Losing Gravity. Zusammen sind wir grenzenlos - Cristina Haslinger - E-Book

Losing Gravity. Zusammen sind wir grenzenlos E-Book

Cristina Haslinger

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Beschreibung

**Zwischen Herz und Verstand** Evie lebt das Leben, das man von ihr erwartet: Sie studiert Marketing, arbeitet nebenbei in einem Café und soll jetzt zu allem Überfluss ein extrem wichtiges Charity Event für ihre Tante organisieren. Planlos, wie sie die Sache angehen soll, sucht sie dringend nach einer Unterstützung. Doch dass ausgerechnet ein arroganter Gast ihres Cafés – der viel zu attraktive Partygänger Jay – ihr seine Hilfe anbietet, lässt sie nicht gerade vor Freude jubeln. Bis sich herausstellt, dass Jay DJ ist und sie genau so einen noch braucht. Aber je mehr Zeit die beiden durch die Planung des Events miteinander verbringen, desto gefährlicher wird es für Evie, in Jays Nähe zu sein. Denn durch seine beständige Anwesenheit beginnen ihre sorgsam errichteten, inneren Mauern und ihr Entschluss, sich nicht wieder zu verlieben, zu bröckeln ... Tanze zur Melodie deines Herzschlags Von den Steinen des Lebens und wie man diese überwinden kann. Ein unvergesslicher Liebesroman, der zu Strandpartys und tiefgründigen Gesprächen entführt und ein Prickeln auf der Haut hinterlässt. //Der Liebesroman »Losing Gravity. Zusammen sind wir grenzenlos« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//

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Cristina Haslinger

Losing Gravity. Zusammen sind wir grenzenlos

**Zwischen Herz und Verstand**

Evie lebt das Leben, das man von ihr erwartet: Sie studiert Marketing, arbeitet nebenbei in einem Café und soll jetzt zu allem Überfluss ein extrem wichtiges Charity Event für ihre Tante organisieren. Planlos, wie sie die Sache angehen soll, sucht sie dringend nach einer Unterstützung. Doch dass ausgerechnet ein arroganter Gast ihres Cafés – der viel zu attraktive Partygänger Jay – ihr seine Hilfe anbietet, lässt sie nicht gerade vor Freude jubeln. Bis sich herausstellt, dass Jay DJ ist und sie genau so einen noch braucht. Aber je mehr Zeit die beiden durch die Planung des Events miteinander verbringen, desto gefährlicher wird es für Evie, in Jays Nähe zu sein. Denn durch seine beständige Anwesenheit beginnen ihre sorgsam errichteten, inneren Mauern und ihr Entschluss, sich nicht wieder zu verlieben, zu bröckeln …

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Vita

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Danksagung

© Patrizia Wenzlaff

Cristina Haslinger wuchs als waschechtes Stadtkind auf, das hinter jeder dunklen Ecke das Abenteuer vermutete und es schließlich zwischen zwei Buchdeckeln fand. Nach Abitur und Ausbildung entdeckte sie das Reisen für sich, doch nichts konnte die Sehnsucht nach fremden Welten so stillen, wie die Bibliothek am Ende der Straße es vermochte. Heute lebt die Autorin mit ihrem Mann im Norden von Hamburg, wo sie ihre eigenen Welten erschafft und in fantasievolle Geschichten verpackt.

Für Dominik

Kapitel 1

Evie

»Hast du …« Der Rest von Caras Satz ging im ratternden Geräusch des Kaffeevollautomaten unter. Schon seit zwei Stunden war ich fest hinter den Tresen des Wagging Tail geschweißt und arbeitete eine Bestellung nach der nächsten ab, während meine beste Freundin die Jungs aus Berkeley unterhielt, die seit ein paar Wochen regelmäßig in dem kleinen Café vorbeischauten.

»Skyler meint, dass jeden Freitag so eine lockere Beachparty irgendwo im Süden stattfindet«, versuchte Cara es erneut. Sie trug die langen, rubinroten Wellen in einem geflochtenen Zopf, dessen Ende sie kokett um den Zeigefinger wickelte.

»Am Funston Beach«, ergänzte Skyler und blickte zwischen Cara und seinem Freund Liam hin und her, der ihn wie immer begleitete. »Das ist eine saucoole Location: Dünen, Felsen, ein megasteiler Hang …«

»Vergiss den Strand nicht«, bemerkte Liam, bevor er sich den letzten Bissen seines Beef-Sandwiches in den Mund schob.

»Klingt super«, antwortete ich abwesend, denn auf dem Display der Kasse war bereits die nächste Bestellung aufgeleuchtet.

»Wenn ihr Lust habt, kommt doch morgen einfach mit«, schlug Skyler vor und sah Cara auffordernd an.

Da war er endlich, der Moment auf den sie gewartet hatte, seit die Jungs das erste Mal zur Tür hereinspaziert waren. Trotzdem saß ihr Pokerface perfekt. Sie zog die Augenbrauen grüblerisch zusammen und sah mich fragend an. »Hatten wir morgen nichts vor, Evie?«

»Hm«, spielte ich meine Rolle und platzierte eine Tasse unter dem Auslauf der Kaffeemaschine. »Nein, ich glaube nicht.«

»Also seid ihr dabei?«, fragte Skyler, während sein Blick flüchtig meine Kollegin streifte, die gerade ihr Tablett mit einem neuen Schwung Getränke belud.

»Dein Studentenwohnheim ist das Loyola Village, oder?«, fragte er weiter und warf Cara ein breites Lächeln zu. »Sollen wir euch da abholen? Acht Uhr?«

»Perfekt«, erwiderte sie, nach wie vor um einen gleichgültigen Gesichtsausdruck bemüht.

Skyler grinste. »Dann haben wir ein Date!«

»Ich will ja kein Spielverderber sein, aber wir müssen langsam los, Sky«, bemerkte Liam und glitt von seinem Barhocker. »Was macht alles zusammen?«

Ich warf einen Blick auf den Bon neben der Kasse.

»Zweiundzwanzig Dollar.«

Liam zog einen Zwanziger und einen Fünfer aus seiner Geldbörse und bedeutete mir mit einer knappen Geste, dass er kein Wechselgeld erwartete.

»Danke«, erwiderte ich mit einem Lächeln und zählte mein Trinkgeld ab.

»Ja, danke Liam«, stimmte Cara mir zu.

Er nickte nur und legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. »Wollen wir?«

»Sorry, Girls!« Skyler stand mit einem gespielten Seufzer auf. »Wir sehen uns dann morgen.«

»Alles klar.« Ich winkte den beiden zum Abschied zu, während Cara ein strahlendes Bye hinterherschickte. Jetzt war ihr Pokerface doch verrutscht. Die Jungs hatten keine zwei Schritte aus dem Café getan, als ihre Wangen sich knallpink verfärbten.

»O – mein – Gott!«, stöhnte sie, so laut, dass es das Pärchen in der hinteren Ecke mitbekam und amüsiert zu uns hinüberschielte.

