Lock Down Under - April Wynter - E-Book
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April Wynter

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Beschreibung

Der Auftakt der knisternden New Adult Reise Romance Die sechsundzwanzigjährige Maya lebt ihr absolutes Traumleben und reist als digitale Nomadin um die Welt. Als sie für mehrere Wochen als Housesitterin auf eine Villa in Australien aufpassen soll, legt eine Pandemie die Welt lahm. Da Hausbesitzer und Jungunternehmer Troy nicht wie geplant zu seinem Geschäftstermin fahren kann, sitzen die beiden während des Lockdowns in seinem Haus am Strand fest. Nicht nur eine schmerzliche Erfahrung aus der Vergangenheit hält Maya davon ab, ihre aufkommenden Gefühle für den Australier zuzulassen. Ist sie auch bereit, für eine neue Zukunft ihr komplettes Leben auf den Kopf zu stellen?

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Table of Contents

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Sales Funnel

Kapitel 4

Günstige Reisemöglichkeiten

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Szenarioanalyse

Kapitel 15

Trigger

Kapitel 16

Schattenarbeit

Kapitel 17

Kapitel 18

Die beliebtesten Jobs für virtuelle Assistenzen

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Disziplin als Schlüssel zum Erfolg

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Werde virtuelle Asssistenz

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Dein Warum

Kapitel 31

Danksagung

Leseprobe Band 2

Buchempfehlungen…

 

May Summer

Lock Down Under

(Another Life Trilogie – Band 1)

 

Impressum

 

 

Dieses Buch wurde mithilfe eines Stipendiums der VG-Wort im Rahmen des Programms “Neustart Kultur” finanziert.

 

www.april-wynter.de

[email protected]

 

1. Auflage Mai 2022

c/o Fakriro GbR

Bodenfeldstr. 9

91438 Bad Windsheim

 

Covergestaltung: Casandra Krammer – www.casandrakrammer.de

Covermotiv: © Ople Witsanu, 501room – Shutterstock.com

Lektorat: Tamara Leonhard www.tamaraleonhard.de

Korrektorat: Ingrid Fuchs – Zeilenfuchs www.zeilenfuchs.work

Teamfoto April Wynter: Björn Hennicke Fotografie www.bjoern-hennicke-fotografie.de

 

 

Über das Buch

Die sechsundzwanzigjährige Maya lebt ihr absolutes Traumleben und reist als digitale Nomadin um die Welt. Als sie für mehrere Wochen als Housesitterin auf eine Villa in Australien aufpassen soll, legt eine Pandemie die Welt lahm. Da Hausbesitzer und Jungunternehmer Troy nicht wie geplant zu seinem Geschäftstermin fahren kann, sitzen die beiden während des Lockdowns in seinem Haus am Strand fest. Nicht nur eine schmerzliche Erfahrung aus der Vergangenheit hält Maya davon ab, ihre aufkommenden Gefühle für den Australier zuzulassen. Ist sie auch bereit, für eine neue Zukunft ihr komplettes Leben auf den Kopf zu stellen?

 

Band 1 der Another Life Trilogie – Die Bände sind unabhängig voneinander lesbar

 

 

Über die Autorin

Als Weltenwandlerin bekannt, reist April Wynter nicht nur durch unsere fünf Kontinente, sondern erweckt mit ihren Büchern neue Welten zum Leben. In ihren Geschichten verarbeitet sie die Eindrücke und Erfahrungen ihrer Reisen und beschäftigt sich besonders mit den Fragestellungen der Generation Y. Wenn sie nicht gerade auf Weltreise ist, lebt sie in der einzigen Stadt, die zwischen Rhein und Mosel liegt, verbringt ihre Freizeit mit Tieren auf dem Bauernhof oder verliert sich in einer der unzähligen Bücherwelten.

 

 

Weitere Bücher der Autorin

Nach oben führt auch ein Weg hinab

Das Gift der Mondlilie (Mondlilien und Drachenfeuer – Band 1)

Die Töchter des Meeres (Mondlilien und Drachenfeuer – Band 2)

 

Vorwort

Dies ist eine fiktionale Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht, ausgeschmückt mit Ängsten und Sorgen einer alternativen Realität.

 

Wir Menschen neigen dazu, uns Gedanken um Dinge zu machen, die nie eintreten werden. Ich persönlich mache mir zusätzlich Gedanken um Dinge, die nicht eingetreten sind. Klingt ungesund? Ist es vielleicht auch. Auf der anderen Seite lerne ich mein Glück dadurch umso mehr zu schätzen und es entstehen Bücher wie dieses.

 

Als ich im Januar 2020 meinen sicheren Job im öffentlichen Dienst kündigte, um mich selbstständig zu machen, stellte ich als ehemalige Bankerin vorsorglich einen Businessplan auf. In meiner Szenarioanalyse kalkulierte ich natürlich, was im schlimmsten Fall passieren könnte. Mit einer weltweiten Pandemie, die die komplette Wirtschaft lahmlegt, habe ich sogar im Worst Case Szenario nicht gerechnet.

 

Für mich ging die Pandemie bisher besser aus als erwartet. Und das alles nur dank einiger Zufälle und im Nachhinein betrachtet, gut getroffener Entscheidungen.

 

Vor dem Beginn meiner Selbstständigkeit machte ich eine Weltreise – die eigentlich für 2020 geplant war. Einem überraschenden Geldsegen sei dank, konnte ich das um ein Jahr vorverlegen. Statt ein Leben als digitale Nomadin zu beginnen, kehrte ich nach Deutschland zurück. Und statt mir den lang ersehnten Traum eines Fotostudios zu gönnen, begann ich als virtuelle Assistentin im Onlinemarketing zu arbeiten. Ein Glück, denn Reisen und Fotoshootings sollten bald darauf für viele Monate nicht mehr wie gewohnt möglich sein.

 

In diesem Buch lernst du einen Teil meiner möglichen alternativen Realitäten kennen. Realitäten, die für andere Menschen wirklich so eingetreten sind. Es gibt Happy Ends in dieser Geschichte, aber auch tragische Momente, die die Realität widerspiegeln. Das Leben hält nicht für alle einen glücklichen Abschluss bereit. Und für manche ist das vermeintlich tragische Ende auch ein neuer Anfang.

 

Mays und Troys Geschichte zeigt viele positive Seiten. Sie ist voller Zuversicht, Liebe und Tatendrang. Und doch gibt es einige ernste Themen und tragische Handlungen, die bei der ein oder anderen Person Erinnerungen wachrufen könnten. Für den Fall, dass du ein Triggerthema hast, schau in meinen Inhaltshinweisen zum Buch vorbei und wäge ab, ob du aktuell psychisch in der Lage bist, dich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Solltest du keine Triggerwarnung brauchen, schau bitte erst nach dem Lesen des Buches in die Inhaltshinweise, da diese spoilern könnten. Am Ende des Romans lohnt sich ein Blick in die Hinweise, denn ich habe einige spannende Recherchequellen zum Buch zusammengestellt.

 

www.april-wynter.de/tw-ldu

 

Ich wünsche dir eine wundervolle und virenfreie Reise nach Australien. Stay at the book!

