Luzifer junior (Band 11) - Campingtrip nach Hölland - Jochen Till - E-Book + Hörbuch

Luzifer junior (Band 11) - Campingtrip nach Hölland Hörbuch

Jochen Till

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  • Herausgeber: Loewe Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Weil er für einen Teufel viel zu lieb ist, wird Luzifer junior von seinem Vater auf die Erde geschickt. Ob er bei uns hier oben wohl lernt, wie man richtig böse wird?  Geschafft! Ein anstrengendes Schuljahr ist zu Ende und Luzie und seine Freunde dürfen sich auf die großen Ferien freuen. Im Wohnmobil von Gustavs Eltern geht es an die Nordsee.  Aber was haben sie da bloß für merkwürdige Nachbarn auf dem Campingplatz? Schwarze Klamotten, blasse Gesichter und dann noch dieses merkwürdige Pentagram auf dem Camper. Die sehen ja aus, als wären sie auf dem direkten Weg in die Hölle! Etwa freiwillig?  Ein Teufel in der Schule – der Comic-Roman von Jochen Till um den Höllensohn Luzifer bietet Lesespaß und viel Grund zum lauthals lachen für Mädchen und Jungen ab 10 Jahren. Zahlreiche humorvolle Bilder von Raimund Frey illustrieren Luzifers Abenteuer in der Hölle und im strengen Jungeninternat. Wer Gregs Tagebuch mag, wird Luzifer junior lieben!

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Zeit:3 Std. 29 min

Sprecher:Jochen Till

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Inhalt

Nur Scherereien

Auf dem Kieker

Irgendwas Wuscheliges

Ein flaches Haus

Ohne Gitarren

Feindliche Riesen

Fiese Zacken

Die Finsternis

Satanische Zeichen

Nüsse

Dreikäsehoch

Nur eingebildet

In der Erde

»So, ich bin dann mal weg, Chef.«

Nur Scherereien

»Wie, weg? Wo willst du denn in dem Aufzug hin? Soll das die neue Bestrafungsmethode für die Horrorclowns sein? Reicht es nicht mehr, dass sie pausenlos von ihren Spiegelbildern erwürgt werden? Sollen sie sich bei deinem Anblick jetzt auch noch zusätzlich totlachen?«

»Äh … Nein, Chef. Meine sommerliche Kleidung hat nichts mit Abteilung 90 zu tun. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass ich heute meinen Urlaub antrete.«

»Deinen Wie-bitte-was willst du wohin treten? Ich habe dir doch schon tausendmal gesagt, du sollst mich nicht mit Fremdwörtern belästigen.«

»Ach, kommen Sie. Urlaub ist doch kein Fremdwort.«

»Hier unten schon. Und soweit ich weiß, ist Urlaub selbst oben etwas, das Chefs genehmigen müssen. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals irgendjemandem hier unten auch nur einen einzigen Tag Urlaub genehmigt zu haben.«

»Ich dachte mir, dass Sie das sagen, Chef. Deshalb habe ich das hier mitgebracht.«

»Ein beschriebenes Blatt Papier? Soll ich jetzt auch noch lesen, oder was? Du weißt, dass meine Laune dadurch nicht unbedingt besser wird?«

»Das ist nicht irgendein Blatt Papier. Das ist mein Arbeitsvertrag. Den haben Sie höchstpersönlich unterschrieben, als ich vor zehn Jahren angefangen habe, für Sie zu arbeiten. Und da steht drin, dass mir pro Jahr ein Tag Urlaub zusteht. Bisher habe ich immer darauf verzichtet, aber jetzt würde ich gerne alle zehn Tage auf einmal nehmen.«

»HAHA! DER WAR GUT! Was hast du? Einen Vertrag? Mit mir? Mit dem Teufel höchstpersönlich? Du arbeitest jetzt seit zehn Jahren für mich. Da solltest du langsam wissen, wie viel ein Vertrag mit dem Teufel wert ist. Falls nicht: Er ist in etwa so viel wert wie die Asche, in die er sich gerade auflöst.«

