Lying to you - Casey Stone - E-Book

Lying to you E-Book

Casey Stone

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Beschreibung

Ex-Rennfahrer Dean Michaels liebt die Geschwindigkeit, jedoch wird sein Privatleben ausschließlich von rasanter Langeweile bestimmt. Frustriert und hoffnungslos spielt er sogar mit Selbstmordgedanken. Dabei wünscht er sich nichts sehnlicher, als seine Leidenschaft leben zu können. Seine beste Freundin Nicky hat Mühe, ihn bei Laune zu halten und wiederaufzubauen, bis Deans Glück auf einer Party wieder Fahrt aufnimmt - dank einer auf den ersten Blick unscheinbaren Frau, die alles gehörig durcheinanderwirbelt. Doch was hat die mysteriöse Unbekannte zu verbergen und ist Deans Kampf um Anerkennung zum Scheitern verurteilt? Rasante Action, witzige Sprüche, emotionale Wendungen und heiße Szenen zu einem Randthema mitten aus unserer Gesellschaft. Lying to you ...

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Lying to you

Liebesroman von Casey Stone

Hinweis:Dieser Roman ist die Mann/Frau Version meines 4. Romans Speed, Lies, Recognition aus der Female Lovestories Reihe.

Dies ist ein fiktiver Roman. Orte, Events, Markennamen und Organisationen werden in einem fiktiven Zusammenhang verwendet. Alle Handlungen und Personen sind frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen und Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.

© Casey Stone

Januar 2017/Oktober 2019

Impressum:

Casey-Stone.com

Wiesengrund 6

17207 Röbel/Müritz

Ebook ISBN: 9783748180814

Lektorat & Korrektorat: Buchstabensalat & Wortzauber

Korrekturleserin: Sunny

Covergestaltung: Art for your Book by Sabrina Dahlenburg

Alle Rechte vorbehalten.

Kurzbeschreibung:Ex-Rennfahrer Dean Michaels liebt die Geschwindigkeit, jedoch wird sein Privatleben ausschließlich von rasanter Langeweile bestimmt. Frustriert und hoffnungslos spielt er sogar mit Selbstmordgedanken. Dabei wünscht er sich nichts sehnlicher, als seine Leidenschaft leben zu können. Seine beste Freundin Nicky hat Mühe, ihn bei Laune zu halten und wiederaufzubauen, bis Deans Glück auf einer Party wieder Fahrt aufnimmt – dank einer auf den ersten Blick unscheinbaren Frau, die alles gehörig durcheinanderwirbelt. Doch was hat die mysteriöse Unbekannte zu verbergen und ist Deans Kampf um Anerkennung zum Scheitern verurteilt?

Rasante Action, witzige Sprüche, emotionale Wendungen und heiße Szenen zu einem Randthema mitten aus unserer Gesellschaft. Lying to you ...

Prolog

»Nur noch die letzte Kurve, dann schreibt Michaels Geschichte, Ladies and Gentlemen. Jimmy Byrnes ist dran, er will den Sieg, doch dafür muss er hart kämpfen und so langsam geht ihm die Straße aus. Ein Herzschlagfinale bei der 99. Austragung des Indianapolis 500 Rennen. Gleich ist es vorbei und es sieht danach aus, als könnte Dean Michaels aus Lake Arrowhead - Kalifornien – seinen ersten Sieg auf dieser legendären Strecke einfahren.

Das letzte Mal geht es über die Start- und Zielgerade; Byrnes klebt seinem Konkurrenten am Heck, aber was ist das ...? Oh mein Gott! Byrnes touchiert den Wagen von Michaels, er kommt bei mehr als 200 Meilen ins Schleudern, verliert die Kontrolle ... ein spektakuläres Fotofinish, sehr verehrte Zuschauer, schauen Sie sich das an!

Es ist unglaublich, der dreißigjährige Dean Michaels dreht sich vor seinem ärgsten Rivalen, Jimmy Byrnes, über die Ziellinie! Er kann den Wagen nicht mehr abfangen und schlägt heftig in die Streckenbegrenzung ein. Der Albtraum eines jeden Rennfahrers, der Horrorcrash. Gott steh ihm bei, das sieht böse aus ...«

Dean Michaels | Lake Arrowhead – KalifornienWas für eine beschissene Nacht, ich hätte noch mehr trinken sollen, um endlich wieder durchschlafen zu können. Beim Blick in den Rückspiegel sehe ich nur mein zerzaustes Haar, doch das ist mir im Moment egal. Ich habe Hunger und keinen Bock zu kochen; und genau aus diesem Grund fahre ich jetzt zu Slater’s 50/50, dem besten Burger-Restaurant, das ich kenne.

Mit quietschenden Reifen verlasse ich die Einfahrt meines Anwesens und düse durch San Bernardino County, bis runter zum Highway. Kurz vor der Auffahrt halte ich an meiner Lieblingstankstelle beim alten Tony an. Ein netter älterer Herr, der immer gut gelaunt ist und sich rührend um seine Kunden kümmert. Er hat mich bereits kommen sehen und steht schon an der Zapfsäule bereit.

»Guten Morgen, mein Lieber«, begrüßt er mich mit einem Lächeln durch das geöffnete Fenster der Beifahrerseite.

»Morgen Tony. Geht es dir gut?«

»Mir geht es sehr gut, wenn Stammkunden wie du mich am frühen Morgen beehren. Wie immer?«

»Ja, das wäre klasse.«

»Bleib sitzen, ich kümmere mich um alles«, sagt er und schon steckt der Tankstutzen in meinem Wagen. Tony putzt mit Freude die Scheiben und genießt den Anblick meines Sportwagens. Wenn seine Frau das mitbekommt, schimpft sie wieder mit ihm, weil sie glaubt, er würde mir diesen Flitzer eines Tages abkaufen wollen. Und als hätte sie meine Gedanken gehört, kommt sie aus dem kleinen Tankstellenshop, den die beiden hier betreiben.

