Macaronküsse in Paris - Melody Rose - E-Book
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Macaronküsse in Paris E-Book

Melody Rose

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Beschreibung

Sie könnte alles gewinnen, wovon sie je geträumt hat – wenn sie dazu bereit ist, ihr Herz zu verlieren. Luisa ist Konditormeisterin und Influencerin, die von der großen Karriere träumt. Endlich hat sie die einmalige Möglichkeit, auf die sie immer gehofft hat: Sie darf an dem Wettbewerb der renommierten Backschule Lécole de curie in Paris teilnehmen. Gleich an ihrem ersten Abend in der Stadt der Liebe begegnet sie dem attraktiven Franzosen Eric und verbringt eine leidenschaftliche Nacht mit ihm. Das böse Erwachen lässt allerdings nicht lange auf sich warten: Eric stellt sich als Ehemann der taffen Leiterin der Backschule und deren Miteigentümer heraus. Gezwungen, ihre Emotionen zu verbergen, tritt Luisa in den Wettbewerb ein. Intrigen und überraschende Wendungen erwarten sie im hitzigen Konkurrenzkampf. Doch während Eric ihr immer wieder die Kraft gibt, sich allen Herausforderungen zu stellen, wird es schwieriger, ihm fernzubleiben. Luisa hat nie an die wahre Liebe geglaubt, doch jetzt fragt sie sich, ob sie ihre Träume damit in Einklang bringen kann, was ihr Herz will.   Ein berührender Liebesroman, so süß und einzigartig wie französische Macarons. Lass dich für unvergessliche Lesestunden in die Stadt der Liebe entführen!

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Macaronküsse in Paris

MELODY ROSE

Für all diejenigen, die sich ihre:n Traumpartner:in manchmal lieber backen würden.

Irgendwann kommt die Kirsche auf eurer Torte, glaubt nur fest daran.

Eins

Das hier war die Stadt der Liebe – und ich mittendrin, um meine Leidenschaft, die ich zur Berufung gemacht hatte, weiter auszubauen. Ich strich mir mit der Hand über die schweißnasse Stirn. Der schwarze Mantel, den ich mir gekauft hatte, war dicker als erwartet, und die Menschen um mich herum sorgten dafür, dass mir wärmer wurde. Bekannt war ich vor allem für Ideen, die nicht der Logik entsprachen. Deshalb stand ich hier an der Metrostation des Tour Eiffel mit dem achtzehn Kilo schweren Hartschalenkoffer. Immerhin wollte ich den Eiffelturm unbedingt noch sehen, bevor ich ins Hotel eincheckte. Mein Flug aus Stuttgart war vor vier Stunden gelandet. Bis ich jetzt angekommen war, vergingen etliche Minuten in der Metro, und ich bereute es ein wenig, mir keinen Shuttle gebucht zu haben. Das hätte mir zumindest das Problem mit den vielen Menschen abgenommen, doch im Nachhinein war man immer schlauer.

Einen kurzen Moment, in dem die Werbetafel den schwarzen Bildschirm zeigte, spiegelte ich mich darin. Der Mantel flog im Wind, als die nächste Metro ankam. Meine blonden Haare hatte ich zu einem Knoten zusammengebunden, weil diese mir sonst bis fast zu den Ellenbogen reichten. Ich hatte mich nicht geschminkt. Die Müdigkeit wurde nicht von einem Produkt überlagert, das mir hoch und heilig versprach, mich mindestens dreißig Jahre jünger aussehen zu lassen.

Als mich Werbung für eine Dating-App anstrahlte und mir der Bagel, den ich als Frühstück hatte, drohte wieder hochzukommen, visierte ich die Rolltreppe an und ging zu ihr hinüber. Es gab einen Eisenfachwerkturm zu besichtigen. 

Nun stand ich also hier. Vierundzwanzig Stunden, bevor der Backwettbewerb starten würde, war ich vor dem dreihundertdreißig Meter hohen Ungetüm, und es war fast ein wenig furchteinflößend. Vielleicht lag das aber an dem Nebel, der an dem herbstlichen Septembertag um die Spitze tanzte. Ich zog den Mantel dichter um mich, jetzt wurde es doch ein wenig kühler. Ich umklammerte den Griff des Koffers fester, während ich mit der anderen Hand in meiner Jackentasche nach dem Handy fischte, um ein Selfie zu schießen. Schminken wäre wohl doch die bessere Wahl gewesen. Mit einem Filter konnte ich das Licht jedoch so verändern, dass man die Augenringe weniger erkennen würde. Ich wollte meine fast einhunderttausend Follower mit auf die Reise nehmen. Klar, Stillschweigen war selbstverständlich. Immerhin war ich für den Wettbewerb der größten Backschule Europas hierhergereist. Mein Aufenthaltsort und die Reise zur Stadt der Liebe waren dennoch eine Storyerwähnung wert. Das würde ich später im Hotelzimmer auf jeden Fall erledigen. Normalerweise zeigte ich meine Tortenkreationen dort, doch manchmal mogelten sich Selfies darunter. 

Auf einmal rempelte mich jemand an und der Koffer fiel auf den grauen Asphalt. Ich konnte förmlich hören, wie die Kratzer sich in der Hartschale verewigten. 

»Pardon«, hörte ich nur, bevor die Frau weitereilte, und ich seufzte. Das war wohl der Wink des Schicksals, mich ins Hotel zu begeben. Die Sightseeingtour wird leichter werden ohne den Koffer. 

Ein Vier-Sterne-Hotel. Das erste Mal in meinem Leben wurde ich von einem Pagen begrüßt und mir wurde sofort das Gepäck abgenommen. Verwirrtheit musste meinen Blick gespiegelt haben, als er mir die Tür aufhielt, während ich auf dem roten Teppich hineinging und von einer angenehmen Wärme geküsst wurde.