Deine April

 

 

Kapitel 1

Maya

 

Es gibt nicht diesen einen Weg, wie man sein Leben richtig lebt. Unzählige Ratgeber versprechen, dass sie einem helfen, ein glückliches Leben zu führen. Doch so viele Ratgeber es darüber gibt, gibt es noch mehr Wege, um glücklich zu sein.

Meine Finger fliegen über die Tastatur, als ich den Text für einen Social Media Beitrag einer Kundin verfasse, der in zwei Wochen online gehen soll. Es kommt mir fast vor, als würde ich meine eigenen Gedanken niederschreiben, so sehr gleichen die Themen des Onlinekurses der Kundin meinen eigenen Interessen. Ich tippe weiter. Diesmal habe ich wirklich das Gefühl, dass ich über mich und nicht über sie schreibe:

Manche Menschen träumen von einem Haus mit Garten und zwei Kindern. Ihnen bereitet es Unbehagen, wenn sie hören, dass nicht einmal mehr ein fester Wohnsitz in meinem Pass eingetragen ist. Ich besitze nicht nur keine Wohnung in Deutschland, sondern nirgends in der Welt. Mein Hab und Gut passt in einen Sechzig-Liter-Rucksack, der maximal ein Drittel meines Körpergewichts wiegen darf. Keine Ahnung, ob das bei dem Zeug darin noch passt. Eine Waage habe ich bereits so lange nicht mehr gesehen wie einen Mietvertrag, der mehr beinhaltetet als einen Kasten auf vier Rädern …

»May?« Die Tür zum Arbeitsbereich des Co-Living-Spaces geht auf und Annie streckt ihren Kopf herein. Als sie mich sieht, betritt sie den Raum und setzt sich mir gegenüber an den Tisch. »Ich hoffe, du bist bei meinem Abendprogramm dabei.« Mit hochgezogener Augenbraue sieht sie mich an.

In meinem Kopf rattert es. Da ich nicht darauf komme, was Annie meint, wandert mein Blick zum Collaboration Board, das hinter ihr zwischen zwei bodentiefen Fenstern hängt. Nachdem ich Annies Namen gefunden habe, schaue ich in die rechte Spalte, in der mit einem dicken Folienstift ›Strandparty, 6 pm‹ geschrieben steht.

»Du weißt schon, dass das Board dem gegenseitigen Austausch von Erfahrungen und Fähigkeiten dient?«

Annie lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück. »Meine Fähigkeit liegt darin, anderen dabei zu helfen, sich zu entspannen. Dir könnte das auf jeden Fall guttun. Du bist in Thailand und verbringst den ganzen Tag hinter diesem Bildschirm.«

»Das stimmt doch gar nicht.« Ich greife ganz klischeehaft nach der Kokosnuss neben meinem Laptop. Durch den Strohhalm ziehe ich etwas von meinem frisch gemixten Smoothie. Kokosmilch ist nicht so mein Ding, aber eine Kokosnuss sieht eben stylisher aus als ein Trinkglas. »Heute habe ich eine Bootstour gemacht.«

»Sieht man deiner kreidebleichen Haut nicht an.«

Die Tür geht erneut auf und Melayna und Russel kommen herein. Melayna steht als Programmiererin auf dem Board und ich muss sie unbedingt noch etwas zu DNS-Einträgen fragen, damit die Newsletter meiner Kundschaft nicht so häufig in Spam-Ordnern landen. Aber Annie lässt mir keine Chance, sie anzusprechen, denn sie springt auf und geht den beiden entgegen. »Ihr seid doch heute Abend auch dabei, oder?«

Russel schüttelt den Kopf. Im Gegensatz zu mir weiß er sofort, um was es geht. Annie liegt uns schon seit Tagen mit dieser Strandparty in den Ohren. Nur ich habe das mal wieder verdrängt. »Ich habe heute Abend noch ein Meeting mit einem Kunden aus den USA, um die Designkonzeption seiner neuen Webseite zu besprechen.«

Annie stöhnt auf. »Warum arbeitest du eigentlich immer nachts?«

»Zeitverschiebung?« Russel sieht aus, als hätte er nicht verstanden, dass das eine rein rhetorische Frage gewesen ist.

Annie ist eigentlich hier, um Urlaub zu machen. Sie dachte, ein Co-Living-Space sei ein Ort, an dem man ihn gemeinsam mit anderen verbringen kann. Dummerweise handelt es sich hierbei um einen Platz für Menschen, die zusammen arbeiten und leben wollen. In der Regel tauschen wir hier Erfahrungen aus und schulen uns gegenseitig. Annie hat sich trotz ihrer Abneigung gegen Arbeit während des Urlaubs gut eingebracht und sorgt mit Yogastunden, Meditation, Müllsammelaktionen und eben Partys dafür, dass wir auch mal den Blick vom Rechner abwenden.

»Was ist mit dir, Melly?« Annie sieht die Programmiererin, die sich gerade die Hände desinfiziert, nachdem sie die Tür aufgedrückt hat, mit flehenden Augen an. Für einen mysophobischen Menschen muss das Leben mit ständig wechselnder Gesellschaft eine echte Herausforderung sein. Aber Melayna hat sich hier gut eingefunden. Ich habe ganze zwei Wochen gebraucht, um ihre Phobie zu bemerken.

»Ich halte mich von Menschenmengen erst mal fern, solange dieses neuartige Virus umgeht.«

»Ach, komm schon. Das soll nur ne harmlose Grippe sein. Außerdem ist es noch nicht in Thailand gelandet, soweit ich weiß.«

Melayna verzieht den Mund, ehe sie sich an den Tisch setzt und ebenfalls ihren Laptop auspackt. »Sorry, aber ich bin raus.«

Annie gibt sich geschlagen. Was sie dazu bringt, erneut mich auffordernd anzusehen. »Komm schon, May. Silas, den ich dir schon letzte Woche vorstellen wollte, weil er auch digital arbeitet, wird ebenfalls da sein.«

Aktuell würde ich den Abend lieber bei einem gemeinsamen Kreativaustausch im Space verbringen, als auf einer Party einen digital arbeitenden Mann kennenzulernen. Davon gibt es hier im Haus genug. Außerdem hat mir meine Schwester Sara vorhin geschrieben, dass sie mich später anrufen will. »Ich muss …«

»Du musst dabei sein. Genau. Ich hol dich um fünf ab und wir machen uns gemeinsam fertig. Hab ein wunderschönes Kleid für dich. Bis dann!«

Ehe ich widersprechen kann, ist Annie aus dem Raum verschwunden. Melayna und Russel schenken mir mitleidige Blicke, die ich mit einem Schulterzucken quittiere, ehe ich mich erneut der Umsetzung des Contentplans meiner Kundin widme. Eigentlich haben Sara und ich erst gestern telefoniert. Da wird das Gespräch auch noch einen Tag warten können.

 

 

Das Wummern der Bässe vibriert in meinem Körper. Dicht an dicht drängen sich die Menschen in dem Holzhaus am Strand aneinander vorbei. Die Menge windet sich im Takt der Musik, die in meinen Ohren dröhnt. Annie grinst mich begeistert an und schwingt ihre Hüften im Takt, während sie mich weiter in das Gebäude reinzieht.

