Love@Miriam - Christiane Geldmacher - E-Book

Love@Miriam E-Book

Christiane Geldmacher

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Beschreibung

Harry Weingarten verbringt ein trostloses Silvester allein mit seiner Mutter. Seit einiger Zeit versucht er zwar, seine Ex-Freundin Miriam zurückzugewinnen, doch bisher ohne Erfolg. Er klickt sich auf dem sozialen Netzwerk Facebook bei ihr ein und hier tut sich für Harry eine ganz neue Welt auf - und eine neue Miriam. Die einen neuen Freund hat: Ben. Tag für Tag muss Harry nun mitlesen, was das glückliche Paar alles unternimmt. Sie machen Urlaubspläne, Wochenendausflüge, sie planen die Gründung einer Familie. Aktuelle Statusmeldungen wirken wie Tretminen. Spannungen bleiben nicht aus. Es kommt zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Harry und Ben. Und eines Tages steht die Mordkommission vor Harrys Tür. Die Ermittler Axel Keller und Oswald Skokan haben da ein paar Fragen an Harry … Christiane Geldmacher beleuchtet die Alltagswelt in den sozialen Medien. Sie schaffen zwar neue Gemeinschaften, sind aber auch voller kommunikativer Fallstricke. In lakonisch dichter Sprache folgt sie ihren Protagonisten auf vielschichtigen Opfer-und-Täter-Irrwegen von Liebe, Eifersucht und Verrat. Was passiert, wenn man sich gegenseitig Tag und Nacht in Echtzeit beobachten kann? Der erste Facebook-Krimi - psychologisch hintergründig, mit lebendigen Charakteren und extrem spannend!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 199

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Christiane Geldmacher

Love@Miriam

Roman

Impressum

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- oder Bildteile.

Alle Akteure des Romans sind fiktiv, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und sind von der Autorin nicht beabsichtigt. Gleiches gilt für alle verwendeten Mailadressen und Telefonnummern.

Copyright © 2012 byEDITION 211, ein Imprint von Bookspot Verlag GmbH

1. Auflage

Lektorat: Eva Weigl

Herstellung: Mirjam Hecht

Covergestaltung: Nele Schütz Design, München

ISBN978-3-937357-84-3

Die Hauptpersonen von »Love@Miriam«:

Facebook, 8 Jahre,das Soziale Netzwerk

Harry Weingarten, 30 Jahre,arbeitet in einem kleinen Unternehmen, das Drucker verkauft und Patronen wiederbefüllt

Miriam Altmann, 31 Jahre,seine Exfreundin und Buchhändlerin

Ben Goertz, 29 Jahre,ihr neuer Freund

Nick Schäffer, 34 Jahre,Harrys bester Freund und Tai-Chi-Partner

Odile, 31 Jahre,Miriams Freundin

Außerdem:

Annie Weingarten, 54 Jahre,Harry Weingartens Mutter

DieOmi aus dem Haus, 81 Jahre,detektivische Spürnase

Bruno Heyne, 43 Jahre,Harrys Chef, Engelsgeduld

Caro, 24 Jahre, Praktikantin,akademische Nervensäge

Hedy Baumeister, 63 Jahre,ehemalige Lehrerin, hohe moralische Ansprüche

Die Ermittler:

Axel Keller, 37 Jahre,Kriminalhauptkommissar, interessiert an asiatischer Kampfkunst und asiatischen Entspannungstechniken

Oswald Skokan, 54 Jahre,

Love is noise, love is pain

Love is these blues

I’m singing again,

again, again

Dezember

[10. Dezember]

Das Jahr rast seinem Ende zu. Ich hasse den Dezember. In diesem Monat wird endgültig klar, dass man das ganze Jahr über nichts erreicht hat. Miriam stand auf Platz eins meiner Neujahrswünsche letztes Jahr. Und, was ist draus geworden?:(

Sie hat mich dazu gebracht, Facebook beizutreten. Ich fürchte, sie will mich loswerden. Damit ich sie nicht per Mail belästige. »Man sieht sich auf Facebook!«, schreibt sie. Was ist das für ein Spruch?

