuten Fitnesstraining in der Woche vollkommen ausreichen.– Laotse und Buddha, zwei der größten Menschheitslehrer, waren nach den Maßstäben unserer Leistungsgesellschaft ausgesprochen faul. Ist das nicht schockierend?– Falls Sie sich bisher für fleißig und diszipliniert hielten, werden Sie die unliebsame Entdeckung machen, dass Sie fauler sind, als Sie bisher glaubten.– Das Tao als Vorbild: Es handelt nicht und doch bleibt nichts ungetan.– Und am Ende dieses Kapitels erfahren Sie, was Sie in diesem Buch noch alles erwartet.

Ich heiße Thomas und bin faul

Mit diesen Worten würde ich mich einer Gruppe Anonymer Fauler vorstellen. Ich würde allerdings niemals zu einer gehen; denn obwohl ich faul bin, habe ich alles erreicht, was mir wichtig ist. Ich lebe mit der besten Ehefrau von allen zusammen und habe den schönsten Beruf der Welt.

Dass Fleiß mich nicht weiterbringt, habe ich relativ früh begriffen. Mitten im Studium beschloss ich, mein Leben zu ändern. Bis dahin hatte ich eifrig Vorlesungen besucht, ganze Tage in der Fachbereichsbibliothek gesessen, kaum freie Zeit gehabt – und das Ergebnis: schlechte Noten! Kurzum, ich war sehr unzufrieden.

Deshalb besorgte ich mir die Prüfungsordnung, las sie aufmerksam durch und tat nur noch das Nötigste. Vorlesungen strich ich nahezu komplett. Ich besuchte nur noch Seminare, in denen ich mich wohlfühlte. Außerdem begann ich, mich an erfolgreichen Vorbildern zu orientieren.

Plötzlich hatte ich jede Menge Freizeit. Ich nutzte sie, um zu tun, was mir Spaß machte. Meine Noten wurden immer besser. Am Ende bestand ich das Examen mit einer Eins in meiner schriftlichen Arbeit. Zur Bearbeitung hatte man vier Wochen Zeit. Ich war bereits nach drei Wochen fertig, ohne jede Hilfe. (Allerdings ließ ich die Examensarbeit noch eine Woche zuhause liegen, damit kein Prüfer auf die Idee käme, ich hätte mir keine Mühe gegeben.)

Später in der Arbeits- und Berufswelt machte ich es genauso. Ich konzentrierte mich auf das unbedingte Minimum, um sehr gute Resultate zu erreichen. Mehr tat ich nicht, aber auch nicht weniger.

Leider wurde mein Stil selten geschätzt. Er sieht einfach nicht nach Arbeit aus! Deshalb war ich als Angestellter gezwungen, meinen Schreibtisch mit Bergen von Akten zu »dekorieren«, damit meine Vorgesetzten und KollegInnen nicht nur den Eindruck gewannen, dass ich hervorragende Ergebnisse erzielte, sondern auch arbeitete.

Normalerweise organisiere ich meine Unterlagen so, dass mein Schreibtisch immer leer ist. Das kapierten die anderen nicht. Schließlich habe ich mich beruflich selbstständig gemacht, um das tun, was ich will, und zwar so, wie ich es mag – leicht und angenehm!

»Faulheit« ist ein relativer Begriff. Manche würden mich als faul bezeichnen. Anderen wäre ich zu fleißig. Es ist eine Sache des Standpunkts. Für mich ist Faulheit der Gegenbegriff zu blindem Aktionismus, der in allen Bereichen des Lebens, besonders aber in Politik und Wirtschaft so häufig praktiziert wird.

Faule Menschen bräuchte das Land. Übermüdete und gestresste Menschen produzieren oft schlechte Ergebnisse. Sie machen komplexe Sachverhalte unnötigerweise noch komplizierter. Leider lassen sich allzu viele immer noch durch lange Nachtsitzungen, falschen Ehrgeiz und und destruktiven Fleiß beeindrucken. »Sie haben sich wenigstens Mühe gegeben«, heißt es dann, wenn wieder einmal alles schiefgegangen ist.

Falls Sie Lust haben, sich informell den Anonymen Faulen anzuschließen, lade ich Sie mit diesem Buch herzlich dazu ein.

Wenn Sie jedoch starke Zweifel haben, dass man ohne Disziplin und Willensstärke überhaupt etwas erreichen kann, wundert mich das nicht. Wir werden von Kindesbeinen an darauf trainiert, fleißig zu sein, uns Mühe zu geben und hart zu arbeiten. Deshalb erwarte ich nicht, dass Sie mir sofort begeistert zustimmen.