»AUA! HEISS!«

»Aua? Heiß? Du bist in der Hölle, Steven. Wer bei uns keine Hitze vertragen kann, hat erst recht keinen Urlaub verdient.«

»Verzeihung, Chef. Das war nur ein Reflex. Ich hatte oben immer sehr empfindliche Fingerspitzen.«

»Nicht mein Problem. Aber wenn du sie behalten willst, vergiss das mit dem Urlaub lieber ganz schnell wieder. Für Urlauber fehlt mir nämlich jegliches Verständnis. Die machen nur Scherereien, vor allem jetzt im Sommer. Weißt du, wie viele von denen später hier bei uns in Abteilung 94 landen?«

»Sie meinen die In-den-Pool-Pinkler? Stimmt, bei denen ist es tatsächlich sehr voll.«

»Genau. Und dann kommen ja noch die ganzen Sandburgenzertrampler und Liegestuhlblockierer dazu. Nicht zu vergessen: die Weiße-Socken-in-Sandalen-Träger, das sind die Schlimmsten von allen.«

»Oh … Äh … Öhm … Meine Socken sind nicht weiß, Chef. Das ist ein zartes Ockerbeige.«

»Wenn du das sagst. Es wäre auf jeden Fall die letzte Farbe, die du siehst, wenn ich dir deine Füße in den Hals stopfe. Was garantiert passieren wird, falls du das Wort Urlaub in meiner Gegenwart noch einmal erwähnst. Rein aus Neugier: Wo wolltest du überhaupt hin? Nach oben darfst du nicht ohne triftigen Grund und die Hölle ist nicht unbedingt als Erholungsgebiet bekannt.«

»Öh … Äh … Na ja … Ich wollte eigentlich auf die Bahamas. Da war ich früher schon mal, dort soll es sehr schön sein um diese Jahreszeit.«

»Aha. Superplan. Da liegt dann einfach so ein nach Schwefel stinkender, hässlicher Dämon am Strand und schlürft Cocktails und niemand wundert sich darüber, oder wie hast du dir das vorgestellt?«

»Dafür habe ich doch den Hut und die Sonnenbrille, Chef. Und oben trinke ich einfach eine Flasche Parfüm, dann stinke ich zwar auch, aber nicht nach Hölle. Ach bitte, Chef. Gönnen Sie mir das doch. Ich wäre auch schon mit einem einzigen Tag zufrieden.«

»Ja, genau. Dafür bin ich überall bekannt und berüchtigt – für mein gönnerhaftes Wesen. Vergiss es. Und versuch erst gar nicht, dich heimlich davonzuschleichen. Du weißt, ich erfahre immer alles. Und wenn ich erfahre, dass du im Urlaub warst, frisst du deine Sandalen samt Socken und Inhalt.«

»Hm … Ich habe da gerade eine Idee. Was wäre denn, wenn Sie es nicht erfahren?«

»Das ist äußerst unwahrscheinlich. Aber grundsätzlich lebe ich nach dem Grundsatz: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Falls es dir also gelingen sollte, Urlaub zu machen, ohne dass ich es mitkriege, nichts dagegen. Wie du das schaffen willst, ist mir allerdings ein Rätsel.«

»Das lassen Sie dann mal getrost meine Sorge sein, Chef. Ich werde Urlaub machen. Und Sie werden garantiert nichts davon mitkriegen.«

»Dann wird es mich auch nicht stören. Aber du weißt hoffentlich, wie oft es bisher jemand geschafft hat, den Teufel reinzulegen? Die Antwort darauf ist eine einstellige Zahl, die aussieht wie ein Ei.«

»Sehr gut. Dann werde ich also der Erste sein, dem dieses Kunststück gelingt.«

»Das möchte ich sehr stark bezweifeln.«

»Abwarten, Chef. Abwarten. Ich bin dann mal weg.«

»Von mir aus. Aber in einer halben Stunde bist du wieder hier. Heute ist Team-Meeting, da brauche ich dich.«

»Kein Problem, Chef. Sie werden keine Sekunde auf meine Anwesenheit verzichten müssen. Ich werde in einer halben Stunde frisch erholt und voller Tatendrang wieder hier vor Ihnen stehen.«

»Nichts anderes erwarte ich von dir. Und jetzt verschwinde endlich. Wenn ich dir noch länger zuhören muss, bin ich am Ende noch urlaubsreif.«

Auf dem Kieker

»Koch, Thomas!«, ruft der Holzapfel auf.