»Verhandelst du schon wieder über Dinge, die du dir nicht leisten kannst, Tony?«, schallt es ins Wageninnere.

»Ja, ja«, antwortet ihr Mann genervt.

»Guten Morgen, Dean. Wie geht es dir heute?«, fragt sie. Im gleichen Zug reicht sie mir einen Kaffee durchs Fenster.

»Morgen Vicki. Schlecht geschlafen, aber das ist ja nichts Neues. Danke dir für den Kaffee.«

»Gerne, mein Junge. Lass ihn dir schmecken und sorge bitte dafür, dass Tony deinen Wagen nicht zu lange hätschelt, er fängt schon wieder an zu sabbern«, meint sie mit einem zarten Lächeln. Ich muss lachen, weil sie anscheinend weiß, dass ihr Gatte nicht wegen mir so gut gelaunt ist.

»Keine Sorge, Vicki, ich habe es eilig und bin gleich wieder weg.« Sie mustert mich mit skeptischen Blick, traut sich offensichtlich aber nicht zu fragen, wo ich in Jogginghose und Hoodie so dringend hin muss.

»Mach dir einen schönen Tag und pass auf dich auf«, sagt sie stattdessen, winkt mir zu und kehrt in ihren kleinen Laden zurück.

»Fertig, Dean«, meldet sich Tony nach einer Extrarunde um meine Corvette.

»Was bekommst du?« Er schaut rüber zur Zapfsäule und nennt mir den Preis für den Sprit.

»Stimmt so und sag Vicki nochmals danke für den Kaffee. Bei euch trinke ich ihn am liebsten.«

»Mache ich. Tust du mir noch einen Gefallen?« Ich weiß, was jetzt kommt und nicke, denn dazu braucht es keine weiteren Worte. Nachdem ich mich verabschiedet habe, drücke ich auf den Spaßmodusknopf am Armaturenbrett und gebe so viel Gas, dass die Reifen qualmen. Tonys breites Grinsen kann ich noch im Rückspiegel sehen. Er freut sich jedes Mal, wenn ich wieder mit meiner Rakete bei ihm vorbeischaue.

Mein Magen knurrt und jetzt wird es höchste Zeit. Nur Kaffee reicht mir nicht, ich brauche was zwischen die Zähne. Also ab auf den Highway und ordentlich Gas gegeben. Sonntagmorgens ist noch nichts los und vielleicht knacke ich meinen eigenen Rekord bis zum Slater’s.

Auf dem ersten Stück schaffe ich es bis auf 180 Meilen pro Stunde. Dabei wird mein Wagen gerade erst richtig warm. Langsam fahren ist was für Schnarchnasen. Ich brauche Speed, sonst langweile ich mich schnell. Sobald ich am Drive-in-Schalter bin, werde ich mir eine riesige Portion Burger bestellen und es mir gut gehen lassen.

Kurz bevor ich mein Ziel erreiche und langsamer mache, taucht in meinem Rückspiegel ein Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht auf. Fuck, darauf habe ich jetzt überhaupt keine Lust! Das verzögert die Nahrungsaufnahme und sowas lässt mich echt pissig werden. Sie wollten mir letzten Monat schon den Führerschein wegnehmen, allerdings konnte mich mein Anwalt aus der Scheiße rausholen und es gab bloß eine Verwarnung. Sicherlich ist das wieder nur ein Kerl, der noch nie eine Corvette Stingray gesehen hat und seine Marke missbraucht, um mal wieder einen ordentlichen Ständer zu kriegen. Mit diesem Gedanken halte ich auf dem Seitenstreifen, lasse die Scheibe hinunter und lege die Hände auf das Lenkrad. Wie ich erwartet habe, steht Augenblicke später dieser Cop neben mir. Allerdings ist es eine Frau.

»Guten Morgen, Mr. Sie wissen, warum ich Sie anhalte?«, möchte sie von mir wissen und klingt dabei sehr höflich. Ich schaue über meine Sonnenbrille hinweg zu ihr hinaus und schüttele den Kopf.

»Keine Ahnung. Vielleicht weil Sie sich meinen Wagen anschauen wollen?« Sie lächelt und schüttelt wiederum den Kopf. Auf der Beifahrerseite klopft jemand an meine Scheibe. Da steht ein zweiter Cop und blickt zu mir in den Wagen.

»Würden Sie freundlicherweise für meinen Kollegen die Scheibe herunterlassen?« Ist das ihr Ernst? Haben die neue Vorschriften oder so? Ich habe keinen Bock auf Stress, will nur noch zu Slater’s und meinen Magen füllen, also drücke ich den Knopf für das Fenster, damit der Polizist sich besser umsehen kann.

»Gut so?«

»Vielen Dank, Mr. Weshalb wir Sie angehalten haben; Sie waren etwas zu schnell unterwegs. Ich möchte gerne Ihren Führerschein und die Fahrzeugpapiere sehen«, bittet sie mich wieder höflich. Mit der sollte ich es mir nicht verscherzen, die scheint gut gelaunt zu sein. Unter den wachsamen Augen von Mr. Cop hole ich meine Papiere heraus und reiche sie durch das Fenster nach draußen.

»Hände schön wieder aufs Lenkrad«, erklingt es von der Seite. Der ist, anders als seine Kollegin, nicht gut drauf.

»In Ordnung, Mr. Michaels. Die Papiere passen, aber ich müsste Sie bitten, uns zum Department zu folgen.«

»Ähm, wieso? Das waren doch sicher nur ein paar Meilen zu schnell. Ich zahle das Ticket jetzt gleich und dann ist es erledigt.«

»Sie waren 40 Meilen zu schnell, Freundchen«, knurrt es zu mir in den Wagen.

