Luisas Chance - Carola Wegerle - E-Book

Luisas Chance E-Book

Carola Wegerle

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Beschreibung

Luisa ist vernarrt in ihr Pferd Racker. Und – in das Theaterspielen. Als sie tatsächlich eine Rolle am Stadttheater bekommt, gerät ihr Leben ganz schön durcheinander. Atemlos hetzt sie zwischen Schule, Proben und ihrem Pferd hin und her. Die Eltern machen Stress, ihre beste Freundin hält sie für vollkommen abgedreht und dann – wen liebt sie wirklich? Leonard oder Daniel?

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Seitenzahl: 152

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Luisas Chance

Carola Wegerle

Impressum

© 2016 Carola Wegerle

ISBN: 978-3-95616-504-7

Auch als Taschenbuch erhältlich unter ISBN 978-37375-7541-6

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Layout, Satz und Covergestaltung: F. Dieter Stein und Judith Urban

Carola Wegerle, Tsingtauer Straße 71, 81827 Münchenwww.Autorin-Carola-Wegerle.de

Inhalt

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1

Luisaistnervös.SiezappeltaufdemStuhlherumundräumt ihre Schultasche zum dritten Mal komplett aus - undwieder ein.

„Wo hast du den Pullover gekauft?“, will Verena wissen.

„Der ist superschön!“

„Wo?“, fragt Luisa zerstreut und zupft an ihrem Ärmel.

„Bei …, bei, ähm - ich hab‘ ihn geschenkt bekommen, zum Geburtstag.“

„Dendunichtmitunsgefeierthast“,lachtVerena.„Immer hastduindenFerienGeburtstag.“

Sie wollte einen Scherz machen, schließlich kann man ja nichtändern,wannmanGeburtstaghat,aberdannblicktsie ihre Freundin verwirrt an. Luisa hat ihr gar nicht zugehört. SiestarrtzurTürdesKlassenzimmerswieeinhypnotisiertes Kaninchen.

„Wasistlos?“,fragtVerena,dochLuisaantwortetnicht.Sie istplötzlichganzblass.

„Du guckst, als ob Spiderman in der Tür hängt! Dabei kommt doch nur Frau Sommer …“

Luisa schluckt. Frau Sommer, ihreDeutschlehrerin, betritt dasKlassenzimmer,einenStapelAufsätzeunterdemArm.

„Heute besprechen wir eure Aufsätze von der letztenWoche–Aber,bevorichesvergesse:dieTheater-AGfindetleider nichtstatt.Tutmirleid.EsgibtnurdreiAnmeldungen.Dasist nichtgenug.“

Luisastöhntleise.Verenablicktsiebesorgtan.IhreFreundin fährt sich mit der Hand über die Stirn, schließt kurz die Augen. Wochenlang hat sie Theaterstücke gelesen, ist sie inallenKlassenherumgelaufenundhatversucht,ihreMitschüler dafür zu begeistern. Für das Theaterspielen. Luisa lernt ständig neue Rollen und übt sie zu Hause. Dort hat sie alles Mögliche zusammengetragen, womit man spielen kann: Stoffe, Hüte, einen Plastikdegen, den ihr kleiner Bruder zum Glück nicht vermisst, Federn, ein Mieder vom Flohmarkt, Masken und einen Kajalstift – an den Karnevalstagen geht sie jedes Jahr auf Pirsch und sammelt Liegengebliebenes. Sie kannallesbrauchen.Abersiewillnichtimmeralleinspielen! Deshalb hat sie sich unbändig gefreut, als Frau Sommer die IdeevonderTheater-AGhatte,undallesdafürgetan,dasssie stattfindet.TrotzdemhabensichnurdreiSchülerangemeldet. Alsonochzweiaußerihr.Klar,allefindenFernsehserienviel spannender oder in Kaufhäusern rumlaufen und allesanfassen und anprobieren (die Mädchen) und Fußball spielen(die Jungs). Und natürlich Computerspiele (Mädchen und Jungs). Luisa beißt sich auf die Lippen. Sie ist kurz davor zu heulen. Aber das wird sie nicht tun. Nicht hier. Nicht vor den anderen. Verena reibt tröstend über den Ärmel von Luisas Geburtstagspullover.SiekenntihreFreundin.Sieweiß,wiesehr sich Luisa auf die Theater-AG gefreut hat. Aber Luisa guckt sienurkurzanwieeinHund,dereinenKlapsbekommenhat. Dabei hat sie den besten Aufsatz geschrieben. Bloß freut sie sichheutekeinbisschenüberihreguteNote.