»Hier vorne können Sie den Check-in vornehmen, das Gepäck bringen wir auf Ihr Zimmer.«

Perfektes Deutsch mit nur leichtem Akzent sprach der rund dreißigjährige Page und verabschiedete sich dann von mir, um davonzueilen. Ich hatte nicht einmal mehr Zeit, um Merci zu sagen, da war er schon verschwunden und ich ließ die Lobby auf mich wirken. Wir waren zehn Kandidaten im Backwettbewerb, zumindest waren das die Informationen, die sie bisher durchsickern lassen hatten. Alle waren hier untergebracht, doch vor Beginn der Competition sollte niemand wissen, wer teilnehmen würde. Ich hatte gegoogelt und mich schlaugemacht, doch die fünfstellige hohe Summe, die man bei Vertragsbruch begleichen musste, sorgte dafür, dass alle die Klappe hielten. Und wenn ich nur nach den Social-Media-Kanälen ginge, wäre meine Konkurrenz ins Unermessliche gestiegen.

Es konnte sein, dass der Typ hinten im Eck mit der Baseballkappe und den ausgelatschten Sneakern einer der Kontrahenten war. Er passte so gar nicht in die Welt des Luxus, den dieses Hotel versprühte, doch es konnte mir egal sein. Es waren nur zehn Kilometer von hier bis zur Backschule, zumindest wenn ich Google Maps Glauben schenken konnte, und das war praktisch. Selbstverständlich war ich als Konditormeisterin frühes Aufstehen gewohnt, doch gerne machte ich es trotzdem nicht. Der Wurm und ich waren eher so auf dem Kriegsfuß miteinander, wir tolerierten uns maximal, von Freundschaft keine Rede.

»Madame, darf ich Sie zum Check-in bitten?« Aus meinen Gedanken gerissen, sah ich die Dame vor mir an. Ihre Haare waren zu einem akkuraten Dutt gebunden, das Halstuch war perfekt zu einer Schleife gedreht. Ich nickte und folgte ihr zum Tresen. Zum Glück sprach ich Französisch, was an meiner Mutter lag, die in diesem Land geboren wurde und genau wie ich zweisprachig aufgewachsen war. Hach, Maman, wenn du sehen könntest, dass ich heute hier stehe, du wärst stolz, oder?

Es dauerte nicht einmal zwanzig Minuten, bis ich in meinem Zimmer stand und den Mund vor Staunen nicht mehr verschließen konnte. Hotels waren für mich schon immer etwas Besonderes gewesen. Immerhin war ich auf einem Dorf aufgewachsen. Dort gab es mehr Kühe als Einwohner. Wenn ich ehrlich war, dann gab es im Schwabenland meist nicht den Hauch von Luxus. Hier hingegen konnte ich meinen Vater vor dem inneren Auge sehen, der ausrechnete, was der Wasserhahn gekostet hatte. Von dem riesigen Spiegel über dem Bett mal abgesehen.

»Luisa, du drehst schon durch. Die Nervosität steigt dir zu Kopf, du wirst keine Zeit haben, um einer Bettgeschichte nachzugehen.«

Selbstverständlich waren meine Gedanken in diese Richtung gegangen, als ich an die Decke geblickt hatte, das musste vom Hotel so gewollt sein.

Natürlich hatte die Stimme recht. Ich hatte keinerlei Minute, um mich auf etwas anderes als den Wettbewerb zu konzentrieren.

L´école de curie war die größte Backschule Europas. Jährlich bewarben sich rund dreihundert Leute für einen Ausbildungsplatz dort. Von diesen wurden nur acht pro Jahrgang angenommen.

Jährlich gab es einen Wettbewerb, bei dem zehn Teilnehmer auserwählt wurden. Der Gewinner hatte die Chance auf eine der heißbegehrten Lehrerstellen. Die neuen Konditoren von morgen ausbilden, das wäre der Wahnsinn. Man musste eine einjährige Weiterbildung als Ausbilder absolvieren. Es war wie das goldene Ticket im Kinderfilm Charlie und die Schokoladenfabrik. Sobald man die l´école nur erwähnte, hätte man bei jedem Job Europas ein offenes Ohr. Es war für mich als kleines Dorfmädchen nicht nur ein Sprung ins kalte Wasser. Es war die einmalige Chance, aus dem Dorf herauszukommen.

Mein Handy vibrierte, und als ich Papas Foto und ein blaues Herz auf dem Display entdeckte, schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen.

»Na, alter Herr?«, ging ich ran und konnte hören, wie er empört nach Luft schnappte.

»Mein kleines Mädchen wird immer frecher«, antwortete er. Ich erwähnte nicht, dass ich in vier Jahren schon dreißig wurde. »Bist du gut angekommen?«

Ich verdrehte die Augen. Er hatte die Whatsapp-Nachricht, die ich ihm direkt nach der Landung geschickt hatte, nicht gelesen. Es wäre einem Wunder gleichgekommen. »Ja, Papa. Ich hatte dir doch geschrieben.«

Ich verstand nicht, was er daraufhin in seinen Bart nuschelte. Wir sprachen ganze drei Minuten, was für ihn und mich wahrlich an einen Rekord erinnerte. Danach nutzte ich die Gelegenheit, um kurz meine Stiefeletten von den Füßen zu streifen und das Vier-Sterne-Luxusbett zu testen.

Als ich aufwachte, war es dunkel geworden.

»Verdammt«, murmelte ich und raffte mich auf, für einen Moment musste ich mich erst einmal orientieren, um herauszufinden, wo ich war. Es dauerte nur kurz, bis mir der morgige Wettbewerb wieder Hummeln in den Bauch setzte und die Nervosität durch meine Blutbahn pumpte.