»Entspann dich, Bobby, ich regele das mit Mr. Michaels«, sagt Officer Gute Laune zu ihrem Kollegen Miesepeter. Ich fühle mich wie in einem dieser Filme, wo sie guter Cop – böser Cop spielen.

»Ich kann Sie so leider nicht einfach fahren lassen. Ihre Papiere bekommen Sie im Department zurück. Bitte folgen Sie uns einfach«, lautet die freundliche, aber klare Ansage der Polizistin, die sich neben meinen Wagen gehockt hat. In ihrem Gesicht kann ich ein leichtes Lächeln sehen und auch wenn ich echt genervt bin, sollte ich tun, was sie sagt, dann ist es hoffentlich schnell vorbei. Mein Magen legt laut grummelnd sein Veto ein, muss jetzt aber noch warten.

»Okay«, antworte ich knapp.

»Haben Sie jemanden, der Sie abholen kann, Mr. Michaels?«

»Wieso, wozu ist das nötig?« Boah, was soll das jetzt? Sehe ich so aus, als bräuchte ich mit 31 noch einen Babysitter?

»Nicht nötig, Officer, ich kann selbst nach Hause fahren.«

»Lassen Sie uns das im Department klären«, meint sie. Ich verstehe nicht ganz, was das jetzt soll, aber okay. Ich halte mich brav an die Anweisung, auch wenn mir danach wäre, einfach Gas zu geben und die Kurve zu kratzen. Der Highway ist kaum befahren, die würden mich mit ihren untermotorisierten Streifenwagen niemals kriegen, wäre da nicht das Thema mit meinen Papieren.

Ich beobachte im Rückspiegel, wie die beiden Cops in ihren Wagen einsteigen. Nachdem sie an mir vorbeigefahren sind, warte ich noch ein paar Sekunden und gebe Gas. Machen wir es wie die Sonntagsfahrer und tuckern im Schneckentempo über die Straße – hinter den Cops her. Ich frage mich, wieso ich heute überhaupt das Bett beziehungsweise die Couch verlassen habe.

Zwei Stunden später hänge ich in irgendeinem Büro herum und warte auf meine beste Freundin Nicky. Ich wollte sie nicht anrufen, aber die Cops haben meinen Wagen beschlagnahmt. Die Begründung dafür lautete so viel wie diverse Mängel. Keine Ahnung, was denen nicht passt, aber an diesem Wagen ist alles korrekt.

Nicky ist eine klasse Frau und ich bin ihr sehr dankbar, dass sie kommt und mich abholt. Hoffentlich hält sie mir keine Predigt, warum ich mich am Wochenende mit den Cops herumschlage. Officer Sharp, wie sie sich vorgestellt hat, war weiterhin sehr nett, was man von ihrem Kollegen nicht behaupten kann. Der mag mich aus unerfindlichen Gründen nicht. Als Nicky von ihm ins Büro gebracht wird, verdreht sie zuerst ihre Augen.

»Dean, was hast du jetzt schon wieder angestellt?«, fragt sie vorwurfsvoll.

»Was heißt hier schon wieder? Ich wollte zu Slater’s, weil ich Hunger hatte, mehr nicht«, versuche ich mich zu verteidigen.

»Und so wie ich dich kenne, warst du mit dem Bleifuß unterwegs, richtig?« Dazu sage ich nichts, denn dann würde ich mich nur selbst belasten – mal davon abgesehen, dass diese Redewendung bei mir nicht zutrifft. Sie bitten sie neben mir Platz zu nehmen. Officer Sharp bedankt sich bei ihrem Kollegen, der daraufhin das Büro verlässt. Ist mir auch ganz recht, der macht mich nur nervös.

»Was wird ihm zur Last gelegt?«, kommt Nicky direkt zur Sache. Sie kann das, schließlich hat sie Jura studiert und in rechtlichen Themen berät sie mich immer hervorragend. Von denen gab es in letzter Zeit genügend. Vielleicht fragte sie auch deshalb, was ich schon wieder angestellt habe.

»Nun, Ms. ... wie ist ihr Name?«

»Nicky Lambert, Officer Sharp.«

»In Ordnung, Ms. Lambert. Mr. Michaels ist ein klein wenig zu schnell gefahren.« Nicky schaut mich an und grinst.

»Du warst mit der Rakete unterwegs?«

»Ja, der nächste Slater’s ist in Rancho Cucamonga, das weißt du doch.« Schnaufend stützt sie sich an ihrem Stuhl ab, um mich eindringlich anzusehen.

»Du fährst 50 Meilen, nur für einen Burger?«

»Und, was ist dein Problem? Der Wagen muss auch mal bewegt werden.«

»Dean ...«, sie kann sich ihr Lachen nicht mehr verkneifen. »Du hättest einfach nur anrufen müssen, dann wäre ich zu dir gekommen und mit dir gefahren.«

»Darf ich jetzt etwa nicht mehr allein unterwegs sein? Und wieso sollte ich dich morgens um acht Uhr aus dem Bett klingeln?«

»Ich unterbreche Sie nur ungern«, mischt sich der Officer ein. »Die Geschwindigkeitsübertretung ist nicht das Problem. Mr. Michaels ist schwerstbehindert und hat an seinem Fahrzeug keinerlei Kennzeichnung. Außerdem war er ohne Rollstuhl unterwegs.« Dankeschön, Officer Arsch, denke ich mir. Genau diese Scheiße nervt mich so unendlich. Allein bei dem Wort schwerstbehindert schwillt mir der Kamm! Ich kann die ganze Kacke nicht mehr hören. Sie müssen dies, Sie müssen jenes. Leckt mich doch alle am Arsch!

»Ich kann nicht laufen, das ist richtig, aber ich kann Autofahren, oder haben Sie die Schaltwippen an meinem Lenkrad für Gas und Bremse nicht gesehen?«

»Die habe ich schon bemerkt, Mr. Michaels, trotzdem müssen Sie eine Kennzeichnung am Wagen haben. Sollten Sie in einen Unfall verwickelt werden, kann das folgenschwere Konsequenzen für Sie haben«, belehrt mich der Cop.