Weit kommen wir nicht. Immer wieder halten Menschen an, um Annie zu begrüßen. Ehe sie sich in einem Gespräch verlieren kann, zupfe ich an den Flatterärmeln ihres türkisen Oberteils und beuge mich zu ihr vor. »Du stellst mich den Leuten noch vor, oder? Ich kenne hier niemanden.«

Annie zuckt grinsend mit den Schultern. »Ich bisher auch nicht.«

Im Gegensatz zu mir sieht sie jedoch nicht so aus. Ich frage mich immer wieder, wie meine beste Freundin des Tages das macht. So nenne ich sie, weil ich vom Konzept der besten Freundschaft noch nie viel gehalten habe, denn das impliziert, dass mir alle anderen aus dem Freundeskreis weniger bedeuten würden. Seit ich als digitale Nomadin um die Welt reise, wechseln meine Freundschaften so häufig wie meine Oberteile. Unterhosen wäre wirklich etwas übertrieben, aber Shirts trage ich tatsächlich ein paar Tage am Stück, weil ich in meinem Backpack nicht für mehr als sieben Teile Platz habe. Was für ein Shirt eine lange Tragedauer bedeutet, ist für eine Freundschaft ein Wimpernschlag.

Ein schwarzhaariger Mann klopft Annie freundschaftlich auf die Schulter und eine Frau mit hochgesteckter Frisur schreit ihr was ins Ohr, was ich aufgrund des Geräuschpegels um uns herum nicht verstehe. Annie ist einfach eine dieser Personen, die in einen Raum kommen und leuchten. Mit der jeder befreundet sein möchte und auf der alle Blicke liegen. Ich dagegen scheine an ihrer Seite unsichtbar zu sein. Meine Pantobrille mit Goldfassung, die Sara immer als Hipsterbrille bezeichnet, habe ich gegen Kontaktlinsen getauscht und ich trage eines von Annies aufregenden Kleidern. Es schimmert in sonnengelb und bringt damit meine braun gefärbten Haare zum Leuchten, die mir bis zur Schulter reichen. Meine Verkleidung macht meine fehlende Ausstrahlung jedoch nicht wett.

Zwei junge Frauen drängen sich zu Annie vor und sie unterhält sich auf Französisch mit den beiden. Da ich auf der Realschule keine zweite Fremdsprache hatte, verstehe ich kein Wort. Aber das macht nichts. Auf Französisch hört sich einfach alles wie eine Liebeserklärung an und diese Illusion will ich nicht zerstören, indem ich plötzlich eine weitere Sprache lerne.

Ich lächle den beiden zu und lasse Annie dann bei ihnen. Nur weil ich anscheinend wirklich unsichtbar bin, heißt das nicht, dass ich ein Problem habe, mich eigenständig auf einer Party umzusehen. Immerhin gehe ich allein auf Weltreise. Da werde ich ja wohl eine Party überleben, oder?

Nach dem Marsch hierher ist meine Kehle wie ausgetrocknet. Ich folge dem Flur in den Raum mit dem lautesten Geräuschpegel und hoffe, dass er eine Küche ist. Dass ich mit meiner Vermutung richtig liege, sehe ich, als ich mich erfolgreich an den Menschenmassen vorbeigedrückt habe. Wenn Annie neben mir geht, teilt sich die Menschenmenge, wie wenn ein Schiff durch Wasser gleitet, doch wenn ich allein unterwegs bin, kämpfe ich gegen einen Tsunami an.

Ein Blick zurück zeigt mir, dass Annie noch immer nicht weiter gekommen ist. Schon wird sie von den nächsten Partygästen belagert, als wäre sie die Gastgeberin und hätte noch dazu Geburtstag. Warum noch mal habe ich zugestimmt, sie auf diese Party zu begleiten?

In der Küche schnappe ich mir zwei Pappbecher und fülle frisch gepressten Orangensaft mit Maracujaschorle hinein. Ein Blick auf die Alkoholauswahl zeigt mir, dass sich hier richtig coole Cocktails mixen lassen. Doch der Abend ist noch jung, weshalb ich nur einen kleinen Schuss Rum in unsere Becher gebe. Dann kämpfe ich mir meinen Weg zurück zu Annie und versuche dabei, möglichst viel vom Getränk im Pappbecher zu behalten. Mit wenig Erfolg: Ein junger Mann mit blonden Dreadlocks rempelt mich an und schon ergießt sich ein Schwall des orangenen Saftes auf sein weißes Hemd. Ich murmle ein ›Sorry‹, doch er beachtet mich nicht weiter und verschwindet wieder in der Menschenmenge.

Der Geruch nach Schweiß hängt in der Luft, gemischt mit dem Duft von Jasmin, der über Räucherstäbchen im Raum verteilt wird. Immer wieder treffen mich Ellenbogen im Rücken oder stoßen mir in die Seite, während ich versuche, die Reste unserer Getränke vor der sich wogenden Menge zu schützen. Bevor ich bei Annie ankomme, schütte ich etwas Saft von dem vollen in den fast leeren Becher, sodass beide wieder gleich hoch gefüllt sind.

»Sorry, May. Danke fürs Getränk. Los, lass uns versuchen, auf die Terrasse zu gelangen.« Annie nimmt mir einen Becher ab und steuert zielstrebig auf eine Tür zu. Schon wieder wird sie von jemandem angehalten und ich unterdrücke ein Augenrollen.

»Silas«, quietscht sie begeistert. Das ist also der Kerl, den sie mir unbedingt vorstellen wollte? Mein Blick gleitet über seinen durchtrainierten Oberkörper zu seinem Gesicht. Der gelbe Saftfleck auf seinem Hemd erinnert mich an unseren Zusammenstoß eben.

»Jetzt weiß ich auch, warum ich kein Getränk mitgebracht bekomme. Meinen Anteil habe ich wohl schon erhalten.« Er grinst mich schief an und streckt mir seine Hand zur Begrüßung entgegen. »Ich bin Silas.«

»Ich weiß.« Meine Antwort ist unglaublich schlau. Mensch May, wo hast du deine Gehirnzellen gelassen? Noch ist dein Becher fast voll und Alkohol verträgst du doch sonst auch?

»Das heißt, ich nenne dich ab sofort ›Iknow‹? Ist das schwedisch? Du siehst aus wie eine Schwedin, die versucht, wie eine Engländerin auszusehen.«

Annie lacht über seinen Witz und klopft ihm auf die Schulter, ehe sie sich an ihm vorbei nach draußen drängt.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich es gut finde, dass sie mir ein paar ungestörte Momente mit Silas gönnt, oder ob ich wütend sein soll, weil sie mich mit ihm alleine lässt. Da ich allerdings selbst nicht weiß, was ich will, kann ich das unmöglich von ihr verlangen. Vielleicht sollte ich doch mal an langfristigeren Freundschaften arbeiten, bei denen die andere Person mich besser kennt als ich mich selbst. So wie meine Schwester Sara es tut …

Bei dem Gedanken an meine Schwester greife ich instinktiv zu meinem Handy, lasse es aber in der praktischen Tasche meines Kleides stecken, weil das Silas gegenüber ziemlich unhöflich wäre. Ich hätte wirklich noch kurz mit ihr telefonieren sollen, statt ihr nur eine Nachricht zu schreiben, dass ich heute noch Abendprogramm habe.

»Du kannst mich May nennen.« Ich ergreife endlich Silas‘ noch immer ausgestreckte Hand, um herauszufinden, ob das jetzt gut oder schlecht ist. Seine Finger fühlen sich glitschig an, sein Griff ist lasch. Schnell lasse ich sie wieder los.