Ein Blick aufs Handy zeigte mir die Uhrzeit. Es war kurz vor achtzehn Uhr, ich hatte mehrere Stunden geschlafen. Die Sightseeingtour war damit gestorben. Ärger durchflutete mich. Ab morgen würden wir täglich von acht bis siebzehn Uhr in der Backstube stehen. Der Wettbewerb sollte sich über insgesamt sechs Wochen ziehen. Nur eines war klar: Das Ziel war es, zweiundvierzig Tage hier verbringen zu dürfen. Das würde bedeuten, dass ich eben nicht in den ersten Runden schon rausflog.

Ich musste etwas unternehmen, sonst würde mich die Aufregung in die Knie zwingen, und da ich jetzt schon vorgeschlafen hatte für die Nacht, konnte ich mich für einen Abend in das Pariser Nachtleben stürzen. Vielleicht würde es mich über die verlorene Zeit des Sightseeings hinwegtrösten. Erst einmal brauchte ich eine Dusche, ein anständiges Make-up und das richtige Outfit. Erst dann konnte das Projekt der Stadt der Liebe starten.

Selten war ich so froh, die Ausgehklamotten nach einem längeren inneren Monolog mit mir selbst eingepackt zu haben. So hatte ich ein kleines Schwarzes dabei und sogar die passenden Schuhe. Die High Heels brachten mich dann auf fast 1,66 Meter. Ich tupfte den burgunderfarbenen Lippenstift auf, als mein Handy erneut vibrierte. Meike, meine beste Freundin, meldete sich mit einem roten Alarmsignal. Schnell stellte ich den Stift zurück auf das Regal, denn ich wusste genau, was das bedeutete.

Ich wählte ihre Nummer, und nach einem halben Piepton ging sie schon ran.

»Meiers?«, fragte sie, als könnte sie die Nummer nicht erkennen, und ich heulte augenblicklich los.

»Meine Katze, sie … Lucy, sie ist weg. Du musst kommen, ich …« Ein Schluchzen durchfuhr den Hörer.

Meike reagierte direkt. »Es tut mir leid, ich muss los. Ein Notfall bei meiner besten Freundin, ich melde mich.«

Ich ließ ein weiteres Heulen los, als sie ihre Sachen zusammenpackte. Es dauerte drei Minuten, bis ich endlich anfangen konnte zu lachen.

»Du bist schuld, dass ich nochmal die Wimperntusche erneuern muss, Mensch. Wie schlimm war es?« Das rote Alarmsignal-Emoji war unser Zeichen dafür, dass einer von uns in einer aussichtslosen Situation feststeckte und gerettet werden musste. Wir hatten das bei den Dates irgendwann begonnen, als die Katastrophen sich häuften.

»Er war rund zehn Jahre älter als auf seinem Profilbild.« Sie schnaufte. »Als ich sagte, dass ich Vegetarierin bin, wollte er mir Rindermaultaschen bestellen, weil damit haben ja schon die Nonnen die Pfarrer veräppelt.«

»Also eine Zehn-von-zehn-Katastrophe?«

»Elf, Luisa, elf.«

Ich legte sie auf Lautsprecher und tupfte die Wimperntusche unter meinen Augen weg. Während sie mir von ihrem chaotischen Spontan-Tinder-Reinfall erzählte, erneuerte ich die schwarze Farbe auf den Wimpern. Onlinedating war nie meins gewesen, ja, es waren ein paar nette Männer dabei, doch den Glücksfang konnte ich bisher nicht angeln. Man musste aber dazu sagen, dass Meike deutlich aktiver im Kennenlernen war als ich. Single sein war in Ordnung, es war sowieso schwer, mit meinen Arbeitszeiten als Konditorin auszugehen. Die Zeit zum Dating war begrenzt.

Außerdem hatte ich mit Social Media, meinem Vater und dem Backen genug zu tun.

»Hast du dir deinen Mann jetzt eigentlich endlich backen können?«, fragte mich mein Papa andauernd, weil er langsam, aber sicher mit Mitte sechzig auf Enkelkinder wartete, und ich musste immer verneinen. Der Zeitpunkt würde schon kommen, und wenn nicht, dann war das eben so. Immerhin gab es keinerlei Ablaufdatum für die Liebe, oder doch?

»Ich gehe jetzt heim, ziehe mir meinen schwarzen Tanga, der mir den ganzen Abend schon im Hintern hing, aus und lege mich mit Amy und Jack auf die Couch. So ein Mist aber auch.«

Ich konnte die Enttäuschung in der Stimme meiner besten Freundin hören.

»Brooklyn Nine-Nine ist immer eine gute Abendunterhaltung«, antwortete ich, um sie ein wenig aufzumuntern. Wir hatten die Comedyserie über die Polizeiwache in Brooklyn gemeinsam entdeckt. Mittlerweile wusste ich nicht mehr, wie oft wir sie gesehen hatten.

»Sag mir bitte, dass dein Abend unterhaltsamer aussieht.«

»Das Pariser Nachtleben wartet auf mich, nachdem ich den gesamten Mittag verpennt habe.«

»Ich bleibe wach, bis du wieder im Hotel bist.«

»Affenemoji bis spätestens zehn Uhr?«

»Halb Elf.«

Wir verabschiedeten uns. Das Affenemoji war das Gegenteil der Alarmglocke, es signalisierte, dass alles okay war und man beruhigt schlafen gehen konnte. Wir hatten beide nachts das Internet aus, doch zur Not schickte man dann das Alarmsignal per SMS. Es war schon oft dazu gekommen, dass aus einem Affen eine Signalleuchte wurde. Heute war ich guter Dinge, dass dies nicht passieren würde. Paris war die Stadt der Liebe und der Leidenschaft.