Vorteil von Facebook ist natürlich, dass ich sehen kann, was sie den ganzen Tag treibt. Daran hat Madame nicht gedacht. Ich bin jetztdichter an ihr dran als jemals zuvor.

»Gefällt mir«

[11. Dezember]

Richte mich auf Facebook ein. Hab ein Foto von mir hochgeladen. Hatte zwar Bedenken wegen Datenschutz, schob sie aber beiseite. Schließlich tue ich es für Miriam.[1]

Ich wollte ein aktuelles Foto nehmen, aber ich hatte kein okayes. Mich fotografiert ja keiner. Ich nahm eins aus der Zeit, als Miriam und ich noch zusammen waren, gephotoshopt natürlich. Wenn man mich nicht persönlich kennt, kommt man nicht drauf, dass ich das neben ihr bin.

Nur Miriam weiß es.

[12. Dezember]

Kaum bin ich auf Facebook, werde ich umringt von alten Freunden. Leute aus dem Kindergarten, aus der Schule, aus der Uni. Ich sitze also da und schraube an meinen Einstellungen rum und schon prasseln lauter Freundschaftsanfragen rein.

Will ich das eigentlich? Wir haben uns früher gehasst und wir hassen uns heute noch …

Einerseits: Diese Leute interessieren mich überhaupt nicht. Es ist gut, dass wir nichts mehr miteinander zu tun haben.

Andererseits: Irgendwie muss ich die Bude hier vollkriegen, sonst denkt Miriam, die Leute fänden mich uninteressant.

[14. Dezember]

Ich frage mich, was ich als Beziehungsstatus angeben soll. »Single?«, »Es ist kompliziert?« oder »Sucht nach einer Beziehung«? Das ist alles so demütigend. Ich habe eine Weile herumexperimentiert, aber Facebook verzeiht nichts. In hoher Schlagzahl wechselt mein Beziehungsstatus:

>>>Harry ist in einer Beziehung

>>>Harry ist nicht in einer Beziehung

>>>Harry ist auf der Suche nach einer Beziehung

>>>Harry ist Single

Wie kriegt man das wieder weg? Ich wäre »interessiert an Männern oder Frauen« steht auch da.

Ja, schreibt doch gleich Kinder hin!

[18. Dezember]

Soll ich Miriam schon adden? Oder erst mal mehr Freunde haben? Auf jeden Fall soll sie denken »Wow, ich wusste gar nicht, wie beliebt Harry ist!«

Ich habe erst 26 Facebook-Freunde.

:(

[21. Dezember]

»Versuchs mal mit besseren Statusmeldungen«, rät mir ein Freund. »Du brauchst Content.« Also schreibe ich: »Ich bin jetzt auch hier.«

[22. Dezember]

Das interessiert kein Schwein.

»Und ihr so?« Meine nächste Statusmeldung. (Ich will nicht gleich zu persönlich werden.)

Wenn ich zum Fenster rausschaue, sehe ich, dass gegenüber im Haus auch zwei Leute auf Facebook sind. Habe die Netzwerke gecheckt und weiß, wer es ist. Estelle Jupien, eine Französin aus Lyon, und Martin Schweitzer, ein BWL-Student, der hier an der Fachhochschule studiert. Ich will sie aber nicht adden. Bei Nachbarn zu tricky.

[25. Dezember]

Weihnachten ist vorbei. Gott sei Dank! Diese Mutter-Sohn-Zeit immer … Es gab schon fröhlichere Runden … Die meiste Zeit saß ich über der Rechnung von Mamas Energieversorger[2] und brauchte erst mal zwei Stunden, um alle Positionen zu entschlüsseln. Mama hatte schlechte Laune wegen der Nachzahlung. Den Rest der Zeit hat sie mir von meinem Vater und seinen letzten Tagen erzählt. Um elf konnte ich mich endlich abseilen.

[26. Dezember]

Habe Miriam geadded (»Hello, Sunshine!«) und bin gespannt, was jetzt passiert. Alles ist bestens für sie vorbereitet. Ich habe 34 Freunde, es sind auch einige Frauen dabei, was Miriam hoffentlich zu denken gibt. Zwei habe ich dazu gebracht, mir etwas auf die Pinnwand zu schreiben. Es ist zwar nur ein »Schön, dich hier zu sehen, Harry!« und ein »Willkommen, Harry!«, aber für den Anfang reicht’s.