Wie bitte? Wir sind erst bei K? Oh Mann, wie lang dauert das denn noch? Ich halte es nicht mehr aus, diese Spannung ist unerträglich!

Thomas steht auf und läuft nach vorne. Geht das nicht schneller? Ich sterbe hier vor Ungeduld!

»Hier und da verbesserungsfähig«, sagt der Holzapfel. »Aber grundsätzlich eine sehr solide Leistung. Weiter so, Thomas.«

Er drückt Thomas den Wisch in die Hand, Thomas läuft zufrieden lächelnd zurück zu seinem Platz.

»Laheyne, Marc!«

Verflucht noch mal. Können die nicht einfach alle Zyklotrop heißen oder so? Den gibt’s, den Namen, den habe ich in einem Comic gelesen. Vor langer, langer Zeit, als ich noch Comics lesen durfte. In den letzten Wochen hatte ich nämlich Comicverbot, ausgesprochen von meinen Nachhilfelehrern Aaron, Gustav und Lilly. Ich durfte nur Schulbücher lesen. Was natürlich überhaupt keinen Spaß macht. Aber das hat heute zum Glück ein Ende. Ab heute Nachmittag werden wieder Comics gelesen. Falls ich bis dahin hier rauskomme. Blödes Alphabet, blödes. Wieso fängt das immer vorne an? Und wer hat eigentlich meinen bescheuerten Tarnnamen ausgesucht? Das war Onkel Gabriel, glaube ich. Vielen Dank auch. Mit diesem Namen darf man es echt nicht eilig haben. Vitus von Turbsnatas. Mit T. Einer der Buchstaben, die beim Rennen um die ersten Plätze im Alphabet den Startschuss nicht gehört haben. Das ist so ungerecht! Ich will es endlich wissen!

»Laheyne, Mike!«, ruft der Holzapfel.

Hey, das gilt nicht! Die haben beide denselben Nachnamen! Nur, weil sie zufällig Zwillinge sind! Das ist unfair! Die sehen total gleich aus, die können sich doch ein Zeugnis teilen! Das ist echt nicht auszuhalten. Ich beiße gleich in den Tisch vor Spannung.

»Ganz ruhig bleiben«, sagt Gustav neben mir. »Der Tisch kann nichts dafür.«

Oh, jetzt habe ich tatsächlich gerade in den Tisch gebissen. Es scheint aber zum Glück niemand außer Gustav gesehen zu haben.

»Das dauert viel zu lang«, knurre ich. »Aber das passiert mir ganz sicher nicht noch mal. Vor der nächsten Zeugnisausgabe ändere ich meinen Nachnamen in Aaron. Aber mit drei A. Oder besser vier. Dann komme ich auf jeden Fall als Erster dran.«

»Was soll ich denn da sagen?«, erwidert Gustav. »Ich heiße Wagner, ich bin sogar erst nach dir an der Reihe.«

»Ja, aber bei dir ist es nicht so spannend«, sage ich. »Du weißt schon, dass du versetzt wirst. Du musst nicht mehr zittern.«

»Das stimmt natürlich«, sagt Gustav und reibt aufmunternd meine Schulter. »Aber du wirst ganz sicher auch versetzt. Du hast dich so toll verbessert in den letzten Wochen, das reicht bestimmt.«