Was sollte hier schon schiefgehen?

Zwei

Die engen Straßen wirkten ein wenig furchteinflößend, als ich das Hotel verließ. Die Fassaden der Gebäude waren an manchen Stellen abgebröckelt, die Farben der Häuser, die mal intensiv gewesen sein musste, nur ein trübes Bild ihrer selbst. Dennoch war es ein eigener Charme und umso mehr ich in Richtung Stadtmitte kam, desto mehr wurde aus dem Paris meiner Vorstellung die wahre Stadt der Liebe.

Die Musik strömte aus den verschiedensten Bars und ich hörte in mich, um zu erfahren, ob ich heute bereit dafür war, mich so ins Nachtleben zu stürzen, wie ich es gegenüber Meike dargestellt hatte. Nein, ich hatte weder vor, mir einen Kater einzufangen, noch meine Bauchschmerzen, die von Nervosität stammten, zu ertränken. Eine gemütliche Bar, in der ich zeitgleich etwas essen konnte, war genau das Richtige, um meine Aufregung in die Ecke zu drängen.

Ich brauchte eine Weile, bis ich fand, was ich gesucht hatte. Das lag vor allem daran, dass ich immer wieder stehen blieb, um die Pariser Nacht für meine Instagram-Story einzufangen. Die Leute waren heute früh so begeistert gewesen und die Hardcore-Verfolger hatten schon die ersten Mutmaßungen angestellt, dass ich Teilnehmerin des Wettbewerbs sein könnte. Meine Follower waren eben echte Füchse. Zuhause hatte ich genug Content für die nächsten Wochen vorgeplant, um nicht jeden Tag aktiv selbst ranzumüssen, doch die Story wurde vom täglichen Leben beherrscht. Und auch wenn die sozialen Medien ihre Schattenseiten haben, war es für mich ein Hobby, welches ich zu gerne ausführte.

Deshalb landete ich dann wegen eines Google-Tipps vor einem kleinen Pub. Er hatte 4,2 von 5 Sternen und wenn ich das mit meinem schnellen Blick erkennen konnte, dann war es sogar so, dass man dort etwas zu futtern bekam. Ich öffnete die quietschende Eingangstür und musste mir ein Lachen verkneifen, als eine Glocke meine Ankunft ankündigte. Das erinnerte mich an die kleine Tankstelle zuhause, die wir immer Schlotzertankstelle, auf Hochdeutsch Lollitankstelle, nannten. Dort bekam man nicht nur, nachdem die Glocke einen ankündigte, einen Lolli in die Hand gedrückt, sondern für kleines Geld konnte man sich eine bunte Tüte mit Süßigkeiten zusammenstellen. Die Schlümpfe waren im jungen Alter mein Favorit gewesen, heute blieben sie zwischen den Zähnen hängen. Es passierte oft, dass mich Kleinigkeiten an die damalige Zeit erinnerten und mich wehmütig werden ließen. Maman war gestorben, als ich siebzehn war, und Papa war seitdem nicht mehr derselbe gewesen. Es war fast so, als hätte der Verlust seiner großen Liebe dafür gesorgt, dass sämtliches Licht in seinem Leben verblasste. Ich schüttelte den Kopf, es war der falsche Zeitpunkt, um mich mit meiner Trauer auseinanderzusetzen. Ich war schon immer Meisterin darin gewesen, die Themen, die mich belasten könnten, nach hinten in die Ecke zu schieben und die Schublade, in der sie lagen, gleich doppelt zu verschließen.

»Bienvenue«, rief es auf einmal aus Richtung der Theke und erst da fiel mir auf, dass ich einfach in der Tür stehen geblieben war.

Zuerst stach mir die schwarz lackierte Holztheke ins Auge, die sich durch den gesamten Raum schlängelte. Dahinter waren die verschiedensten Flaschen an der Wand befestigt und der Barkeeper trug ein dunkles Hemd, welches er bis zur Mitte seiner Brust aufgeknöpft hatte. Es war ein schräges Bild zu seinem Vollbart und der roten Kappe auf dem Kopf. Ich ging in seine Richtung. Die Theke war schon immer der Ort gewesen, an dem ich mich am wohlsten fühlte. Es lag nicht nur daran, dass immer ein Barkeeper in der Nähe war, wenn ein Typ doch mal zu aufdringlich wurde, sondern war eher der Tatsache geschuldet, dass ich nicht die geduldigste Person war.

»Was darf ich dir bringen?«, fragte er und erneut war ich froh, dass die Sprache keine Barriere darstellte. Ich überflog kurz die Speisekarte und hielt gleichzeitig nach Getränken Ausschau.

»Noch einen kleinen Augenblick, bitte.«

Er nickte und ging derweil zu den anderen Tischen. Es war nicht sonderlich viel los, an den Wänden hingen verschiedenste Plakate von Fußballclubs, von denen ich mal gehört hatte. Für diesen Sport hatte ich mich nie interessiert, deshalb nahm ich nur am Rande wahr, dass in der Ecke ein Fernseher hing, auf dem irgendein Spiel übertragen wurde. Die Entscheidung fiel auf einen Cocktail, ein wenig Alkohol würde mir hoffentlich nicht schaden und weil ich von dem Namen nie was gehört hatte, wurde es der: Kentucky Mule.

Eine Mischung aus Gingerbeer, Jim Beam und Limette.

»Guter Geschmack, junge Dame«, meinte der Barkeeper nur, zwinkerte mir zu und machte sich dann an die Arbeit. Ich sah mir derweil die Speisekarte an und zog den Mantel von den Schultern, um ihn auf den Barhocker neben mir zu legen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis vor mir ein frisch zubereiteter Cocktail auftauchte.

