Love Charms - Die geliebte Feindin - Jane Feather - E-Book
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Love Charms - Die geliebte Feindin E-Book

Jane Feather

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Beschreibung

Zwischen Liebe und Hass: Der historische Liebesroman »Love Charms – Die geliebte Feindin« von Jane Feather jetzt als eBook bei dotbooks. England im 18. Jahrhundert. Seit Generation sind die Adelsfamilien der Ravenspeares und der Hawkesmoores bitter verfeindet. Nun hat die Königin persönlich beschlossen, die Fehde zu beenden: Die junge Ariel Ravenspeare soll heiraten – ausgerechnet Simon, den Erben der Hawkesmoores! Voller Zorn beschließt die heißblütige junge Frau, sich gegen dieses Schicksal zu wehren, sehr zur Freude ihrer Brüder: Sie soll die Waffe sein, um die verhassten Hawkesmoores endlich zu vernichten. Doch zur Ariels großer Überraschung ist ihr frischvermählter Gatte keineswegs so leicht zu verführen, wie sie gehofft hatte – und noch dazu scheint sich hinter seiner wortkargen Fassade ein anziehender Gentleman zu verbergen, dem Ariel bald selbst zu verfallen droht … »Jane Feather ist eine begnadete Geschichtenerzählerin – hinreißend und außergewöhnlich!« Los Angeles Daily News Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der verführerische Liebesroman »Love Charms – Die geliebte Feindin« von Jane Feather ist Buch 2 der »Love Charms«-Trilogie, deren Einzelbände unabhängig voneinander gelesen werden können. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

England im 18. Jahrhundert. Seit Generation sind die Adelsfamilien der Ravenspeares und der Hawkesmoores bitter verfeindet. Nun hat die Königin persönlich beschlossen, die Fehde zu beenden: Die junge Ariel Ravenspeare soll heiraten – ausgerechnet Simon, den Erben der Hawkesmoores! Voller Zorn beschließt die heißblütige junge Frau, sich gegen dieses Schicksal zu wehren, sehr zur Freude ihrer Brüder: Sie soll die Waffe sein, um die verhassten Hawkesmoores endlich zu vernichten. Doch zur Ariels großer Überraschung ist ihr frischvermählter Gatte keineswegs so leicht zu verführen, wie sie gehofft hatte – und noch dazu scheint sich hinter seiner wortkargen Fassade ein anziehender Gentleman zu verbergen, dem Ariel bald selbst zu verfallen droht …

»Jane Feather ist eine begnadete Geschichtenerzählerin – hinreißend und außergewöhnlich!« Los Angeles Daily News

Über die Autorin:

Jane Feather ist in Kairo geboren, wuchs in Südengland auf und lebt derzeit mit ihrer Familie in Washington D.C. Sie studierte angewandte Sozialkunde und war als Psychologin tätig, bevor sie ihrer Leidenschaft für Bücher nachgab und zu schreiben begann. Ihre Bestseller verkaufen sich weltweit in Millionenhöhe.

Bei dotbooks erscheinen als weitere Bände der Reihe »Love Charms«:

»Die gestohlene Braut – Band 1«

»Die falsche Lady – Band 3«

In der Reihe »Regency Nobles« erschienen:

»Das Geheimnis des Earls – Band 1«

»Das Begehren des Lords – Band 2«

»Der Kuss des Lords – Band 3«

In der Reihe »Die Ladys vom Cavendish Square« erschienen:

»Das Verlangen des Viscounts – Band 1«

»Die Leidenschaft des Prinzen – Band 2«

»Das Begehren des Spions – Band 3«

Die Reihe »Regency Angels« umfasst die Bücher:

»Die unwiderstehliche Spionin – Band 1«

»Die verführerische Diebin – Band 2«

»Die verlockende Betrügerin – Band 3«

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eBook-Neuausgabe Mai 2022

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1997 unter dem Originaltitel »The Silver Rose« bei Bantam Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1998 unter dem Titel »Silberfeuer« bei Goldmann, München.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1997 by Jane Feather

Published by Arrangement with Shelagh Jane Feather

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1998 by

Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Bertelsmann GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-98690-079-3

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Jane Feather

Love Charms – Die geliebte Feindin

Roman

Aus dem Amerikanischen von Elke Bartels

dotbooks.

Prolog

London, 1689

Die Winternacht war kalt und mondlos. Schneeflocken rieselten lautlos herab, bedeckten das schmierige Kopfsteinpflaster in den engen Gassen, verhüllten den Unrat in den Gossen und schufen eine glitzernde weiße Welt, deren Unberührtheit nur bis zum Morgengrauen überdauern würde.

Die kleine Kammer im Dachgeschoß von Sam Beggs Bäckerei in der Distaff Lane wurde von einem Kohlenbecken erwärmt und von einem Dutzend Wachskerzen erhellt, und die Luft war von dem köstlichen Duft nach frischer Hefe und backendem Brot erfüllt, der aus dem Backofen in dem Laden im Erdgeschoß heraufzog. Sams erste Kunden würden mit dem Morgengrauen erscheinen, und das warme, knusprige Brot mußte rechtzeitig für sie bereitliegen.

»Es ist bereits zehn vor fünf.« Der Mann in dem pelzverbrämten Hausmantel wandte sich von dem kleinen Fenster mit den rautenförmigen Scheiben ab, von wo aus er das Schneetreiben beobachtet hatte.

»Wann sehe ich dich wieder?« Die Frau war damit beschäftigt, sich vor dem Kohlenbecken anzukleiden, ihre Fingerspitzen trotz der Glut, die von dem Öfchen ausstrahlte, steif und ungeschickt vor Kälte. Es war zwar eine simple Frage, doch ihre Stimme war von einer tiefen Sehnsucht erfüllt, die fast an Verzweiflung grenzte.

»Wann kehrt ihr nach Ely zurück?« Der Mann trat zu ihr und ergriff ihre Hände, um sie warm zu reiben. Seine Hände waren groß und kräftig, paßten zu seiner Statur, und die schlanken Finger der Frau verschwanden förmlich in seinem Griff.

»Mein Ehemann hat von morgen gesprochen.« Ihre Augen waren grau, klar, mandelförmig, ihre dunklen Wimpern lang und dicht und an den Spitzen leicht aufwärts gebogen. Sie entzog ihm ihre Hände, um die zerzauste Fülle ihres Haares von der Farbe flüssigen Honigs aufzustecken. »Und du?«

»Ich ersuche den König noch immer um Rückgabe meiner Ländereien«, erklärte er, während er mit einer Fingerspitze zart die Rundung ihrer Wange nachzeichnete. »An manchen Tagen glaube ich daran, daß er meinem Gesuch stattgeben wird. An anderen Tagen wiederum ...« Seine breiten, muskulösen Schultern unter dem Hausmantel hoben sich, als er die Achseln zuckte. »Aber ich kann Whitehall noch nicht verlassen. Erst wenn ich eine Antwort habe.«

»Und wenn die Antwort zu deinen Gunsten ausfällt, dann wird Ravenspeare sogar noch größeren Haß gegen dich hegen.«

Wieder zuckte er die Achseln. »Das berührt mich nicht, Margaret. Solange ich nur die unsterbliche Liebe seiner Ehefrau besitze.« Er lächelte jetzt, als er ihr Gesicht liebkoste und sie dann küßte – eine lange, glutvolle Vereinigung ihrer beider Lippen, die von der Leidenschaft der Nacht zeugte, die sie gerade verbracht hatten, und das Versprechen zukünftiger Nächte barg.

»Ich habe Angst um dich«, sagte sie, als sie ihr Reitcape von einem Stuhl nahm. »Mein Mann trägt den Hawkesmoors soviel nach.« Sie schauderte und zog den Umhang noch fester um sich. »Der Haß auf die Hawkesmoors liegt den Ravenspeares tief im Blut.«

»Die Rivalitäten und der Haß zwischen unseren Familien liegen ihnen schon seit annähernd zweihundert Jahren im Blut«, erwiderte Geoffrey Hawkesmoor ernst.

»Und dennoch hat es auch Liebe gegeben«, murmelte Margaret, fast als spräche sie mit sich selbst. »Liebe zwischen den beiden Familien, ebenso mächtig wie der Haß.«

Geoffrey ging der Gedanke durch den Kopf, daß bei den Gelegenheiten, wenn Liebe und Leidenschaft die beiden benachbarten Dynastien beflügelt hatten, das Resultat am Ende ebenso gewaltsam und tragisch gewesen war wie alles, was aus Haß geschehen war. Er behielt diesen Gedanken jedoch für sich, weil er erschreckend genau auf ihre eigene Situation zutraf.

Aber er und Margaret würden sicher sein. Sie waren diskret und vorsichtig. Sie verlangten nicht zuviel; sie akzeptierten die Grenzen ihrer Leidenschaft.

Er zwang sich, das momentane Gefühl des Unbehagens abzuschütteln, als er etwas aus seiner Tasche zog. »Ich habe hier etwas, was ich dir gerne schenken möchte, meine Liebste. Aber du mußt es gut vor deinem Ehemann verstecken.« Er streckte die Hand aus, damit sie sehen konnte, was er hielt.

Auf seiner großen Handfläche lag ein eigenartig geformtes Armband. Es war aus Gold, mit Perlen besetzt und wie eine Schlange geformt. In dem geöffneten Maul der Schlange ruhte eine große, perfekte Perle.