»So wie er dich ansieht, war das nur eine Frage der Zeit«, bemerkte ich.

Cara stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Tresen ab, um sich zu mir herüberzubeugen.

»Ashlee sieht er aber noch genauer an«, flüsterte sie und nickte in Richtung meiner Kollegin, die gerade das leere Geschirr auf der Terrasse zusammensammelte. Als sie sich vorbeugte, fielen ihre platinblonden Haare wie ein Seidenschleier über ihre schmale, nackte Schulter.

»Meinst du, er steht auf sie?«, fragte Cara und runzelte die Stirn.

»Quatsch! Sonst hätte er sie eingeladen und nicht dich.«

Ashlee kam wieder in unsere Richtung gelaufen und Cara presste die Lippen aufeinander.

»Ich werd’s aber nur knapp schaffen. Dad kommt morgen Abend zum Essen«, sagte ich und ließ meinen Blick prüfend durchs Café schweifen. Unter den waschweißen Holztischen waren die ersten Hundenäpfe leergeworden. Das Wagging Tail war eine der wenigen Locations San Franciscos, in der Hunde nicht nur geduldet, sondern herzlich willkommen waren.

»Meinst du, es ist zu kalt, wenn ich die Jeansshorts trage?«, überlegte Cara.

»Zum Abend hin bestimmt.«

»Die würden aber so gut zu dem neuen Top passen …«

Ich stieß angestrengt die Luft aus. »Es ist sowieso egal, was du anziehst, du siehst immer gut aus.«

»Das ist der dümmste Spruch der Welt!«, sagte Cara, aber das kleine Grinsen verriet sie. Sie wusste sehr wohl, dass sie gut aussah. Neben ihren heißen Kurven wirkte ich wie ein Schulmädchen, was durch meine knappen ein Meter fünfundsechzig und den ewig blassen Teint noch unterstrichen wurde.

»Also Shorts und eine Strickjacke«, beschloss sie. »Und wenn mir zu kalt wird, muss Sky mich eben wärmen.« Sie kicherte. »Wie gefällt dir eigentlich Liam? Ist der was für dich?«

Ich zog die Stirn kraus. »Weiß nicht, ich kenne ihn ja kaum.«

»Er wirkt eigentlich ganz nett«, meinte Cara. »Und er sieht gut aus.«

Ich rief mir seine rehbraunen Augen ins Gedächtnis. Das eckige Kinn und die hohen Wangenknochen waren mir gleich aufgefallen. Und die dunkelbraunen Locken, die stets so aussahen, als hätte er gerade einen Werbespot für Shampoo gedreht.

»Ich will euer Privatgespräch ja nicht stören«, erklang eine genervte Stimme vom anderen Ende des Tresens, »aber könnte ich vielleicht meinen Espresso bekommen?«

Verwundert drehte ich mich um und blickte in das verärgerte Gesicht eines jungen Mannes. Er war in etwa in unserem Alter. Seine Jeans saß locker auf den Hüften und um seinen Hals hingen breite Kopfhörer.

»Haben Sie schon bei meiner Kollegin bestellt?«, fragte ich, um einen professionellen Ton bemüht.

»Natürlich!«, entgegnete er unwirsch. »Ich warte schon fast ne halbe Stunde.«

Ich setzte ein krummes Lächeln auf. »Meine Kollegin kommt gleich zu Ihnen«, erwiderte ich und fügte ein strapaziertes »bitte entschuldigen Sie« hinzu.

»Hoffentlich hat sie dann auch meinen Espresso dabei«, grummelte er, begab sich aber zurück zu seinem Platz in der Ecke, wo ein kleiner Jack Russel Terrier unter der Bank lag und seinen Kopf auf den Pfötchen abgelegt hatte.

Cara entfuhr ein prustendes Lachen. »Was für ein Grinch!«, zischte sie mir zu.

»Sei froh, dass du dich nicht mit so einem blöden Nebenjob rumärgern musst«, stöhnte ich und stellte die Espressotasse unter den Auslauf.

»Bin ich auch.« Sie grinste. »Ich habe mit der Uni schon genug zu tun.«

»Wir studieren dasselbe Fach, du Pflaume!«, erinnerte ich sie.

Wieder kicherte Cara und ich konnte gar nicht anders, als mitzulachen. Als der Espresso durchgelaufen war, rief ich Ashlee an den Tresen.

»Du hast die Bestellung von dem Charmebolzen vergessen«, sagte ich leise und schob ihr die Tasse hin, vergaß aber ganz absichtlich und mit einiger Befriedigung den Mandelkeks, den wir normalerweise dazu reichten.

»Der soll sich nicht so anstellen«, erwiderte Ashlee locker.

Ich schüttelte den Kopf. »Der ist richtig schlecht drauf …«

»Ja, ja«, winkte sie ab und schnappte sich den Espresso, um damit in seine Richtung zu schweben.

»Hat deine Tante eigentlich schon was wegen Disneyland gesagt?«, fragte Cara.

»Ich hab noch nicht gefragt«, antwortete ich, während meine Augen an Ashlee haften blieben. Argwöhnisch beobachtete ich, wie sie etwas zu dem Grinch sagte, woraufhin dieser breit grinste. War ja klar: Ich bekam den ganzen Frust ab und Miss Universe brauchte nur kurz mit den Wimpern zu klimpern, damit wieder alles gut war.

»Es sind ja auch noch drei Wochen.« Cara stand auf und nickte in Richtung Tür, durch die gerade mein Chef eintrat. »Ich haue jetzt besser ab, bevor Adam mich wieder rausschmeißt.«

»Alles klar«, erwiderte ich und beugte mich über den Tresen, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. Adam hatte Cara bereits entdeckt. Doch obwohl er sich denken konnte, dass wir die ganze Zeit mal wieder gequatscht hatten, kam er heute ohne das obligatorische Kopfschütteln näher.

»Wo ist denn Layla?«, fragte ich, während Cara sich mit einem strahlenden Lächeln aus dem Staub machte. Es war ein ungewohntes Bild, Adam ohne seine braun-weiß-gescheckte Sheltie-Hündin zu sehen.

»Jonathan ist mit ihr unterwegs«, erklärte er und verschwand für einen Moment im Hinterzimmer. Als er wieder herauskam, trug er eine Schürze und hatte das schulterlange Haar in einem Zopf zurückgebunden. »Alles wie immer?«, fragte er.

Mein Blick fiel auf den Grinch in der Ecke, der mittlerweile seine Kopfhörer aufgesetzt hatte und auf einem superschmalen Notebook herumtippte. Der ach so heißbegehrte Espresso stand unangetastet neben ihm.

»Keine besonderen Vorkommnisse«, antwortete ich und löste das Band meiner Schürze.