»Ich hätte dann gerne noch den Chickenburger«, gab ich meine Essensbestellung auf und der Barkeeper, auf seinem Namensschild stand »Jack«, wie ich erkannte, nickte und ging dann wieder fort. Ich nahm den Strohhalm zwischen meine Lippen und probierte den ersten Schluck des Getränks. Es schmeckte herb, hatte eine Ingwernote, die mich begeisterte, und war nicht vom Alkoholgeschmack überladen. Ich freute mich sehr darüber und genoss mit dem ersten Geschmack des Cocktails im Mund den Abend. Es war an der Zeit, sich umzusehen, jetzt wo mein Essen bestellt war und ich etwas zu trinken hatte. Der Boden war aus dunklem Holz, generell die gesamte Atmosphäre eher düster. In der Ecke an einem der normalen Tische saß ein Pärchen, das seine Finger ineinander verschränkt hatte.

»Süß, dieses junge Glück, nicht wahr?«, hörte ich auf einmal eine Stimme neben mir und zuckte zusammen. Schamesröte stieg mir ins Gesicht und ich konnte nur hoffen, dass mein Make-up ausreichte, dass man mir die tomatige Farbe nicht ansah.

Ich wollte nicht starren, das war gar nicht die Intention gewesen, doch dabei so schonungslos erwischt worden zu sein, war mir aus irgendeinem Grund peinlich. Deshalb sah ich in Richtung der Stimme, die mich angesprochen hatte, und sie gehörte zu einem durchaus attraktiven Mann.

Zuerst fielen mir seine braunen Haare auf, die wild vom Kopf standen, als könnte er sie nicht dazu bringen, in Form liegen zu bleiben. Seine dunklen Augenbrauen zogen sich nach oben, als er bemerkte, wie ich ihn betrachtete. Ich ignorierte es. Immerhin hatte er mich angesprochen, dann durfte ich mir den Moment genehmigen, um ihn zu mustern, oder?

Seine hellen Augen, die Farbe konnte ich durch das schummrige Licht nicht erkennen, strahlten und sein Bart, er war ein wenig voller als ein Dreitagebart, gefiel mir. Er trug ein schwarzes Hemd zu einer hellen Jeans und dazu dunkle Schuhe. Am Handgelenk trug er eine Uhr mit goldenem Ziffernblatt und Lederband, was nicht zu dem sonst modernen Typ passte.

»Wow – du bist echt gut darin, andere Leute zu mustern, aber langsam wird es echt unangenehm.« Er lachte verlegen und fuhr sich durch die Haare. Wahrscheinlich sahen sie deswegen leicht unordentlich aus.

»Sorry.« Ich grinste nur, betont lässig, obwohl mich seine dunkle Stimme kurz aus dem Konzept brachte.

»Starren scheint zu deinen Stärken zu gehören.«

»Fremde Frauen dabei zu erwischen, scheint die deine zu sein.«

Sein linker Mundwinkel zog sich nach oben, fast so, als wäre meine Bemerkung nicht lustig genug gewesen, um ihm ein ganzes Lächeln zu entlocken.

»Darf ich mich vielleicht zu dir gesellen?«, fragte er fast schon schüchtern, und ich zuckte mit den Schultern.

»Wie du magst.«

Ich ignorierte das aufregende Klopfen meines Herzens. Ich hatte es schon immer gemocht, fremde Menschen kennenzulernen, zu erfahren, was sie bewegte. Damals, als ich noch in der Schule war, leitete ich die Schülerzeitung. Jeder Lehrer dachte, ich würde in die journalistische Richtung gehen. Immerhin liebte ich es, die Leute auszufragen, ihnen ihre Geheimnisse zu entlocken. Vielleicht hätte ich Ermittlerin werden sollen. Die Backleidenschaft hatte dann in der Berufswahl das Rennen gemacht. Meine Gedanken drehten sich fast pausenlos rund um Gebäcke, Backtechniken und alle möglichen Variationen von Gewürzen. Jetzt gerade allerdings schenkte ich die Aufmerksamkeit dem fremden Mann neben mir, der sich auf den Barhocker setzte, auf dem nicht mein Mantel lag. Er saß links von mir und musterte mein Getränk.

»Kentucky Mule – kein klassischer Cocktail für eine Lady.«

Nun war es an mir, die Augenbrauen nach oben zu ziehen. »Möchtest du echt mit einem Klischee in unser Gespräch starten?«, fragte ich und versuchte dabei, ein Schnauben zu unterdrücken.

»Nein, nein«, wehrte er meinen kleinen Angriff ab.

»Es ist nur mein Lieblingscocktail hier im Haus, doch Jack meinte, ich wäre fast schon der Einzige, der ihn regelmäßig trinken würde.«

»Wieso?«, fragte ich und nutzte den Augenblick, um erneut einen Schluck des Getränks zu mir zu nehmen.

»Ingwer ist nicht jedem sein Ding.«

»Nein, aber vermischt mit Schokolade zum Beispiel dann schon. Pur würde ich auch nicht an einer Ingwerzehe knabbern, doch in Kombination mit anderen Zutaten kann die Würze einen sehr überzeugen.«

Ich schien ihn mit meinen Worten beeindruckt zu haben, denn er schwieg kurz. In diesem Augenblick brachte Jack den bestellten Burger. Der Hunger in mir sorgte sonst dafür, dass ich zur Diva wurde.

»Du hast echt eine Gleichgesinnte gefunden, die deinen Cocktailgeschmack teilt, Eric. Für dich auch einen?«

»Ja, aber nur einen. Morgen startet die Arbeit wieder früh genug.«

Jack nickte verständnisvoll und während ich mir die erste Pommes in den Mund schob, dachte ich über seinen Namen nach. Er wirkte für mich nicht nordisch, sein Französisch war akzentfrei, es musste seine Muttersprache sein oder aber er war verdammt gut darin, andere Wörter zu erlernen.