»Wie wunderschön!« Margaret nahm das Armband aus seiner Hand und hielt es näher an die Kerzenflammen, während sie es hin und her drehte, um das Licht einzufangen. »Aber es mutet etwas seltsam an.«

»Es erinnerte mich an dich.« Er nahm es ihr ab und ließ seine Finger über das verschlungene Muster gleiten. »Die Verkörperung von Eva in all ihrer Schönheit, ihrer Macht und ihrer Teuflischkeit.«

Margaret schauderte plötzlich. »Sag so etwas nicht. Ich bin keine Verführerin, Geoffrey.«

»Nein.« Er lächelte. »Es ist nicht deine Schuld, daß du mich zu Torheiten verlockst.« Er hielt das Armband abermals hoch. »Siehst du den Anhänger, der daran befestigt ist?« Er berührte einen leuchtenden, lupenreinen Smaragd, der in Form eines Schwans geschliffen war. »Dieser hier hing bereits an der Kette, aber ich habe die Idee, jedes unserer Treffen mit einem weiteren Anhänger zu krönen. Auf diese Weise wird es immer eine bleibende Erinnerung an unsere Liebe geben. Und du wirst es wie ein Geheimnis hüten, so tief verborgen vor den Augen der Welt, wie wir diese Liebe verbergen müssen.«

Margaret war immer wieder überrascht über die romantische, ja, poetische Seite ihres Liebhabers – eines Mannes, der mit dem Schwert vertrauter war als mit der Feder. Aber das war ein wesentlicher Teil der dynamischen und vielschichtigen Persönlichkeit, die ihr das Teuerste auf der Welt war, noch teurer als ihr Leben.

»Komm«, sagte er mit plötzlicher Unruhe. »Du mußt jetzt gehen. Brian wird an der Ecke mit der Sänfte auf dich warten. Du mußt vor Tagesanbruch wieder in deinem eigenen Bett liegen.«

Sie klammerte sich einen Moment lang an ihn mit all der Verzweiflung einer hoffnungslosen Liebe, dann riß sie sich von ihm los, ohne noch einen letzten Blick zurückzuwerfen, und eilte die Treppen hinunter und vorbei an der Backstube, wo der rote Schein der großen Feuerstelle den Schatten von Sam Begg als eine riesige schwarze Silhouette an die weißgekalkten Wände warf. Er nahm keine Notiz von ihr. Das tat er nie. Er wurde gut und stillschweigend bezahlt von dem Mann, der immer als erster erschien und als letzter ging, und der Bäcker bewahrte ebenfalls Stillschweigen.

Die Tür zur Straße war unverschlossen, und Margaret hatte keine Mühe, die gutgeölten Riegel zurückzuschieben. Rasch schlüpfte sie auf die stille Straße hinaus und zog die Tür geräuschlos wieder hinter sich zu.

Sie kamen auf sie zu, glitten aus der Toreinfahrt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Drei Männer in dunklen Umhängen, die Kapuzen tief in die Stirn gezogen. Sie hielten Dolche in der Hand, die in dem kalten weißen Licht des Schnees glitzerten, doch nur einer der Männer stürzte sich auf die stille Gestalt der Frau, deren Augen, weitaufgerissen vor Entsetzen, im matten Licht des nahenden Morgens glänzten.

Der Graf von Ravenspeare erstach seine Ehefrau, als sie wie erstarrt vor der Tür stand. Sie unternahm keinen Versuch, der tödlichen Dolchklinge auszuweichen, gab keinen Laut von sich, bis sie langsam auf dem Straßenpflaster zusammenbrach. Doch in dem Moment schrie sie plötzlich gellend auf, ein Geräusch, grauenerregend genug, um Tote zu erwecken, und laut genug, um Geoffrey Hawkesmoor in der Kammer über der Straße zu warnen.

Margarets Blut sickerte in den Schnee unter ihr. Der Griff ihrer Finger lockerte sich, und das Glitzern von Gold, das Leuchten von Smaragd, der durchscheinende Glanz von Perlen entglitt ihrer Hand und landete auf dem Boden neben ihr.

Ihr Ehemann bückte sich, um das Liebespfand aufzuheben. Er schob es in seine Tasche, stieß den Leichnam mit der Spitze seines Stiefels von der Tür fort und zog sein Schwert aus der Scheide.

Geoffrey hätte genügend Zeit gehabt, um das Fenster der kleinen Kammer aufzustoßen, das auf den Hof hinausging. Genügend Zeit, um hinauszuklettern und über die Dächer zu fliehen. Doch statt dessen hastete er die Treppen hinunter und stürmte auf die Straße. Er wußte, was er vorfinden würde. Margaret hatte nicht die geringste Chance gehabt. Sein Schwert war in seiner Hand, als er Ravenspeare konfrontierte.

Nur ihre Augen sprachen von dem abgrundtiefen Haß, den jeder gegen den anderen hegte. Geoffrey hob sein Schwert zum Gruß der Duellanten, doch bevor er die Herausforderung aussprechen konnte, grub sich der Dolch eines Verräters in seinen Rücken, drang zwischen seine Rippen und durchbohrte sein Herz.

Sein Gegner senkte sein unbenutztes Schwert. Er stand über seinem sterbenden Feind und blickte kalt auf ihn hinab. »Du bringst Schande über das Haus Ravenspeare, du Schwein. Und du stirbst in Schande. Das Messer im Rücken ist alle Ehre, die dir gebührt.«

»Ausgerechnet Ihr sprecht von Ehre, Ravenspeare.« Der Sterbende sprach langsam, stockend, während ein Schwall von Blut aus seinem Mund sprudelte. Und dennoch gelang es ihm, sarkastisch zu klingen. »Erinnert Euch an Esther und an Unehre.« Ein beißendes Lachen kam über seine blutbefleckten Lippen. Einen Moment lang waren seine blauen Augen scharf und durchbohrend vor Verachtung, dann trübten sie sich plötzlich, das Licht in seinem Blick verlöschte, und Geoffrey Hawkesmoor starb neben seiner Geliebten, während sich ihrer beider Blut im Schnee vermischte.

Kapitel 1

London, 1709

Königin Anne ließ ihren korpulenten Körper in den großen, mit scharlachrotem Samt und Goldbrokatlitze dekorierten Sessel sinken, als sie ihren Platz am Kopfende des langen Tisches im Sitzungssaal des Kronrats im Westminster-Palast einnahm. Ihre Hofdamen rechts und links von ihr arrangierten den burgunderroten Saum ihres Gewandes in eleganten Falten und verbargen diskret den geschwollenen, mit einem Breiumschlag bandagierten Fuß, den sie vorsichtig auf einen samtenen Fußschemel hoben. Trotz der Behutsamkeit, mit der dies alles geschah, zog die Königin eine schmerzerfüllte Grimasse. Ihre Gicht verursachte ihr an diesem Tag ganz besonders starke Beschwerden.

Die Männer im Kronrat sahen das gequälte Zusammenzucken, als sie ihre eigenen Plätze einnahmen, und wußten aus Erfahrung, daß ihre Monarchin bei der heutigen Ratssitzung reizbar, unnachgiebig und höchstwahrscheinlich launenhaft sein würde.

»Das genügt. Ihr könnt Euch jetzt entfernen.« Die Königin wedelte mit ihrem zusammengeklappten Fächer nach ihren Hofdamen, die knicksten und von dem mit einem Baldachin überspannten Thronsessel zurücktraten, um sich wieder hinter die Gobelinvorhänge zurückzuziehen, die den Ratssaal von dem Vorzimmer trennten.

Die Königin trank einen durstigen Schluck aus dem Pokal mit erwärmtem Wein neben ihrem Ellenbogen. Ihr Gesicht war stark gerötet, ihre blutunterlaufenen Augen verschwanden fast zwischen den Falten aufgedunsenen Fleisches. Ihr Haar war unordentlich frisiert, ihr Gewand hing locker um ihren unkorsettierten Körper, ihre Augen waren von Schmerz erfüllt. Sie sah den langen Tisch hinunter und runzelte die Stirn, während sie die versammelten Gentlemen der Reihe nach musterte.

Schließlich fiel ihr Blick auf einen Mann am entgegengesetzten Ende des Tisches. Ein Mann Mitte Dreißig mit dichtem, dunklem, kurzgeschnittenem Haar und einer kräftigen, muskulösen Figur, gekleidet in einen dunkelfarbigen Überrock und Reithosen aus grauem Samt. Seine großen, ringlosen Hände ruhten auf dem Tisch; die Fingerknöchel traten stark hervor, die Nägel waren kurz gefeilt. Es waren die Hände eines Schwertkämpfers, und sie trugen die Spuren zahlreicher Gefechte auf den Schlachtfeldern Europas.

»Lord Hawkesmoor, wir heißen Euch willkommen. Ihr habt einen Bericht für uns von dem Herzog von Marlborough?«

Simon Hawkesmoor verbeugte sich, während er auf seinem Stuhl sitzen blieb. »Und er wird Eure Majestät zufriedenstellen. Seine Gnaden hat mir einen ausführlichen Bericht über die Schlacht von Malplaquet anvertraut.« Seine Stimme war gedämpft und tief und überraschend melodisch, sein Gesicht zerfurcht und von einer blassen Narbe auf einer Wange entstellt.

»Ich hoffe, Eure Wunden sind wieder geheilt, Sir.«

Lord Hawkesmoor verbeugte sich erneut. »Leidlich gut, Madam.« Er winkte einen Lakaien herbei und übergab ihm ein versiegeltes Schriftstück, das dieser der Königin brachte.

Sie las einige Minuten lang schweigend, dann legte sie das Dokument beiseite. »Unser General hält große Stücke auf Euch und äußert sich sehr lobend über Eure Großtaten auf dem Felde, Lord Hawkesmoor. Er bedauert zutiefst, daß Eure Verletzungen Euch daran hindern werden, wieder an seine Seite zurückzukehren.« Der Herzog von Marlborough hatte seine Monarchin außerdem gebeten, die Geschicklichkeit und Treue des Grafen angemessen zu belohnen, aber Königin Anne war nicht für ihre Großzügigkeit bekannt.