»Wie der Monat?«

Der Witz wird wohl nie alt. Abwarten, bis er erfährt, dass ich Vegetarierin bin, dann esse ich seinem Essen bestimmt das Essen weg. »Nein, eher wie Maya.«

Er runzelt die Stirn und verknotet sich bei den nächsten Worten fast die Zunge. »Mäia?«

»Siehst du, genau deshalb nennen mich alle May.«

Kanadier bekommen es lustigerweise hin, Maya korrekt auszusprechen. Aber Silas‘ Akzent klingt eher so, als würde er aus Osteuropa stammen. Da ich seine unausgesprochene Frage nach meiner Herkunft vorhin nicht beantwortet habe, stelle ich sie ihm allerdings auch nicht. Unter uns Backpackern ist die Herkunft oft ein Gesprächsthema und irgendwann wird es ziemlich langweilig. Ich bin in Deutschland aufgewachsen, aber wirklich zu Hause habe ich mich dort nie gefühlt. Die ganze Welt ist meine Heimat, dort, wo mich Menschen willkommen heißen. Für das kulturelle Verständnis untereinander ist die Antwort allerdings manchmal ganz hilfreich. Zum Beispiel lasse ich immer ein paar Reste auf meinem Teller, wenn ich mit Ming essen gehe. Bei Shui allerdings nicht, sie pfeift nämlich auf chinesische Traditionen.

»Willst du was trinken?« Silas verknotet ein paar seiner Dreadlocks hinter dem Kopf, um sie sich aus dem Gesicht zu halten. Ich ertappe meine Augen dabei, wie sie zu meinem noch halb vollen Pappbecher schielen. Bis Silas wieder zurück ist, ist mein Getränk sicherlich leer. Warum also nicht?

Als ich zustimme, macht er sich auf den Weg, ohne zu fragen, was ich möchte. Hoffentlich muss ich mit dem Getränk nachher nicht eine Palme bewässern.

Ich trete auf die Veranda, auf der mir die schwülwarme Hitze des Abends entgegenschlägt. Selbst in der Nacht kühlt es kaum ab. Zum Glück vertrage ich die Temperaturen ganz gut. In Schweden würde ich erfrieren. Wie kommt der Typ bloß darauf? Vielleicht, weil ich vergessen habe, meinen blonden Ansatz nachzufärben?

Annie ist gerade in ein Gespräch mit einem hochgewachsenen Typen vertieft. Sein Lächeln sieht ehrlich aus und er schaut ihr beim Sprechen ins Gesicht. Ich überlege gerade, runter an den Strand zu gehen, um den beiden ihre Zweisamkeit zu lassen, da winkt Annie mich zu sich. Als ich bei ihr angekommen bin, wechselt sie vom Französischen ins Englische.

»May, das ist León. Er kommt auch aus Frankreich. Sogar aus Lion, so wie ich. Ist das nicht ein großer Zufall?«

Ich grinse sie an und strecke León zur Begrüßung die Hand hin. Sein Händedruck ist kräftig, aber nicht zu fest. Obwohl auch er schwitzt, habe ich bei ihm nicht das Gefühl, in einen nassen Putzlappen zu greifen. Gute Wahl, Annie.

»Ich habe gerade total Lust schwimmen zu gehen. Wollen wir an den Strand?« Annie sieht uns beide erwartungsvoll an.

León nickt und hebt einen der Lampions an, der viel zu tief über der Treppe hängt, sodass sich keine von uns daran den Kopf stößt. In der runden Kugel befindet sich ein Teelicht, das allerdings noch nicht angezündet wurde, da die Sonne erst in einer Stunde untergeht.

Annie knickst lachend vor León und schreitet die Treppenstufen nach unten. Ich folge ihr und auch León schließt wieder zu uns auf.

Als León von zwei Freunden aufgehalten wird, nutzt Annie die Chance und stellt sich neben mich. »Silas ist wohl nichts für dich, was?«

Ich schüttele den Kopf. »Nicht wirklich.«

»Ich werde einfach nicht schlau aus deinem Männergeschmack, meine Liebe.«

»Es muss sich halt gut anfühlen.«

»Gut anfühlen, toll. Du kannst mir nicht mal sagen, ob du große Männer, kleine Männer, dicke, dünne, durchtrainierte, welche mit schwarzen oder roten Haaren magst, oder auf welchen Geruch du stehst.«

Wir haben das Meer fast erreicht und Annie zieht sich ihr weißes Kleid über den Kopf. Ich tue es ihr gleich und krame schnell meine reisegrößentaugliche Sonnencreme aus der Tasche des Kleides hervor. Bevor ich mich eincreme, halte ich Annie die Tube aus Gewohnheit hin, doch sie winkt lachend ab, ehe sie sich in die Wellen stürzt. Ich vergesse immer wieder, dass sie aufgrund ihrer ockerfarbenen Haut selten einen Sonnenbrand bekommt. Nicht so wie ich. Meine Haare färbe ich mir nur, weil ich mit dem dunkleren Ton nicht so schnell einen Sonnenbrand auf dem Scheitel bekomme. Über meine restliche Haut brauchen wir gar nicht erst reden. Außer rot und weiß kennt sie keine weiteren Nuancen.

León hat wieder zu uns aufgeschlossen und springt nur mit Boxershorts bekleidet zu Annie ins Meer. Sobald ich fertig mit Eincremen bin, folge ich den beiden. Das Wasser kühlt meine sonnengewärmte Haut. Der frische Geruch nach Salz macht sich in meiner Nase breit und ich atme tief durch. Darum liebe ich das Leben als digitale Nomadin: Ich kann an Orten wie diesem sein, jeden einzelnen Tag.

Mit kraftvollen Bewegungen schwimme ich auf das glasklare Meer hinaus. Spritzer treffen mich, da sich Annie und León eine Wasserschlacht liefern. Großzügig umschwimme ich die beiden und wende mich wieder dem Ufer zu. In der Ferne entdecke ich Silas, der auf der Veranda steht und einem blonden Mädchen einen Drink reicht. Erleichterung macht sich in mir breit. Er scheint mich zum Glück nicht wirklich zu vermissen. Annies Verkupplungsaktion ist so was von fehlgeschlagen. Ich weiß auch nicht, warum alle denken, dass ich unbedingt einen Partner bräuchte, um glücklich zu sein. Gerade im Moment bin ich es einfach nur so. Weil ich hier bin, meinen Job liebe und die Freiheit habe, zu sein, wo ich will. Für andere ist diese Unbeständigkeit beängstigend, für mich bedeutet sie, innerlich aufzublühen.

Mein Blick wandert wieder zurück aufs Meer. Einige Leute surfen auf den Wellen und ich beobachte sie mit ein wenig Sehnsucht in der Brust. Bis auf ein paar Trockenübungen am Strand habe ich noch keine weiteren Bekanntschaften mit einem Board gemacht. Gut, dass ich nächste Woche nach Australien fliege. Mein nächster Housesitting-Job ist in Melbourne und dort werde ich endlich eine Surfschule besuchen.

Plötzlich brandet eine Welle über mich hinweg und zwingt mich dazu, die Luft anzuhalten. Das Salzwasser brennt in meinen Augen. Mit wenigen Schwimmzügen habe ich mich wieder an die Oberfläche gekämpft und spucke das restliche Wasser hustend aus.