»Und was, wenn nicht?«, frage ich besorgt. »Dann bin ich nächstes Jahr ganz allein in einer neuen Klasse und darf nicht mehr mit euch befreundet sein.«

»Was? Wer erzählt denn so einen Blödsinn?«, erwidert Gustav. »Natürlich dürftest du noch mit uns befreundet sein. Das hat doch nichts damit zu tun, ob wir in einer Klasse sind.«

»Nicht?«, sage ich erleichtert. »Dann ist’s ja gut. Ich dachte bloß, weil hier eigentlich immer nur Jungs befreundet sind, die in eine Klasse gehen. Zumindest kommt es mir so vor.«

»Nein, das täuscht«, sagt Gustav. »Mach dir keine Sorgen, wir werden immer befreundet bleiben, egal in welche Klasse du nächstes Jahr gehst.«

»Das ist schön zu wissen«, sage ich. »Ich will aber trotzdem nicht in eine andere Klasse, ich will bei euch bleiben. Außerdem habe ich keine Lust, den ganzen Mist noch mal zu lernen, die letzten Wochen waren schon nervig genug.«

»Na, aber wenn du richtig gelernt hast, musst du nicht alles noch mal lernen, weil du jetzt ja alles weißt«, stellt Gustav fest.

»Ach, das hab ich doch alles schon wieder vergessen«, sage ich. »Aber das ist ja auch egal. Ich will nicht in eine andere Klasse. Und ich will jetzt mein Zeugnis, in dem hoffentlich drinsteht, dass ich bei euch bleiben kann.«

»Maasch, Christoph.«

Oh Mann! Gibt es denn hier wirklich für jeden Buchstaben einen Schüler? Ich will endlich drankommen! Das ist echt nicht auszuhalten! So müssen sich bei uns unten die Dreisten Vordrängler in Abteilung 20 fühlen. Die brennen alle lichterloh und stehen in einer ewig langen Schlange, die zu einem riesigen Pool voller Wasser führt. Und jedes Mal, wenn nur noch einer vor ihnen steht, finden sie sich plötzlich am Ende der Schlange wieder. Genauso fühlt sich das gerade für mich an. Ich lasse seufzend meinen Kopf auf den Tisch sinken.

Eine gefühlte, sehr quälende Ewigkeit später ist es endlich so weit. Mehmet Sükan läuft mit seinem Zeugnis in der Hand grinsend an mir vorbei. Alles klar, der hat keinen Zwillingsbruder, jetzt müsste ich eigentlich dran sein.

»Von Turbsnatas, Vit…«, ruft der Holzapfel, aber da bin ich schon aufgesprungen und habe mit meinem Hintern den Stuhl umgerissen. Ich flitze nach vorne und strecke ihm meine offene Hand entgegen.

»Na, da hat es aber jemand sehr eilig«, sagt der Holzapfel und grinst mich an. »Geht’s dir gut, Vitus? Kann ich irgendwas für dich tun?«

»Ja«, brumme ich ungeduldig. »Sie können mir mein Zeugnis geben. Davon hängt nämlich sehr stark ab, wie es mir gleich geht.«

»Ach, stimmt ja«, sagt der Holzapfel weiter grinsend. »Du weißt ja noch gar nicht, ob du versetzt wirst. Eins kann ich dir verraten: Das war eine sehr lange und hitzige Diskussion gestern auf der Lehrerkonferenz. Vor allem einer der Kollegen hat sich vehement dafür ausgesprochen, dass du die Klasse wiederholst.«