Die meisten von Ihnen werden die Erfahrung gemacht haben, dass es ohne Fleiß keinen Preis gibt. Es fällt einem nichts in den Schoß. Letzteres behaupte ich nicht, wie Sie an meinem Eingangsbeispiel sehen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass man alles, was im Leben wichtig ist, schaffen kann, ohne mit hängender Zunge über die Ziellinie zu taumeln.

Dass sehr viele sich enorm anstrengen, leugne ich nicht. Ich sehe es täglich. Aber ist es nötig? Keineswegs. Ohne es auszuprobieren, werden Sie jedoch nie erfahren, ob Sie dasselbe Ergebnis oder gar ein besseres mit weniger Aufwand hätten erzielen können. Sie müssen sich trauen und sich von den in unserer Gesellschaft üblichen extremen Leistungsvorstellungen lösen.

Sie glauben mir immer noch kein Wort, nicht wahr? Sie sind sich sicher, dass Disziplin, Willensstärke und Leistungsbereitschaft die unabdingbaren Voraussetzungen für Erfolg sind. Dann bedenken Sie bitte eines: Sie sind fauler, als Ihnen bewusst ist!

Ich wette, Sie leben in einer Komfortwohnung mit einem Bad, einer Wassertoilette und Zentralheizung. Sie besitzen vermutlich ein Auto, eine Waschmaschine, einen Geschirrspüler, einen Herd, der mit Strom oder Gas gespeist wird, eine HiFi-Anlage (Plattenspieler, CD- oder MP3-Player), ein Handy und einen Computer. Ich könnte jetzt die nächsten Seiten mit all den Arbeit sparenden Geräten und Maschinen füllen, die Sie für selbstverständlich halten.

Wenn ich es richtig sehe, gehen Sie nicht zum Fluss, um zu baden, heizen keinen Kohleofen und waschen Ihre Kleidung nicht mit Kernseife auf einem Waschbrett.

Morgens sowie abends laufen Sie nicht zehn Kilometer zur Arbeit, Ihr tägliches Essen bereiten Sie normalerweise nicht über einem offenen Feuer im Freien zu und anschließend spielen Sie nicht auf Ihrer Gitarre oder Ihrem Saxophon.

Wann haben Sie zuletzt einen Brief mit einem Federkiel geschrieben? Benutzen Sie üblicherweise den Lift oder laufen Sie die Treppen hoch? Ich würde Sie nie auf einer Rolltreppe antreffen, sondern ausschließlich in den Aufgängen der Kaufhäuser, des öffentlichen Nahverkehrs (ach, ich vergaß, dass Sie nur zu Fuß unterwegs sind) und in Hochhäusern würde ich Ihnen nur auf der Treppe begegnen? Aber lassen wir das.

Im Vergleich zu Milliarden anderen Menschen auf dieser Erde führen Sie ein überaus bequemes, faules Leben. Sie könnten es genießen, aber irgendwie bekommen Sie es – ebenso wie die meisten Ihrer Mitmenschen – immer wieder hin, sich Stress zu machen. Das kann gar nicht anders sein, weil Sie überzeugt sind, dass das Leben hart ist und Ihnen nichts geschenkt wird. So machen Sie sich zum Opfer Ihrer sich selbst erfüllenden Prophezeiungen.

Falls Sie bisher das Bild eines fleißigen Menschen von sich hatten und nun merken, dass Sie bequemer sind, als Sie dachten, schämen Sie sich jetzt womöglich. Bloß das nicht! Es ist völlig in Ordnung, faul zu sein. Schließlich war es ein Menschheitstraum, sich von der Last harter Arbeit zu befreien. Umso unverständlicher ist es, dass wir nun, da wir dieses Ziel weitgehend erreicht haben, so tun, als müssten wir so weitermachen wie die Generationen vor uns.

Hey, Leute! Wir haben es geschafft. Wir brauchen nicht mehr rund um die Uhr zu schuften. Die KaiserInnen, KönigInnen und PharaonInnen früherer Zeiten würden uns um unseren Komfort beneiden. Sie mussten in zugigen Schlössern hausen. Ein warmes Bad war eine Staatsaktion. Damit sie nicht so stanken, benutzten sie Puder und Parfüms in rauen Mengen. Das Reisen in Pferdekutschen war kein Vergnügen, sondern eine Strapaze, der man sich ungern aussetzte.