Sie trank abermals einen Schluck aus ihrem Weinpokal. Eine frische Woge von Schmerz ließ sie kaum merklich zusammenzucken. Ihr düsterer Blick wanderte erneut an den beiden Seiten des Tisches entlang und blieb schließlich auf einem dunkelgesichtigen Mann mit kantigen Zügen und sturmgrauen Augen haften. Er trug eine Allongeperücke und einen Anzug aus smaragdgrünem Brokat – ein verblüffender Kontrast zu der schlichtgekleideten Erscheinung von Lord Hawkesmoor, der ihm gegenübersaß. Aber andererseits waren die Ravenspeares im Gegensatz zu den Hawkesmoors auch niemals mit der kühlen Nüchternheit der Puritaner behaftet gewesen.

Im Jahre 1649 hatte Simon Hawkesmoors Großvater den König zum Tode verurteilt. Während der Regierungszeit Oliver Cromwells hatte seine Familie eine führende Rolle gespielt, doch die Wiedereinsetzung der Stuarts in England hatte zur Folge gehabt, daß die Hawkesmoors ebenso streng bestraft worden waren wie zuvor die Royalisten durch die Anhänger Cromwells. Aber jetzt waren solche Zeiten der Kontroversen und feindlichen Auseinandersetzungen vorbei. Zumindest in der Öffentlichkeit. Auf privater Ebene, das wußte die Königin, waren die Konflikte noch lange nicht beigelegt. Und es gab keine zwei Familien, zwischen denen der Haß stärker schwelte als zwischen den Hawkesmoors und den Ravenspeares.

Königin Anne lächelte, obwohl es eher eine Grimasse als ein Ausdruck des Vergnügens war. Ihre königliche Kammerfrau, Sarah Herzogin von Marlborough, hatte nämlich eine glänzende Idee gehabt. Es war die Pflicht einer Monarchin, für Glück und Frieden unter ihren Untertanen zu sorgen, und nicht zuletzt unter denjenigen, die eine hohe Stellung bei Hofe bekleideten. Ferner gehörte es zu ihren Aufgaben, jene zu belohnen, die ihr gute Dienste geleistet hatten, ohne die königliche Privatschatulle übermäßig zu strapazieren. Die Herzogin hatte einen raffinierten Plan entwickelt, um dem Wunsch des Herzogs von Marlborough nachzukommen und den Grafen von Hawkesmoor zu belohnen, ohne daß es die Königin mehr als eine elegante Robe und vielleicht noch ein billiges Schmuckstück für eine Braut kosten würde – ein äußerst geschickter Schachzug, der zugleich den Zweck erfüllte, ein Bündnis zwischen den beiden verfeindeten Familien zu schaffen.

»Lord Ravenspeare, Ihr habt noch eine jüngere Schwester, soweit ich weiß.«

Ranulf Graf von Ravenspeare blickte verdutzt drein. »Ja, Eure Majestät. Lady Ariel.«

»Wie alt ist sie?«

»Sie wird demnächst zwanzig, Madam.« Ranulfs dunkle Augen verengten sich mißtrauisch.

»Und sie ist noch nicht verheiratet ... oder verlobt?«

»Nein, noch nicht«, erwiderte er vorsichtig. Er und seine Brüder mußten erst noch den perfekten Ehemann für Ariel finden. Den Ehemann, der dem Hause Ravenspeare den größten Gewinn einbringen würde.

»Sie hat keine erklärte Vorliebe für einen speziellen Bewerber?«

»Nein, Eure Majestät.« Seine Schwester mochte zwar durchaus eine haben, aber Ranulf fügte nicht hinzu, daß Ariels Wünsche – ob sie nun einen Bewerber bevorzugte oder nicht – nur eine sehr geringe Rolle bei einer solch hochwichtigen Familienangelegenheit spielen würden.

»Welch ein Glück!« Königin Anne lächelte abermals. »Ich habe nämlich die Absicht, Eure Schwester, Lady Ariel, dem Grafen von Hawkesmoor zur Ehefrau zu geben.«

Absolute Stille senkte sich über den Sitzungssaal. Die beiden betroffenen Männer rührten sich nicht, aber ihre Blicke trafen sich über den wuchtigen Mahagonitisch hinweg. Trafen sich und hielten einander fest – und sprachen von der tiefverwurzelten und tödlichen Feindschaft, die jeder von ihnen als Oberhaupt seiner Familie für den anderen hegte.

»Ich glaube, es gibt da ein umstrittenes Stück Land, das für Zwistigkeiten zwischen Euren Familien sorgt«, fuhr die Königin fort. Sie war ebensosehr für ihr phänomenales Gedächtnis bekannt wie für ihr selektives Erinnerungsvermögen. Angelegenheiten von höchster Wichtigkeit pflegten mitunter in Vergessenheit zu geraten, um niemals von ihr zur Kenntnis genommen zu werden, während seltsame Bagatellen, die sie irgendwann vor langer Zeit einmal gehört hatte, wieder aus der Versenkung hervorgeholt und als enorm bedeutsam behandelt wurden, häufig zum großen Verdruß für andere.

Sie ließ ihren Blick fragend zwischen den beiden Männern hin- und herschweifen. Die Ravenspeares und die Hawkesmoors waren die großen Lehnsherren der Niederungen in East Anglia und herrschten bereits seit Wilhelm dem Eroberer über jenes sumpfige, flache, neblige Land. Cromwell hatte den Hawkesmoors einen großen Teil der Ravenspeareschen Ländereien als Belohnung für ihre Treue gegeben, doch bei der Rückkehr Karls des Zweiten auf den Thron hatte die Familie des Königsmörders jenes Land wieder verloren, als es beschlagnahmt und zusammen mit einem großen Stück von Hawkesmoor-Gebiet auf unbegrenzte Dauer den königstreuen Ravenspeares übereignet worden war. Die Hawkesmoors hatten enorme Summen für die Entwässerung des Sumpflandes ausgegeben und es für die landwirtschaftliche Nutzung urbar gemacht, nur um dann miterleben zu müssen, wie das Ergebnis ihrer jahrelangen Anstrengungen und der reiche Lohn ihrer Arbeit mit einem Federstrich des Königs in den Besitz der rivalisierenden Dynastie überging.

Seit dem Tode Karls des Zweiten im Jahre 1685 hatten die Hawkesmoors um die Rückgabe ihres Landes ersucht, ein Gesuch, gegen das die gegenwärtigen Besitzer aufs heftigste ankämpften.

»Wenn das fragliche Land einen Teil von Lady Ariel Ravenspeares Mitgift bildet, dann wird es beiden Familien gemeinschaftlich gehören«, sagte die Königin in das angespannte Schweigen hinein. »Sollte sie vor ihrem Ehemann sterben, fällt ihre Mitgift wieder an ihre Familie zurück. Sollte sie ihren Ehemann überleben, dann wird das Land nach ihrem Tod an ihre Kinder fallen, die das Blut beider Familien in sich vereinigen werden. Eine glückliche Lösung, wie ich glaube. Und darüber hinaus eine, die endlich einen Schlußstrich unter eine Fehde ziehen wird, die schon seit zu vielen Generationen andauert. Wir können keine Männer um uns haben, auf deren Dienste und Rat wir uns verlassen, die sich aber untereinander bekämpfen und durch solch persönliche Auseinandersetzungen entzweit sind.«

Es schien sie nicht zu kümmern, daß ihr Vorschlag keinerlei Reaktion auslöste, und sie tat so, als ahnte sie nichts von dem, was in den Köpfen der beiden Männer vor sich ging. Sie hatte nun einmal ihr Herz an ihren klugen kleinen Plan gehängt, inzwischen davon überzeugt, daß er ihrem eigenen schöpferischen Hirn entsprungen war, und nichts und niemand würde ihr diese Idee wieder ausreden können.

Simon Hawkesmoors Lippen waren zu einem ironischen Lächeln verzogen, als er Ravenspeares Gedanken las. Jeder von ihnen konnte den Vorschlag der Königin ablehnen, aber eine solche Zurückweisung würde den sofortigen Verlust des Wohlwollens Ihrer Majestät und die Verbannung vom Hofe bedeuten. Die Königin vergaß niemals eine Beleidigung, und ganz gleich, wie irrational ihre Abneigung auch sein mochte, sie war unwiderruflich. Graf von Ravenspeare lebte für seine Macht bei Hofe. Er hatte bei allen Intrigen seine Hand im Spiel und verstand sich darauf, durch Bestechung und Erpressung seine Schäfchen ins trockene zu bringen. Er beeinflußte jede Ämterbesetzung bei Hofe und konnte einen Mann ebenso mühelos zu Fall bringen, wie er ihm zu Rang und Ansehen verhelfen konnte. Er genoß die Furcht, die er all jenen einflößte, die in seine Einflußsphäre gerieten, und er würde eine solche Macht niemals freiwillig aufgeben.

Aber konnte er einen derart hohen Preis akzeptieren? Was für eine groteske Vorstellung, seine Familie mit der seiner Todfeinde zu vereinen. Der Streit um das Land war allgemein bekannt, ein ziemlich alltäglicher Zankapfel zwischen den bedeutenden Familien des Landes im Gefolge der Revolution. Aber um den dunklen Strom vergossenen Blutes, der zwischen den Ravenspeares und den Hawkesmoors floß, wußten nur wenige Auserwählte – und niemand, der nicht als Ravenspeare oder als Hawkesmoor zur Welt gekommen war.

»Also, meine Herren, darf ich nun endlich erfahren, was Ihr zu meinem Plan zu sagen habt, der Euren Familien und meinem Sitzungssaal Frieden und Eintracht bescheren wird?« Die Stimme der Königin klang plötzlich gereizt. Sie war des beharrlichen Schweigens allmählich überdrüssig.

»Ich glaube nicht, Madame, daß Lord Hawkesmoor oder ich uns jemals erdreisten würden, unsere privaten Streitigkeiten in Gegenwart Eurer Majestät auszutragen«, erwiderte Ranulf mit einer steifen Verbeugung.