AmNachmittagliestsiealleRollenaus„DieJungfrauvon Orléans“. Laut. Ihre ganze Wut und Enttäuschung legt siehi- nein,ihreSchulheftehatsieineineEckegekickt.

„Luisa! Luiiisa!“,ruft ihre Mutter, die die gleichendunkel- braunen Locken wie ihre Tochter hat. Sie öffnet die Tür zu LuisasZimmer.

„Nicht so laut, Olli muss ein bisschen schlafen.“

Olli ist Luisas kleiner Bruder. Er geht noch in den Kinder- garten.HeutehatdieMamaihnfrüherabholenmüssen,weil er Bauchweh hatte. Luisa geht mit der Jungfrau Johanna ins Treppenhaus und spricht ihre Rollen noch lauter. Im StockwerkunterihrgehteineTürauf.

„Kind! Bitte! Schrei nicht so!“, Frau Mertens. Die stört schon, wenn Olli Eisenbahn spielt. Luisa beugt sich über das Treppengeländer.

„Entschuldigung“, sagt sie. Frau Mertens nickt.

„Gehnachdraußen,wennduschreienwillst.Aberhierlebennochandereaußerdir.“

Oh ja, denkt Luisa, leider. Warum haben ihre Eltern kein Haus mit Garten wie Verenas Eltern? Warum wohnen sie in einemgroßen,grauenMietshaus?Aberrauswolltesiesowieso.Rackerbesuchen.SoheißtihrPferd.Eigentlichistesnicht ihr Pferd, aber sie darf es reiten, weil der Besitzer zwar ein Pferdhat,aberkeineZeit.GeldfürReitstundenhatsienicht. IhreElternhabenkeines.IhrVateristSozialarbeiter,einerichtigschwereArbeit,dochbezahltwirdsienichtsehrgut.Und ihre Mutter hat mit den drei Kindern und dem Haushalt genugzutun.AußerOlligibtesnochdasBaby.Dasistsüß.Olli magesnicht.VorherwarerdasBaby.Vielleichthaterdeshalb sooftBauchschmerzen?

Luisa mistet die Ställe aus. So verdient sie sich den Reitunterricht. Herr Hauser, dem der Reitstall gehört, lässt sie dafür mit seinen Schülern mitreiten. Jetzt ist sie schon so sicher,dasssieeinMietpferdalleinausreitendarf.Racker.Erist einmännlichesPferd,aberkeinwildes–einWallach.Dasist sowas wie ein kastrierter Kater. Luisa liebt ihn. Sie liebt alle Pferde. Schon mit drei Jahren hat sie sich die Nase am Autofenster plattgedrückt, wenn sie mit ihren Eltern unterwegs war und sie auf einer Wiese Pferde sah.

„Ein Pferd, ein Pferd!“, rief sie jedes Mal und war kaum noch zu beruhigen.

AlssieneunJahrealtwar,hatsieihreElternangefleht:„Ich willreiten,bitte!“

Doch ihre Eltern blickten sich besorgt an. „Das ist viel zu gefährlich, Luisa“, meinten sie. „Das können wir dir nicht erlauben.“

Luisa war sehr enttäuscht. Ihre Tränen liefen und liefen. Ihre Eltern wollten ihr den Geburtstag nicht verderben. Sie versprachen ihr, dass sie reiten dürfte, wenn sie Zwölf wäre. LuisaschluckteihreTränenhinunterundzähltedieTage,bis sie Zwölfwar.

AnihremGeburtstagsprangsiemorgensausdemBettund jubelte:„Reitstunden!!!“

Ihre Eltern verstanden überhaupt nichts. „Reitstunden? Das ist viel zu gefährlich, und außerdem bist du viel zu jung dafür!“

„Aber ihr habt es doch versprochen!“

„Wann?“, fragten sie ungläubig.

„Na, als ich Neun war!“

Luisas Eltern lachten. „Da hast du was falsch verstanden“, meinten sie.

„Daskenneich“,seufzteVerena,alsLuisaesihrvoreinem Jahr erzählte. „Mir haben sie versprochen, dass sie mir das Autofahren beibringen. Vor zwei Jahren war das. ‚Wenn du Zwölf bist‘, sagtensie.“

„Und?“ fragte Luisa.