Ich reibe mir über die Augen und schaffe es, sie einen kleinen Spaltbreit zu öffnen. Orientierungslos blicke ich mich um. Lediglich verschwommene Schemen sind zu erkennen, die das Ufer sein müssten. Ich blinzle, doch meine Sicht wird nicht besser. Innerlich fluche ich. Diese dämlichen Kontaktlinsen halten einfach nicht im Wasser.

Da ich nicht mehr viel erkennen kann, schwimme ich zurück zum Ufer. Bei meinem Kleid angekommen setze ich mich in den warmen Sand und warte, bis das Wasser auf meiner Haut getrocknet ist. Ein Handtuch hat nun wirklich nicht noch zusätzlich in die Tasche des geliehenen Kleides gepasst, obwohl mein Reisehandtuch echt klein ist.

»Alles gut bei dir?« Ich erkenne Annies Stimme. Je näher sie kommt, desto besser kann ich ihre verschwommene Statur erkennen.

Ich winke ab. »Alles gut, hab nur meine Kontaktlinsen verloren.«

»Oh nein! Hast du Ersatz dabei?«

Ich schüttle den Kopf.

»Soll ich schnell zur Unterkunft laufen und dir welche holen?«

»Das waren meine Letzten, ich muss mir dringend neue besorgen, sobald ich wieder in der Stadt bin.«

»Wir können dir auch deine Brille holen.« León hat sich neben Annie in den Sand gesetzt.

»Schon in Ordnung, so blind bin ich nun auch nicht. Sagt mal, ist mein Make-up durch den Tauchgang sehr verschmiert?«

Annie schnaubt. »Das bisschen Wimperntusche kannst du nicht Make-up nennen, aber gut, du brauchst bei der Haut auch nicht unbedingt mehr. Andere Menschen würden dafür töten. Du siehst immer noch heiß aus.«

Ich muss lachen und León fragt, ob er eifersüchtig werden muss. Daraufhin macht Annie auch ihm ein Kompliment und er bedankt sich mit einem Kuss auf ihre Wange bei ihr. Ich glaube, das wird noch eine lange Nacht für meine Freundin.

Als ich mir mein Kleid wieder überstreifen will, fällt mein Handy aus der Tasche in den Sand. Als ich es aufhebe, bemerke ich, dass es blinkt. Schnell halte ich meinen Finger an den Sensor, um zu prüfen, ob jemand aus meiner Kundschaft ein dringendes Anliegen hat. Sechs Anrufe in Abwesenheit und unzählige Text- und Sprachnachrichten sind eingegangen. Ich entschuldige mich bei Annie und León und ziehe mir das Kleid im Gehen über. Etwas abseits der Party schaue ich, wer versucht hat, mich anzurufen. Mein Puls geht in die Höhe. Fünf Anrufe sind von Sara und einer von Mama. Mit schwitzigen Fingern klicke ich, ohne die Textnachrichten vorher zu lesen, auf das Anrufsymbol. Sara ist seit Kurzem selbstständig und hat eine kleine Tochter. Hoffentlich geht es der Kleinen gut. Vielleicht ist auch etwas mit dem Café, das aufgrund der Wintermonate nicht wirklich gut besucht war. Normalerweise schiebt sie nicht so einen Telefonterror, da sie weiß, dass ich zurückrufe, sobald ich Zeit habe. Mein Magen zieht sich schmerzlich zusammen. Irgendwas muss passiert sein.

Es tutet nur wenige Male, dann nimmt Sara den WhatsApp-Call an.

»Maya, du musst mir helfen. Die Buchmesse wurde abgesagt! Das ist mein Untergang.«

 

Kapitel 2

Troy

 

»Wo bist du gewesen?«

Die schlechte Stimmung schlägt mir wie abgestandene Luft entgegen, als sich die Tür zu meinem Zuhause wie von Geisterhand öffnet. Violet steht mit in die Seiten gestemmten Armen im Rahmen und funkelt mich zornig an.

»Auf Dienstreise?« Die Antwort ist selbsterklärend, weshalb ich vermute, dass es die falsche ist.

»Ich meine, warum bist du nicht schon vor zwei Stunden hier gewesen? So lange kannst du vom Flughafen in Brisbane nicht hierher gebraucht haben und Verspätung hatte dein Flug auch nicht.«

Das meint sie also. Eigentlich wäre die viel angebrachtere Frage, was Violet hier macht. Wir waren eigentlich erst morgen verabredet, da ich die ganze Woche vor lauter Meetings kaum Schlaf bekommen habe. Heute wollte ich mich in Ruhe erholen. Aber ich stelle die Frage nicht, Violet ist bereits wütend genug.

Ich lasse meinen Rollkoffer neben der Kommode stehen und schäle mich aus meinem Jackett. Wie ich dieses Outfit hasse. Ich hätte es schon im Auto ausgezogen, wenn ich nicht bereits ein klimaanlagenbedingtes Kratzen im Hals gehabt hätte.

»Da bist du eine Woche weg und ich will dich zu deiner Rückkehr mit einem Dinner überraschen, aber du tauchst nicht auf. Es ist wirklich schwer, etwas Romantisches für dich zu planen. Immer geht deine Arbeit vor und nie denkst du an mich.« Violets dünne Lippen bilden einen schmalen Strich. Den letzten Satz spuckt sie mir förmlich entgegen.

Ein wenig kann ich Violets Wut nachvollziehen. Es ist echt süß von ihr, dass sie mich überraschen wollte. Das Wort ›Romantik‹ hält mich jedoch davon ab, sie liebevoll in meine Arme zu ziehen. Meine inneren Alarmglocken gehen an. Romantik ist bei einer Affäre nie ein gutes Zeichen.

»Es tut mir leid, Vi.« Mir tut das leid, was gleich kommen wird, doch davon weiß sie noch nichts, weshalb sie nur stumm die Lippen zusammenpresst und die Arme vor der Brust verschränkt.

»Das sollte es auch. Dein Rinderfilet ist bereits kalt und du weißt, wie sehr ich es hasse, alleine zu essen.«

… oder überhaupt alleine zu sein. Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass das mit Violet nicht gut gehen würde. Vor drei Monaten habe ich sie bei einem Businessevent am Unicampus getroffen. Sie betreute dort die Studierenden und wir kamen bei ein, zwei Gläsern Wein ins Gespräch. Ich habe ihr erzählt, dass ich beruflich viel unterwegs bin und deshalb keine Zeit für eine Frau oder eine Familie habe. Sie meinte, das mache nichts, für ein bisschen Spaß brauche es nicht viel Zeit. Leider scheint sie zu der Sorte Frau zu gehören, die glaubt, einen Mann ändern zu können. Es wird Zeit, dass wir …

»… offiziell zusammen sind.« Moment, was sagt sie da? Ich habe den Anfang verpasst. »Das wollte ich dich bei einem romantischen Dinner fragen. Ich habe extra im Portofino bestellt und nun machst du alles kaputt.«

Von meinem Kiefer zieht sich ein stechender Schmerz hinauf zu meiner Schläfe, weil ich die Zähne fest zusammenpresse. Es ist wirklich an der Zeit, dass ich alles kaputtmache.