»Alles klar.« Adam trat zu mir hinter den Tresen und nahm sich ein Wasser aus dem kleinen Kühlschrank. »Ach, bevor ich es vergesse: Kannst du am Samstag etwas früher kommen, um mich abzulösen? Zehn Uhr vielleicht?«

»Sicher«, erwiderte ich und hängte meine Schürze an den Haken hinter der Küchentür. »Die Stunden kann ich gut gebrauchen, um mein Disneyland-Budget aufzustocken.«

Während Adam begann, die nächsten Bestellungen abzuarbeiten, nahm ich meine Sachen und verabschiedete mich. Auf dem Weg nach draußen checkte ich mein Handy auf neue Nachrichten. Mit einem Grinsen öffnete ich Caras Chat.

Cara: Beachparty!!!

Evie: Soll ich vielleicht besser nicht mitkommen? Dann hast du Skyler für dich allein.

Cara: Auf keinen Fall!

Evie: War auch nicht ernst gemeint …

Cara: Ich glaube, Liam wäre echt enttäuscht, wenn du nicht kommst.

Ich hielt inne. Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, mich in San Francisco zu verlieben. In einem Jahr würde ich ohnehin zurück nach Oregon gehen.

Um Cara ruhig zu stellen, schickte ich ihr einen Zwinkersmiley und tippte:

Evie: Ich habe gar keine Zeit für Männer – ich studiere und arbeite nämlich!

Ich steckte das Handy wieder ein. Auch ohne nachzusehen wusste ich, dass sie mir gerade virtuell die Zunge herausgestreckt hatte.

Beschwingt stieg ich auf mein Fahrrad und radelte den Lincoln Way hinunter. An der 9th Avenue bog ich in den Botanischen Garten ab. Die Sonne hatte bereits ihren Sinkflug angetreten und blinzelte zwischen den Bäumen auf die kurvige Straße vor mir. In der Luft lag das süßlich-schwere Parfüm von Magnolien und der jodbeladene Geruch des Meeres, den der Wind in die Stadt getragen hatte. Ich musste an den bevorstehenden Abend denken, an Lagerfeuer, kühlen Sand unter den Füßen und das Rauschen der nächtlichen Brandung. Ein Prickeln durchfuhr mich und plötzlich war der Gedanke an einen heimlichen Kuss zwischen den Dünen sogar ganz reizvoll.

Kapitel 2

Evie

Der nächste Tag war geprägt von statistischen Berechnungen in Business Analytics und Cara, die immer wieder ihre Outfit-Auswahl umwarf. Als die letzte Stunde zu Ende ging, konnte ich es kaum erwarten, dem Campus der USF zu entfliehen. Dad hatte sich zum Abendessen angekündigt. Er war geschäftlich in der Stadt und wollte die Gelegenheit nutzen, seine drei Ladies zu besuchen. Das hieß: mich, Tante Susan und ihre Frau Robin, bei denen ich für das Studium in San Francisco untergekommen war. Die beiden bewohnten ein verwinkeltes, viktorianisches Haus in North Richmond in der Nähe des Mountain Lake Park, das früher meinen Großeltern gehört hatte. Direkt nach meiner Geburt hatten Mom und Dad ein paar Jahre hier gelebt, aber ich hatte keine Erinnerung daran, nur an die Wohnung in Little Russia, von wo aus wir sonntagsvormittags immer zum Baker Beach marschiert waren. Das Meer war das, was ich in Portland am meisten vermisste. Auch wenn die Wälder und spiegelglatten Seen einzigartig waren, hatte das beständige, sich immer wiederholende Meeresrauschen eine beruhigende Wirkung auf mich, wie kaum etwas anderes.

Nach einem kleinen Umweg über den Supermarkt, um ein paar frische Zutaten zu besorgen, machte ich mich auf den Heimweg. Dad war bereits da. Er lehnte in seinem royalblauen Anzug an der Kücheninsel und blätterte in einem Prospekt. Mit den grauen Schläfen und dem längeren Deckhaar sah er aus wie Andy García in einem Gangsterfilm.

»Hi Dad!«, begrüßte ich ihn und legte meine Einkäufe auf der Arbeitsfläche ab.

»Da ist sie ja!«, rief er und schloss mich in die Arme. »Wie geht es dir, Kleines? Wie läuft die Uni?« Er lockerte seinen Griff und sah mich eindringlich an.

»Alles bestens«, antworte ich und löste mich von ihm, um seinem forschenden Blick nicht länger begegnen zu müssen. Ich hatte keine Lust, ihm zu erklären, dass ich in Online-Marketing hinterherhinkte und der Begriff Unternehmensberatung mittlerweile Gänsehaut bei mir auslöste.

Dad runzelte die Stirn, doch bevor er etwas sagen konnte, kam Susan herein. Ihre braunen Haare lagen in weichen Wellen auf ihren Schultern. Wie immer trug sie den Amy-Winehouse-Gedächtnis-Lidstrich, der zwar altmodisch aber irgendwie schick an ihr aussah und von den vielen kleinen Lachfältchen ablenkte, die ihrem Gesicht eine so warme Freundlichkeit verliehen.

»Dann können wir ja anfangen. Robin müsste auch gleich da sein«, erklärte sie und gab mir einen Kuss auf die Wange.

Während Susan die Einkäufe einräumte, bereitete Dad seine berühmten Tagliatelle mit Garnelen und Weißwein zu. Ich nutzte die Gelegenheit, um mich umzuziehen. Ohne lange über mein Outfit nachzudenken, schlüpfte ich in eine frische Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Damit würde ich am Strand schon nicht negativ auffallen.

»Kommst du, Liebes?«, hallte Susans Stimme zu mir ins Obergeschoss.

»Bin gleich da!«, antwortete ich. Der Duft nach Olivenöl und frischen Kräutern trug mich die Treppe hinunter. Im Esszimmer hatten die Drei sich bereits hingesetzt. Robin, die mittlerweile heimgekommen war, trug noch das dunkelblaue T-Shirt, das normalerweise unter ihrer Polizeiuniform versteckt war. Ihr schwarzer Bob stand in alle Richtungen ab. Susan hingegen schien sich tatsächlich ein wenig zurechtgemacht zu haben.

»Komm, setz dich«, sagte sie und klopfte auf den freien Platz neben sich.

»Wie war dein Termin, Nate?«, fragte Robin, während sie den Salat herumgehen ließ.

Dad hob die Schulter. »Ich bin mir nicht sicher. Drei junge Burschen, die sich zu viel vorgenommen haben, wenn du mich fragst.«

»Worum geht’s?«, fragte ich und füllte mir eine große Portion Pasta auf.