»Guten Appetit, ich esse den Chickenburger auch gerne. Heute bin ich nur schon gut gesättigt.«

Er lächelte mich an und ich dankte ihm kurz, bevor ich den Burger in die Hand nahm und aß.

Mein Essen sorgte automatisch für eine Pause zwischen unserer Konversation. Es war nicht unangenehm, wir sahen uns beide ein wenig um, Eric wechselte ein paar Floskeln mit Jack und ich hörte nur mit halbem Ohr zu. Ich war damit beschäftigt, mich nicht komplett zu blamieren, denn der Burger war in Barbequesoße getränkt, die Zwiebeln karamellisiert und das Hähnchen saftig, so dass es mir schwerfiel, die Lady zu mimen, die ich Eric zeigen wollte.

Als der Burger verspeist war, wischte ich mir die Finger an der Serviette ab.

»Hat es dir geschmeckt?«, hakte Eric nach und ich nickte.

»Er war wirklich gut, magst du vielleicht ein paar Fries? Die schaffe ich nicht mehr.«

Er lachte. »Das lasse ich mir nicht zweimal sagen.« Und schon nahm er sich etwas von meinem Teller, und auf komische Weise mochte ich die Vertrautheit, die in der Szene lag.

»Du scheinst öfter hier zu sein?«, fragte ich nach und er nickte.

»Die Bar hier ist zu einer Art Rückzugsort geworden, auch als es mir nicht so gut ging, da hat Jack mir ab und an mal ein Taxi rufen müssen, weil ich nicht mehr heimkam.«

Ich lachte.

»Das kennen wir alle«, stimmte ich ihm zu und er nickte.

»Was treibt dich nach Paris?«

Sollte ich ihm vom Wettbewerb erzählen? Nein, oder? Immerhin war ich zur Verschwiegenheit verpflichtet und wollte nicht unbedingt mit der Teilnahme prahlen, bevor ich nicht ahnen konnte, ob ich in der ersten Runde rausflog.

»Ich bin beruflich hier«, wich ich deshalb aus und er hakte nicht weiter nach.

»Hast du Lust, eine Runde Billard zu spielen?«, fragte er auf einmal, als erneut die Stille drohte uns zu übermannen.

»Klar, gib mir noch ein bis zwei Minuten, um zu verdauen, dann können wir los.«

Er nickte mir zu und hielt mir sein Glas hin, damit wir anstoßen konnten.

»Auf einen schönen Abend, unbekannte Frau.«

»Es freut mich, dich kennenzulernen, Eric.«

Er sah mich verdutzt an.

»Jack hat dich vorhin beim Namen genannt.«

»Stimmt.« Er lachte auf einmal und ich lächelte ihm zu, irgendwie hatte ich das Gefühl, er war kurz nervös geworden, als ich seinen Namen sagte.

»Ich bin Luisa«, erklärte ich deshalb, um ihm das Unbehagen abzunehmen.

»Dann zeige ich dir mal, wie man Billard spielt, Luisa.«

Er konnte nicht wissen, dass ich in diesem Moment schwieg, um es zu meinem Vorteil zu nutzen.

Drei

Es war echt niedlich von ihm, wie er mir die Regeln erklärte, mir zeigte, wie ich den Queue richtig halten solle. Er vergaß dabei nur eines: mich zu fragen, ob ich spielen konnte. Doch ich unterbrach ihn nicht, deshalb schwieg ich und hörte mir geduldig seine Anleitung an, während ich mich innerlich totlachte.

»Ich würde anfangen, dann kann ich es dir zeigen.«

Mit einer Handbewegung zeigte ich auf den Tisch und stimmte ihm damit zu, dass es okay war, wenn er anfing. Er hatte kaum eine Chance gegen mich. Das konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen. Ich platzierte mich hinter ihm, um den Ausblick zu genießen, wann sonst hätte ich die Möglichkeit, ihm ungeniert auf den knackigen Hintern zu starren? Dann versenkte er mit dem ersten Stoß drei von den Kugeln.

»Ich habe nun die ganzen Farben eingelocht, das bedeutet, für dich sind die halben.«

»Okay«, zuckte ich mit den Schultern und er lächelte mich aufmunternd an, nachdem er den zweiten Stoß verhaute und nichts traf.

»Mach dir keinen Kopf, es soll Spaß machen und kein Wettbewerb sein.«

Es dauerte genau acht Minuten, bis er verloren hatte.

Er stand einfach nur neben mir, sah zu, während ich nach und nach die Kugeln versenkte und mit der schwarzen Kugel am Ende den Erfolg besiegelte.

»Wie … ich meine … du … ich … was?«

Er stammelte die Worte nur so und sah mich dabei so verdattert an, dass ich in schallendes Gelächter ausbrach.

»Du warst so süß, wie du mir alles erklärt hast, weil du automatisch davon ausgingst, dass ich noch nie gespielt hatte, dass du nicht nachgefragt hast.«

Ich sah auf die Uhr, mittlerweile war es fast halb elf und ich musste dringend an den Affenemoji denken, sonst würde Meike durchdrehen.

»Spielst du professionell Billard?«, fragte er deshalb und kam mit zwei langen Schritten auf mich zu. Auf einmal stand er näher bei mir, ich konnte sein Parfum riechen. Es roch nach Kardamom und Zimt, ein weihnachtlicher Duft für die herbstliche Zeit, doch mir gefiel es. Es waren zwei meiner liebsten Gewürze für die Kreationen der Gebäcke, vor allem in den nächsten Monaten würden sie die Stars auf Instagram werden.