[26. Dezember, 23:12 Uhr]

Noch keine Antwort von Miriam.

Sie hat schon 342 Freunde. :(

[27. Dezember]

Miriam hat mich geadded. Hurra! Ich habe ihr gleich eine Nachricht geschickt, wie sehr mich das freut und ich habe ein Chatfenster aufgemacht, aber sie hat nicht drauf reagiert. Vielleicht hat sie mit Ben gechattet. Ben hat mich auch gleich geadded. Ich habe ihm ein »Danke für die Freundschaft!« auf seine Seite gepinselt, er klickte auf »Gefällt mir«.

Idiot. Der weiß wohl nicht, wer ich bin.

Scheint ein ziemlich oberflächlicher Typ zu sein. Er stellt nur irgendwelche Lifestylethemen ein.

Werde mal verdeckt ermitteln.

[28. Dezember]

Während ich also ermittle, entdecke ich auf Facebook lauter Spiele.

Harry hat die Glücksnuss aufgemacht und sein Glück ist:

Versuche nicht etwas zu entscheiden, wenn duunter Druck stehst, sondern suche dein Gleichgewicht.

Klugscheißer … mein Gleichgewicht ist vollkommen in Ordnung.

[28. Dezember, 12:14 Uhr]

Kaum zu glauben, dass jemand mich nicht leiden kann … aber Facebook beweist es mir. Wieder und wieder drücke ich auf den Button Freundschaftsanfrage oder »Gefällt mir« … und wieder und wieder reagiert keiner.

Na gut. Lernprozess, Weingarten.

[28. Dezember, 17:42 Uhr]

Facebook: Susannehat Harry als FreundIn bestätigt

Facebook: Alice hat Harryals FreundIn bestätigt

Facebook: Nickhat Harry als FreundIn bestätigt

Facebook: Barbara hat Harryals FreundIn bestätigt

Facebook: Wernerhat Harry als FreundIn bestätigt

Na bitte! Geht doch! Ich kriege langsam Flow! Schon 42 Freunde!

Offensichtlich waren die alle nur über die Feiertage weg.

Auch Freund Nick ist dabei, den ich vor Ewigkeiten aus den Augen verloren hatte. Er pflastert sein ganzes Facebook mit Tai-Chi zu. Tai-Chi-CDs, Tai-Chi-DVDs, Tai-Chi-Videos. Er ist dauernd in China. Ich werde im Leben nicht kapieren, warum ausgerechnet die Chinesen so spitzenmäßig entspannt sein sollen. Mit ihrem Stress, ihrem sozialen Korsett, ihrer Diktatur – also ich glaub kein Wort.

Ich setz mich lieber hier in die Sonne.

[30. Dezember]

Diese Facebook-Leute diskutieren alles. Wordfragen, Persönlichkeitsrechte, Urheberrechte, Vorsteuerabzüge, Krankenversicherungsnachzahlungen, sexuelle Gewohnheiten, wie ist es um das Magnetfeld der Erde bestellt, was taugt die Kettlebell, was steht in meinem Glückskeks, welche Figur bin ich bei den Simpsons und wie baue ich eine Farm?

Ich wollte meinen Body-Mass-Index ausrechnen lassen, jetzt setzt der sich jeden Morgen von selbst auf meine Seite. Er ist schlechter als Bens … Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren …

Ich schaufele Linktipps, Podcasts und Videoschnipsel auf meine Seite, kontaktiere die Leute, share meine Gefühle …

Für Miriam und mich baue ich jetzt bei FarmVille einen Bauernhof.

Das ist schon cool.

[31. Dezember]

Silvester … Hate it … Aaaargh! Ratet, mit wem ich es verbracht habe! JA! Mutter-Sohn-Zeit!

Klar hat meine Mutter recht, wenn sie sagt, dass mein Vater Miriam sehr gern hatte. Sie gehörte für ihn zur Familie. Er fand es prima, als sie anfing, in einer Buchhandlung zu arbeiten. Er ließ sich Bücher von ihr mitbringen (heute verkauft sie sie über das Netz, es läuft gut, sie findet es »interessant, wenn Anfragen nach Büchern aus ganz Deutschland bei ihr eintreffen«).