»Ein sehr ambitioniertes Start-up«, erklärte Dad. »Meiner Meinung nach wollen sie zu viel auf einmal. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich etwas für sie tun kann.«

»Das sind ja ganz neue Töne!« Susan lachte. »Sonst schreckst du doch vor keiner Kampagne zurück. Wie war das mit der Kopfhörer-Marke? Das hat doch keine sechs Monate gedauert, bis jeder welche haben wollte.«

»Vier Monate«, berichtigte Dad sie mit einem zufriedenen Grinsen. »Aber da stand auch ein vernünftiges Konzept hinter. Die Firma hatte ihre Hausaufgaben gemacht. Ich war nur dafür zuständig, die Reichweite zu optimieren.«

»Und die drei Jungs wollen an die Hand genommen werden?«, fragte Robin. Sie stand auf, um eine Flasche Wein zu holen.

»Ja, so in der Art«, erwiderte Dad und bedeutete ihr, ihm die Flasche zum Öffnen zu reichen, doch Robin hatte den Korken bereits gelöst und goss ihm großzügig ein.

»Danke, für mich nicht. Ich fliege heute Abend noch zurück. Das steigt mir dann immer zu Kopf.«

»Och man, Dad!«, jammerte ich und zog eine Schnute.

»Tut mir leid. Ich habe morgen ganz früh einen Termin im Büro.«

»An einem Sonntag?«, fragte Susan und ließ ihre Empörung wohlwissend mitschwingen.

»An einem Sonntag«, bestätigte Dad. »Es gibt Projekte, die keinen Aufschub dulden.«

Robin griff nach seinem Weinglas, nahm einen großen Schluck daraus und setzte sich wieder neben mich.

»Für die wirklich wichtigen Dinge interessiert sich doch sowieso keiner«, sagte sie. »Frag deine Schwester mal, was aus ihrem Klinik-Projekt werden soll.«

Dad und ich schauten überrascht auf. Susan hatte letztes Jahr ihre gutbezahlte Anstellung in einer Tierarztpraxis aufgegeben, um zusammen mit ein paar Kollegen eine neue Tierklinik in Ingleside zu eröffnen, die auch Bedürftigen die Versorgung ihrer Tiere ermöglichen sollte. Dafür hatten sie sich mit dem örtlichen Tierschutzverein zusammengetan, wodurch der Kontakt zu Adam zustande gekommen war, der mir kurzerhand den Job in seinem Café angeboten hatte.

»Wahrscheinlich wird der Klinik noch vor Eröffnung der Hahn zugedreht«, erklärte Susan mit einem krummen Lächeln.

»Was?« Ich sah sie schockiert an.

»Einer der Bauunternehmer ist in Insolvenz gegangen«, erklärte sie. »Das hat irre Kosten und einen riesigen Verzug ausgelöst. Jetzt ist der Topf leer und uns fehlt noch der komplette Innenausbau. Dabei drückt die Bank schon mit Kreditzinsen.«

»Seid ihr schon im Rückstand?«, fragte Dad.

»Seit ein paar Monaten«, antwortete sie. »Gut und gerne zweihundertfünfzigtausend.«

Dad pfiff durch die Zähne. »Wow, das ist eine Hausnummer. Habt ihr überlegt, einen Investor ins Boot zu holen?«

»Wer investiert denn in ein Loch ohne Boden?« Susan lachte freudlos auf. »Jedenfalls höre ich das ständig.«

»Aber ihr hattet doch einen Businessplan!«, warf ich ein.

»Ja, Liebes, aber wir hatten nicht einkalkuliert, dass McMills Pleite gehen würde. Bob hat uns nun mal einen Superpreis gemacht.«

Dad zog die Augenbrauen zusammen. Auf seinem Gesicht erschien dieser abwesende Ausdruck, als wäre er gerade in der letzten Ecke seines Hinterstübchens verschwunden.

»Habt ihr an eine Charity-Aktion gedacht?«, fragte er langsam. »Damit könntet ihr einen Teil der Kosten reinbekommen und gleichzeitig neue Sponsoren gewinnen. Ihr wärt überrascht, wie schnell die oberen Zehntausend ihr Scheckheft zücken, wenn man ihnen eine gute Show bietet – und die Möglichkeit, ihre große Tat subtil an die Öffentlichkeit zu bringen.«

»Das ist doch mal eine Idee!«, meinte Robin und legte Susan die Hand auf die Schulter.

»Nur, dass die oberen Zehntausend sich nicht für uns interessieren«, stöhnte Susan.

Dad zuckte die Achseln. »Na ja, ihr müsst schon ein bisschen die Werbetrommel rühren. Irgendetwas auf die Beine stellen, wofür man sich begeistern kann.«

»Ist klar, ein karitatives Projekt ist nicht cool genug«, erwiderte Susan zynisch.

Robin ignorierte ihre Laune und wandte sich an Dad. »Du hast so etwas doch schon gemacht. Kannst du nicht helfen?«

»Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass ich so eine Aktion mal eben dazwischen quetschen kann. Ich bin komplett ausge…«

»Es geht immerhin um die Zukunft deiner Schwester!«, unterbrach sie ihn und ich warf vorsichtig ein: »Und ganz nebenbei auch um die gute Sache.«

»Und keine drei reichen Bengel, die nur mal etwas Neues ausprobieren wollen«, nuschelte Susan vor sich hin.

Dad atmete angestrengt aus. »Ich stimme euch ja grundsätzlich zu«, sagte er. »Aber ich kann meine zahlenden Kunden nicht einfach so vernachlässigen. Wir sind in der Rezession. Die Agentur braucht jeden einzelnen Auftrag.«

»Kann das nicht der Praktikant machen?«, fragte ich. »Dieser Kleine mit der Beatles-Frisur.«

»Evie, ich kann nicht einfach alles stehen und liegen lassen. Ich verdiene damit meinen Lebensunterhalt – und deinen übrigens gleich mit!«

»Ach komm schon, Nate. Du kannst doch sonst alles möglich machen«, konterte Robin. Damit hatte sie ihn an seiner empfindlichsten Stelle gepackt: seinem Businessman-Ego. Wenn Dad auf etwas stolz war, dann seinen Ruf als Macher. Nate macht alles möglich, hieß es unter den Geschäftsleuten von Portland, und das nicht ohne Grund.

Dads Blick schweifte von Susan über Robin schließlich zu mir. »Ich könnte Stacey bitten, eine Präsentation fertig zu machen. Vielleicht kann ich einen Sponsor auftreiben. Schließlich braucht ihr ein Budget für so ein Event.«

»Yeah!« Robin reckte ihre Faust in einer Siegerpose der Deckenlampe entgegen.

»Aber!«, warf Dad ein und sah uns streng an. »Ich verspreche nichts. Ich muss erst ein paar Eckdaten abklopfen.«

»Natürlich musst du das«, bestätigte Susan ihn mit ernster Miene, doch die Erleichterung schwebte über ihr, wie ein Heiligenschein.

»Außerdem werde ich Hilfe brauchen«, meinte Dad. Sein Blick heftete sich auf mich. »Wäre das nicht die perfekte Gelegenheit für dich, Evie?«

Ich hatte gerade ein Salatblatt aufgespießt, das ich nun auf halbem Weg zwischen Teller und Mund in der Luft stoppte.