»Nein, aber mein Vater ging einmal die Woche Billard spielen mit seinen Jungs. Damals als Kind war das allerdings gleichzeitig der einzige Abend, an dem meine Mutter sich mit ihren Freundinnen traf. Also durfte ich mir aussuchen, wo ich mitging.«

»Ich gehe davon aus, dass du die Männer damals schon um den Verstand gebracht hast?«

Ich vernahm die Doppeldeutigkeit in seinem Satz und biss mir auf die Unterlippe.

»Ich habe recht schnell verstanden, wie man Billard spielt und umso besser ich wurde, desto mehr Spaß hat es mir gemacht. Am letzten Weihnachten, bevor …«

Ich bemerkte, wie meine Stimme stockte und die Kehle von jetzt auf gleich eng wurde. Die Trauer war ein mieses Tier, sie überfiel dich immer in den Augenblicken, in denen du sie am wenigsten brauchtest.

»Am letzten Weihnachten vor dem Tod meiner Mutter hat sie ihm einen Billardtisch geschenkt, der unten im Keller steht. Er wurde nur dreimal genutzt. Nachdem sie gegangen ist, hat mein Vater nie wieder einen Queue in die Hand genommen.«

Ich öffnete erst jetzt wieder die Augen. Es war mir nicht möglich gewesen, seinen mitleidigen Blick zu sehen und darin zu erkennen, dass er mir womöglich gleich sein Beileid bekunden möchte.

»Das tut mir leid, ich –«

Er legte mir seine Hand auf die Schulter, sie war warm und ich spürte sie durch den dünnen Stoff meines Kleides hindurch. Er strich mir mit seinen Fingern sanft darüber, tröstend, und sagte nichts weiter. Genau das war richtig, denn in diesem Moment war seine Geste wie eine Umarmung, in die er mich schloss, und keine Worte wären genug gewesen.

»Jetzt lassen wir uns aber von den trüben Gedanken nicht den Abend verderben, ich denke der Verlierer zahlt den nächsten Drink?«

»Das wird kein günstiger Abend für mich, oder?«, fragte er so nah an meinem Gesicht, dass ich seinen Atem auf der Haut spüren konnte.

»Nein, aber vielleicht einer, an dem du lernst, nicht jede Frau gleich zu unterschätzen.«

»Du weißt genau, dass es so nicht gemeint war.«

»Dieses Mal beginne ich«, antwortete ich nur und ich konnte sein Grinsen auf meinem Rücken spüren.

Ja, lieber Eric, in mir steckt mehr als eine Frau an der Bar.

Er verlor zweimal hintereinander, und weil er so niedergeschlagen wirkte, ließ ich ihn beim letzten Mal gewinnen.

»Ich brauche dein Mitleid nicht«, antwortete er, als er die schwarze Kugel versenkte und ich wenigstens versuchte, traurig zu wirken.

»Ich habe dich nicht gewinnen lassen«, flunkerte ich deshalb, doch an seinem stechenden Blick erkannte ich, dass er mich durchschaut hatte.

»Also zwei Drinks übernehme ich und einen du, Luisa. Auch wenn ich dir danke, dass du mein Portemonnaie schonen möchtest. Mitleid ist unfair.«

Ich grinste nur, als ich an ihm vorbeilief und mich auf den Weg zurück an die Theke machte. Mir wurde ein wenig heißer, denn ich spürte seinen Blick, als er hinter mir herlief. Ich wackelte betont ein wenig mehr mit den Hüften beim Gehen, und als ich mich hinsetzte, da achtete ich darauf, nicht so verzweifelt auszusehen, auch wenn Barhocker und ich uns nicht gut verstanden. War ja leider nicht die Größte.

»Verdammt«, murmelte ich, als ich auf mein Handy blickte, das ich an der Bar im Mantel liegen gelassen hatte.

»Was ist los?«, fragte Eric, der sich neben mich hingesetzt hatte.

»Ich habe vergessen, Meike den Affenemoji zu schicken«, platzte es aus mir heraus. Eric sah mich an, beide Augenbrauen gen Himmel, und die Verwirrtheit stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Erkläre ich dir gleich«, murmelte ich, während ich schnell einige der Emojis hintereinander in einer Nachricht an Meike schickte mit einer kurzen Information, dass ich am Billardspielen gewesen war.

Die Antwort kam nicht einmal zwei Sekunden, nachdem ich abgeschickt hatte.

»Da kann man ja nur hoffen, dass heute noch etwas anderes versenkt wird.«

»Du bist eine Idiotin«, antwortete ich nur schnell und steckte dann das Smartphone weg.

»Was magst du denn trinken?«

»Etwas ohne Alkohol, morgen wird ein langer Tag«, sagte ich und Eric nickte.

»Wem sagst du das?« Er lachte nur und bestellte uns dann zwei Cokes und kleine alkoholfreie Früchte-Shots, die nicht lange auf sich warten ließen.

»Irgendwie müssen wir ja deinen Sieg und meine Niederlage feiern.«

Für diese Geste könnte ich ihn küssen.

Halt. Stopp.

Wie war das? Was hatte mein verräterisches Hirn gedacht? Ich schüttelte den Gedanken schnell ab und nahm mit zittrigen Fingern das kleine Glas in die Hand. Der Inhalt war grün und ich fragte gar nicht nach, was genau es war.

»Darauf, nicht immer gleich jemand anderen einschätzen zu wollen, ohne weiter nachzufragen.«

»Auf die Frauen, die Billard spielen können und damit die Männer in die Schranken weisen.«

Wir grinsten uns an und das Klirren der Gläser besiegelte unsere Worte. Es war undefinierbar, ich vermutete, es waren irgendwelche Säfte miteinander vermischt. Aber es galt als Geste, die wir haben wollten und das war es auf jeden Fall wert.