Aha. Ich glaube, ich weiß, wer das war. Okay, eigentlich kann es jeder gewesen sein, ich bin in allen Fächern schlecht. Aber ich tippe doch stark auf den Weinbockel, unseren Geografielehrer. Bei dem ist irgendwie alles, was ich sage, falsch. Was natürlich daran liegt, dass meine Antworten auf seine Fragen tatsächlich nie stimmen. Aber das hat einen Grund. Ich kann das alles nicht in meinem Kopf behalten, es ist zu viel. Woher soll ich denn wissen, ob Budapest ein Fluss, ein Berg, ein Land, eine fiese Krankheit oder eine Stadt ist? Bei uns unten gibt es keine Länder, keine Städte, da heißt einfach alles Hölle. Und wir haben nur einen einzigen Fluss, der heißt Styx, das kann man sich locker merken. Hier oben gibt es hundert Milliarden Flüsse und Berge und Städte und was weiß ich noch, deshalb verwechsle ich immer alles, und darum hat der blöde Weinbockel mich so auf dem Kieker. Was er davon hätte, wenn ich sitzen bleibe, weiß ich allerdings nicht – selbst wenn ich diese blöde Geografie zehn Jahre lang wiederholen müsste, ich würde trotzdem alles vergessen.

»Ich habe mich aber sehr für dich eingesetzt, Vitus«, fährt der Holzapfel fort. »Du hast in den vergangenen Wochen enorme Fortschritte gemacht, damit hat niemand gerechnet, zuallerletzt ich. Vor nicht einmal zwei Monaten hätte ich mein gesamtes Hab und Gut darauf verwettet, dass du sitzen bleibst. Zum Glück wollte aber niemand gegen mich wetten.«

Er zwinkert mir zu und drückt mir das Zeugnis in die Hand.

»Herzlichen Glückwunsch, Vitus«, sagt er lächelnd. »Wir sehen uns im nächsten Schuljahr wieder regelmäßig.«

Wie bitte, was? Ist das sein Ernst? Das glaube ich erst, wenn ich es schriftlich sehe. Meine Augen überfliegen das Zeugnis. Da sind sehr viele Vieren zu sehen. Und eine Fünf. In Geografie. Aber das ist die einzige Fünf. Und dort unten steht es, das Wort, auf das ich so sehr gehofft habe. Da steht: Versetzt!

»HUNDERTTAUSEND HEULENDE HÖLLENHUNDE!«, entfährt mir ein Freudenschrei. »ICH BIN VERSETZT, GUSTAV! AARON! ICH BIN TATSÄCHLICH VERSETZT!«

Die beiden stehen auf, ich stürme auf sie zu und drücke sie fest an mich.

»Danke, ihr zwei!«, sage ich. »Ohne euch hätte ich das nie geschafft!«

»Ach, wir haben dich doch nur ein bisschen unterstützt«, sagt Aaron. »Die Hauptarbeit hast du ganz allein geleistet. Geleistet.«

»Ja«, sagt Gustav. »Du kannst echt sehr stolz auf dich sein.«

»Bin ich auch!«, sage ich. »Und das ist ein ganz, ganz tolles Gefühl! Aber ohne eure Hilfe und vor allem eure Geduld wäre das nie etwas geworden! Ihr habt so viel Zeit für mich geopfert, das vergesse ich euch nie!«

»Ach ja, stimmt, die viele Zeit, die wir geopfert haben«, sagt Gustav. »Das hätte ich ja fast vergessen. Die muss im Erfolgsfall ja bezahlt werden. Weißt du, wie viele Stunden das insgesamt waren, Aaron?«

»Natürlich weiß ich das«, antwortet Aaron. »Wir haben insgesamt 187,34 Stunden damit verbracht, ihm zu helfen. Zu helfen.«

»Ach, doch so wenig?«, wundert sich Gustav. »Ich dachte, es wäre mehr gewesen. Aber gut, dann runden wir auf 190 Stunden auf und kriegen … Moment, ich muss rechnen … Vier im Sinn … Du schuldest uns exakt … jeweils ein Eis in Holland!«

Die beiden lachen und ich kapiere jetzt erst, dass sie mich veräppelt haben.

»Ein Eis nur?«, erwidere ich lachend. »Ihr kriegt von mir so viel Eis, bis ihr platzt! ICH BIN VERSETZT! ICH BIN VERSETZT!«

Ich umklammere die beiden und hüpfe mit ihnen auf der Stelle auf und ab.