»Für mich?«

Dad nickte. »Dann hast du schon ein bisschen praktische Erfahrung gesammelt, bevor du nächstes Jahr bei uns einsteigst. Außerdem bist du vor Ort und kannst dich hier um alles kümmern.«

»Ich äh …« Plötzlich wurde meine Kehle ganz eng. »Ich weiß doch gar nicht, wie man …«

»Hey, das ist doch eine tolle Idee!« Robin lächelte mir aufmunternd zu.

»Aber das kannst du ihr doch nicht allein aufdrücken, Nate«, wandte Susan ein. »Es geht hier immerhin um eine Menge Geld!«

»Natürlich nicht.« Dad führte ein Stückchen Garnele zum Mund und sprach kauend weiter: »Ich besorge das Startkapital. Evie muss sich nur vor Ort um die Party kümmern.«

»Party?«, fragte ich.

»Charity-Events sind immer Partys«, erklärte Dad. »Egal, ob du einen Lauf veranstaltest, einen Ball oder was weiß ich. Die Leute wollen eine gute Zeit haben. Du musst ihnen etwas Besonderes bieten. Und es muss zum Thema passen!«

Ich runzelte die Stirn. »Und was soll das sein? Eine Live-Operation an einem Golden Retriever?«

»O Gott, bitte nicht!« Susan schüttelte sich.

»Lass dir etwas einfallen«, forderte Dad mich auf. »Irgendetwas mit Tieren … Alle lieben Tiere! Da sollte sich doch etwas finden lassen.« Er sah auf seine Uhr. »Ich muss langsam los. Susi, du schickst mir dann noch euren Businessplan, ja? Ich glaube, das ist eine richtig gute Idee!«

»Moment, also soll ich wirklich …« Ich blickte von Dad zu Tante Susan.

»Das ist eine großartige Chance für dich Praxiserfahrung zu sammeln«, sagte Dad und erhob sich. »Keine Sorge, mein Schatz. Du kannst mich jederzeit anrufen.«

Mein Lächeln gefror zu einer verzerrten Grimasse. Ich hatte keine Ahnung, wie ich ein solches Event auf die Beine stellen sollte. Aber Susan war immer für mich da gewesen. Sogar damals, als ich mit vierzehn den Tampon-Unfall gehabt und sie den ersten Flieger nach Portland genommen hatte, weil es mir zu peinlich gewesen war, Dad um Hilfe zu bitten.

»Na gut«, sagte ich schließlich. »Aber Dad, du musst mir helfen.«

»Werde ich, werde ich … Richte dich schon mal auf circa vier Wochen ein.«

»So schnell?«, fragte Susan erstaunt.

»Es muss zwischen Memorial Day und den Sommerferien stattfinden, sonst ist niemand in der Stadt«, erklärte Dad. »Ich schaue nachher mal meine Kontakte durch. Habe da schon jemanden im Hinterkopf für ein Sponsoring. Evie, du kriegst dann noch ein kurzes Briefing per Mail. Ich bitte Stacey darum, dir eine Liste von Eventpartnern in San Fran zu schicken, mit denen wir schon gearbeitet haben.«

»Super, ein Briefing von meinem Dad«, erwiderte ich.

»Daran wirst du dich gewöhnen müssen.« Dad zog mich auf die Füße und seufzte dramatisch: »Unser erstes gemeinsames Projekt!«

Trotz des schalkhaften Lachens sah er stolz aus. Genau wie an dem Tag, als ich mich für das Marketing Studium eingeschrieben hatte. Zum Glück wusste er nicht, dass ich drauf und dran war, das Semesterziel zu verfehlen. Aber daran wollte ich jetzt nicht denken. Trotzdem schlich sich das schlechte Gewissen ein und verschwand erst wieder, als ich Caras Wohnheim erreichte.

Jetzt war es also gleich so weit: Mein erstes Date in San Francisco – zumindest so etwas Ähnliches. Ob Liam sich überhaupt für mich interessierte? Bisher hatte ich nicht den Eindruck gehabt, andererseits waren wir die ganze Zeit auch nur Statisten in Caras und Skylers Theaterstück gewesen. Aber heute könnte es das erste Mal um uns gehen. Warum eigentlich nicht?

Kapitel 3

Evie

Der letzte goldene Sonnenstrahl war bereits hinterm Horizont verschwunden, als Cara, Skyler, Liam und ich auf den Skyline Boulevard fuhren. Am südlichen Rand San Franciscos lag Fort Funston, die Ruine einer militärischen Verteidigungsanlage, die heutzutage mit ihren hügeligen Wanderrouten besonders bei Spaziergängern und Hundebesitzern beliebt war. Schon vom Parkplatz aus war das schiefergraue Meer zu sehen. Ein dünner Streifen rosafarbenen Dunsts waberte über den Wellen, ein Vorbote der aufziehenden Nacht. Kaum hatte ich die Autotür geöffnet, schlug mir der Wind ins Gesicht. Die Jeansjacke war eine gute Idee gewesen und auch Cara schien nun gar nicht mehr so unglücklich darüber zu sein, dass ich sie in letzter Minute in eine lange Hose gequatscht hatte.

»Unten am Strand ist der Wind nicht so stark«, erklärte Skyler, während er ein Sixpack aus dem Kofferraum holte. Er reichte Liam eine der Flaschen, die dieser mit einem Kopfschütteln ablehnte, aber Skylers auffordernder Blick machte klar, dass das Bier nicht für ihn bestimmt gewesen war.

»Möchtest du?«, fragte Liam mich.

Eigentlich mochte ich kein Bier, doch er hatte die Flasche bereits geöffnet und hielt sie mir auffordernd entgegen.

»Danke.« Ich lächelte und griff zu, dabei berührten sich unsere Fingerspitzen für einen flüchtigen Moment. Aus Reflex zog ich meine Hand zurück, was Liam mit einem Schmunzeln quittierte. Als er sich Skyler wieder zuwandte, stieß Cara mir ihren Ellenbogen in die Seite.

»Wenn du dich so anstellst, glaubt der noch, du wärst prüde oder so.«

»So ein Quatsch«, zischte ich und fügte mit einem vielsagenden Blick hinzu: »Außerdem sind wir ja auch nicht meinetwegen hier.«

»Wäre aber ein netter Nebeneffekt«, konterte Cara mit einem Grinsen.

»Kann’s losgehen?« Skyler war zwischen uns getreten und reichte Cara eine Bierflasche.

Wir stiegen eine lange Treppe hinab, deren Stufen in die sandige Klippe eingelassen waren. Dafür, dass es allmählich dunkel wurde, kamen uns noch relativ viele Leute entgegen. Doch unten am Wasser verloren sich die einzelnen Grüppchen in der Weite des Geländes. Der kilometerlange Strand war von teergrauen Strähnen durchzogen. Hier und da wuchsen Dünen aus dem Boden, auf denen sich das Seegras in Richtung Süden verbeugte. Tatsächlich war es hier unten nicht ganz so windig, doch die feuchte Kälte des Sandes kroch meine Beine hinauf und ließ mich frösteln.