Unbeholfen fahre ich mir mit der rechten Hand durch meine schon wieder viel zu langen Locken. Vor meiner nächsten Abreise muss ich unbedingt noch zum Friseur. Jetzt aber Schluss mit der Ablenkung, ich sollte das handhaben wie bei einem Pflaster. Kurz und schmerzlos.

»Tut mir leid, Vi…«

»Das sagtest du schon.«

Okay, die Frau steht nicht auf Wiederholungen. Ich hoffe, dass ich meine nächsten Sätze auch nicht wiederholen muss.

»Wir sollten das mit uns lieber beenden.«

»Was hast du da gesagt?« Violets Stimme schraubt sich in die Höhe. Scheinbar werde ich um eine Wiederholung doch nicht herum kommen.

»Dass dieses Ding zwischen uns so nicht weiterlaufen kann. Das macht uns beide auf Dauer nur unglücklich.«

Violets Augenbrauen ziehen sich so sehr zusammen, dass die rechte fast die linke berührt. »Ich habe dich schon verstanden.«

Gosh, ich diese Frau aber nicht.

»Hast du es allen Ernstes drei Monate mit mir getrieben und mich jetzt satt?«

Das habe ich nicht. Automatisch wandert mein Blick über ihre einladenden Rundungen, bis hin zu ihren blonden Haaren, die die Brüste verdecken, und den sonst so sanften Gesichtszügen. Aktuell sind sie vor Ärger fest zusammengezogen, weshalb sie mich mehr an eine Siamkatze erinnert als an eine verschmuste Hauskatze.

»Vi, du wusstest, dass ich viel zu tun habe und selten zu Hause bin. Meinen Schlüssel hast du nur, damit du nach meiner Post und den Pflanzen siehst, nicht, damit du entgegen unserer Verabredung eine Überraschung planst.« Die Pflanzen scheint sie jedenfalls vergessen zu haben, denn die Orchidee im Flur werde ich morgen beerdigen können. »Du wünschst dir einen Mann, der für dich da ist, den du mehrfach die Woche siehst, aber genau das kann ich dir nicht geben. Du weißt, wie das in meinem Job ist. Nach dem Flug hatte ich noch eine spontane Videokonferenz, die ich im Auto abgehalten habe. So was passiert ständig. Ich kann dir nicht das bieten, was du dir wünschst. Du bist eine fantastische Frau und hast etwas …«

»Besseres? Willst du mir gerade allen Ernstes diese Standard-Schlussmach-Sprüche um die Ohren hauen? Ich dachte, ich wäre nicht so, wie die ganzen Flittchen vor mir.«

Flittchen? Also nur, weil eine Frau Spaß an etwas Lockerem hat, und ohne feste Beziehung zufrieden ist, ist sie doch kein Flittchen. Außerdem, wäre Violet dann nicht selbst eines? Oder hatte sie von Anfang an andere Absichten?

»Es ist besser, du gehst jetzt.« Ich habe die Tür noch nicht hinter mir geschlossen, weshalb ich meine Worte lediglich unterstreiche, indem ich einen Schritt zur Seite trete, damit sie den Ausgang besser sieht. Keins von beiden scheint bei Violet angekommen zu sein.

»Und wer passt dann ab nächster Woche auf deine Villa auf, wenn du wieder wochenlang unterwegs bist?«

»Möchtest du das gerne noch tun? Wie bereits gesagt, ich kann dir gerne etwas für die Arbeit und deine Anfahrt bezahlen.«

»Fick dich, Troy.«

So erfolgreich mein Unternehmen auch ist: In Sachen Frauen brauche ich dringend Nachhilfe. Vielleicht läuft das Erbe meines Vaters auch nur so gut, weil es mit Trucks zu tun hat und es bekanntlich wenig Frauen in der Branche gibt. Das muss es sein. Wenn ich irgendwann einmal den Job wechsle, dann am besten in die IT-Branche, wobei der Frauenanteil an der Universität in diesem Studiengang stark gestiegen ist. Ich bin verloren, wenn es so weitergeht. Oder brauche einen Dolmetscher.

Gerade überlege ich, was ich noch tun muss, damit Violet das Anwesen verlässt, da stapft sie schnaubend an mir vorbei. Wenige Schritte später dreht sie um und kommt zurück. Zu früh gefreut.

»Ich brauche noch meine Jacke.«

»Soll ich sie dir holen?«

»Nicht nötig, ich habe ja lange genug Zeit allein in deiner Villa verbracht, um mich hier bald besser auszukennen als du.«

Wo sie recht hat.

Violet stiefelt auf ihren hohen Absätzen ins Wohnzimmer. Ich folge ihr nicht, sondern warte an der offenen Tür, um sicherzugehen, dass sie diese auch wirklich passiert.

Mit einer Lederjacke über ihrem Arm und dem Teller samt Rinderfilet schreitet sie wieder an mir vorbei. Ich verkneife mir den Kommentar, dass der Teller aus meinem Inventar stammt. Nicht, dass sie ihn mir die Tage zurückbringen will und dabei um eine neue Chance bittet. Ich kann so was wirklich nicht. Hoffentlich vergisst sie, dass es meiner ist, oder zerschmettert ihn, um sich an mir zu rächen.

Ich sehe Violet nach, wie sie zur Garage gegenüber des Hauses stöckelt, um ihr Auto zu holen. Sie kennt mich zu gut und weiß, dass ich aufgrund des Zeitmangels lieber direkt in der Einfahrt parke. So konnte sie mich überraschen, weil ich ihr Auto nicht entdeckt habe.

Wie in Zeitlupe öffnet sich das Garagentor. Ungeduldig tippt sich Violet mit den Fingern auf den Arm. Als das Tor weit genug hochgefahren ist, dass sie unter ihm durchstolzieren kann, betritt sie die Garage und reißt die Tür ihres roten Minis auf. Ich frage mich bis heute, wie sie dieses unpraktische Fahrzeug importieren konnte. An Geld hat es ihr aber noch nie gemangelt. Dann steigt sie ein und drapiert das Rinderfilet neben sich auf dem Beifahrersitz. Dabei wirft sie mir immer wieder giftige Blicke zu.

Meine Miene bleibt ausdruckslos. Kurz habe ich das Bedürfnis, ihr zum Abschied zu winken, unterdrücke den Impuls jedoch, bevor sie das als eine Bitte zur Rückkehr versteht. Als sie endlich den Motor anlässt und losfährt, atme ich erleichtert auf und schließe die Haustür. Nie wieder fange ich eine Affäre mit einer Frau an!

Mein Magen fängt protestierend an zu knurren. Etwas zu Essen hätte ich jetzt wirklich gebrauchen können.

 

Kapitel 3

Maya

 

»Hol erst mal wieder Luft und versuch durchzuatmen.« Auch als ich meine Unterkunft erreicht habe, mit unzähligen blauen Flecken an meinen Zehen, weil ich die ganze Zeit das Handy am Ohr hatte, statt mir in der Dunkelheit den Weg zu leuchten, hat Sara sich noch immer nicht beruhigt. Inzwischen sind wir zum Videochatten umgestiegen, jetzt, da ich wieder WLAN habe.

»Du weißt, was das für mich heißt!« Saras Augen sind gerötet vom Weinen, doch inzwischen sind keine Tränen mehr übrig. Warum habe ich die letzten Stunden auch nicht auf mein Handy geschaut? Dann hätte ich ihren Anruf früher mitbekommen, bevor sie sich vor lauter Panik in die Sache reinsteigert hat.