»Ich weiß, wie das ist, und brauche dazu keine Aufklärung«, knurre ich angefressen. Nicky streicht mir zeitgleich über die Schulter, um mich so zu beruhigen.

»Wissen Sie, wie beschissen dieses blaue Fuck-Zeichen an der Windschutzscheibe oder auf dem Nummernschild eines Sportwagens aussieht?«

»Beruhigen Sie sich, Mr. Michaels. Ich kann Sie sehr gut verstehen ...«

»Nein, können Sie nicht. Ich möchte wie jeder andere behandelt werden. Was ist daran zu viel verlangt?«, falle ich ihr ins Wort. Sie ist definitiv kein guter Cop mehr, also nicht in meinen Augen. Erst war sie cool, aber jetzt fuckt sie mich ab.

»Dean, komm runter!«, meldet Nicky sich zu Wort. »Warum fährst du ohne deinen Rollstuhl einfach so los? Wo ist der überhaupt?«

»Der steht in der Garage und hat nicht in den Wagen gepasst. Am Drive-in muss ich nicht aussteigen, wozu brauche ich also das Ding dann? Übrigens danke, dass du mir hier in den Rücken fällst, FREUNDIN!« Natürlich hätte er ins Auto gepasst, aber wen interessiert’s?

»Hey, jetzt maul mich nicht an. Ich bin hier, um dir zu helfen. Entschuldigen Sie, Officer Sharp, Er tut sich damit noch schwer«, rechtfertigt sie meinen Ausbruch.

»Schon okay, Ms. Lambert. Der Strafzettel beläuft sich auf 500 Dollar und den Wagen müssen wir hierbehalten, bis er entsprechend gekennzeichnet ist. Kommt Mr. Michaels dieser Aufforderung nicht nach, droht ein weiteres Bußgeld.« Jaja, die mit ihrem scheiß Knöllchenwahnsinn.

»Dann stellen Sie mir gleich eines aus, ich zahle gerne die nächsten fünf Jahre im Voraus«, werfe ich genervt ein.

»Dean, jetzt halt endlich deine vorlaute Klappe, ich regele das«, weist mich meine beste Freundin zurecht. Sie verhandelt mit Officer Sharp meine Kapitulation, die folgendermaßen aussieht: Nicky fährt die Corvette jetzt zurück und ich werde das Ding nicht mehr bewegen, bis dieses dämliche Zeichen an der Scheibe klebt. Was mir dabei Sorge macht ist, dass Nicky zwar einen Führerschein hat, aber fast nie Auto fährt. Sie hat selbst keines und kommt nach eigener Aussage mit den öffentlichen Verkehrsmitteln überall hin. Wenn ich von Lake Arrowhead mit dem Bus zu ihr nach Downtown L.A. fahren würde, wäre ich vermutlich zwei Tage unterwegs. Da fahre ich doch lieber selbst.

»Einverstanden, Ms. Lambert. Wir werden das in den kommenden Tagen unangemeldet überprüfen. Sind Sie damit einverstanden, Mr. Michaels?«

»Bitte was?«, frage ich, weil ich mittendrin gedanklich abgeschaltet habe.

»Ms. Lambert fährt Sie zurück nach Hause und wir besuchen Sie in den nächsten Tagen unangemeldet, um die Kennzeichnung an ihrem Fahrzeug zu überprüfen.«

»Meinetwegen! Können wir jetzt endlich los? Ich habe verdammt großen Hunger.« Officer Sharp lässt mich irgendeinen Wisch unterschreiben und sagt, sie würde uns noch nach draußen begleiten. Die haben nur Angst, dass ich ihren verfickten Rollstuhl – den sie mir unter den Arsch geklemmt haben – kidnappe. Niemals würde ich diesen Klotz aus Eisen und Leder, in dem ich mir wie ein Idiot vorkomme, gegen meinen ultraleichten Carbon-Rolli eintauschen. Anfangs hasste ich die Spezialanfertigung der Firma Sun-Med, bis ich zum ersten Mal nach dem Crash meinen Sportflitzer fahren wollte. Dadurch dass mein Beinersatz keine neun Kilogramm wiegt und auf das Nötigste beschränkt ist, kann ich ihn mit Leichtigkeit hinter meinem vorgezogenen Sitz verstauen. Wäre ich zehn Zentimeter größer, hätte ich meinen Wagen nie wieder fahren können, oder zumindest nur auf kurzen Strecken, deren Start- und Zielpunkt die heimische Garage wäre.

Nachdem ich mein Ticket für eine popelige Raserei beglichen habe, rolle ich nach draußen.

»Ich mach das«, bedeutet Nicky mir.

»Finger weg, untersteht dich!«, warne ich sie und lehne ihre Hilfe, mich zu schieben, rigoros ab. Wenn ich doch so verdammt bedauernswert bin, lasst mich einfach in Ruhe, ich kutschiere mich dann lieber selbst durch die Gegend. Officer Sharp übergibt ihr meinen Wagenschlüssel, ich öffne die Beifahrertür und krieche unter den Augen der beiden hinein. Ist doch ganz leicht, fast so, als würde einer von ihnen einsteigen. Weil Nicky sich Zeit lässt, winke ich. Wenn ich nicht gleich meinen Burger kriege, bin ich für den Rest des Tages ungenießbar und das heißt bei mir schweigen, bis es dunkel wird.

Nicky übergibt den Rollstuhl an den Cop und steigt endlich ein. Sie grinst mich von der Seite an, was ich im Augenwinkel sehe, aber ignoriere, denn dafür bin ich zu sauer.

»Muss ich irgendetwas beachten?«, fragt sie vorsichtig nach.