Ich hasse Silvester.

Januar

[1. Januar]

Neujahrsdepression. Nichts Dramatisches, altbekannt, lästig …

Das letzte Silvester mit Miriam ist zwei Jahre her.All die hochfliegenden Pläne, die wir hatten – und die alle über den Haufen geworfen wurden.

Mein Vater hielt damals noch nicht mal bis zwölf durch. Er lag schon um halb elf im Bett. Um Mitternacht zündete ich lustlos ein paar Raketen auf der Straße, aber es wirkte alles sehr aufgesetzt.

Am Neujahrsmorgen wachte ich auf und wollte den kommenden Tag nicht erleben. Auch nicht das kommende Jahr. Ich stritt mich mit Miriam. Sie behauptete, ich hätte meinen Vater aufgegeben und würde zu wenig Einsatz »für die Familie« zeigen. Ich würde alles ihr und meiner Mutter überlassen.

Irgendwann behauptete sie auch, es würde mir an frischen Ideen mangeln. Überhaupt an Ideen.

Am 3. Januar bin ich abgehauen. Ich sagte niemandem wohin, ich war einfach weg. Für ein paar Wochen. Jeden Tag war ich woanders. Denen habe ich es gezeigt, von wegen »keine eigenen Ideen«.

Man hat überall ganz leere Strände im Winter.

In Avignon bekam ich schreckliche Kopfschmerzen. Ich lag auf dem Bett, hatte Drehschwindel und dachte, ich stehe nie wieder auf. Am nächsten Tag waren zwar die Kopfschmerzen weg, aber ich bin nach Hause gefahren, weil ich Angst hatte, in einer fremden Stadt zu sterben.

Diese Reise war der Anfang vom Ende mit Miriam. Sie hat es mir nie verziehen, dass ich sie mit meinem Vater im Stich gelassen habe. Sie hat mich überall suchen lassen, in der Zeitung, im Rundfunk, im Fernsehen.

Ich war richtig berühmt zu der Zeit.

:)

[2. Januar]

Harry wants to send a big»THANK YOU!«to his generous friends in FarmVille! Harry came to his farm only to discover that Nick stopped by to fertilize his crops and feed his chickens in FarmVille!

Hätte nicht gedacht, dass Nick diesen Quatsch mitmacht. Wahrscheinlich baggert er dort irgendwelche Weiber an.

Nick was tending his cows when an adorable Holstein Calf caught his eye!

[3. Januar]

Mail von meinem *guten Freund* Christoph bekommen. Er erklärt mir, dass er Facebook unterirdisch findet und dass er nur deswegen dabei ist, um in Kontakt mit internationalen Freunden zu bleiben. Ich sei kein internationaler Freund und deswegen würde er mich auch nicht adden.

[4. Januar]

Frage mich, wie man eine Audiodatei auf Facebook tackert. Miriam liebt Vögel, sie nennt sich »Die mit den Vögeln aufsteht«. Sie schreibt solche Beiträge wie »Wenn ein Rotkehlchen schwarzweiße Flügel und ein dunkles Häubchen hat, dann ist es ein Dompfaff ;-)«. Darauf kriegt sie dann 127 Kommentare.

In nervenaufreibender Kleinarbeit habe ich in Australien ein Kookaburra-Gekecker aufgetrieben (okay, zwei Klicks). Jetzt soll das auf Facebook drauf, aber ich weiß nicht wie.

Und es hilft mir hier ja keiner.

[4. Januar, 14:43 Uhr]

Christoph um Hilfe wegen des Kookaburra-Audios gebeten. Er fragt mich, welchen Teil seiner Mail ich nicht verstanden hätte - er würde mich als Facebook-Freund nicht akzeptieren.

Ich schreibe zurück: »Achtung Lesekompetenz: Steht irgendwo in der Mail was von Freundschaft? Du sollst mir nur erklären, wie ich das verdammte Audio auf Facebook kriege!«

Seitdem nichts mehr von ihm gehört.