»Vielleicht ist die abgesagte Messe auch deine Chance. Bestimmt reisen viele Menschen trotzdem nach Leipzig und du bekommst die Bude voll, weil es bei dir im Gegensatz zur leeren Messehalle Unterhaltung gibt.« Wirklich sicher bin ich mir nicht, ob die mutmachenden Worte doch nur hohle Phrasen sind. Meine Schwester hat im Herbst ein Eventcafé eröffnet, das von solchen Veranstaltungen lebt. Dass eine der größten Buchmessen in Deutschland wegen einem Virus abgesagt wird, ist eine beängstigende Entwicklung. Ich kann Saras Aufregung verstehen. Sie hat noch nicht einmal die Anfangsinvestitionen wieder drinnen und eine kleine Tochter allein zu ernähren.

»Und wie soll ich das machen, wenn unsere Autorin nicht wie geplant zur Messe kommt?«

Für eine Lesung während der Messe haben wir eine Spiegel Bestseller Autorin gewinnen können. Die Gespräche mit ihrem Management haben Wochen gedauert. Das alles in so kurzer Zeit neu zu organisieren, wird eine Herausforderung. Trotzdem verziehe ich keine Miene. »Das bekommen wir hin. Viele Autoren hätten auf der Messe gelesen und sind nun wieder frei. Ich höre mich um.«

Sara reibt sich die Augen. »Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Die Leute sind in den letzten Wochen immer verhaltener geworden, obwohl das Wetter wieder besser wird. Dieses Virus scheint ihnen echt Angst einzujagen. Wenn ich jetzt trotz abgesagter Messe eine Veranstaltung durchführe, schadet das hinterher dem Image meines Cafés.«

Wie gerne hätte ich meine Hände jetzt auf Saras eingesackte Schultern gelegt, um ihr ein wenig Trost zu spenden. Auf ihre Bedenken weiß ich keine Antwort, weil die Sache mit dem Virus mich nicht wirklich beschäftigt hat. Klar, in Reiseforen berichten sie über die Lage in unterschiedlichen Ländern und darüber, dass wir aktuell besser nicht nach China fliegen sollten. Aber wirklich verfolgt habe ich die Nachrichten nicht, da ich innerhalb der letzten drei Jahre keinen einzigen Tag krank gewesen bin. Der verdorbene Magen aufgrund eines Eiswürfels ohne Loch in meinem Mango-Lassi in Malaysia zählt nicht. Das hätte ich verhindern können und in wenigen Stunden war der Spuk wieder vorbei.

»Dein Schweigen bedeutet, dass du mir dazu morgen mehr sagen können wirst?« Saras Stimme ist tonlos. Sie kennt mich einfach.

»Um ehrlich zu sein, möchte ich dir keine falschen Hoffnungen machen. Ich muss das erst recherchieren und die deutschen Medien prüfen, um sicherzugehen, dass du dir keinen Shitstorm einfängst.« Ich lege mein Handy neben mich und fahre den Laptop hoch. »Nebenbei gehe ich mal den Veranstaltungskatalog der Messe durch und schaue, welche Autorinnen oder Autoren wir für eine Lesung in deinem Café abgreifen können. Morgen weiß ich mehr.«

Hinter Sara geht die Tür auf. Meine fünfjährige Nichte Marie steht auf Zehenspitzen gestellt dahinter, da sie mit ihren fünf Jahren gerade so das Schild mit der Aufschrift ›Bitte nicht stören‹ erreicht, um es auf die grüne Seite zu drehen. Sara wendet mir den Rücken zu und winkt die Kleine zu sich. Als sie ihre Tochter auf den Schoß gezogen hat, dreht sie sich kopfschüttelnd zu mir um. »Ich verstehe, warum du einen so verdammt hohen Stundensatz bei deiner Kundschaft durchgesetzt bekommst.«

In meinem kleinen Videobild oben rechts erkenne ich, wie mein Gesicht rot anläuft. »Wir schaffen das. Versprochen. Jetzt mach Marie erst mal Abendessen und ich rufe Mama an. Sie weiß bestimmt mehr über die aktuelle Lage.«

»Danke, Maya«, verabschiedet sich meine Schwester mit einem gezwungenen Lächeln auf den Lippen. Sie nimmt Maries Hand und hält sie hoch, sodass es so aussieht, als würde meine Nichte mir winken. Marie versucht ihrer Mutter die winzigen Finger zu entziehen und fängt sogar an zu schreien, da Sara nicht lockerlässt. Ich sitze nur hilflos da, während sich mein Magen verkrampft, und winke zurück. Für Marie scheine ich nicht mehr als eine Frau auf einem Bildschirm zu sein. Wie sollte sie mich auch anders wahrnehmen? So lang, wie ich nicht mehr in Deutschland war, kann sie sich gar nicht mehr an mich außerhalb des Laptops erinnern.

»Machts gut.« Ich beende das Gespräch, ehe Maries Geschrei noch lauter wird. Mein Blick wandert zur Uhr auf meinem Laptop. Das wird eine lange Nacht.

Bevor ich Mama anrufe und mir eine Standpauke anhören darf, dass ich mich mit meinem Lifestyle in Gefahr bringe, klicke ich mich durch verschiedene Nachrichtenseiten. Von einer Pandemie ist die Rede und davon, dass Deutschland runtergefahren werden sollte. Parallelen zur Spanischen Grippe von 1918 werden gezogen, doch in meinen Augen hinkt der Vergleich etwas. Das ist über hundert Jahre her und unser Gesundheitssystem hat sich seitdem gewandelt. Mit der Pest können wir heute schließlich auch ganz anders umgehen.

Ich wechsle zu den sozialen Netzwerken. Auf Twitter herrscht Krieg. Die einen regen sich über die Folgen für die Wirtschaft auf, andere sprechen von einer Verschwörung der Politik gegen das Volk. Wieder andere fürchten um das Leben geliebter Menschen und plädieren für vernünftiges Handeln. Die Informationen breiten sich rasant aus und auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, welche aus seriösen Quellen stammen und wissenschaftlich geprüft sind und welche nicht. Die Menschen aus der Politik geben das wieder, was sie denken, was die Wählenden hören wollen. Sie plappern nach, was gerade dem aktuellen Trend entspricht. Ob das, was sie sagen, Hand und Fuß hat, kann ich nicht beurteilen.

Ich wechsle zu Facebook und wie erwartet: Eine Person verfasst einen Beitrag und in den Kommentaren regt man sich darüber auf, dass der Text gegendert ist. Hier wird ein Rechtschreibfehler kritisiert und dort ein Twitterpost verlinkt. Also schließe ich die Facebook-App wieder und öffne Instagram. Durch meine Kundinnen folge ich einer Menge Menschen aus der Buchbranche, die ziemlich enttäuscht über die Absage der Messe sind. Einige zeigen Verständnis, hätten sich aber eine rechtzeitige Absage gewünscht, da sie bereits unsägliche Ausgaben hatten und sich viele Hotels so kurzfristig nicht mehr stornieren lassen. Andere reißen Witze über die Panikmache und meinen, dass das Virus ja wohl nicht viel schlimmer als eine Grippe sein kann.

Ich scrolle durch den Feed und kann große Verunsicherung wahrnehmen. Die Menschen werden von Eindrücken bombardiert und können nicht filtern, was relevant ist und was nicht.