»Also, meine Herren, darf ich nun endlich erfahren, wie Ihr zu meinem Plan steht, der Euren Familien und meinem Sitzungssaal Frieden und Eintracht bescheren wird?« wiederholte Ihre Majestät. Es war ein Trick, den sie perfektioniert hatte. Sie würde jede Antwort, die ihr nicht paßte, resolut ignorieren und sich lediglich wiederholen, bis sie zu hören bekam, was sie hören wollte.

»Ich für mein Teil, Eure Majestät, würde mich geehrt fühlen, in Euren Vorschlag einzuwilligen«, erklärte Simon mit seiner melodischen Stimme, während eine Andeutung von Belustigung in den glatten Worten mitschwang. »Da ich gezwungen bin, mich vom Schlachtfeld zurückzuziehen, wäre es bestimmt kein Fehler, mir eine Ehefrau zu nehmen und mich um meine Ländereien zu kümmern.« Er nickte Ranulf über den Tisch hinweg zu, noch immer mit dem ironischen Lächeln in den Augen. »Und ich bin mehr als bereit, einen alten Streit so unparteiisch beizulegen.«

Der Ausdruck in Ranulfs dunklen Augen war nicht zu enträtseln. Er war überzeugt, daß nur der Tod imstande wäre, Simon Hawkesmoors Haß und seinem Rachedurst ein Ende zu bereiten, so wie es auch bei ihm selbst der Fall war. Das Land war nebensächlich. Das Blut und die Schande bedeuteten alles. Also, was steckte hinter dieser kaltblütigen Einwilligung in das Unmögliche?

»Ich möchte diese Sache erst etwas ausführlicher mit Lord Hawkesmoor besprechen«, erwiderte Ranulf neutral.

»Nun gut.« Ihre Majestät klang verärgert. »Ich hoffe, Ihr regelt die Angelegenheit so schnell wie möglich und trefft die notwendigen Vorbereitungen für die Hochzeit. Ich würde der Braut eine Kleinigkeit schenken.« Sie trank erneut einen Schluck von ihrem Wein. »Und jetzt zu anderen Dingen. Lord Godolphin ...?« Sie nickte ihrem obersten Minister zu.

Eine halbe Stunde später erhoben sich die Männer und verbeugten sich tief, als die Königin schmerzgeplagt aus dem Sitzungssaal humpelte. Kaum war sie verschwunden, da scharrte Ranulfs Stuhl vernehmlich über den Eichenfußboden, als er ihn wütend beiseite stieß und dann aus dem Raum marschierte, ohne auch nur soviel wie einen Blick in Simon Hawkesmoors Richtung zu werfen, der sich seelenruhig wieder setzte und auf seinem Platz blieb, bis sich der Sitzungssaal geleert hatte.

»Ich hoffe, unser Unternehmen ist gutgegangen, Mylord.« Der Gobelinvorhang hinter dem Thronsessel wurde beiseite geschoben, und eine hochgewachsene rothaarige Frau in einem Gewand aus scharlachroter Seide erschien auf der Schwelle.

»So weit, so gut, Sarah.« Simon stützte sich auf den Stock, der neben seinem Stuhl lehnte, als er sich erneut von seinem Platz erhob und sich höflich vor der Herzogin von Marlborough verbeugte. »Aber ich glaube, es könnte nötig sein, ein klein wenig mehr Druck auf die Königin auszuüben. Ravenspeare braucht womöglich eine Andeutung von Zwang.«

Die Herzogin trat zu ihm. »Mein Mann hat ausdrücklich darauf bestanden, daß ich alles in meiner Macht Stehende tue, um Euch zu helfen, Simon.« Sie lehnte sich gegen die Tischkante und musterte ihn aus neugierigen grünen Augen. »Treibt Ihr irgendein hintergründiges Spiel?«

Graf von Hawkesmoor lachte leise. »Ziemlich hintergründig, meine Liebe.«

»John sagt, er steht tief in Eurer Schuld.«

Der Graf zuckte die Achseln. »Nicht tiefer, als ein Mann auf dem Schlachtfeld in der Schuld seines Kameraden steht.«

»Dann habt Ihr ihm das Leben gerettet?«

Wieder ein Achselzucken. »So wie er mir bei zahlreichen Gelegenheiten das Leben gerettet hat.«

»Ihr seid sehr bescheiden, Sir. Aber ich weiß es, wenn sich mein Mann zu außergewöhnlichem Dank verpflichtet fühlt.«

Sie richtete sich auf. »Mein Einfluß auf die Königin ist nach wie vor groß, trotz ...«, ihre Lippen wurden schmal, »trotz Mrs. Mashams Versuchen, mich zu verdrängen. Macht Euch keine Sorgen. Die Königin wird den Grafen von Ravenspeare durch entsprechende Anreize ... oder auch Drohungen ... dazu bringen, in die Eheschließung einzuwilligen.«

»Ich zweifle nicht an Eurem Einfluß, Sarah.« Simon ergriff ihre Hand und führte sie an seine Lippen. »Und Ihr solltet niemals an der Liebe Eures Ehemannes zweifeln.« Er lächelte. »Eine Nachricht, die persönlich zu überbringen mir aufgetragen wurde.«

Das Lächeln der Herzogin erhellte ihr blasses Gesicht. »Ich wünschte, Ihr würdet an seine Seite zurückkehren, um ihm meine Antwort persönlich auszurichten. Denn ich muß zugeben, daß ich ihn ganz schrecklich vermisse.« Mit einem tiefen Seufzer fügte sie hinzu: »Es ist schwer für eine Frau in den besten Jahren, ohne die ... die Freuden und Befriedigungen der Ehe zu sein.«

Die meisten Frauen suchten, wenn sie die Aufmerksamkeiten ihres Ehemannes entbehren mußten, Befriedigung in den Armen anderer. Nicht jedoch die Herzogin von Marlborough. Sie setzte körperliches Verlangen in Aktivität um, indem sie Einfluß auf ihre Monarchin ausübte, die sie beherrschte, seit sie Hofdame Prinzessin Annes am Hofe Karls des Zweiten gewesen war.

Simon drückte erneut einen Kuß auf ihre Fingerspitzen, eine elegante Geste, die eigentlich etwas seltsam hätte anmuten müssen in Anbetracht seiner überwältigend maskulinen Erscheinung, noch hervorgehoben durch die schlichte, kompromißlose Kleidung und die Linien eines alten Leidens, die in sein Gesicht eingegraben waren. Und dennoch wirkte sie ganz und gar nicht geziert. Seine Augen, so blau und tiefgründig wie der Ozean, spiegelten sowohl Verständnis als auch Humor wider.

»Euer Ehemann wird vor Weihnachten wieder zu Hause sein, Sarah. Und das lange Warten und Sehnen macht das Wiedersehen um so süßer.«

Sie lachte mit ihm, während ein Funke von Leidenschaft in ihren Augen aufblitzte. »Wenn ich geneigt wäre, auch anderen Männern meine Gunst zu gewähren, dann wärt Ihr der erste, dem sie zuteil würde, das schwöre ich Euch, Mylord.« Sie knickste lachend vor ihm und glitt dann aus dem Raum.

Das humorvolle Funkeln verschwand abrupt aus Simons Augen, sobald er wieder allein war. Er hinkte zur Tür, wobei er sich schwer auf seinen Stock stützte. Ob Ranulf den Köder schlucken würde?

»Können wir das nicht zu unserem Vorteil ausnutzen, Ranulf?« Lord Roland Ravenspeare hob eine Hand, um seinen älteren Bruder bei seiner explosiven Schilderung der Ereignisse im Sitzungssaal des Kronrats zu unterbrechen.

»Du kannst dir sicher sein, daß Hawkesmoor sein eigenes Spiel treibt.« Ranulf schenkte Wein in zwei Kristallkelche ein. »Wenn wir wüßten, was er vorhat, könnten wir ihm einen Strich durch die Rechnung machen.«

Roland nahm das Glas, das Ranulf ihm reichte, mit einem dankenden Nicken an. Er war wesentlich kühler und besonnener als sein Bruder, obwohl er oft als stures Arbeitstier in einer Familie von hitzköpfigen, impulsiven, schnellen Denkern beschimpft wurde. »Wenn du Wert darauf legst, deine Macht und deinen Einfluß bei Hofe zu behalten, bleibt uns wohl kaum eine andere Wahl, als den Vorschlag der Königin anzunehmen«, sagte er bedächtig. »Solange wir nur Ariel dazu bewegen können –«

»Ariel wird tun, was man ihr sagt«, fiel ihm sein Bruder ins Wort.

Roland hob beschwichtigend die Hand. Er war weniger zuversichtlich als sein Bruder, was die Fügsamkeit ihrer kleinen Schwester betraf, aber es wäre sinnlos, das jetzt zu erwähnen.

»Wir könnten großen Nutzen aus Ariels Eheschließung mit Simon Hawkesmoor ziehen«, fuhr er nachdenklich fort. »Es ließe sich einrichten, daß Hawkesmoor vor seiner Ehefrau, und ohne Kinder zu hinterlassen, stirbt, woraufhin das Land ohne jeden Zweifel – und mit dem Segen der Königin – wieder in Ravenspeareschen Besitz übergehen wird. Zusätzlich«, fügte er mit einem maliziösen Lächeln hinzu, »könnte man noch einen kleinen Spaß auf Hawkesmoors Kosten arrangieren ... natürlich, bevor er so bedauerlich vorzeitig den Tod findet.«

Damit hatte er die volle Aufmerksamkeit seines Bruders. »Erklär mir das genauer.«

Lady Ariel Ravenspeare trieb ihr Pferd im Galopp über das flache, morastige Marschland. Hinter ihr hob sich der gewaltige achteckige Turm der Kathedrale von Ely – im gesamten Umkreis als das »Schiff der Niederungen« bekannt – als scharfumrissene Silhouette gegen den grauen Herbsthimmel ab, während vor ihr die Kirchtürme von Cambridge am Horizont aufragten. Die Wolfshunde sprangen in großen Sätzen vor dem Pferd her und genossen die körperliche Bewegung ebensosehr wie die Arbeit der Jagd. Ariel hatte eine Schnepfe mit ihrer Pistole abgeschossen, und die beiden Hunde rannten mit dem Pferd um die Wette, um den Vogel als erster zu erreichen.