»Nein, du kannst die Pedale benutzen oder die Schaltwippen am Lenkrad. Rechts Gas, links Bremse, such es dir aus und mach bloß nichts kaputt«, warne ich, ohne sie anzusehen.

»Hey, warum bist du eigentlich so scheiße drauf?« Jetzt geht die blöde Fragerei weiter, ich könnte im Strahl kotzen!

»Das fragst du noch?«, maule ich sie wütend an. »Officer Arsch hat mich wie einen Rentner behandelt, ihr Kollege geilte sich daran auf, mir alle möglichen Verstöße vorzuhalten, und du kommst hierher, um mir dann in den Rücken zu fallen. Mein Magen knurrt seit gefühlten drei Tagen, ich habe noch nicht geduscht und die Nacht war nicht anders als die letzten 365 davor.« War die Liste der beschissenen Dinge an diesem Tag damit lang genug? Für Nicky anscheinend nicht, sie zieht es vor genau das zu tun, wovor ich Bammel hatte – mir eine fette Standpauke zu halten.

»Dean, es war ein Unfall, akzeptiere es ...«

»Dieser Wichser Byrnes wollte mich um den Sieg bringen und hat mir mit Absicht den Hinterreifen aufgeschlitzt«, falle ich meiner besten Freundin ins Wort. Das Indy 500 – heute genau vor einem Jahr - war das beste und zeitgleich das schlechteste Rennen meiner noch so jungen Rennfahrer-Karriere.

»Du unterstellst ihm Absicht, dabei haben seine Telemetrie-Daten etwas anderes ergeben. Er hatte in deinem Windschatten zu viel Geschwindigkeitsüberschuss, ging vom Gas und versuchte einen Zusammenprall zu vermeiden. Außerdem bemüht er sich seit einem Jahr darum, sich bei dir persönlich zu entschuldigen.«

»Ist mir egal! Wenn der Penner mir gegenübersteht, zerquetsche ich ihm seine verfickten Eier!« Nicky packt mich an der Schulter, doch das will ich nicht und schüttele ihre Hand ab.

»Dieser Sieg war großartig, du hast wie ein Löwe gekämpft und eines der berühmtesten Rennen der Welt gewonnen. Dean, du hast Geschichte geschrieben!«

»Und, was nützt mir das?«, frage ich verzweifelt.

»Süßer, ich weiß, dass du am Boden bist und auch fünf Millionen Dollar Siegprämie nicht genug sind, damit du wieder laufen kannst. Tu mir einfach einen Gefallen. Du warst früher so ein fröhlicher Mensch, hast dich von vielem anstecken und mitreißen lassen, doch seit dieser Sache verkriechst du dich immer mehr. Du bist nicht allein und du darfst vor allem nicht immer gleich denken, dass alle Menschen dich bemitleiden. Sie sind aufmerksam und wollen helfen«, redet sie ununterbrochen auf mich ein. Das Schlimme ist, ich weiß, sie hat recht. Ich bin von dieser ganzen sentimentalen Scheiße nur noch genervt. Überall, wo ich hinkomme, glotzen mich die Menschen komisch an, tuscheln hinter vorgehaltener Hand, doch das Allerschlimmste von allem ist, dass ich keine Rennen mehr fahren kann. Das war es, wofür ich geboren wurde. Schon mein Grandpa prophezeite mir an seinem Sterbebett eine Karriere als berühmter Rennfahrer. Das bin ich heute, allerdings eine traurige Berühmtheit, ein Mann der querschnittsgelähmt ist und einsam in seiner Millionenvilla versauert. Mein Leben ist vorbei, würde nur endlich jemand kommen und mich erlösen.

»Alle wollen nur helfen, aber wenn ich von einer Brücke springen will, ist niemand da. So viel zu diesem Thema«, schnaufe ich. Ich kann nicht mehr und könnte heulen, doch die Blöße will ich mir vor Nicky nicht geben.

»Schnall dich an, wir fahren jetzt zu Slater’s und dann bringe ich dich nach Hause, wo wir uns einen Schlachtplan machen«, gibt Nicky an, ohne weiter auf meine Worte einzugehen. Wie lange soll das dauern? Sie hat praktisch keine Erfahrung mit diesem Wagen. Ich will sie aus Prinzip nicht hier stehen lassen, irgendwann müsste ich sie so oder so abholen. Da wäre ich dann auf die dämlichen öffentlichen Verkehrsmittel oder auf jemanden, der mich hierherfährt, angewiesen. Mühsam wische ich mir mit den Händen über das Gesicht, greife nach den Renngurten und schnalle mich an. Als ich etwas sagen will, blockt Nicky ab. Sie meint, sie müsse aufpassen und ich solle ihr vertrauen.

»Du bist echt der Wahnsinn! Wo hast du so fahren gelernt?« Nicky ist die drei Blocks zum Burger Restaurant über zehn Meilen Umweg gefahren, nur um mir zu beweisen, dass sie mit meinem Baby umgehen kann. Ihr Fahrstil ist eindeutig besser geworden. Wenn ich an früher denke, als wir oft zusammen unterwegs waren, wollte ich sie nie fahren lassen, weil sie jeden Wagen schon nach wenigen Sekunden abwürgte. Selbst bei Autos mit Automatikgetriebe hat sie es hinbekommen, was eigentlich unmöglich ist.

»Während du damit beschäftigt bist, alles nur negativ zu sehen, habe ich mir deine kritischen Worte zu Herzen genommen und mich darum gekümmert, eine bessere Fahrerin zu werden.«

»Das ist dir gelungen, ich bin beeindruckt.« Sie hat es geschafft, mich zum Lachen zu bringen, was in letzter Zeit nicht vielen Leuten gelungen ist. Während wir darauf warten, dass wir am Drive-in-Schalter bestellen können, erzählt sie mir, was sie in den letzten Monaten alles unternommen hat. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

»Wann kaufst du dir deinen ersten eigenen Wagen?«, frage ich neugierig.