»Hey, ihr drei!«, ruft der Holzapfel lachend. »Ich freue mich ja immer, wenn sich jemand über sein Zeugnis freut. Aber noch sind keine Ferien. Bitte setzt euch wieder. Außer Gustav, der ist nämlich jetzt dran.«

Aaron und ich setzen uns und warten, bis Gustav mit seinem Zeugnis zurückkommt.

»Und, bist du zufrieden? Zufrieden?«, fragt Aaron.

»Na ja, es geht so, ich bin fast überall ein bisschen schlechter geworden als letztes Jahr«, antwortet Gustav und senkt seine Stimme. »Aber das war zu erwarten. Schließlich habe ich mich letztes Jahr noch nicht in der Hölle, in Parallelwelten und auf Zeitreisen herumgetrieben. Und ich musste mich auch noch nicht mit irgendwelchen Dämonen herumschlagen. Ich schätze mal, das hat mich dann doch ein bisschen von der Schule abgelenkt.«

»Dann ist es also meine Schuld, dass du schlechter geworden bist«, sage ich leise. »Das tut mir leid, das wollte ich nicht.«

»Das ist nicht schlimm«, sagt Gustav. »Unsere Freundschaft ist tausendmal mehr wert als ein gutes Zeugnis. Und bei all unseren Abenteuern hätten mir bessere Noten ganz sicher auch nicht weitergeholfen.«

Uff. Das erleichtert mich jetzt aber sehr, dass er mir nicht böse ist. Die meisten anderen hätten mir wahrscheinlich längst die Freundschaft gekündigt, wenn ich sie ständig in Gefahr gebracht hätte und ihr Zeugnis deshalb schlechter wäre. Ich habe wirklich verdammt viel Glück mit meinen Freunden.

»Was ist mit dir, Aaron?«, frage ich. »Ist dein Zeugnis auch schlechter geworden?«

»Nein, im Gegenteil«, antwortet Aaron. »Ich habe dieses Jahr sogar eine Eins mehr, in Sport. Meine Eltern hatten mich ja immer vom Sportunterricht befreit, weil sie Angst hatten, mit meinem Gehirn stimme etwas nicht. Bis Auribus dafür gesorgt hat, dass die Ärzte mein Gehirn völlig in Ordnung fanden. Und jetzt darf ich bei Sport wieder mitmachen und habe eine zusätzliche Eins gekriegt. Das ändert zwar nichts an meinem Einser-Durchschnitt, freut mich aber trotzdem. Trotzdem.«

»Sehr cool«, sagt Gustav. »Das bedeutet, dass wir alle zufrieden mit unseren Zeugnissen sind und nachher ganz entspannt nach Hölland fahren können.«

Holland. Es heißt eigentlich Holland. Das weiß mittlerweile sogar ich. Am Anfang konnte ich mir das aber wieder nicht merken und habe immer Hölland gesagt, weil mich der Name eben an die Hölle erinnert hat. Und weil die anderen das lustig fanden, sagen wir jetzt alle nur noch Hölland. Ich hoffe nur, dass das kein böses Omen ist – wir wollen nämlich in den Ferien möglichst nichts Höllisches erleben.

»Wann geht es los?«, frage ich. »Deine Eltern kommen um zwölf, hast du gesagt, oder?«

»Ja«, antwortet Gustav. »Habt ihr schon alles gepackt?«

Öh … Ich glaube, ja. Ich habe einfach ein paar T-Shirts und Unterhosen in den großen Rucksack gestopft, den ich letzte Woche mit Lilly zusammen unten im Dorf besorgt habe. Und einen Schlafsack haben wir auch gekauft. Da wusste ich zuerst nicht, was genau das sein soll, ein Schlafsack. Aber dann habe ich festgestellt, dass es so was bei uns unten auch gibt, da heißen die Dinger aber Wurstwickel. Die sind innen mit Stacheldraht genäht und da werden bei uns die Grausigen Grapscher in Abteilung 16 reingestopft und verkehrt herum an die Decke gehängt. Das sind diese widerlichen Typen, die hier oben vor allem Frauen, ohne zu fragen, an den Hintern grapschen. Die hängen dann einfach so rum und direkt vor ihren Augen laufen ständig Dämonen mit besonders hübschen Hintern vorbei, und jedes Mal wenn ihre Hände zucken, ziehen sich die Wurstwickel enger zusammen. Diese Schlafsäcke hier oben machen das aber nicht. Zumindest hat das Lilly gesagt, nachdem sie sich erst mal wegen meiner Frage gründlich schlappgelacht hat.