Ariel ließ ihrem Pferd die Zügel. Die Jagd auf Vögel war ein ziemlich lahmer Sport für Wolfshunde, aber Romulus und Remus brauchten ihr tägliches Pensum an Auslauf, verbunden mit irgendeinem sinnvollen Zweck, selbst wenn er nur darin bestand, gegen einen jungen Hengst um die Wette zu laufen, um eine erlegte Schnepfe aufzustöbern. Nicht, daß dies ein gewöhnlicher Hengst gewesen wäre. Mustapha stammte in direkter Linie von einem großartigen Rennpferd, einem arabischen Vollblut, ab und war der Stolz von Ariels Gestüt.

Als sie ihr Pferd zügelte, entdeckte sie plötzlich die Gruppe von Reitern, die sich gegen den düsteren Himmel abzeichnete. Ihre Brüder waren auf Anhieb zu erkennen auf dem Damm, der quer durch das Moor nach Ravenspeare Castle führte. Ariel murmelte etwas Mißmutiges vor sich hin. Sie wandte sich halb im Sattel um und blickte über ihre Schulter zurück, dann hob sie die Finger an den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. Ihr Pferdeknecht war zwar nur eine ferne Gestalt auf seinem stämmigen Wallach, aber zumindest war er sichtbar, und als Reaktion auf den drängenden Pfiff trieb er sein Pferd zu einem langsamen Galopp an.

Ariel schnippte mit den Fingern, worauf die Hunde zu ihr zurückkehrten, dann drückte sie ihrem Hengst die Fersen in die Flanken und trabte auf die Gruppe auf dem Damm zu.

Sie hatten die Zügel angezogen und warteten auf sie, die Schultern unter den pelerinenartigen Reitumhängen gegen den eisigen Wind hochgezogen, der vom River Ouse her über das Flachmoor wehte.

»Guten Tag, meine Brüder.« Ariel brachte ihr Pferd auf der anderen Seite eines Grabens zum Stehen, der neben dem Damm verlief. »Ihr seid früh aus London zurück. Ich hatte nicht vor Weihnachen mit eurer Rückkehr gerechnet.«

»Wir haben eine Angelegenheit zu regeln, die dich betrifft.« Ranulf musterte seine Schwester prüfend, die ihn gelassen unter ihrem Dreispitz hervor anlächelte. »Wo ist dein Pferdeknecht, Ariel?«

»In Sichtweite«, erwiderte sie. »Immer in Sichtweite, Sir.«

»Da kommt er gerade.« Roland wies mit seiner Reitgerte in die Richtung, aus der sich der ältere Pferdeknecht näherte.

Ranulf grunzte. Er glaubte nicht, daß Edgar sein Versprechen gehalten hatte, seine Herrin den ganzen Nachmittag über im Auge zu behalten. Der Hengst und die Wolfshunde würden das kleine, gedrungene Pferd des Knechts innerhalb von Minuten hinter sich gelassen haben, wenn man sie gewähren ließ, und es war unmöglich, sich vorzustellen, daß Ariel die Tiere im Zaum gehalten hatte. Aber der Pferdeknecht war zur Stelle, und Ariel lächelte noch immer, ein Bild der Unschuld, ihre grauen, mandelförmigen Augen so klar und ungetrübt wie ein frischgewaschener Morgenhimmel.

»Komm.« Ranulf trieb sein Pferd vorwärts. Ariel ließ Mustapha über den Graben springen und schloß sich dann ihrem Bruder an, während die Hunde mit hängender Zunge zu beiden Seiten des Hengstes hertrotteten.

»Ralph wird sich freuen, euch zu sehen«, bemerkte Ariel. »Er hat viel Zeit in Harwich verbracht. Schwierigkeiten mit den Werften.«

»Welche Art von Schwierigkeiten?«

»Das kann ich dir nicht sagen, Bruder. Er hat sich mir nicht anvertraut. Ralph glaubt nicht, daß Frauen bei geschäftlichen Angelegenheiten mitreden könnten oder sollten«, erwiderte sie liebenswürdig.

Ranulf verkniff sich jeden Kommentar. Er persönlich fand, daß sein jüngster Bruder ein Narr war. Ariel war genauso gescheit und kenntnisreich wie jeder von ihnen, wenn es um Gutsangelegenheiten oder um die Schiffswerften der Familie ging. Doch seine brüderliche Solidarität gestattete es ihm nicht, einen seiner Brüder im Beisein ihrer jüngeren Schwester zu kritisieren.

Vor ihnen erhob sich die graue Masse von Ravenspeare Castle aus dem Flachland, ein wuchtiges Gebilde, dessen Türme und Zinnen mit den tiefhängenden Wolken verschmolzen, während die Mauervorsprünge in der Brustwehr über den breiten Fluß hinausragten, der sich durch die Niederungen bis zum Atlantischen Ozean wand.

Der Reitertrupp trabte klappernd über die Zugbrücke – jetzt eher schmückendes Beiwerk als Verteidigungsanlage – und in den Innenhof hinein. Einst war dies ein düsterer Ort mit hohen, moosüberwachsenen Mauern und ständig feuchtem Boden gewesen, verursacht durch die sickernde Nässe des Moores. Selbst jetzt – mit einem üppigen grünen Rasen, umgeben von einem Kiespfad, um eine Gartenatmosphäre zu schaffen, und mit blinkenden Glasscheiben in den schmalen Fensteröffnungen – haftete der Burg noch immer etwas von ihrer früheren Bedrohlichkeit an. Die Kletterpflanzen, die die furchterregenden Mauern bedeckten, vermochten nur wenig auszurichten, um die Wirkung der zahlreichen Schießscharten zu mildern.

Sie saßen ab, und Ranulf sagte brüsk zu seiner Schwester: »Ich möchte diese Angelegenheit, die dich betrifft, unverzüglich besprechen.«

Ariel fühlte das erste Aufflackern von Furcht. Nur eine Sache von weitreichender Bedeutung würde ihren Bruder dazu veranlaßt haben, vor dem ursprünglich festgesetzten Zeitpunkt vom königlichen Hof zurückzukehren. Sie traute keinem ihrer Brüder, und Ranulf am allerwenigsten. Er war absolut rücksichtslos, wenn seine eigenen Interessen auf dem Spiel standen. Falls sich herausstellen sollte, daß sie irgendwie mit diesen Interessen verknüpft war, dann konnte sie sich auf einige Unannehmlichkeiten gefaßt machen.

Sie ließ sich jedoch nichts von ihrer Besorgnis anmerken, als sie ihr Pferd in Edgars Obhut übergab und ihren Brüdern in das Schloß folgte, die Wolfshunde auf den Fersen. Sie waren so groß wie kleine Ponys, ihre Köpfe auf gleicher Höhe mit ihrer Taille, und sie gingen nirgendwo ohne Ariel hin, so wie ihre Herrin auch nirgendwo ohne sie hinging.

Zwei Feuer brannten in den riesigen Kaminen an beiden Enden der Großen Halle, doch sie taten nur wenig, um die klamme Kälte aus dem höhlenartigen Raum zu vertreiben. Ranulf zog seine Handschuhe aus, während er in einen kleineren Raum vorausging, wo die rauhen Steinwände mit Holz verkleidet und mit Wandteppichen geschmückt waren und das prasselnde Feuer eine Chance gegen die kalte, alles durchdringende Feuchtigkeit des Marschlandes hatte.

»Bringt uns Glühwein«, befahl Ranulf dem Lakaien, der ihnen in das Zimmer gefolgt war und sich jetzt in der Tür verbeugte. Der Graf warf seine Handschuhe und die Reitgerte auf einen Stuhl und beugte sich vor, um seine Hände am Feuer zu wärmen. Roland gesellte sich zu ihm, und sie standen einen Moment lang schweigend Seite an Seite vor dem Kamin.

Ariel behielt ihre Handschuhe an, da es ganz den Anschein hatte, als sollte sie von der Wärme des Feuers ausgeschlossen werden. Aber sie war an die mangelnde Ritterlichkeit ihrer Brüder gewöhnt. »Was ist das für eine Angelegenheit, die du mit mir besprechen willst, Ranulf?« wollte sie wissen.

»Nun, du sollst einen Bräutigam bekommen, meine liebe kleine Schwester«, erwiderte Ranulf, ohne sich vom Feuer abzuwenden.

Ariel fühlte, wie ihr ein kalter Schauder den Rücken hinunterlief. »Du meinst ... Oliver?«

Ihr Bruder reagierte mit einem harten, verächtlichen Lachen. »Oliver ist sehr gut als Liebhaber, meine Liebe, aber als Ehemann kommt er wohl kaum für dich in Frage.«

Die Hunde, die bisher ruhig zu Füßen ihrer Herrin gesessen hatten, erhoben sich mit gesträubtem Nackenfell, als sie Ariels Furcht und Verwirrung spürten.

Sie beruhigte sie, indem sie ihnen eine Hand auf den Kopf legte. »Und wer ist dieser zukünftige Ehemann?« Ihre Stimme klang vollkommen ruhig; sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, weder Schwäche noch Bestürzung vor ihren Brüdern zu zeigen.