»Seid ihr euch sicher, dass wir hier richtig sind?«, fragte ich und hakte mich bei Cara unter.

»Es ist ein Stück weiter vorn«, antwortete Skyler und deutete nach rechts, wo in einiger Entfernung Lichter zwischen einer wimmelnden Menge aufblitzten. Je näher wir kamen, desto lauter wurde die Musik. Elektronische Beats, vermischt mit Indie-Pop schallten uns aus Bluetooth-Boxen entgegen. Ringsherum waren Solarlampions in den Boden gesteckt oder baumelten von dem Geländer eines alten, von Graffiti übersäten Artilleriestützpunktes.

Zwei Mädchen aus meinem Kurs an der USF kamen uns entgegen. Sie schlossen sich einer Gruppe von der SF State an, eindeutig erkennbar anhand der großen, gelben Lettern auf ihren dunkelblauen Sweatshirts. Auch Skyler und Liam wechselten ein paar Worte mit den Jungs, während Cara und ich unsicher daneben stehenblieben.

»Evie«, flüsterte Cara und zog mich ein Stück zur Seite. »Ist es okay für dich, wenn ich mich mit Sky nachher absetze?«

»Wir sind noch keine fünf Minuten hier!«, erwiderte ich und setzte den vorwurfsvollsten Blick auf, den ich in meinem Repertoire hatte.

»Och Evie!« Cara grinste. »Jetzt sei doch nicht so. Außerdem hast du ja Liam …«

Ich seufzte theatralisch. »Aber wehe, er ist nicht so witzig, wie du immer behauptest!«

Ich nahm einen Schluck aus meiner Bierflasche und sog die Atmosphäre in mich auf. Mein Herz pochte wild. Ob es an der ausgelassenen Stimmung oder der Dunkelheit lag, die sich wie ein Filter über den Strand legte, vermochte ich nicht zu sagen.

»Jay!«, rief jemand plötzlich. »Dein Kampfhund macht wieder Ärger.«

Neben mir flitzte ein kleiner Hund mit einem bunt-blinkenden Frisbee über den Strand. Ein schriller Pfiff ertönte, gefolgt von einem ärgerlichen: »Mashup! Lass das Teil los!« Im nächsten Moment flog ein junger Mann an mir vorbei. Sand spritzte in alle Richtungen und ich taumelte rückwärts, um nicht hinzufallen. Amüsiert beobachtete ich, wie er dem Jack Russel Terrier das Frisbee aus dem Maul wrang. Die schwarze Jeans und das enganliegende Longsleeve betonten seine sportliche Figur. Als er aufschaute, streifte mich sein grimmiger Blick. Irgendwie kam er mir bekannt vor und wenn ich so darüber nachdachte, der Hund ganz genauso.

»O Gott!«, stieß ich aus und rüttelte an Caras Ärmel. »Das ist der Grinch aus dem Café!«

Cara zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen, dann schien sie sich zu erinnern. »Ja und? Meinst du, der hat sich etwa gemerkt, wer du bist und fordert jetzt einen neuen Cappuccino?«

»Es war ein Espresso«, konterte ich und streckte ihr die Zunge heraus.

»Siehst du? Deshalb arbeitest du in einem Café und ich sitze nur blöd daneben. Weil du dir solche Sachen merken kannst!«

Ich grinste. »Du glaubst übrigens nicht, was Dad sich jetzt schon wieder einfallen lassen hat.«

»Noch ein Nebenjob?«

»Nicht so ganz.« Ich nahm einen Schluck von meinem Bier. »Ich soll ein Charity-Event organisieren.«

»Wie kommt das denn?«

»Susans Tierklinik ist das Geld ausgegangen.«

Cara riss die Augenbrauen nach oben. »Was?«

»Ja. Wie’s aussieht, gibt es irgendwie Probleme mit der Bank.«

»Und dafür wollt ihr jetzt eine Spendenparty auf die Beine stellen?«

»Irgendwie so was … Ich hab noch keinen richtigen Plan. Dad hilft mir, aber ich muss mich um die Organisation kümmern.«

Cara runzelte die Stirn. »Schaffst du das denn noch neben der Uni und dem Job?«, fragte sie. »Ich meine, weil du ja ein paar Kurse wiederholen musst. Weiß dein Dad das eigentlich schon?«

»Nein«, stöhnte ich, »und ich habe auch nicht vor, es ihm zu sagen. Ich ziehe das jetzt durch und fertig.«

»Alles in Ordnung, Mädels?« Skyler war mit einer Flasche Whiskey zwischen uns getreten und bot uns einen Schluck an, den wir beide mit einem Kopfschütteln ablehnten.

»Alles bestens«, antwortete Cara. Ihre Wangen glühten und die roten Haare flogen wild um ihren Kopf.

»Dahinten sind ein paar Freunde aus Berkeley«, erklärte er und nickte in Richtung der Klippe, wo Liam bereits in einer Traube von Studenten stand und sich unterhielt. »Kommt, ich stelle euch vor.«

Er nahm Caras Hand und zog sie hinter sich her. Mit einem bedeutsamen Blick drehte sie sich zu mir um. Ich zwinkerte ihr zu und folgte in einigem Abstand, während ich aus dem Augenwinkel ein Blinken bemerkte, das über den Strand flackerte. Der Hund war scheinbar wieder mit dem Frisbee getürmt. Das nannte man wohl Karma. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Trotzdem beeilte ich mich, zu den anderen aufzuschließen, bevor der Grinch auf der Jagd nach seinem Kampfhund womöglich meinen Weg kreuzen und mich doch noch wiedererkennen würde.

Cara und Skyler positionierten sich ein wenig abseits der Gruppe. Er hatte seine Hand um ihre Taille gelegt und sie stützte sich auf seiner Schulter ab. In ihren Augen lag dieser Ausdruck, ein Funkeln zwischen Lachen und Flirt. Selbst auf die Entfernung war zu erkennen, dass die beiden nur auf den richtigen Moment warteten. Unterdessen schloss ich zu Liam auf. Er begrüßte mich mit einem Lächeln und stellte mich seinen Freunden vor. Dabei strichen seine Finger über mein Schulterblatt. Die Berührung war ungewohnt. Bisher hatten wir uns nur flüchtig die Hand gegeben und bis gestern hatte ich auch keine Sekunde darüber nachgedacht, ob ich überhaupt mehr von ihm wollte.