„Genau wie bei dir“, erwiderte Verena und zog einen Flunsch.„Siekonntensichannichtserinnern.Siewerfenmit Versprechen um sich, nur um ihre Ruhe zu haben und vergessen es dann gleich wieder. Sie denken nicht daran, dass wirinsolchenDingeneinElefantenhirnhaben.“

Verena übt seitdem heimlich in Mamas Auto, wenn es in der Garage steht. Das Gangschalten, mehr geht ja nicht, den Rest stellt sich Verena einfach vor. In Gedanken brummt sie Landstraßen entlang, jagt das Auto Berge hinauf und nimmt schwungvoll die Kurven.

LuisamachtekeineTrockenübungeninderGarage.Siehat einen Reitstall gefunden, der kein Reitclub ist – der wäre zu teuer.

2

Sie hebt einen Fladen Pferdemist nach dem anderen auf eine Schubkarre. Dreimal in der Woche macht sie das am Nachmittag.Sieekeltsichkeinbisschen.ImGegenteil,sieliebtden GeruchvonPferdeschweiß,Mist,HeuundStroh.GeübthantiertsiemitderMistgabelundarbeitetsichBoxumBoxvoran. DiemeistenPferdesinddraußenaufderWeide.Esiststillim Stall. Nur die frischgebackene Mutterstute steht im frischen Stroh und säugt ihr schwarzglänzendes Fohlen. Luisa wäre gernbeiderGeburtdabeigewesen.ObsieTierärztinwerden soll? Das ist sicher ein schöner Beruf, denkt sie. Doch dann fälltihrJohannawiederein.Diemöchtesiespäterunbedingt spielen.SoeinestarkeFrau!

„Mirnach!AufnachOrleáns!“,ruftsieundrecktdieMistgabelindenHimmel,weilihrdieFahnefehlt.

„Die Duse mit der Mistgabel“, lacht jemand. Die Stimme kennt sie. Wie peinlich. Da steht er auch schon vor der Box und grinst bis über beide Ohren. Luisa wird rot.

„Tag, Daniel“, sagt sie und ärgert sich, weil sie spürt, dass sie rot geworden ist. Daniel ist der Sohn von Herrn Hauser, dem der Reitstall gehört, und schon ziemlich alt: er ist sechzehn.

„Was ist eine Duse?“, fragt Luisa ihn, als er in die Box gegenüber geht, wo das Fohlen jetzt ungeduldig seine Beine hebt. Behutsam nimmt Daniel einen Fuß des Pferdekinds nachdemandereninseineHände.Erprüft,obesgesundist. Und gewöhnt es dabei an seine Hände. Luisa gefällt, wie er mitPferdenumgeht.

„Die Duse“, sagt Daniel. „Eleonora Duse war eine große

Schauspielerin. Vor hundert Jahren oder so. Sie war damals ein Star.“

Luisa staunt. Woher weiß er das?

DanielhateinenFroschimHals.Erräuspertsichumständlich, während er der Mutterstute Melasse mit Vitaminen vor dieNasehält.„MeineMutterguckt ARTE“, esklingtfastentschuldigend,findetLuisa,„undwennErdnüsseaufdemTisch stehen,diesescharfen,kennstdudie?Dannguck‘ichmit.So lange, bis sie weg sind. Die Nüsse.“ Mit sehr viel Schwung wirfterderStuteeineDeckeüber.

„Eleonora Duse“, wiederholt Luisa ehrfürchtig. Morgen wirdsiedieBüchereidurchstöbern,umallesüberdieseFrau zu erfahren. Bilder will sie sehen, wissen, wie sie gelebt hat. Schade, dass sie die Stimme nicht mehr hören kann. Früher war die Stimme das wichtigste für eine Schauspielerin. Sie riefen nämlich ihren Text, sangen ihn beinah. Heute würde jeder finden, dass das übertrieben und unnatürlich klingt. Aber damals hat es den Leuten gefallen. Vielleicht sollte ich Stimmübungen machen, überlegt Luisa. Daran hat sie noch garnichtgedacht.Abersiesingtsehrgern,fälltihrdannein. Obdasgenügt?

Sie schwingt den letzten Fladen Pferdemist auf die volle SchubkarreundstelltdieMistgabelindieEcke,damitsiesich ausruhenkann.DieMistgabel.Luisaistnichtmüde.

„Fertig“,sagtsiezuDaniel,derjetztimStrohknietundvon untenüberdenBauchderMutterstutestreicht.Ganzlangsam machterdas.VorsichtighältLuisademFohlenihreHandhin, damitessichanihrenGeruchgewöhnt.Neugierigschnüffelt esdaran.

„Esmagdich“,stelltDanielfest.DasserPferdeebensoliebt

wie Luisa, kann jeder sehen, denkt sie.