»Nun, unser Nachbar, der Graf von Hawkesmoor, natürlich.« Beide Brüder begannen zu lachen, und der schroffe, rohe, verächtliche Klang schmerzte Ariel regelrecht in den Ohren.

»Du würdest mich einem Hawkesmoor zur Ehefrau geben?« fragte sie fassungslos. »Unserem Todfeind?«

»Auf Befehl der Königin, meine Liebe.« Erst in dem Moment wandte sich Ranulf zu ihr um, und sie sah das heimtückische Glitzern in seinen Augen, den sardonischen Zug um seine Lippen. »Ihre Majestät hat eine geniale Lösung gefunden, um diesen kleinen Landstreit beizulegen, den wir haben. Das Land wird einen Teil deiner Mitgift bilden.«

»Und fortan wird eitel Frieden und Sonnenschein zwischen den beiden verfeindeten Parteien und im Sitzungssaal der Königin herrschen«, warf Roland schurkisch grinsend ein.

Ariel schüttelte energisch den Kopf. »Nein«, sagte sie. »Nein, ich werde keinen verfluchten Hawkesmoor heiraten, auch nicht auf Befehl der Königin. Das kannst du nicht von mir verlangen.«

»Oh, und ob ich das kann«, erwiderte Ranulf, als er einen Humpen mit Glühwein von dem Tablett nahm, das der zurückkehrende Lakai herumreichte. »Du wirst diesen verfluchten Hawkesmoor heiraten, meine liebe Ariel. Denn du wirst das Werkzeug unserer Rache sein.«

Er trank einen großen Schluck und lachte abermals.

Kapitel 2

»Ich verstehe nicht.« Ariels Hände zitterten leicht, als sie ihre Handschuhe abstreifte, bevor sie einen Humpen des heißen, gewürzten Weins von dem Tablett nahm. Sie wärmte ihre kalten Hände an dem Humpen, während sie den Duft von Nelken, Zimt und Muskatnuß inhalierte, der dem dampfenden Inhalt entströmte. Sie wußte, sie mußte sich den Anschein von Ruhe und Gelassenheit geben, mußte so tun, als ob sie nicht mehr als milde Neugier empfände. Ihre Brüder hatten alle eine gewisse Anlage zur Grausamkeit, die sich von der Furcht und Verletzlichkeit jener nährte, die in ihrer Gewalt waren. Lady Ariel Ravenspeare hatte niemals daran gezweifelt, daß die Männer des Hauses Ravenspeare über ihr Dasein herrschten. Nach dem Tod ihres Vaters war die Macht an Ranulf übergegangen, geschickt unterstützt von seinen beiden jüngeren Brüdern.

»Es ist doch ganz einfach, mein liebes Mädchen. Du wirst Simon Hawkesmoor heiraten. Aber keine Angst, du wirst nur dem Namen nach seine Ehefrau sein.«

Ariel nippte an ihrem Wein in der Hoffnung, er würde das lähmende Gefühl der Furcht tief in ihrem Bauch beschwichtigen, das sie schwach und zittrig machte. »Wie sollte das möglich sein? Ich verstehe immer noch nicht.«

»Was verstehst du nicht, Schätzchen?« Die Stimme triefte förmlich vor Sarkasmus. Ariel wirbelte zu der Tür herum, die sich lautlos geöffnet hatte. Oliver Becket, Ranulfs ältester und engster Freund, lehnte gegen den Rahmen und musterte sie unter halb gesenkten Lidern hervor. Um seinen breiten, sinnlichen Mund spielte ein Lächeln, das etwas seltsam Beunruhigendes hatte.

»Ich dachte, du wärst in Cambridge«, meinte Ariel, und trotz ihrer Bestürzung konnte sie einfach nicht anders, als sein Lächeln erwidern.

»Ich habe gehört, daß die Brüder Ravenspeare vorzeitig aus London zurückgekehrt sind, deshalb bin ich in aller Eile hergekommen, um zu erfahren, was es Neues gibt.« Oliver grinste träge und stieß sich vom Türrahmen ab. Er trat auf Ariel zu, hob ihr Kinn zu sich hoch und küßte sie auf den Mund. »Ganz zu schweigen von meinem Verlangen, dich zu sehen, mein Schatz. Ich stelle fest, daß zwei Tage ohne deinen Anblick eine unerträglich lange Zeit sind.«

Ariel wußte, daß seine Worte nichts bedeuteten. Sie gab sich keinerlei Illusionen über die Aufrichtigkeit ihres Liebhabers hin – er war aus demselben Holz geschnitzt wie ihre Brüder –, und dennoch machte es keinen Unterschied bei der Art und Weise, wie ihr Körper auf seine Nähe reagierte. Oliver war ein Lebemann und Schwerenöter, unzuverlässig und gefühlsmäßig noch seichter als ein Vogelbad; aber seine Berührung entflammte sie, seine samtige Stimme und sein sinnliches Lächeln sandten heiße Ströme der Erregung durch ihren Unterleib. Er war charmant und attraktiv, und ihre Liaison war wundervoll und höchst vergnüglich, solange sie sich nicht gestattete, sich nach mehr zu sehnen oder mehr von ihm zu erwarten, als er zu geben imstande war. Es war außerdem eine Beziehung, die Ranulf gefiel.

»Du kommst gerade rechtzeitig, Oliver.« Ranulf legte seinem Freund kameradschaftlich einen Arm um die Schultern. »Ariel soll verheiratet werden, und wir müssen ihrem Bräutigam einen angemessenen Empfang bereiten. Du mit deinem Ideenreichtum und deinem schöpferischen Verstand bist doch sicher in der Lage, dir etwas entsprechend Geniales einfallen zu lassen.«

»Verheiratet?« Olivers schmale, geschwungene Brauen hoben sich überrascht, als sein Blick zu Ariel schweifte. »Mein Mädchen soll verheiratet werden?«

»Richtig«, erklärte Roland von seinem Platz am Kamin aus, wo er sich in einen geschnitzten Lehnstuhl geflegelt hatte, seine in Stiefeln steckenden Füße auf den Kaminbock gestützt. »Sie soll die Gräfin von Hawkesmoor werden, mein lieber Oliver.«

Oliver pfiff leise durch die Zähne. »Ariel, bring mir ein Glas von eurem ausgezeichneten Cognac, während ich diese Neuigkeit zu verdauen versuche.«

Ariel stellte ihren Humpen ab und ging zu der Anrichte, wo Gläser und Karaffen standen. Schweigend füllte sie ein Glas und brachte es ihm. Er nahm es mit einem Nicken in Empfang, trank einen Schluck und meinte dann: »Also, dann erklärt mir doch mal, wie es kommt, daß ihr eine Ravenspeare mit einem Hawkesmoor verheiraten wollt.«

»Was höre ich da?« fragte eine nuschelnde Stimme, als der jüngste der Ravenspeare-Brüder, Lord Ralph, den Raum betrat. Seine Perücke war leicht schief gerutscht, sein Blick hatte etwas Verschwommenes, sein Hemd war mit Flecken übersät, seine Manschetten schmutzig.

Ranulf rümpfte angewidert die Nase. »Du stinkst abscheulich nach Viehstall, Ralph.«

Ralph grinste lüstern. »Hab’ eine Dirne im Tal gefunden«, erklärte er. »Haben uns ziemlich wild im Heu herumgewälzt.« Er trat an die Anrichte und füllte mit unsicherer Hand ein Glas, wobei er mit dem Rand der Karaffe laut klirrend gegen das Kristall schlug. »Was war das, was du da eben über Hawkesmoor gesagt hast?«

»Ariel soll Simon Hawkesmoor heiraten«, informierte Roland ihn kurz und bündig.

Ralph ließ prompt sein Glas fallen, und es rollte über die Anrichte. Bernsteingelbe Flüssigkeit tropfte auf den kunstvoll gewebten elisabethanischen Teppich. »Großer Gott! Nur weil ich ein bißchen angesäuselt bin, ist das doch noch lange kein Grund, einen Mann zu verspotten.«

»Du irrst dich, mein Lieber«, warf Ranulf ein. »Wir verspotten dich nicht. Es ist wahr. Königin Anne hat es so befohlen.«

Ralph war nicht gerade scharfsinnig; sein Verstand arbeitete auch in nüchternem Zustand eher schwerfällig, und diese Information verwirrte ihn ganz erheblich. Er schob seine Perücke zurück und kratzte sich am Kopf, während er heftig die Stirn runzelte. »Die Königin, sagst du?«

Seine Brüder machten sich nicht die Mühe, darauf zu antworten, und nach einem Moment schweifte sein verwirrter, ratloser Blick zu seiner Schwester hinüber, die schweigend und reglos neben dem Tisch stand. »Und was hat Ariel dazu zu sagen?«

»Nichts von Bedeutung«, erwiderte Ranulf barsch. »Sie wird tun, was man ihr sagt.«

Ralph nickte weise, aber er musterte seine kleine Schwester noch immer aus zu Schlitzen verengten Augen, als könnte er irgendeine Antwort in der stillen Gestalt finden.

»Was hast du damit gemeint, als du sagtest, ich würde nur dem Namen nach seine Ehefrau sein?« ließ sich Ariel schließlich vernehmen. Ihre Stimme klang vollkommen ausdruckslos und ließ nichts von dem Tumult in ihrem Inneren ahnen.