Die anderen Studenten der UC, die Berkeley-Boys und -Girls, wie ich sie insgeheim taufte, waren zwar freundlich, aber reichlich desinteressiert. Die Gruppe arbeitete einen Insider-Witz nach dem nächsten ab, sodass ich mir sehr bald schon überflüssig vorkam. Mit einem frustrierten Seufzer ließ ich meinen Blick durch die Gegend schweifen. Ein Stück weiter unten erkannte ich Ashlees schlanke Figur sich an die Seite des alten Stützpunktes schmiegen. Ihre hellblonde Mähne glänzte wie flüssige Seide im Licht der Lampions. Sie stand in einer Gruppe, die sich um den Grinch versammelt hatte. Mit seinem Laptop auf dem Schoß saß er am Rand der Ruine und horchte in einen seiner Kopfhörer hinein, um den Takt aus dem Lautsprecher abzupassen. Genau im richtigen Moment drückte er auf eine Taste und ließ damit einen neuen Song einsetzen.

Als er aufsah, trafen sich unsere Blicke. Sofort spürte ich, wie mir das Blut in den Kopf schoss und sich als rosa Schleier auf meinen Wangen niederließ. Eilig wandte ich mich zu Cara um, doch sie und Skyler waren verschwunden.

»Ich glaube, die beiden wollten ein Stück spazierengehen«, meinte Liam, der meinen fragenden Blick aufgefangen hatte.

»Oh, ach so …«

Der Wind trug einen kalten Gischtregen über den Strand. Unwillkürlich begannen meine Lippen zu zittern. Ich zog die Schultern nach oben und umklammerte krampfhaft die Bierflasche, während ich meine andere Hand tief in der Tasche meiner Jeansjacke versenkte.

»Ist dir kalt?« Liam warf einen Blick auf meine steife Körperhaltung.

»Nur ein bisschen.«

»Ich kann dir meine Jacke …«, setzte er an, aber ich unterbrach ihn eilig.

»Nein, das ist wirklich nicht nötig. Aber danke dir.«

Aus irgendeinem Grund brauchte ich plötzlich Abstand. Mein Blick flog zurück zum Grinch, der mit schiefgelegtem Kopf auf seinen Laptop starrte.

»Du erfrierst also lieber, als mir einen Gentleman-Moment zu gönnen?«, fragte Liam und zog die Augenbrauen viel zu weit nach oben, sodass sie fast unter seinen braunen Locken verschwanden.

»Sorry.« Ich lächelte zerknirscht.

»Na komm.« Er nickte in Richtung Wasser. »Wir schauen mal, wo die beiden abgeblieben sind.«

Zusammen liefen wir den Strand entlang. Bereits nach wenigen Schritten verlor sich die Musik im Rauschen der Brandung. Mittlerweile war der Mond aufgegangen und blitzte als Sichel zwischen den Wolken hervor.

»Du bist ganz anders als Cara«, sagte Liam, als wir ein wenig Abstand zu der Party gewonnen hatten. In seiner Stimme lag keine Wertung, trotzdem stolperte mein Ego und plumpste in meinen Magen.

»Ist das gut oder schlecht?«, fragte ich und blickte auf das nachtblaue Meer hinaus.

»Weder noch.« Er zuckte die Schultern. »Ihr seid einfach zwei unterschiedliche Typen. Sie ist eher die Flippige.«

»Und ich bin …« fast hätte ich verklemmt gesagt.

»Ich meine das nicht negativ«, setzte er an, doch bevor er zu einer Erklärung ausholen konnte, hatten ihn zwei Arme gepackt und zu Boden gerungen. Vor Schreck sprang ich zurück und platschte bis zu den Oberschenkeln in eine Welle. Eisiges Meerwasser tränkte meine Jeans.

»Geld oder Leben!«, rief Skyler. Gleichzeitig ertönte Caras Kichern. Ihr dunkelroter Schopf erschien hinter den Jungs, die sich wieder vom Boden aufgerappelt hatten.

»Super witzig«, fauchte Liam und sah sich nach mir um. Zwar war ich mittlerweile zurück auf dem Strand, aber der kalte Wind in Kombination mit meiner nassen Hose ließ mich heftig zittern.

»O nein, Evie!« Cara drückte sich an meine Seite. »Ist alles okay?«

»Es geht schon«, versicherte ich ihr, aber tatsächlich war mir so kalt, dass ich mich kaum bewegen konnte. Meine Glieder waren steif und die Finger blau angelaufen.

»Liam könnte dich nach Hause fahren, oder?«, überlegte Skyler und wandte sich dann an Cara. »Und wir bleiben noch ein bisschen?«

Caras Finger krallten sich in meinen Ärmel. Sie presste die Lippen fest aufeinander, aber in ihren Augen glitzerte die Aufregung. Ein Lächeln stahl sich auf mein vor Kälte starres Gesicht.

»Das wäre wirklich nett von dir«, sagte ich zu Liam.

Er zuckte unbekümmert die Schultern. »Sicher.«

Kapitel 4

Jay

Es war verdammt kalt geworden. Vielleicht hätten wir besser noch ein, zwei Wochen mit der Funston-Saison warten sollen. Aber die ungezwungene Atmosphäre hier war perfekt, um mit meiner Musik herumzuprobieren. Mashup hatte mir vorhin den Übergang zwischen den Songs versaut, sodass ich den Loop hatte verlängern müssen. Zwar war das vermutlich niemandem aufgefallen, aber mich ärgerte es trotzdem. Jetzt lag das Monster vor der Ruine auf dem Sand und ließ sich von Ashlee hinter den Ohren kraulen. Dieser dumme Hund war so leicht bestechlich. Futter und Streicheleinheiten genügten.

»Also, wie machen wir das jetzt mit diesem Duett?«, fragte ich, nachdem ich den letzten Track des Abends hatte anlaufen lassen, und legte meine Kopfhörer auf meinen Schultern ab. »Wir könnten doch jeder unabhängig voneinander einen Teil schreiben.«

»Du willst ein Duett schreiben, ohne zu wissen, was der andere macht?«, lachte Ashlee und stand auf. Zwischen ihrem dunklen Shirt und der Jeans blitzte ihr Hüftknochen deutlich hervor. »Das nenne ich mal beziehungsunfähig.« Sie stützte sich mit dem Arm an der von Graffiti besprühten Mauer ab und blickte zu mir hoch. In ihrem Blick lag ein Zwinkern. Ashlee war die Art Mädchen, die auf aggressive Art sexy war. Irgendwann stumpfte man allerdings gegen ihr ständiges Geflirte ab, zumal man nie wirklich sicher sein konnte, wem ihre Aufmerksamkeit wirklich galt.

»Ich will gar kein Duett schreiben«, grummelte ich. »Aber ich will auch nicht, dass Whitaker mich deswegen durchfallen lässt. Ich dachte nur … Ich könnte das Instrumental schon mal vorbereiten und du machst dann den Text …«

»Das hast du dir ja schön ausgedacht«, sagte sie und sah mich durch zusammengekniffene Augen an. »Ich kann aber keinen Text schreiben, wenn mir die Melodie nicht gefällt.«

Ich ließ genervt die Luft entweichen. Wir versuchten schon seit über einer Woche, diese blöde Aufgabe zu erfüllen, aber irgendwie kamen wir nicht auf einen Nenner. Bisher hatten wir uns nicht einmal auf ein Genre festlegen können.