Wir müssten uns nur erlauben, richtig faul zu sein, die Bequemlichkeiten auskosten und dann den nächsten Schritt machen: von der Komfortwohnung zur Komfortwelt! Das wäre eine Welt, in der Frieden, Kooperation und Wohlstand herrschen würden. Können Sie sich eine Welt ohne Kriege, Konkurrenz und Finanzkrisen überhaupt lebhaft vorstellen? Wenn nicht, möchte ich Ihre Fantasie mit diesem Buch auf Trab bringen.

Voraussetzung für eine solche Komfortwelt wäre allerdings, dass wir aufhören, wie die Verrückten zu produzieren und zu konsumieren. Wie Kazuaki Tanahashi, ein japanischer Friedens- und Umweltaktivist, es so schön ausgedrückt hat: Es ist sehr schwer, richtig faul zu sein. Aber wenn wir eine Zivilisation aufbauen wollen, die diesen Namen verdient, sollten wir endlich damit anfangen.

Total fit in 30 Minuten – pro Woche!

1980 bewahrte mich ein Buch davor, jemals dem Fitnesswahn zu erliegen. Der Titel sprach mich natürlich an: »Fitness für Faule«. Auch der Untertitel war interessant: »Das ›weltraumgetestete‹ Gesundheitsprogramm«. Der Autor, Laurence E. Morehouse, war ein Bruder im Geiste; denn sein erster Satz lautete: »Ich hasse körperliche Übungen.« Welch ein verheißungsvoller Start für ein Fitnessbuch.

Es ist nicht so, dass ich jeden ernst nehme, der über Faulheit schreibt. Manche vertreten Konzepte, die mir überhaupt nicht gefallen. Aber Laurence Englemohr Morehouse (1913–1995) hat es sofort in die Reihe meiner Allzeit-Lieblinge geschafft. Er war Professor für Sportphysiologie an der UCLA sowie Gründer und Leiter des Laboratoriums für Menschliche Leistung. Darüber hinaus schrieb er die entsprechenden Artikel über Körperübungen und Körpertraining in der Encyclopedia Britannica und anderen renommierten Lexika. (Übrigens weiß ich, dass »Encyclopedia« eigentlich mit diesem albernen »ae« geschrieben wird, aber Sie glauben doch nicht, dass ich dieses Sonderzeichen, das irgendwo in den Tiefen des Computers versteckt ist, jetzt suche!)

Morehouse war jedenfalls jemand, der mich aufhorchen ließ. Eine Autorität auf seinem Gebiet, der für amerikanische Astronauten eine Maschine erfunden und ein Fitnessprogramm entwickelt, mit Weltklasse-Athleten und Vorständen von Weltkonzernen gearbeitet hatte – und dabei anstrengende Gymnastik und schmerzhafte Ausdauerübungen verabscheute. Das hatte was!

Dieser Experte nahm sich heraus, viele Fitness-Lehrer als »Ergomanen«, also von Arbeitswahn Besessene, zu bezeichnen. Sie seien von einem »geradezu widerlichen Enthusiasmus für Körperübungen« beherrscht und gehörten überwiegend dem mesomorphen Körpertyp an. Es handele sich um Menschen, die gerne schwitzten und denen es nichts ausmache, wenn sie bluteten. Diese Leute hätten es auf die Schmalen, Zarten, Rundlichen, Weichen, Schlaffen und Bequemen abgesehen.

Mit solchen Äußerungen war Morehouse endgültig mein Mann. Ich dachte: Wenn er es geschafft hat, die Astronauten im Weltall fit zu halten, und ein Gegner anstrengender Körperübungen ist, dann könnte sein Programm genau das Richtige für mich sein. Im Weltraum kann man nicht kilometerweit joggen. Dort gibt es kein Fitness-Studio mit Kraftmaschinen.

Was Morehouse vorschlug, war denkbar einfach: Man brauchte nur dreimal in der Woche für zehn Minuten ein paar simple Kraftübungen sowie ein Ausdauertraining zu machen, das sich an der Pulsfrequenz orientierte. Tatsächlich, es funktionierte! Nach ein paar Wochen konnte ich auf den Fahrstuhl verzichten und stattdessen zügig und ohne zu japsen die Treppe bis in den zehnten Stock eines Hochhauses hinaufsteigen, wenn ich meinen Schwager und seine Frau besuchte. Das reichte mir für das Leben im Großstadtdschungel.

Für meine Bedürfnisse habe ich Morehouses Programm sogar noch weiter vereinfacht. Da ich keine Lust hatte, andauernd meinen Puls zu überprüfen und die zehn Minuten mit der Uhr zu stoppen, richtete ich mich beim Training danach, ob ich leicht atmen, mich unterhalten oder unbeschwert singen konnte. Ich achtete stets darauf, dass ich mich hundertprozentig wohlfühlte und hörte auf, sobald die ersten Anzeichen von Unlust auftraten. Das Ergebnis blieb dasselbe.