»Das ist ja ein hochinteressanter Aspekt«, erklärte Oliver, sein Blick plötzlich scharf. »Wie stellst du dir das vor? Wie willst du einen Hawkesmoor davon überzeugen, daß er das Bett seiner Braut unberührt läßt?«

»Ganz einfach. Seine Frau Gemahlin wird ihm erklären, daß sie an ... an irgendwelchen Frauenbeschwerden leidet.« Ranulf zuckte die Achseln. »Sie kann ja ihre Tür verriegeln, wenn sie möchte. Solange sie in diesem Haus bleibt, wird sie vor jeglicher unerwünschter Aufmerksamkeit sicher sein. Und es dauert natürlich seine Zeit, eine solche Unpäßlichkeit auszukurieren. Bis sie sich wieder erholt hat, wird Lord Hawkesmoor nicht mehr in der Lage sein, seine Ehe zu vollziehen.«

Ariel fühlte plötzlich eine vertraute Gänsehaut über ihre Arme kriechen. »Was planst du, Bruder?«

Roland war derjenige, der ihre Frage beantwortete. »Ein Unglück, Ariel. Einen kleinen Unfall. So etwas kann nur zu leicht passieren.«

»Du sprichst von Mord?« fragte sie geradeheraus.

»Schweig still!« schalt Ranulf. »Ein Unglück, weiter nichts. Und wenn du verwitwet bist, dann wird deine Mitgift vertragsgemäß wieder an die Familie Ravenspeare zurückfallen, zusammen mit dem Vermögen, das dir dein Ehemann hinterläßt. Eine äußerst großzügige Summe, wie du feststellen wirst.« Er grinste und tauschte einen gerissenen Blick mit Roland. Sein Bruder, von jeher das Finanzgenie der Familie, hatte mit meisterhaftem Geschick den Ehevertrag aufgesetzt, und dem verhaßten Hawkesmoor war angesichts der ausdrücklichen Billigung der Königin kaum eine andere Wahl geblieben, als die Bedingungen zu akzeptieren. Graf von Hawkesmoor hatte jedoch in keiner Weise erkennen lassen, daß es ihm auch nur im geringsten widerstrebte, auf die Ravenspeareschen Forderungen einzugehen – etwas, was Ranulf noch immer keine Ruhe ließ. Hawkesmoor bewies schon die ganze Zeit über einen fast verdächtigen Eifer, als ob er geradezu begeistert von einem Bündnis wäre, das ihm doch eigentlich ebenso zuwider sein mußte wie den Brüdern Ravenspeare.

»Was höre ich da über eine Mitgift?« Ralph leerte sein frisch gefülltes Glas in einem durstigen Zug.

Sein ältester Bruder seufzte und erklärte ihm die Einzelheiten, obwohl er sich darüber im klaren war, daß Ralph in seinem benebelten Zustand nur sehr wenig davon begreifen würde.

»Wie willst du Hawkesmoor dazu bringen, daß er nach der Hochzeit noch hierbleibt? Er wird doch sicherlich mit seiner Braut in sein eigenes Haus zurückkehren wollen«, gab Oliver zu bedenken. »Es ist ja nicht so, als wäre es einen Wochenritt weit entfernt. Wenn man quer durchs Moor reitet, sind es nur knapp vierzig Meilen.«

Er ließ sich auf ein Sofa fallen, packte Ariels Hand und zog sie neben sich. »Komm, wärme mich ein bißchen, Schatz.« Er schlang ihr einen Arm um die Taille und zog sie fest an sich, während er mit einer Hand ihre volle Brust umfaßte. Niemand nahm von dieser Intimität Notiz, außer Ariel, der Olivers öffentliche Liebkosungen immer peinlich waren, die jedoch wußte, daß es ihr lediglich den Spott ihrer Brüder einbringen würde, wenn sie von Oliver abrückte.

Romulus und Remus legten sich zu ihren Füßen nieder, ihre schweren Köpfe an Ariels Stiefel geschmiegt. Die großen gelben Augen der Hunde waren auf Oliver Becket geheftet.

»Durch ein rauschendes Hochzeitsfest, mein lieber Freund.« Ranulf klang ausgesprochen heiter. »Die Einladungen sind bereits verschickt. Wir werden die Vermählung von Lady Ariel Ravenspeare mit dem Grafen von Hawkesmoor mit einer Reihe von Jagdausflügen und Festbanketten feiern, die sich über einen vollen Monat hinziehen. Zweihundert Gäste sollten Ihre Majestät davon überzeugen, daß die Familie Ravenspeare weiß, wie man ihre Befehle respektiert. Hawkesmoor wird natürlich seine eigene Hochzeitsgesellschaft mitbringen und sich entsprechend freundlich benehmen. Alle Welt wird den Eindruck bekommen, daß unsere beiden Familien endlich ihre alte Feindschaft begraben haben. Eine Versöhnung, symbolisiert durch die verschwenderischen Hochzeitsfeiern ... wobei wir selbstverständlich keine Kosten scheuen.« Er lächelte sardonisch. »Die kleine Nebensächlichkeit, daß sich die Braut dem Bräutigam verweigert, dürfte für einige Erheiterung sorgen, wie ich mir vorstellen könnte. Aber es wird alles zu dem allgemeinen Spaß beitragen.«

»Die Braut wird zufällig gerade die Gunstbezeugungen eines anderen genießen, und zwar vor den Augen ihres Ehemannes«, warf Roland ein, und alle außer Ariel lachten schallend.

»In seiner Hochzeitsnacht zum Hahnrei gemacht.« Um Ranulfs Mund lag ein bösartiger Zug. »Eine überaus passende Rache. Sein Vater hat unsere Mutter entehrt und das Haus Ravenspeare beleidigt. Folglich wird das Haus Ravenspeare Gleiches mit Gleichem vergelten.«

Ariel konnte es nicht mehr aushalten; die Unterhaltung widerte sie regelrecht an. Sie stieß Olivers Arm weg und stand abrupt auf. »Ich muß zu den Ställen. Eine der Zuchtstuten fohlt gerade.« Der weite Rock ihres dunkelgrünen Reitkostüms aus feinem Wollstoff fegte über den Boden, als sie mit eiligen Schritten den Raum verließ, gefolgt von den beiden Hunden.

Sie hörte das Gelächter hinter sich, gehässig, ja, sogar grausam, aber sie glaubte nicht, daß ihre Brüder über sie lachten; sie amüsierten sich nur über die Demütigung und den Sturz eines alten Feindes. Sie war von frühester Kindheit an dazu erzogen worden, die Hawkesmoors zu schmähen. Sie kannte die alten Geschichten von Blut und Rache, die die beiden Familien verbanden. Die Geschichte, wie ihr Vater, der Graf von Ravenspeare, ihre Mutter erstochen hatte, als er sie in den Armen ihres Liebhabers, des Grafen von Hawkesmoor, fand. Sie wußte von den Auseinandersetzungen um das Land, von den politischen Differenzen: daß die Hawkesmoors Puritaner waren, Königsmörder, daß sie überzeugte Anhänger Oliver Cromwells gewesen waren und ihn seine gesamte Regierungszeit hindurch unterstützt hatten, während sie die Errungenschaft der Macht genossen hatten und das Land und die Besitztümer der enteigneten Royalisten. Doch mit der Wiedereinsetzung Karls des Zweiten waren die Ravenspeares wieder zu ihrem Recht gekommen und schließlich dafür belohnt worden, daß sie dem verbannten König all die mageren, düsteren Jahre des Puritanismus hindurch die Treue gehalten hatten, wohingegen nun die Puritaner diejenigen gewesen waren, die enteignet wurden.

Ariel wußte all diese Dinge, aber ihre Brüder planten einen Mord. Und sie sollte der Lockvogel sein. Sie sollte das Werkzeug für Hawkesmoors Demütigung sein und der Köder für die Falle, die ihn töten würde.

Draußen im Hof in der herabsinkenden Dämmerung blieb sie einen Moment lang stehen und blickte zu der Burg auf, die seit ihrer Geburt ihr Zuhause gewesen war. In dem schwindenden Licht bot das wuchtige Gebäude einen düsteren, furchteinflößenden Anblick mit seinen hohen Schutzwällen und der breiten, mit Zinnen versehenen Brustwehr, und die Schießscharten wirkten wie schmale, schwarze Augen inmitten des dunklen Efeus.

Seit fast zwanzig Jahren beobachtete sie ihre Brüder nun schon bei ihren Vergnügungen – Vergnügungen, bei denen sie keine Rücksicht auf diejenigen nahmen, die sie benutzten, um sich zu amüsieren. Viele Nächte lang hatte sie wach im Bett gelegen und versucht, ihre Ohren vor den Geräuschen zu verschließen, die aus der Großen Halle heraufdrangen, vor den Schreien der Dorfmädchen, die ihre Brüder für ihre betrunkenen Orgien gekauft hatten. Sie hatte gesehen, wie sie bei der Jagd rücksichtslos quer durch Felder mit frischgekeimten, empfindlichen Weizenpflänzchen geritten waren, sorgfältig errichtete Zäune durchbrochen und die Früchte der kleinen Cottagegärten platt getrampelt hatten, die die verarmten Lehnsleute vor dem Hungertod bewahrten. Sie hatte beobachtet, wie Ranulf – und vor ihm ihr Vater – Wilderer wegen des Diebstahls eines einzigen Kaninchens zum Tode verurteilt hatten und Vagabunden zu Stockhieben und dem Schandpfahl. Wenn die Herren von Ravenspeare Castle für Gerechtigkeit sorgten, taten sie es rasch und gnadenlos. Ihre Auffassung von Recht und Unrecht hatte sie in der Vergangenheit selbst vor Mord nicht zurückscheuen lassen – also, warum sollte es sie da überraschen, daß sie die Tötung eines alten Feindes planten? Einen Mord mitten während der Hochzeitsfeiern, mit ihrer Schwester als Lockvogel.

Übelkeit stieg in ihrer Kehle auf, und Ariel wandte sich hastig ab und eilte im Laufschritt durch das Tor an der Seite des Hofes, das in die ruhige, wohlgeordnete Welt der Ställe führte. Dies war der Ort, wo sie Frieden fand, wo sie die klamme, dumpfe Feuchtigkeit des Schlosses hinter sich lassen konnte – hier und in den Dörfern und Weilern des Marschlandes, wo sie immer mit Wärme empfangen wurde und mit der Erleichterung und Dankbarkeit, die einer Heilerin gebührte. Die einzige Ravenspeare in dieser Generation, der man vertrauen konnte und die stets willkommen war bei den Gutspächtern und den hart arbeitenden Armen, deren Wohl und Wehe vom Hause Ravenspeare abhing.