„Darf ich Racker reiten?“

Danielnickt.„Klar.Derfreutsichaufdich,hatermirheute Morgenerzählt.“

Luisalacht.Warumistihrgeradesowarmgeworden?Und soleicht…Fasthüpftsie,alssieRackersSattelundZaumzeug ausderKammerholtunddamitaufdieWeidestürmt.

„Racker!“

Das Pferd mit dem fuchsbraunen Fell hat sie schon gewittert.Estrabtaufsiezuundschnaubtaufgeregt,alsesvorihr steht. Glücklich streichelt Luisa seinen Hals und seine Nüstern, die sich anfühlen, als wären sie aus Samt, und Racker stupstsieandieWange.BravlässtersichvonLuisasatteln.

Dann fliegen die beiden über die Wiesen. Luisa jubelt, als Racker über einen kleinen Bach springt. Sie sitzt dabei sehr sicherimSattel.Wieschnellsiereitengelernthat,freutsiesich und denkt dabei an Johanna, die Jungfrau von Orléans. Die konnte überhaupt nicht reiten, aber sie hat sich einfach aufs Pferdgesetzt.

Weiter oben am Bach machen sie Rast. Das ist Luisas Lieblingsplatz. Eine alte Weide lässt dort ihre Äste tief über den Bach hängen, weiches Moos bedeckt das Ufer. Daneben wächst ein Strauch mit blassgrünen Blättern, an dem Racker gern knabbert, und er hat noch nie Bauchweh davon bekommen. Also lässt sie ihn knabbern.

„Ach Racker“, seufzt sie, „es gibt keine Theater-AG.“ Das Pferd blickt sie aufmerksam an. „Und ich möchte doch so gern spielen!“, vertraut sie ihm an. Racker schnaubt, und der Bach gluckert tröstend. Luisa streckt sich auf dem Moos ausundblicktindenHimmel,derdurchdieÄsteder Weide schimmert und eingerahmt vom Grün ganz besonders blau aussieht.WennsiedraußeninderNaturist,fühltsiesichimmer gut, selbst, wenn sie mal sehr traurig ist oder sich über jemandengeärgerthat.Siemages,wiederWindindenBlättern spielt. Die erzählen dann überraschend viel, aus ihrem Baum-Leben, von den Tieren, den Menschen und der Welt. Luisaistziemlichsicher,dassauchElfenundGnomeimWald wohnen.NatürlichdarfsiedasinderSchulenichterwähnen, auch nicht Verena gegenüber, die würden sie sonst alle für durchgeknallthalten.EsbleibtihrGeheimnis.Sielächeltund hört den leisen Geschichten der Blätter zu, während Racker sich den Bauch vollschlägt. „M-hm“, sagt sie manchmalund

„Ach je“ und „Na sowas!“ und „Das finde ich auch.“

Plötzlichfährtsieauf.Schritte!Warsieeingedöst?Siesind schonganznah.LuisarolltsichaufalleViereundgreiftnach einem Ast, der im Moos liegt. Sie hält den Atem an: Jemand biegt die Zweige des Strauchs auseinander, in den Racker seinen Kopf gesteckt hat. Der schnaubt empört. TollesWachpferd,denktLuisaundumklammertdenAstfester.

„Luisa!“, sagt eine Stimme erstaunt, und der Stimme folgt ein Gesicht. Daniel! Erleichtert atmet Luisa aus.

„DukennstdenPlatzalsoauch“,staunterundlässtsichneben ihr ins Moos fallen. So unauffällig wie möglich versucht Luisa, ihre Hände von ihrer hölzernen Waffe zu lösen. Ihre Knöchel sind ganz weiß geworden, so fest hielt sie den Ast umklammert.

„Hab‘ichdicherschreckt?“,fragtDanielundblicktaufden Ast.Istdaspeinlich,denktLuisaundverstecktihreverräterischenKnöchelhinterdemRücken.Danielguckterschrocken.

„Entschuldige, ich wollte nicht – “

„Nö, gar nicht“, kichert Luisa. „Wie kommst du denn da drauf?“ Oh Gott, stöhnt sie innerlich, was redet sie denn da? Und warum kichert sie so schwachsinnig? Bevor sie wieder rotwird,musssiewastun.SiestehtaufundklopftRackerauf denRücken.

„Wo istFelissa?“,fragtsie,umvonsichabzulenken.Felissa istDanielsbrauneStute.