So und jetzt kommt ein wichtiger Hinweis: Ich schreibe ausschließlich über meine Erfahrungen. Weder ich noch der Verlag haften dafür, wenn Sie mir nacheifern und dabei gesundheitliche Schäden erleiden. (Wenn Sie mich richtig verstehen, werden Sie sowieso jegliche Form von Eifer in Zukunft unterlassen.) Lassen Sie sich von einem Arzt beraten, bevor Sie ein Körpertraining beginnen.

Wir leben in merkwürdigen Zeiten. Überall findet man heute Warnhinweise. Selbst auf Spielzeug, das so groß ist wie ein Pflasterstein, steht, dass man sein Wohlbefinden ernsthaft beeinträchtigen könne, wenn man es verschlucke. Auf Tüten, die niemand über den Schädel bekommt, steht, dass man ersticken könne, wenn man sie unsachgemäß verwendet. Und so weiter und so weiter. Mark Twain war es wohl, der gesagt hat, dass alles außer dem Trinken eines Glases lauwarmen Wassers gesundheitsgefährdend sei. An seiner Stelle hätte ich das nicht gesagt; denn gerade in lauwarmem Wasser können sich lebensbedrohliche Bakterien rasend schnell vermehren. Passen Sie auf! Es sind schon Menschen in einem Wassereimer ertrunken! Sie erinnern sich vielleicht an die tragische Meldung über einen Epileptiker, der dabei war, einen Raum zu wischen, als er einen Anfall bekam und mit dem Kopf in den Wassereimer stürzte.

Wenn schon Warnhinweise, dann richtig. Ich sagte: Lassen Sie sich von einem Arzt beraten, bevor Sie ein Körpertraining beginnen. Aber Vorsicht! Der Besuch bei einem Arzt kann lebensgefährlich sein. Sie haben wahrscheinlich von den Unglücklichen gelesen, die nach der allseits empfohlenen Darmspiegelung an Hepatitis C erkrankten, weil die Untersuchungsschläuche nicht richtig gereinigt worden waren. Oder denken Sie an die vielen Menschen, die sich im Krankenhaus infizieren.

In unserem Zusammenhang ist der Ausspruch eines Sportmediziners von besonderer Bedeutung: »Wir müssen das Herz in die Enge treiben.« Nur an der Belastungsgrenze sei der Gesundheitszustand des Herzens zu erkennen. Im Grunde genommen ist das eine moderne Form des Gottesbeweises. Wer den Belastungstest überlebt, wird zur Darmuntersuchung geschickt.

René Goscinny hat es leider nicht überlebt. Zusammen mit dem Zeichner Albert Uderzo erfand er die wunderbar widerständigen Comicfiguren Asterix und Obelix. Goscinny starb am 5. November 1977 bei einem ärztlichen Belastungstest. Sein Herz, dermaßen in die Enge getrieben, versagte. Die Ärzte diagnostizierten einen Herzinfarkt. Goscinny ist das wahrscheinlich berühmteste Opfer medizinischer Belastungstests. Den Namenlosen setzt niemand ein Denkmal. (Nun gut, vielleicht ist dieser Absatz eines.)

Zurück zu Morehouse: Nachdem ich sein Buch gelesen und mit dem Fitnesstraining für Faule begonnen hatte, wurde ich durch einen weiteren Zufall auf Gert von Kunhardt aufmerksam. In einem Artikel einer Fachzeitschrift vertrat er die Auffassung, dass fast alle FreizeitsportlerInnen falsch trainieren, indem sie sich permanent überlasten. Von Kunhardt war Spitzensportler gewesen. Im Modernen Fünfkampf stellte er einen Rekord auf und gewann ein paar Olympiamedaillen. Bei einer Deutschen Meisterschaft kam er ebenfalls auf die vorderen Plätze.

Was ihn mir sympathisch machte, war der Umstand, dass er in der Schule der Kleinste und Schwächste seiner Klasse war und sich während des Barrenturnens beim einfachen Schwingen das Brustbein riss. Ich war zwar nicht der Kleinste und Schwächste, aber beim Barrenturnen in der Schule hätte ich mir einmal fast das Genick gebrochen. Unser Sportlehrer hat noch mal Glück gehabt.

Von Kunhardt hat später beim Training selbst herausgefunden, dass er nur dann stärker wurde, wenn er weit unter seiner Leistungsgrenze blieb. Durch ein dosiertes Training gelang es ihm, sogar im Spitzensport erfolgreich zu werden. Anders als viele andere ist er heute kein Sportinvalide, sondern zählt in seiner Altersklasse immer noch zu den Besten. Er ist heute zusammen mit seiner Frau als Gesundheitstrainer tätig.