Ihre Araberpferde waren in einem langen, niedrigen Stallgebäude auf der linken Seite des Hofes untergebracht. Die Tür war geschlossen, um die empfindlichen, hochgezüchteten Tiere vor der kühlen Nachtluft zu schützen. Ariel schlüpfte in das warme, matt erleuchtete Innere, erfüllt von dem durchdringenden Geruch nach Pferden, Dung und Leder.

»Seid Ihr das, M’lady?« Edgars faltiges Gesicht, das an zerknittertes mahagonibraunes Leder erinnerte, erschien über einer der Boxentüren am anderen Ende des Stalles.

»Ja. Wie geht es ihr?« Ariel lief den langen Gang hinunter. Die Wolfshunde, dazu abgerichtet, sich in der Nähe der nervösen, sensiblen Pferde ruhig zu verhalten, blieben an der Stalltür sitzen.

»Ausgezeichnet.« Edgar machte ihr Platz, damit sie die Box betreten konnte, wo die Stute in den Wehen lag. »Jetzt wird es nicht mehr lange dauern.«

Ariel streichelte die weiche Nase des Tieres und ließ ihre Hand prüfend über den aufgeblähten Bauch gleiten. Dann zog sie ihre Jacke aus, warf sie in das Stroh zu ihren Füßen, krempelte den mit Rüschen besetzten Ärmel ihres Hemds auf, hob den Schwanz der Stute und schob ihren Arm tief hinein. »Ich kann das Fohlen fühlen, Edgar.«

»Ja. Noch ungefähr zehn Minuten.«

Ariel zog ihren Arm wieder heraus, wusch ihn ungerührt in einem Eimer Wasser und rollte ihren Ärmel herunter. »Es wäre schön, wenn das Fohlen männlich wäre. Wir könnten noch einen Hengst gebrauchen.«

»Ja, aber wir werden nehmen, was Gott uns gibt«, erwiderte Edgar.

»Es geht das Gerücht um, daß die Königin vorhat, eine Pferderennbahn in Ascot zu erbauen«, meinte Ariel versonnen. »Wenn das geschieht, werden wir einer der wenigen Ställe sein, die Rennpferde züchten.«

»Ja«, pflichtete Edgar ihr stoisch bei. »Schätze, dann könntet Ihr Euren eigenen Preis festsetzen.«

Ariel nickte. Wenn sie mit ihren Rennpferden Geld verdienen könnte, würde sie unabhängig von Ranulfs Herrschaft sein. Sie könnte Ravenspeare verlassen, sich ein eigenes Gestüt aufbauen und vollkommen selbständig sein. Sie wußte, es war eine außergewöhnliche Idee – daß eine Frau auf eigenen Füßen stehen und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten sollte –, eine Idee, so weit hergeholt, daß sie fast unglaublich war. Aber Ariel glaubte daran, daß sie es schaffen könnte. Sie würde ihre Zuchtpläne jedoch geheimhalten müssen, bis sie genügend Mittel hatte, um ihren Schritt in die Selbständigkeit zu tun. Denn wenn ihre Brüder erst einmal dahinterkämen, daß sich Geld mit dem verdienen ließ, was sie bisher lediglich für ein harmloses, wenn auch zeitraubendes Steckenpferd ihrer Schwester hielten, dann würde sie nicht nur niemals unabhängig von Ravenspeare Castle sein, sondern auch noch feststellen müssen, daß sie sich für nichts und wieder nichts abrackerte und mit ihrer Arbeit den verschwenderischen Lebensstil ihrer Brüder finanzierte.

Und eine Ehe? Nein, das war keine Möglichkeit, die für sie in Frage kam, und es würde auch niemals eine sein. Die Männer waren alle Tyrannen, wenn es um ihre Frauen ging. Von einem Ehemann würde sie ebensowenig Toleranz und Nachgiebigkeit zu erwarten haben wie jetzt von ihren Brüdern. Diese geplante Heirat mit einem Hawkesmoor war ein Witz, ein übler Scherz, den Ranulf ausgeheckt hatte. Sie würde einfach die Augen davor verschließen, ihre Rolle spielen und abwarten, bis sie ihr tödliches Spiel beendet hatten. Was kümmerte sie ein Hawkesmoor? Einer weniger auf der Welt konnte nur von Vorteil sein.

Ariel setzte sich ins Stroh, um darauf zu warten, daß die Stute ihr Fohlen warf. Sie lehnte sich gegen die hölzerne Trennwand zurück, während sie auf das Schnauben und Schnobern des Hengstes in der Nachbarbox horchte, von dem das Fohlen stammte, das in Kürze geboren würde. Edgar störte sie nicht in ihren Gedanken, sondern lehnte sich lediglich gegen die Boxentür und kaute schweigend auf einem Strohhalm. Er war den Pferden fast ebenso treu und aufopfernd ergeben wie seiner Herrin, und er konnte spüren, daß sie etwas bedrückte.

Was für ein Mann war dieser Hawkesmoor, der schon so bald den Tod finden sollte? Ariel gab den Versuch auf, so zu tun, als ob diese ganze sonderbare Angelegenheit von ihr abprallen würde, ohne eine Spur zu hinterlassen, wenn sie sie einfach ignorierte. Vermutlich war Hawkesmoor ein fader Trauerkloß von Puritaner, der Lachen als Werkzeug des Teufels betrachtete und Freude und Genuß jeder Art als die Verkörperung des Bösen. Und ein gieriger Mann obendrein, wenn er bereit war, in die Familie einzuheiraten, deren bloßer Name ihm ein Greuel war, nur um sich ein umstrittenes Stück Land anzueignen. Aber Puritaner waren unersättlich. Sie häuften Reichtum an, betrachteten es jedoch als Sünde, das Geld auszugeben. Er würde zweifellos ein säuerlicher, mißmutiger, finsterer Mann sein, der absoluten Gehorsam von seiner Ehefrau verlangen und einem kargen, freudlosen Haushalt vorstehen würde, wo sie sonntags zweimal den Gottesdienst besuchten und sich vierstündige Predigten anhörten.

Außer daß sie nicht wirklich seine Ehefrau sein würde. Sie würde Ravenspeare Castle nicht verlassen, daher würde sie auch niemals unter die Fuchtel ihres Ehemannes kommen. Denn ihr Ehemann würde das Hochzeitsfest nicht überleben.

Ariel starrte blicklos auf ein Astloch in der hölzernen Trennwand gegenüber. Sie konnte es noch immer nicht richtig fassen. Es war haarsträubend. Es war unglaublich. Und dennoch sollte es für diejenigen, die die Brüder Ravenspeare kannten, eigentlich nicht weiter verwunderlich sein.

Die Stute wieherte plötzlich und schnaubte laut, und ein Schwall von Fruchtwasser ergoß sich aus ihr, fast augenblicklich gefolgt von dem schleimbedeckten Körper des Fohlens. Es glitt mühelos heraus und fiel auf den Boden. Die Stute beugte den Kopf und leckte es sauber.

Ariel und Edgar beobachteten den Vorgang in atemlosem Staunen. Es war jedesmal wieder ein Wunder, ganz gleich, wie viele Geburten sie miterlebten. Das Fohlen erhob sich schwankend auf die Füße, und seine unglaublich dünnen, langen Beine zitterten, als es einen unbeholfenen Schritt vorwärts machte.

»Sieht so aus, als wäre Euer Wunsch in Erfüllung gegangen, M’lady«, bemerkte Edgar, als das Füllen die mütterliche Milchquelle fand.

»Ja. Noch ein Hengst.« Ariel streichelte die Stute, die mit gesenktem Kopf dastand und ihr säugendes Fohlen betrachtete. »Und Serenissima hat überhaupt keine Hilfe gebraucht.« Leichte Geburten waren ungewöhnlich, aber Pferde brauchten im allgemeinen weniger Hilfe beim Gebären als Menschen. In den Weilern in der Umgebung von Ravenspeare Castle fanden nur wenige Geburten statt, bei denen Ariel nicht anwesend war, ausgerüstet mit ihrer Tasche voller glänzender Instrumente und ihren Beuteln mit getrockneten Kräutern.

»Ich sollte jetzt besser wieder zurückgehen.« Sie hob ihre Jacke aus dem Stroh auf, legte sie sich um die Schultern und ging mit den Hunden hinaus in die jetzt vollkommene Dunkelheit des kalten Oktoberabends.

Wann sollte diese tödliche Farce beginnen? Sie sah einfach keine Möglichkeit, wie sie es vermeiden konnte, ihre Rolle in diesem vernichtenden Spiel zu spielen, nicht, solange sie unter Ranulfs Dach blieb. Und wohin sollte sie sonst gehen? Sie hatte bisher noch kein eigenes Geld. Oliver würde ihr ganz sicher nicht helfen; er stand auf der Seite ihres Bruders. Er war ihr Liebhaber mit Ranulfs Zustimmung und Ermutigung. Tatsächlich kam ihr manchmal der Verdacht, daß das, was sie ursprünglich für eine überwältigende gegenseitige Anziehung gehalten hatte, in Wirklichkeit von ihrem ältesten Bruder eingefädelt worden war. Vielleicht sollte es eine Belohnung für treue Freundschaft sein, dachte Ariel jetzt, als sie wieder das Schloß betrat. Wenn Ranulf nicht davor zurückschreckte, seine Schwester als Köder für seine Rache zu mißbrauchen, dann hatte er ganz sicher auch keine Skrupel, sie als ein Geschenk für seinen Freund zu benutzen.