»Das hat noch Zeit, ich bin sehr wählerisch, das weißt du«, antwortet sie. Nicky arbeitet in einer großen Promotion-Agentur und verdient gutes Geld. Sie kann sich mit Sicherheit einen netten Wagen leisten. Sollte sie mich fragen, würde ich ihr das Kapital dafür auch sofort leihen, immerhin ist sie meine beste Freundin, und das seit der Junior High School.

Wir sind an der Reihe und bestellen uns die Megaportion. Der junge Kerl, der uns bedient, bekommt beim Anblick meines Sportwagens den Mund nicht mehr zu. Vielleicht hätte ich heute doch mit meinem SUV fahren sollen, dann wäre mir unter Umständen der ganze Stress erspart geblieben. In den letzten Wochen und Monaten habe ich ihn hin und wieder gefahren, um meinen Kühlschrank voll zu machen. So konnte ich mich immer ein bis zwei Wochen in der Villa verschanzen. Wenn Nicky dabei war und wusste, dass es mir schlecht ging, erzählte sie mir auf unseren Fahrten die Geschichte des Automobiles. Jedes Mal ein Stück mehr.

»Hey, wo bist du?«, reißt sie mich aus den Gedanken.

»Ich musste an unsere Einkaufstouren denken«, erwidere ich.

»Oh ja, die waren der Hammer! Halt das, sonst kann ich nicht fahren.« Sie drückt mir zwei prallgefüllte braune Tüten in die Hände.

»Darf ich noch ein Stück über den Highway fahren?«

»Klar, aber wo willst du hin?«

»An einen Ort, wo wir in Ruhe essen können und uns niemand nervt, beobachtet oder über uns redet. Einverstanden?«

»Okay, ich bin gespannt.« Sie bemüht sich wirklich. Vielleicht bin ich vorhin im Department etwas zu hart mit ihr umgegangen.

Unterwegs erzählt sie mir wieder etwas über Autos. Ich verstehe zwar eine ganze Menge davon, aber Nicky ist bei diesem Thema unschlagbar, was für eine Frau sehr ungewöhnlich ist. Nach meinem Unfall hatte sie die Hersteller meiner Fahrzeuge kontaktiert und sich um deren Umbau gekümmert. Sie wollte mir Mut machen und zeigen, dass ich so bin, wie jeder andere auch. Die Ausnahme ist mein Motorrad, hier gab es keine Möglichkeit einer anderen Konfiguration, damit ich nur mit den Händen fahren kann. Ist auch egal, vier Räder sind mir schon immer lieber gewesen als zwei.

»Sorry, aber das riecht so gut, ich muss wenigstens schon die Fritten essen«, unterbreche ich Nickys ausschweifende Erklärungen. Sie lässt sich von mir nicht stören und erzählt einfach weiter. Wo wir hinfahren, ist mir im Moment auch egal. Nach dem scheiß Start in den Tag, fühle ich mich im Moment gut. Die Dusche hätte ich trotzdem gern, aber selbst hier hat meine Freundin den passenden Kommentar – man kann nicht alles haben.

Kaum 30 Minuten später erreichen wir Mount Baldy. Eine kleine Ortschaft in den Bergen. Hier hat Nicky in ihrer Studienzeit an der örtlichen Junior High School gearbeitet. Ich war damals ein paar Mal mit hier gewesen und kann mich an lustige Abende mit sehr viel Alkohol erinnern. Einmal haben wir sogar auf dem Rasen des kleinen Stadions übernachtet. Eigentlich wollten wir nur Sternschnuppen beobachten, haben dann aber so tief in die Flasche geschaut, dass keiner von uns mehr fahrtüchtig war.

»Was machen wir hier?«, frage ich neugierig. Sie lächelt mich an und stellt den Motor ab.

»In Erinnerung an gute alte Zeiten schwelgen und uns den Bauch vollschlagen.« Nachdem sie ausgestiegen ist, öffnet sie die Beifahrertür.

»Was soll das werden?«

»Wir setzen uns so wie früher auf die Tribüne; und ich bringe dich dort hin, keine Diskussion!«, sagt sie sehr bestimmend. Wenn ich könnte, würde ich sie dort hinbringen, aber dazu müsste ich meine dämlichen Beine bewegen können.

Bis zu unserem Platz sind es nur ein paar Meter. Ich rutsche aus meinem Auto und krabbele zur Bank – was mir vor jedem anderen Menschen peinlich gewesen wäre -, während Nicky neben mir Platz nimmt und sich eine Tüte schnappt.

»Die sind zwar schon kalt, aber scheiß drauf, Slater’s Burger sind so oder so einfach die besten. Lass es dir schmecken, Dean.«

»Danke«, antworte ich knapp. Weil die Fritten schon fast alle aufgegessen sind, nehme ich mir einen Burger, wickele ihn aus und beiße herzhaft hinein.

»Scheiße sind die geil«, nuschele ich mit halb vollem Mund.

»Du sagst es«, erwidert Nicky kaum verständlich. Wir müssen herzhaft lachen, so einen Quatsch machen auch nur wir.

»Wie war das mit den 50 Meilen für einen Burger fahren?«

»Jetzt sind es 80 Meilen, und wen interessiert’s?«

»Du hast absolut recht. Danke, dass du mich dort rausgeholt hast und sorry für das Anmaulen in Gegenwart von Officer Arsch«, entschuldige ich mich.

»Hey, die war echt sexy, die hätte ich nicht von meiner Bettkante gestoßen«, äußert sich Nicky grinsend. Hatte ich erwähnt, dass meine beste Freundin lesbisch ist? Ich glaube, das ist genau der Grund, weshalb sie so cool ist. Sie sieht die Welt mit anderen Augen, ist immer da und ein sehr pflegeleichter Typ.

»Soll ich mich noch einmal bei ihr melden und ihre private Telefonnummer besorgen?«, frage ich sie neckend.