»Also, ich habe meinen Schlafsack und ein paar Klamotten eingepackt«, beantworte ich Gustavs Frage. »Brauche ich sonst noch etwas?«

»Na ja«, sagt Gustav. »Ein Kulturbeutel wäre nicht schlecht. Hast du einen Kulturbeutel?«

Ein Kulturbeutel? Was ist das denn jetzt schon wieder? Was Kultur ist, weiß ich. Das ist alles, was mit Kunst zu tun hat. Also, Theater und Konzerte und solche Sachen, das nennt man Kultur. Aber so ein Konzert passt doch nicht in einen Beutel, oder? Ach ja, Bücher gehören auch dazu, glaube ich. Vielleicht meint Gustav ja das. Aber ich bin doch nicht bescheuert und nehme Bücher mit in die Ferien. Von Büchern habe ich nach der ganzen Lernerei erst mal die Schnauze voll. Ein paar Comics werde ich mitnehmen, da macht das Lesen wenigstens Spaß. Sind Comics auch Kultur? Brauche ich dafür extra einen Beutel?

»Ach, ich nehme nur ein paar Comics mit«, sage ich. »Die stecke ich in meinen Rucksack, das geht schon.«

»Kann es sein, dass du nicht weißt, was ein Kulturbeutel ist?«, fragt Gustav kichernd. »Das hat mit Comics nämlich nichts zu tun.«

»Na, aber was soll denn da sonst rein?«, frage ich. »Ich will sonst keine Kultur mitnehmen.«

»Die Bezeichnung Kulturbeutel stammt vom Begriff Körperkultur«, erklärt Aaron. »Da kommen deine Hygieneartikel rein, deine Zahnbürste, Zahnpasta, Duschgel und solche Sachen. Sachen.«

»Was, das soll ich alles mitschleppen?«, frage ich. »Ich dachte, es sind Ferien. Muss man da etwa auch duschen und sauber sein und gut riechen und der ganze Quatsch?«

»Wenn du willst, dass deine Reisebegleiter die Ferien auch genießen können, ja«, sagt Gustav grinsend.

»Ich kann dir einen Kulturbeutel leihen«, sagt Aaron. »Meine Eltern haben mir für jeden Krankenhausaufenthalt einen neuen geschenkt, ich besitze insgesamt dreiundzwanzig Exemplare in allen möglichen Größen. Größen.«

»Na gut«, sage ich seufzend. »Wenn es unbedingt sein muss, nehme ich eben so einen blöden Kulturbeutel mit. Sonst noch was?«

»Badehose hast du eingepackt?«, fragt Gustav.

Ich nicke.

»Dann solltest du eigentlich alles …«, sagt Gustav, wird aber von Holzapfel unterbrochen.

»So, wir sind durch!«, ruft er. »Ich hoffe, ihr seid alle zufrieden mit euren Zeugnissen. Ich freue mich jedenfalls sehr, dass kein Einziger von euch sitzen geblieben ist und ich euch alle im nächsten Schuljahr wiedersehen werde. Bis dahin wünsche ich euch wunderschöne Ferien! Habt eine tolle Zeit und ganz viel Spaß!«

Oh ja, das werden wir ganz sicher. Ich meine, ich fahre mit meinen beiden besten Freunden und meiner Schwester nach Hölland zum Campen – was sollte denn da keinen Spaß machen?

Irgendwas Wuscheliges