[6. Januar]

Das Audio prangt jetzt auf Miriams Facebook-Seite. Es ist zwar nicht so geworden, wie ich es mir vorgestellt habe - leider nur ein Link, nicht der Sound selbst - aber ich kann’s nicht ändern.

Habe Miriam den Link auf die Mail gelegt (»Hey, Miriam, das musst du dir anhören!«), damit es nicht verloren geht. Ich hoffe, ich bin nicht zu pushy.

[7. Januar]

Probleme mit Magen-Darm. Auf der Arbeit habe ich mich deswegen krankgemeldet. Es macht keinen Unterschied - im Moment stagnieren unsere Aufträge sowieso. Die Druckerhersteller kriegen es prima hin, dass die Patronen nur schlecht wiederbefüllt werden können. Sie zerstören sich nach dem ersten Gebrauch selbst, wie bei James Bond.

Wir brauchen dringend ein neues Randsortiment, sagt Chef Bruno. Darüber soll ich mir jetzt Gedanken machen.

»Gefällt mir nicht«

Ich hasse diesen Job.

Pflege mein Facebook-Profil. Ben hat mir auf meine Seite geknallt, ich sollte mehr Content bringen, bei mir wäre es so öde. Leider habe ich das zu spät entdeckt, sonst hätte ich es gelöscht. Natürlich kann ich jetzt *nicht* mehr Content bringen, sonst gäbe ich dem Kerl ja recht. Habe mir aber »mehr Content bringen« auf Wiedervorlage eingetaktet, damit er nicht ständig bei mir aufkreuzt.

Das Ganze ist lächerlich, es geht ihm nur um Miriam; glaubt er, die Leute wissen das nicht?

[7. Januar, 22:27 Uhr]

Depressionen.

»Du bist wie dein Vater«, sagte Miriam und das war kein Kompliment. Sie sagte es, weil ich angeblich von Dingen redete, von denen ich keine Ahnung hatte.

»Original dein Vater.«

Seine Zuhörer – also Miriam selbst, ich und meine Mutter - seien ihm nur die Stichwortgeber gewesen, wenn er bei Tisch seine Lieblingsthemen abgearbeitet hatte.

Stimmt. Aber Herrgott, der Mann war krank. Wenn man sein Gedächtnis verliert, redet man vielleicht dagegen an. Und der schmale Grat zwischen Nichtdemenz und Schondemenz ist kaum mehr zu spüren.

»Merk mal den Unterschied zwischen Blödsinn und noch mehr Blödsinn«, sagte ich damals zu Miriam.

[9. Januar]

Ich schreibe mehr »Content«, um diesem Spatzenhirn Ben das Maul zu stopfen. Es ist mir schleierhaft, was Miriam an ihm findet … Such den dümmsten Spruch des Tages aus den Statusmeldungen heraus und er ist garantiert von Ben.

Was war ich früher mal so gut im Billard,schreibe ich, ich hab mit einem einzigen Stoß den ganzen Tisch abgeräumt. Okay, manchmal knallte die Acht zu früh rein, aber ich hab draufgehalten und – ROFFFFFL! – gingen die Kugeln ab. Der erste Schuss war immer wie ein Orgasmus. Oft flogen fünf Kugeln gleichzeitig rein, dann war es ein multipler Orgasmus.

[10. Januar]

Mein Billardeintrag versickert unkommentiert. Ich weiß nicht, was die Leute wollen. Schließlich haben wir alle mal Billard gespielt!

Nick ist auf einem Tai-Chi-Wochenende im Elsass. Er versucht, mich dazu zu überreden, wieder damit anzufangen. Dabei bin ich jetzt hart an der Kettlebell dran. Habe vier Kilo mehr als Ben bestellt, sie aber kaum hochgekriegt. Trainiere jeden Tag zwei Stunden.

Dead end, high pull!

»Wir könnten zwei, drei Mal die Woche üben«, sagt Nick.

Ich glaube nicht, dass ich ihn zwei, drei Mal die Woche ertrage.

[10. Januar, 14:12 Uhr]

Harry was just feeding his chickens and made them so happy, that they laid an extra batch of Rare Black Mystery Eggs!