»Also Fesselspiele sind ja ganz nett, nur ich glaube nicht, dass Officer Sharp auf Leck-Spielchen steht. Die wirkte irgendwie ziemlich hetero.«

»Kommt auf den Versuch an, Nicky. Überleg es dir einfach und dann schauen wir mal, okay?«

»Ich werde darüber nachdenken, Süßer!« Hastig schlinge ich den Rest meines ersten Burgers hinunter und schnappe mir direkt den nächsten.

»Was ist mit dir?«, will sie wissen.

»Was soll mit mir sein?«, hake ich nach.

»Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten nicht besonders viel Zeit gehabt. Gibt es eine neue Liebschaft oder zumindest Anwärterinnen in deinem Leben?« Dieses Thema interessiert sie natürlich brennend. Früher gab es den beste-Freundin-Test. Jede neue Frau, die ich kennenlernte und mit der mehr als Kaffee trinken und reden funktionierte, nahm Nicky genauestens unter die Lupe, um sie auf Herz und Nieren zu prüfen. Bis heute hatte sie an jeder etwas auszusetzen und wie sich herausstellte, lag sie mit ihren Urteilen richtig.

»Wenn ich überhaupt noch Bock auf Sex habe, muss ich es mir selbst machen. Beantwortet das deine Frage?«

»Ach komm schon, du bist ein super attraktiver Kerl, Dean. Erzähl mir nicht, dass sich keine heiße Biene für dich interessiert.« Soll ich ihr die Wahrheit sagen oder einfach schweigen? Den Kopf hat sie mir heute schon gewaschen, schlimmer kann es also nicht mehr werden.

»Krüppel im Rollstuhl haben im Moment schlechte Quoten«, antworte ich und da ist es wieder, dieses Gefühl überflüssig und fehl am Platz zu sein. Ich hatte seit einem Jahr keinen Sex mehr. Nun ja, mit mir selbst, aber das zählt nicht. Das letzte Mal war in der Mittagspause vor dem Indy 500. Der Tag, an dem mich meine Beine im Stich ließen. Sheila hieß die Brünette, die mich damals in meinem Wohnwagen im Fahrerlager vernaschte. Sie war heiß, gierig – nahezu nymphoman veranlagt und nach dem Rennen beziehungsweise nach meinem Unfall, habe ich sie nie wiedergesehen. Auch hier hatte Nicky recht, als sie sagte, auf Sheila wäre kein Verlass, ich wäre für sie nur eine nette Abwechslung. Im Medical Center hoffte ich bei jedem Klopfen an der Tür, sie würde einfach in mein Zimmer kommen, doch ich wartete vergebens.

»Blödsinn und absoluter Bullshit!«, wirft Nicky in ernstem Tonfall ein. Ihr starrer Blick verunsichert mich, sie wird mir jeden Augenblick wieder eine Predigt halten.

»Ich habe eine Idee«, sagt sie stattdessen. »Du kommst einfach zu wenig raus! Nächstes Wochenende gehen wir zusammen auf Tour, so wie früher immer. In Riverside gibt es diesen Sevilla Nachtclub, die veranstalten eine Regenbogenparty. Alle Homos und auch Heteros dieser Welt sind willkommen.«

»Ich dachte du kannst dieses Wort nicht leiden?«

»Kann ich auch nicht, doch hier geht es darum, dich wieder in die Spur zu kriegen, dich aus deinem Loch herauszuholen und das Leben zu genießen. Wir fahren dort hin und amüsieren uns. Deal?« Ich weiß nicht so recht. Um mir Zeit zu verschaffen, beiße ich erneut herzhaft in meinen Burger. Nicky beobachtet mich dabei, was es nicht leichter macht. Sollte ich ablehnen, wird sie mir die nächsten Tage regelmäßig in den Ohren liegen. Einerseits habe ich keinerlei Interesse daran, irgendwelche Leute kennenzulernen, geschweige denn überhaupt unter Menschen zu gehen. Andererseits sagte sie vorhin schon korrekterweise, dass wir in der Vergangenheit wenig Zeit miteinander verbracht haben.

»Nun sag schon und hör auf dich vor der Entscheidung zu drücken«, drängelt sie mich. Schnaufend lege ich meinen halben Burger weg und sehe sie an.

»Krüppel haben da sicher keinen Zugang«, lautet mein Veto. Nicky schüttelt den Kopf.

»Trink einen Schluck und dann versuch es noch einmal«, fordert sie mich auf.

»Was soll das? Hast du schon mal einen Rollstuhlfahrer in einem Club gesehen?« Ich wette nicht. Auch wenn sie lacht, kann ich es mir nicht vorstellen.

»Ich kenne sogar einen, nicht mit Namen, aber in Santa Monica ist im 41 Beach Club regelmäßig ein Typ unterwegs, der macht alle Frauen verrückt. Der würde dir sicher gut gefallen.«

»Du verarscht mich doch«, schnaufe ich.

»Du solltest mich gut genug kennen, Dean. Mein Angebot steht. Du musst dringend raus, dich entspannen, etwas anderes sehen und einfach mal wieder Spaß haben. Lass uns feiern, das Leben genießen und ein paar Shots kippen.«

»Und wer soll dann fahren?«, frage ich.

»Wir nehmen uns ein Taxi und ich zahle.«

»Ich weiß nicht so recht«, äußere ich mich erneut. Nicky kann sehr penetrant sein und damit meine ich die liebenswerte Art. Schließlich stimme ich zu und werde darüber nachdenken. Noch ist eine knappe Woche Zeit und bis dahin kann eine Menge passieren.

»Warum machst du das, Nicky?«

»Ich weiß nicht, was du meinst. Lass uns aufessen, sonst wird der Rest auch noch kalt«, wimmelt sie mich ab, obwohl die Burger schon seit einer Stunde kalt sind.