An einem Beitrag mit einem leeren Krankenhausbett bleibe ich hängen. Er wurde von einem Pfleger aus einer Klinik in München verfasst, der einen Bruder in Italien hat und von überfüllten Intensivstationen berichtet. Ja, das Virus sei für einen großen Teil der Bevölkerung nicht weiter gefährlich, aber wenn es sich zu schnell ausbreite, würde unser Gesundheitssystem überlastet. Patienten, vor allem ältere, müssten beatmet werden und in Italien gingen die Beatmungsgeräte zuneige. Der Pfleger ruft dazu auf, dass wir uns solidarisch zeigen sollen, um eine schnelle Ausbreitung zu verhindern.

Ich seufze und klappe den Laptop zu. Bei all diesen Informationen komme ich wohl nicht drumherum meine Mutter anzurufen. Es ist nicht so, dass wir uns nicht verstehen, aber sie war absolut nicht begeistert davon, dass ich meine Wohnung gekündigt und meinen Job im öffentlichen Dienst aufgegeben habe, um nun als digitale Nomadin durch die Welt zu reisen. Das liegt bestimmt daran, dass meine Arbeit im Online-Marketing für sie nicht wirklich greifbar ist. Wenn ich versuche, ihr den Sinn eines Sales-Funnels zu erklären oder wie man digitale Ads schaltet, um eine möglichst hohe Interaktionsrate in den sozialen Netzwerken zu erzielen, komme ich mir vor, als wollte ich in der Grundschule Integralrechnung lehren.

Da meine Mutter bestimmt nicht an ihrem uralten Rechner sitzt, zumindest nicht um diese Uhrzeit, greife ich nach meinem Handy und rufe sie dort über das WLAN meiner Unterkunft an.

»Ja?« Die Stimme meiner Mutter klingt kratzig. Ich bin froh, dass wir nur telefonieren und sie mir ihren Zigarettenatem nicht ins Gesicht blasen kann.

»Hi, Mama.«

»Oh, Maya-Biene, du bist es! Ich hab gar nicht gesehen, wer anruft.«

Ich rolle mit den Augen wegen dieses Spitznamens und der Unfähigkeit meiner Mutter, ein Handy zu bedienen. Da ploppt ein Bild von mir auf, wenn ich anrufe. Das hat Sara ihr so eingestellt.

»Hast du mitbekommen, was bei deiner Schwester los ist?« Ein Husten unterbricht meine Mutter, ehe sie weiterspricht. »Ich hoffe, du hast sie zurückgerufen, sie war vorhin ganz aufgelöst. Ich konnte dich auch nicht erreichen.«

»Ich habe eben mit ihr gesprochen. Deshalb rufe ich an.«

»Kommst du etwa nach Hause?«

Meine freie Hand ballt sich zur Faust. Ich habe es gewusst. »Nein, nächste Woche geht erst mal mein Flug nach Australien.«

»Wenn der wirklich abfliegt.«

»Warum sollte er nicht?«

»Hast du deiner Schwester nicht zugehört?«

Ich zwinge mich, die Faust wieder zu lockern. Meine Fingernägel haben rote Druckstellen auf meinem Handballen hinterlassen. »Ich sorge mich doch auch um Sara und ihr Café. Aber du weißt, dass ich nicht mit Kindern kann, um sie mit Marie etwas zu entlasten, und dass ich als Bedienung auch nicht geeignet bin.« Nicht mit meinem Talent, Teller zu Bruch gehen zu lassen und ständig Bestellungen und Menschen zu verwechseln.

»Darum gehts doch nicht, Maya-Biene. Die werden die Grenzen dichtmachen, ich sags dir.« Ihre Worte klingen alles andere als versöhnlich. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, meine Mutter anzurufen. Warum habe ich eigentlich etwas anderes erwartet?

Um wieder etwas mehr Kontrolle über das Gespräch zu bekommen, frage ich nach dem Beitrag des Pflegers und den überfüllten Intensivstationen. Da meine Mutter im Elisabeth Krankenhaus in Leipzig arbeitet, sollte sie mir mehr dazu sagen können.

»Bei uns im Elli ist noch alles gut. Übermorgen soll es eine weitere Krisensitzung geben und unsere Stationsärztin hat die Anweisung bekommen, so viele Patienten wie möglich nach Hause zu schicken, damit wir gerüstet sind. Lappalien werden wir später behandeln, haben sie gesagt.«

Uff, das klingt heftig. Meine Hände schwitzen und ich wechsle die Hand, mit der ich mein Telefon halte. »Glaubst du denn, dass es zu einer Überlastung des Gesundheitssystems kommen wird?«

Mama schnaubt am anderen Ende der Leitung. »Das hängt ganz von der Politik und den kommenden Entscheidungen ab. Sie hätten die Grenzen schon viel eher dicht machen sollen. Jetzt haben diese verdreckten Chinesen diesen Kram längst in unser Land geschleppt.«

Meine Stimme schraubt sich in die Höhe. »Boar, Mama. Du kannst doch nicht ein ganzes Volk dafür verantwortlich machen. Das ist rassistisch! Nur, weil das Virus in China ausgebrochen ist, heißt das nicht, dass die Chinesen die Schuld tragen. Es gibt immerhin auch Menschen wie mich, die sorglos durch die Gegend reisen und es aus China mitgebracht haben können.«

Zwar werfe ich mich meiner Mutter mit dieser Aussage selbst zum Fraß vor, aber anders werde ich sie nicht zum Umdenken bewegen können. Dafür kenne ich sie viel zu gut.

»Ja, ja, schon gut. Du verbringst viel zu viel Zeit mit den Ausländern.«

Jetzt kommt auch noch Fremdenfeindlichkeit. Das Gespräch wird ja immer besser. »Ich bin hier in Thailand selbst eine Ausländerin.«

Im nächsten Moment bereue ich meine Antwort, als meine Mutter mit Süffisanz in ihrer Stimme meint: »Zeit, dass du wieder nach Hause kommst.« Dann wird ihr Tonfall wieder etwas versöhnlicher. »Sie werden bestimmt noch den Notstand ausrufen.«

Um mich wieder zu beruhigen, laufe ich in meinem Zimmer auf und ab. Ich ignoriere Mamas wiederholte Aufforderung nach Hause zu kommen. »Das heißt, wenn wir das öffentliche Leben nicht runterfahren, durch Maßnahmen wie die Absage der Buchmesse, dann wird unser Gesundheitssystem überlastet werden, weil sich das Virus zu schnell ausbreitet?«

»Das habe ich doch gesagt.«

»Danke, das wollte ich nur noch einmal bestätigt haben.«

»Buchst du jetzt deinen Flug um?« Mamas Worte klingen eher wie ein Befehl, als wie eine Bitte. »Ich hab Angst, dass du in diesem Entwicklungsland ohne Krankenversicherung hängen bleibst, Bienchen.«

»Die Bezeichnung Entwicklungsland ist herablassend und Thailand hat außerdem ein zu hohes Einkommen, als dass sie auf dieser Liste stehen würden. Außerdem habe ich eine Krankenversicherung, die zwar nicht so umfangreich ist wie bei euch in Deutschland, aber für diese Kosten aufkommen wird.

---ENDE DER LESEPROBE---