Habe die schwarzen Eier alle Nick auf die Weide gekippt. Soll der sehen, wie er damit fertig wird.

[12. Januar]

Überall pflastere ich Beiträge auf anderer Leute Pinnwände und klicke ein »Gefällt mir« unter jeden Scheiß und trotzdem lassen mich alle auflaufen. Als wären sie Gott weiß wer … Ich kann froh sein, wenn ich eine Antwort kriege. Und die ist dann von Ben, der sich auf meine Kosten lustig macht und Lacher von allen Seiten erntet. Muss ich mir das antun? Stimmt was nicht mit mir?

Gott sei Dank werde ich nicht leicht sauer. Sonst könnten die sich alle noch umgucken …

[12. Januar, 17:05 Uhr]

Miriam hat eine Glücksnuss aufgemacht. Sie soll den Tag nicht vor dem Abend loben.

Das ist natürlich eine selten dämliche Glücksbotschaft, aber ich habe auf »Gefällt mir« geklickt, um mehr Gemeinsamkeiten mit ihr herzustellen. Miriam ist ganz vernarrt in diese Spiele – dauernd bekomme ich Einladungen von ihr, daran teilzunehmen.

Manchmal denke ich, ich kannte sie gar nicht, bevor ich nicht mit ihr auf Facebook war.

Harry hat die Glücksnuss aufgemacht und sein Glück lautet:

Alles, was er jetzt braucht, ist Zeit und Geduld.

Ja, riesig. DANKE, GLÜCKSNUSS!

[12. Januar, 20:11 Uhr]

Ich schicke Miriam zu viele Mails. Sagt Miriam. Es mache sie rasend. Sie wolle nicht ständig privat mit mir kommunizieren müssen. Mein Kommentar:

1) Aber deine Millionen FarmVille-Einladungen jeden Tag auf meiner Mail sind okay?

2) Auf Facebook unterhältst du dich auch nicht mit mir!

Keine Antwort.

Ich kann froh sein, wenn ich einen Einzeiler von ihr kriege. Miriam käme nie auf die Idee, mir mal spontan was an meine Pinnwand zu heften. Auf meine Fragen kommt ein schroffes »WAS?!« zurück oder ein Fragezeichen.

Mein Vogelgesang ging komplett unter, weil Ben ein neues Kettlebell-Video eingestellt hat.

[12. Januar, 21:08 Uhr]

Hab aus Versehen unter die Vermisstenanzeige eines Jungen »Gefällt mir« geklickt. Hatte den Beitrag nur zur Hälfte gelesen und dachte, der ist gut. Jetzt lynchen sie mich fast auf Facebook, weil ich so gefühllos sei … der arme Junge … das Leid der Eltern … die weinende Großmutter im Bild …

Allen voran natürlich Ben, der jetzt auf seiner Seite in Echtzeit und unter Einbeziehung von n-tv und Pro Sieben die Suche rund um die Uhr covert.

Werde das morgen wieder entklicken.

Hoffentlich merkt’s keiner.

[12. Januar, 22:30 Uhr]

Refer to »more content« by Ben the Asshole: Ich hab’s mit Fußball probiert.Eine Jürgen-Klopp-Expertise und dass ich glaube, dass er nicht nur irgendwann Bayern-Trainer, sondern auch Bundestrainer, Trainer von Russland und der USA wird.

Fußball geht immer, auch bei Frauen. Besonders Klopp.

Es soll doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich jetzt nicht einen Haufen Kommentare einfahre.

[13. Januar]

Kommentare eingefahren, aber nur blöde Sprüche. Wie ich mich über Fußball auslassen könnte, während dieser verflixte Junge gesucht wird.

[13. Januar, 14:30 Uhr]

Man kann Facebook mit lauter Gimmicks und Features füllen. Ben und Miriam probieren sie alle aus. Sie kommen mir vor wie ein altes Ehepaar, das schon lange die Lust am Sex verloren hat und sich mit Gesellschaftsspielen über Wasser hält. Wie lange sind die zwei zusammen? Ein Jahr? Mir können sie nichts vormachen.