»Danke«, flüstere ich ihr zu. Dann essen wir und schweigen. Außer Schmatzen ist nichts mehr zu hören, doch das stört hier niemanden, denn wir sind allein.

Bis obenhin vollgefressen lehne ich mich zurück, streichele über meinen Bauch und schaue auf meine Beine hinunter. Ich will sie bewegen können, aber ich spüre nichts. Es ist frustrierend, so dass ich vor lauter Wut heulen könnte, hier und jetzt.

»Slater’s war heute die beste Idee«, lobt Nicky. Dabei schaut sie mir direkt in die Augen. Ich bin mir sicher, sie kann meinen Schmerz sehen.

»Lass uns das wieder häufiger machen«, bitte ich sie.

»Werden wir tun, verlass dich darauf.« Sie greift nach der braunen Tüte, in die wir unsere Abfälle gesteckt haben, um sie am Fuß der Tribüne in eine Tonne zu werfen. Anschließend steht sie vor mir und grinst.

»Satteln wir die Hühner, Süßer, ich habe heute Abend noch eine Verabredung«, informiert sie mich mit Blick auf die Uhr.

»Du machst mich neugierig. Erzählst du mir unterwegs davon?«

»Wenn du aufhörst dich selbst zu bemitleiden, vielleicht.«

»Hey, was sollte dieser Spruch jetzt?« Sie kniet sich vor mich, legt die Hände auf meine Beine und schaut zu mir auf.

»Dean, dir ist etwas Schlimmes widerfahren. Dieser Unfall hat dein Leben verändert, aber nicht dich als Menschen. Ich sehe bei jedem unserer Treffen, wie schlecht es dir geht. Und es tut mir weh, dich so leiden zu sehen. Für mich bist du noch genauso wie vor diesem Tag und ich hoffe, du wirst es eines Tages verstehen und vielleicht sogar akzeptieren.« Ihre Worte treffen mich so sehr, dass ich die Tränen nicht mehr zurückhalten kann. In den letzten Monaten habe ich heimlich so viel geweint, wie zuletzt als kleiner Knirps im Alter von vier oder fünf Jahren. Oft tat ich es, wenn ich allein war. Vor Nicky brauche ich mich nicht zu schämen, sie kennt mich lang genug und hat mich sehr oft aufgefangen, wenn es mir schlecht ging. Nur bei diesem Problem kann sie mir nicht helfen. Ohne zu zögern nimmt sie mich in ihre Arme und knuddelt mich liebevoll.

»Wieso musst ausgerechnet du lesbisch sein?«, schluchze ich an ihrer Schulter.

»Ich habe es mir nicht ausgesucht«, antwortet sie. Sanft gleitet ihre Hand durch mein Haar. Diese Frau ist ein Traum für jeden Mann.

»Bring mich nach Hause, ich will endlich duschen und dich nicht länger aufhalten.«

»Okay, Süßer. Versprichst du mir etwas?«

»Kommt darauf an.«

»Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ich bewundere, wie stark du bist, und vermisse den Dean, den ich kenne. Sprich mit ihm, bring ihn mir zurück und pass bitte auf ihn auf, okay?«

»Ich werde mein Bestes geben, kann dir aber nichts versprechen«, erwidere ich mit einem Lächeln. Sie hat es wieder geschafft. Egal wie schlimm die Situation auch ist, Nicky bringt mich immer zum Lachen und dafür mag ich sie so sehr.

»Danke!«

»Wofür bedankst du dich jetzt schon wieder?«, fragt sie.

»Nimm es einfach so hin und lass uns fahren.« Sie geht zu meinem Wagen, öffnet die Tür und wartet, bis ich bei ihr bin.

»Toller Service«, flachse ich, nachdem sie mich angeschnallt hat.

In Twin Peaks, dem letzten Ort vor Lake Arrowhead, stoppt sie den Wagen an einer Tankstelle, bittet mich sitzen zu bleiben und geht in den Shop. Keine Ahnung, was sie beabsichtigt, aber gleich werde ich es wissen. Unterwegs hat sie mir von ihrem Date mit der süßen Frau erzählt, die sie so toll findet. Nicky hat mit fremden Menschen keinerlei Berührungsängste, die ich aber schon immer habe, nicht erst seit meinem Unfall.

Wenige Minuten später ist sie wieder da, hat aber anscheinend nichts gekauft. Neugierig wie ich bin, möchte ich natürlich wissen, was sie dort drinnen gemacht hat. Nicky kann wirklich geheimnisvoll sein, so dass ich nicht erfahre, was der Grund für ihren spontanen Besuch in dem Laden war. Schweigend geht es weiter, bis zu meinem Anwesen. Ich greife in das einzige Fach an der Mittelkonsole, wo sich die Fernbedienung für das Tor befindet, welches mich vor neugierigen Blicken und ungebetenen Gästen schützt.

»Gut gemacht, Respekt«, lobe ich meine Fahrerin, die ohne Korrektur in die schmale Lücke zwischen SUV und Rollstuhl in meiner Garage eingeparkt hat.

»Kein Problem. Ich mag deinen Flitzer.« Der kleine Ausflug hat mir gefallen, Nicky gab sich alle Mühe mir ein paar Stunden zu versüßen, was ihr mehr als gelungen ist. Mühsam krabbele ich aus dem Wagen und hieve mich in meinen Rollstuhl.

»Kann ich dir noch einen Kaffee anbieten?«, möchte ich von meiner besten Freundin wissen. Sie stimmt zu und gibt an, gleich nachzukommen. Zügig rolle ich durch den kleinen Verbindungsflur ins Haus hinein. In der Küche schalte ich die Kaffeemaschine ein und lasse für Nicky einen Kaffee durchlaufen. Ich selbst bin noch so satt, dass ich nichts mehr in mich hineinbekomme, nicht mal Flüssigkeit.

»Wo soll ich deinen Schlüssel hinlegen?«, höre ich sie fragen.