„Mampft den Löwenzahn auf der kleinen Wiese dortdrüben“,lächeltDaniel,dersofortbegriffenhat,dasssievorihm flüchtet.„Ichbinlieberallein,wennichmicheinbisschenmit denBäumenunddemBachunterhaltenwill.“

„Dumachstdasauch?“,fragtLuisaperplex.IhrHerzklopft Galopp. Oder sagt er das nur, damit es ihr nicht so peinlich ist? Es hat ein bisschen wie ein Scherz geklungen … Aber eigentlich ist das vollkommen egal, Daniel ist auf jeden Fall sehr, sehr … Nun, sie mag ihn. Sie mag ihn sogar sehr. WarumistihrdasimReitstallnochnieaufgefallen?Sieschluckt. Ihr Mund ist ganz trocken, und ihr Kopf fühlt sich so heiß anwieeinLagerfeuer. Plötzlich spürt sie, dass sie Brüste hat. Schnell dreht sie Daniel den Rücken zu.

Ob er etwas gemerkt hat, weiß sie nicht. Ruhig fährt er fort:

„Das hab‘ ich mir wohl bei den Pferden so angewöhnt. Ich spreche immer mit ihnen. Beim Ausreiten bin ich viel in der Natur,allein,unddahab‘ichentdeckt, dass Bäume und Steine und sogar der Bach reden. Ist doch eigentlich klar, oder?“

„Glaubst du, dass Bäume eine Seele haben?“, überlegt Luisa.

„Bestimmt haben sie eine Seele“, erwidert Daniel nachdenklich.

Jemand, mit dem sie reden kann! Jemand, der nicht über soetwaslacht…LuisablicktihnmitgroßenAugenan.Doch dann richtet sie sich nervös auf. „Ich muss zurück! Ich hab‘ nur für eine Stunde ausgemistet, und Herr Hauser – “

„Ist mein Vater. Und heute nicht da. Wir reiten jetzt erst- mal“,sagtDanielbestimmtundstehtauf.Luisablicktihnunsicheran.

„Ich nehme das mit der Uhrzeit nicht so genau“, beruhigt er sie.

GlücklichlässtsichLuisadenWinddurchdieverschwitzten Haare wehen. Sie reiten über Felder und einen Hang hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter, sie entdecken eine Schafherde, und immer sind sie genau imgleichen Rhythmus. Sie traben gleichzeitig und galoppieren gleichzeitig und lassen die Pferde im Schritt über Felsen klettern. DieganzeZeithüpftetwasinihr,hinterihrenRippenundim Bauch,unddasfühltsichgutan.Neu.Aufregend.

AlssieamAbendnachHausekommt,istderSchmerzdarüber, dass die Theatergruppe nicht stattfindet, zu einem sanftenZiehenimMagengeworden.

„Und wenn wir zu zweit Theater spielen?“, versuchtLuisa amnächstenMorgenzwischenBioundMatheihreFreundin zuüberreden.Sieweiß,dassVerenakeinederbeidenanderen Schülerinnenwar,diesichzurTheatergruppeangemeldethaben.„WirkönntenMariaStuartundElisabethspielen,dasist Wahnsinn,wiediemiteinanderreden,oderOliviaundViola inWasihrwolltvonShakespeare,dasistsehrlustig,weilOliviadenkt,ViolawäreeinMannundsieverliebtsich–“

„Luisa! Ich bin’s, deine Freundin Verena, das größte Untalent,wennesumsSpielengeht“,lachtVerena,„ichkann mirnichteineneinzigenSatzmerken,undinmeinerFreizeit leseichSpeed-ChampionsundOntheRoad.“

Luisa hat nichts anderes erwartet, wenn sie ehrlich ist. Sie hat es sich nur so sehr gewünscht. Nein, Verena ist wirklich nicht die richtige Spielpartnerin. Luisa würde verzweifeln, wenn die Freundin den Text nicht behielt und ihn ablas und das so steif, dass man nicht mit ihr spielen konnte. Richtig spielen, mit dem Herzen und ganz echt.

Später blättert sie in einem Buch über Eleonora Duse. In der Bücherei hat sie einige Bände über diese große Schauspielerin gefunden, sogar einen mit Fotos. Die blickt sie jetzt sehnsüchtig an. Theater! Was für eine aufregende, geheimnisvolle Welt! Wenn sie doch nur ein Teil davon sein könnte! Nur einmal, ein einziges Mal, damit sie spüren kann, wie sich das anfühlt.

Auf der Bühne stehen …

3

AmnächstenTagistLuisanichtsehrgutdrauf.IhreMathearbeitistmit4-5benotetworden.SiefindetMatheblöd.Dagibt eskeineBilder,diesiesichvorstellenkann.Außerdemregnet es. Und sie hat in der Pause auf einen Kirschkern gebissen – ihr Zahn