[13. Januar, 16:06 Uhr]

Cities I’ve visitedsieht bei mir aus wie Cities I didn’t visit. Meine Weltkarte ist eine Wüstenei, abgesehen von Europa. Und da sind natürlich alle Städte eingezeichnet, die ich besuchte, als ich Miriam so lange im Stich ließ. Folgerichtig schreibt sie mir »Gefällt mir nicht«drunter.

Entschuldigung, Miriam, dass mich Krankheit nicht anmacht!

Ben hat auch Cities I´ve visited gespielt und natürlich war er schon überall. Auf jedem verdammten Kontinent, in Südamerika, Asien, Australien. Wahrscheinlich ist sein Vater Pilot bei der Lufthansa.

:(

[14. Januar]

Miriam wird jeden Morgen von 376 Freunden umgackert. Wie geht es ihr, was hat sie vor, was macht sie gerade. Sie kann *todmüde* posten und es wird ein 42-Kommentare-Thread daraus.

[15. Januar]

Auf der Arbeit moniert Bruno, dass ich zu oft im Netz bin.[3] Um ihn abzulenken, habe ich vorgeschlagen, eine geschäftliche Facebook-Seite aufzumachen. Er war nicht rasend begeistert, aber er kennt sich zu wenig damit aus, um es fundiert abzulehnen. Jetzt kann ich weiter auf Facebook sein, ohne dass er mir ständig im Kreuz hängt.

»Wir brauchen neue Ideen!«, ruft Bruno. »Uns brechen die Umsätze weg!«

»Dafür ist Facebook wie geschaffen!«, rufe ich zurück. »Das ist eine ganz neue Art von Product-Placement, es sind noch nicht viele Leute aufgesprungen …!«

»Aber wir befüllen doch nur Patronen!«

»Falsch. Wir verkaufen auch Drucker und Kopierer! Und das neue Randsortiment! Laptoptaschen!«

»Also ich weiß nicht …«

»Wir expandieren! Wir agieren deutschlandweit! Alle Leute im Umkreis von fünfzig Kilometern kaufen unsere Druckerpatronen – und unsere Drucker! Du wirst aus dem Außendienst nicht mehr rauskommen, Bruno!«

Seine Augen beginnen zu glänzen.

Meine auch. Wenn Bruno im Außendienst ist, kann er mir hier nicht mehr auf den Zeiger gehen.

[15. Januar, 15:43 Uhr]

Habe den Verkaufsschmus aus dem Marketingkonzept von Facebook für Bruno zusammengeschustert und ihm auf die Mail gelegt:

Von:[email protected]

An:[email protected]

Betreff: Facebook-Marketing

hallo bruno, wie besprochen findest du im anhang das neue marketingkonzept für die facebook-seite. ich hab mich auf das direkte empfehlungsmarketing und personalisiertes targeting konzentriert. grob die daten: fast eine milliarde user weltweit,30.000 server, umsatz 2 milliarden us-dollar, börsengang. facebook ist der mittelpunkt der onlinekommunikation mit freunden und bekannten, den traffic kann man auch beruflich nutzen. reiner selbstläufer mit dem richtigen applikationskonzept, applikationskonzept siehe anhang.

[15. Januar, 16:07 Uhr]

Von:[email protected]

An:[email protected]

Betreff: Re: Facebook-Marketing

Harry? Hältst du mich für bescheuert? Du hast das Konzept abkopiert … das sind die Erläuterungen von Facebook!

[15. Januar, 16:11 Uhr]

Von:[email protected]

An:[email protected]

Betreff: Re: Re: Facebook-Marketing

HERRGOTT! BEI WEM AUCH SONST?!? natürlich muss ich die zahlen von facebook nehmen!

[15. Januar, 19:26 Uhr]

Tai-Chi. Mit den Kettlebells muss ich ja deswegen nicht aufhören. Schafft auch eine Verbindung zwischen Miriam und mir. Sie hat mir Tai-Chi beigebracht, als es mir so schlecht ging wegen meinem Vater.

Ich hab alles vergessen. Ich begann mit der Figur Der Kranich breitet seine Flügel aus, bin aber weit davon entfernt, meine Flügel auszubreiten.

Nick will die Grundfiguren mit mir durchgehen.