»Lass es uns doch morgen noch mal versuchen«, sagte sie in einem versöhnlicheren Tonfall und klimperte mit den langen Wimpern.

»Ich dachte, du arbeitest morgen wieder?«, entgegnete ich und zog die Ärmel meines Shirts bis über meine Finger.

Sie schmunzelte. »Ja, aber das können wir ja nebenbei machen.«

»Das hat gestern ja auch richtig gut geklappt«, stöhnte ich. Die Musik endete und ich klappte den Laptop zu, woraufhin die Grüppchen in der näheren Umgebung sich fragend umsahen. Wirklich übelnehmen würde es mir keiner, dass ich bei der Arschkälte für heute schlussmachen wollte.

Ich schwang mich unter der Brüstung durch und sprang zu Ashlee auf den Strand.

»Okay, sorry. Es war mehr los, als gedacht«, räumte sie mit einem zerknirschten Lächeln ein. »Wir können morgen ja auch gleich ganz früh loslegen. Wie wär’s vor meiner Schicht, so um sieben?«

Ich sah auf die Uhr. Es war zwanzig nach zehn, die Jungs würden definitiv noch weiterziehen wollen. Aber eigentlich hatte ich auch keinen Bock mehr. Außerdem müsste ich sowieso nach Hause, um Mashup abzuladen.

»Oh, da ist ja Evie!«, rief Ashlee plötzlich und deutete in Richtung Wasser, wo eine kleine Gruppe aus der Dunkelheit kam. Ich kannte die zwei Typen. Wir waren uns schon auf ein paar Partys begegnet. Da kam man früher oder später mal ins Gespräch, aber ehrlicherweise musste ich eingestehen, dass mich diese blasierten Ostküsten-Typen nicht wirklich interessierten. Neben ihnen liefen zwei Mädchen. Die Kleinere mit den braunen Haaren und hellen Augen war mir vorhin schon aufgefallen. Es war das Mädchen aus dem Café, in dem Ashlee arbeitete. Sie hatte gestern meinen Ärger abgekriegt, weil Ashlee mich den halben Vormittag hatte warten lassen, ohne dass auch nur eine einzelne Zeile zusammengekommen war. Ich hasste es, Songtexte zu schreiben. Das war wirklich das Einzige, was ich an Musik so gar nicht mochte. Irgendwie fielen mir nie die richtigen Worte ein. Bei mir klang immer alles profan und bedeutungslos, oder es reimte sich halt nicht …

Ashlee winkte der Gruppe zu, aber die zwei Pärchen hatten nur Augen füreinander. Während die Rothaarige sich fest an ihren Begleiter klammerte, wirkte die andere zurückhaltender. Der breite Kerl lief ein paar Schritte hinter ihr. Neben ihm sah sie fast schon zerbrechlich aus. Ihr Gesicht schimmerte blass in der Dunkelheit.

»Also?«, fragte Ashlee und stupste mich an. »Dann morgen früh um sieben?«

Ich bückte mich, um Mashup anzuleinen, bevor das Monster wieder türmen würde. »Okay, meinetwegen«, grummelte ich. »Aber morgen legen wir uns dann definitiv auf eine Richtung fest. Und ich wäre dir wirklich dankbar, wenn es kein RnB wird.«

Ashlee grinste. »Na gut, dann eben Reggae.«

***

Als ich zu Hause die Tür aufschloss, war es schon kurz vor elf. Der Abbau hatte sich hingezogen und wie erwartet versuchten Dave und Felix, mich noch zum Weiterziehen zu überreden. Zusammen mit ein paar Leuten, die so wie wir bis zum Schluss geblieben waren, überlegten sie, noch in einen Club im Financial District zu fahren. Auch wenn das nicht unbedingt meine bevorzugte Location war, mochte ich die Anonymität der großen Clubs und das Battery Pine spielte auch ziemlich gute Musik. Aber dann würde ich morgen früh definitiv nicht rechtzeitig hochkommen und das war jetzt wichtiger.

Das Licht des Fernsehers flackerte auf dem Teppich, als ich auf den dunklen Flur trat. Ich streifte leise die Turnschuhe ab und wollte in Richtung meines Zimmers schleichen, aber Mashups Trippelschritte verrieten mich sowieso. Daher streckte ich den Kopf durch den Türrahmen ins Wohnzimmer und spähte hinein. Mom war auf der Couch eingeschlafen. Sie hatte sich neben Dad zusammengerollt, während er auf den Bildschirm starrte. In dem kalten Licht wirkte er alt, seine Züge hart. Mashup drängte sich an mir vorbei, in den Raum hinein. Das Klirren seines Halsbands ließ Dad aufschauen.

»Schon da?«, fragte er mit gedämpfter Stimme und deutete mit dem Kopf in Moms Richtung.

»Ja, ich muss noch was für die Uni machen«, flüsterte ich.

Dad nickte. Wir hatten in den letzten Wochen immer wieder diskutiert, weil ich mich seiner Meinung nach nicht genug reinhängte. Es war ein irrer Akt an Überredungsarbeit notwendig gewesen, damit er mir das Musikstudium überhaupt erlaubt hatte. Dafür forderte er nun aber auch Ergebnisse und in seiner Welt bedeutete das: gute Noten. Dass sich kreative Arbeit nicht so schwarz und weiß wie eine Mathematikklausur bewerten ließ, zählte für ihn nicht.

»Wir gehen gleich ins Bett«, sagte Dad leise und strich in einer flüchtigen Bewegung über Moms Schulter.

»Okay, gute Nacht«, erwiderte ich und verzog mich mit dem Monster in mein Zimmer. Eigentlich hatte ich überlegt, noch ein bisschen allein an dem Songtext herumzudichten, aber nach dem kalten Wind am Funston Beach war mir einfach nur nach einer heißen Dusche und meinem Bett zumute. Ich ließ mich zu Mashup auf die Matratze fallen und kraulte ihn unter dem Kinn. Mit einem seligen Gesichtsausdruck hob er den Kopf in den Nacken und ließ sich dann auf die Seite fallen. Sein Bauch war warm. Sand rieselte aus seinem Fell auf mein Laken. Ich hatte versucht, ihn am Auto einigermaßen zu säubern, aber das war bei dem Mistvieh immer so eine Sache. Wie konnte man nur so widerspenstig und gleichzeitig so niedlich sein?

Beim Anblick seiner Zunge, die wie ein rosaroter Schwamm aus seinem Maul hing, musste ich grinsen. Auch wenn er mir die meiste Zeit auf die Nerven ging, wusste Mashup immer, wie man einen zum Lachen brachte.

Im Hinterkopf schwebten ein paar zusammenhanglose Sätze durch meinen Kopf. Aber es wollte sich nichts so richtig zusammenfügen. Ohne Ashlee würde ich das mit dem Songtext niemals hinbekommen. Es war wie verhext.