Von Kunhardt nennt die Methode, die ihn vom Schwächsten zum Stärksten werde ließ, das Prinzip der subjektiven Unterforderung. Dabei kommt es darauf an, so zu trainieren, dass man jederzeit das Gefühl hat, eigentlich viel mehr leisten zu können. Man joggt nicht, sondern »joggelt«, das heißt, man trabt nur so langsam vor sich her. Nach dem Training fühlt man sich frisch und erholt. Nicht erschöpft, müde und verletzt. Der Effekt ist erstaunlich.

Ich finde von Kunhardts Empfehlungen teilweise immer noch übertrieben. So propagiert er, dass man jeden Tag 9.000 Schritte gehen sollte. Da steht mir Morehouse mit seinen 30 Minuten pro Woche erheblich näher. Trotzdem finde ich es gut, wenn jemand mit der Autorität eines Spitzensportlers sagt, dass man beim Training nicht schwitzen muss, um fit zu werden.

Als Morehouse sein »Total Fitness in 30 Minutes a Week« schrieb, war ein anderer mit seinem Programm bereits viel erfolgreicher: Kenneth Cooper. Bei ihm musste man eine bestimmte Kilometerzahl in einer festgelegten Zeit sechsmal die Woche schaffen. »Aerobics« hieß sein Credo. Cooper ist ein ehemaliger Major der US Air Force. Mehr muss ich dazu eigentlich nicht sagen. Vielleicht nur noch, dass er seine Meinung inzwischen geändert hat. Nach mehreren Knochenbrüchen und Fußverletzungen – diese Leute schwitzen gerne, und es macht ihnen nichts aus zu bluten – hat er eingesehen, dass es besser ist, weniger zu laufen. Er räumt ein, dass er dadurch heute mehr leistet.

Um das Thema abzurunden, möchte ich wenigstens noch kurz Jim Fixx erwähnen. Fixx (nomen est omen!) landete mit seinem Buch »Das komplette Buch vom Laufen« einen Hit. Er war einer der Wegbereiter der Joggingbewegung. Fixx wollte keinen Tag vergehen lassen, an dem er nicht mehrere Kilometer lief. Er behauptete, dass man dadurch seine Lebenserwartung beträchtlich steigern könne. Am 20. Juli 1984 starb er jedoch im Alter von 52 Jahren nach seinem täglichen Lauftraining. Für seine Anhänger war das ein schwerer Schlag.

Leider verwechseln die meisten Fitness und Leistung mit Gesundheit. Fitness bezeichnet die Fähigkeit, mit bestimmten Anforderungen fertig zu werden. Leistung misst, wie gut man dies tut, und Gesundheit könnte man als Zustand des Wohlbefindens, zumindest des Freiseins von Krankheit definieren. Man kann fit und leistungsfähig sein, ohne gesund zu sein. Nicht wenige Sportler sind ernsthaft krank. Der Olympiasieger im Gewichtheben, Matthias Steiner, beispielsweise leidet an Diabetes und muss täglich Insulin spritzen.

Umgekehrt kann man gesund sein, ohne über eine besondere Fitness oder Leistungsfähigkeit zu verfügen.

Aus der Joggingbewegung erwuchs mit der Zeit eine neue Landplage: die Marathonläufe. Nicht genug, dass Jogger die Ruhe der schönsten Parks empfindlich stören, jetzt toben auch noch jedes Jahr Horden von Marathonläufern durch die Großstädte der westlichen Welt.

Die Relation von Zuschauern zu Läufern spiegelt sehr gut die wahren Verhältnisse. Die Bewegungsbilanz der Bevölkerung ist nämlich negativ. Mindestens 80 Prozent der Erwachsenen bewegen sich nicht genug.

Jetzt höre ich schon den Chor meiner Kritiker: »Aber Sie loben doch die Faulheit. Da sehen Sie sie.«

Ich liebe solche Einwände, weil sie mir Gelegenheit geben, positive von negativer Faulheit zu unterscheiden. Wer richtig faul ist, macht nur so viel wie unbedingt nötig, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Weniger wäre selbstschädigend, mehr nichts als blinder Aktionismus.

Das Thema Fitness dient mir als Beispiel für meinen Begriff von Faulheit. Eiserne Disziplin und Trainingseifer beeinträchtigen

1. Auflage

Copyright © 2012 by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

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Coverfoto: corbis

eISBN 978-3-641-09403-4

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