Habe Der Kranich breitet seine Flügel aus auf Facebook gepostet.

Insider für Miriam.

[16. Januar]

Auf den das Fräuleinchen natürlich nicht reagiert. Wäre ja auch zu einfach gewesen … »Gefällt mir nicht«.

Hatte am Sonntag mit meiner Mutter eine ätzende Debatte über meine Ungeduld und Reizbarkeit. Das Problem mit meiner Mutter ist: Sie glaubt immer, dass ich am Abgrund stehe. Damals, als ich durch Europa fuhr, dachte sie, ich wäre verrückt geworden.

Dabei war ich nie klarer gewesen als damals.

[16. Januar, 15:30 Uhr]

Allgemeinwissensquiz auf Facebook. Ben hat mich dazu herausgefordert. Früher hat man sich den Fehdehandschuh hingeworfen, heute macht man ein Wissensquiz im Internet.

Jetzt steht auf meiner Sidebar, ich wäre zu 46 Prozent gebildet und Ben zu 83 Prozent.

Das kotzt mich so an, ich kann gar nicht sagen wie.

Habe das Spiel unkonzentriert gespielt, weil es mich so angeödet hat – wie kann man nur?!? –, ich hätte diese verdammten Antworten googeln können, Herrgott …

Noch mal spielen geht nicht. Wegmachen auch nicht, weil sonst alle anderen denken, das Ergebnis sei mir peinlich. Oder ich hätte keinen Humor.

Fuck …

[16. Januar, 16:14 Uhr]

Miriam hat natürlich »Gefällt mir« unter das Ergebnis geklickt. Manchmal könnte ich sie auf den Mond schießen. Sie zahlt mir alles heim.

:/

[17. Januar]

Miriam wurde auf Korfu geboren. Ihre Eltern verbrachten dort 1982 ihren Urlaub und Miriam kam via natürliche Geburt in irgendeinem Swimmingpool in irgendeiner Villa zur Welt. Ihre Hippie-Eltern fuhren zur Nachsorge ins Krankenhaus und flogen dann nach Hause.

Schön und gut.Aber muss ich mir das alles von Ben erzählen lassen, der dazu niedliche Babyfotos von Miriam auf Facebook legt, die ICH vor ein paar Jahren aufwendig habe RESTAURIEREN lassen?!?

[17. Januar, 11:13 Uhr]

Von:[email protected]

An:[email protected]

Betreff: NERV!!!

BRUNO, GRUNDGÜTIGER!!! ES WÄRE WÜNSCHENSWERT, WENN DU MICH NICHT DEN GANZEN TAG MIT MAILS ZUSPAMMEN WÜRDEST, WAS DIE FACEBOOK-SACHE MACHT! ICH BIN DRAN! ES LÄUFT! DIE ERSTEN BESTELLUNGEN SIND DA!

BIN GERADE DABEI, SIE AUFZUNEHMEN, ZU VERBUCHEN, ZUSAMMENZUPACKEN UND ZUR POST ZU BRINGEN!!! LASS MICH IN RUHE ARBEITEN, JA?!

[17. Januar, 11:57 Uhr]

Von:[email protected]

An:[email protected]

Betreff: Ein Minütchen Zeit?

hallöchen, caro! im anhang findest du die bestellungen NEUER druckerpatronen … meine facebook-aktion, you know.

das muss bestätigt, verbucht und zusammengepackt werden (bei mir ist gerade land unter).

zur post nehme ich nachher alles mit, wenn ich um eins in die mittagspause gehe.

lg, harry!

:)

[17. Januar, 12:07 Uhr]

Von:[email protected]

An:[email protected]

Betreff: Re: Ein Minütchen Zeit?

kein grund, schnippisch zu werden, caro! du brichst dir keinen zacken aus der krone, wenn du hier im laden auch ein bisschen vertrieb mitmachst! was glaubst du eigentlich, wie es hier läuft? der ganze kleinscheiß muss auch erledigt werden. soll ich vielleicht die putzfrau fragen?

gruß! harry

[17. Januar, 12:57 Uhr]

Von:[email protected]

An:[email protected]

Betreff: Re: Re: Ein Minütchen Zeit?

caro?! ich vermute