»Nun schuldest du mir aber eine Antwort, Affen?«

»Affenemoji«, sagte ich knapp und die Fragezeichen standen in seinem Blick. Ich konnte es ihm nicht verübeln.

»Affensmileys schicke ich meiner Freundin, wenn ich auf Tour bin und alles okay ist. Die rote Alarmglocke bedeutet SOS, es ist ein Notfall und wir müssen die jeweils andere da rausholen.«

Er nickte, schien kurz darüber nachzudenken, bevor er mich offen anlächelte.

»Das bedeutet, es ist alles okay? Keine Gefahr in Verzug?«

»Bisher schon«, sagte ich daraufhin und er hielt mir seine Hand entgegen.

»Wollen wir mal schauen, ob wir das mit einem Tanz ändern?«

»Provozierst du etwa die rote Alarmglocke?«

»Nein, ich reize nur aus, wie lange es dauert, bis ich dir auf die Nerven gehe und du ihr die Glocke schickst, ohne weiteren Grund.«

Ich war kurz davor, ihm die Zunge herauszustrecken, doch ich widerstand dem Drang, das wäre kindisch.

»Wir können nicht einfach in einer Bar tanzen, wir sind nicht in einem Club.«

Ich sah, dass seine Hand zitterte, doch er nahm sie nicht weg, es war aber erleichternd, dass auch er in meiner Gegenwart leicht nervös war. Denn wenn ich gut darin war, die Nervosität in mir wegzuschieben, merkte ich, dass er etwas an sich hatte, was mir gefiel. Ich war nicht auf die größte Liebesgeschichte aus, so viel Klischee würde mein Herz gar nicht vertragen, in der Stadt der Liebe den Mann fürs Leben zu finden. Doch würde er mich zu sich einladen, würde ich nicht Nein sagen.

Was dachte ich denn jetzt da schon wieder? Ich hatte nie einen One-Night-Stand gehabt, wieso hatte Paris nur so eine Wirkung? War es die Stadt, die mich in so dumme Gedanken trieb oder war es der Mann mir gegenüber, der mit Jack tuschelte und etwas besprach, was ich nicht hören durfte? Ich konnte mir weiter einbilden, dass es nur die Umgebung war und nicht er, mal sehen, wie lange ich das durchzog.

Auf einmal wurde die Bar in ein dunkleres Licht gehüllt und die Musik wurde aufgedreht. Ein siegessicheres Lächeln lag auf Erics Lippen, als er sich zu mir drehte und meine Hand in seine nahm.

»Ist dir das Club-Feeling genug und tanzt du jetzt mit mir?«

Wie hätte ich in diesem Augenblick Nein sagen sollen? Natürlich stand ich auf und hätte ihn am liebsten zu mir gezogen, um endlich zu erfahren, ob seine Lippen so weich waren, wie sie aussahen. Würde mich sein Bart stören oder würde ich das leichte Kitzeln genießen? Verdammt nochmal, ich war übergeschnappt, vielleicht war in diesem einen Cocktail mehr Jim Beam als erwartet.

Ich erhob mich vom Barhocker und mit verschränkten Fingern führte er mich zwei, drei Meter weg von der Theke, wo wir einen kleinen Platz fanden. Es lief irgendein französisches Lied, welches ich nicht kannte, doch es war genau richtig, nicht zu langsam, aber nicht zu schnell. Bestimmt hatte er das mit Jack besprochen, dieser schlaue Kerl.

»Darf ich?«, fragte er und zeigte auf meine Hüften. Es war eine wahre Ehre, dass er nachhakte und mich nicht einfach berührte. Ich nickte und spürte einen Augenblick später schon seine Hände auf dem Hüftknochen.

Ich legte meine um seinen Hals und dann wogten wir uns einfach hin und her. Wahrscheinlich nicht im Takt, ich war nie so gut darin gewesen zu tanzen, doch das alles war egal.

Wir sahen uns an, die Luft knisterte, seine hellen Augen, ich war mir mittlerweile sicher, dass sie blau waren, wurden einen Tick dunkler, während er den Griff an meinen Hüften leicht verstärkte.

»Wäre es zu früh, um dich zu küssen?«, fragte ich deshalb, weil ich es nicht mehr aushielt. Ich wollte endlich wissen, wie es sich anfühlen würde.

Er biss sich auf die Unterlippe, ich konnte wahrlich sehen, wie er die Worte runterschluckte, die er sagen wollte, als ich den Abstand überbrückte und meine Lippen auf seine legte.

Es dauerte nur eine kleine Sekunde, bis er mich eng an sich zog. Der Kuss war weich, sanft, gleichzeitig neckend und der Puls schoss fast automatisch in die Höhe. Von dem leicht schüchternen, gar grübelnden Mann war nichts mehr zu merken, denn er übernahm schnell die Kontrolle. Wir intensivierten den Kuss und als wir uns nach gefühlten Ewigkeiten voneinander lösten, atmeten wir schwer.

»Möchtest du mich nach Hause begleiten?«, fragte er. Wir beide wussten, was er mit diesen Worten eigentlich erfragte. Ich brauchte nicht in mich hineinhören, denn ich war sowas von bereit dafür.

»Um was zu tun? Deine Briefmarkensammlung betrachten?«, fragte ich zuckersüß.

»Du wirst sie lieben«, grinste er nur und ich schnappte mir meinen Mantel.

Vier

»Ich fahre kein Auto, wenn ich auch nur einen Schluck getrunken habe, aber es sind nur drei Stationen mit der Metro zu mir.«

Ich kicherte, als er mich verzweifelt ansah.

»Das ist kein Problem, ich habe noch mein Touri-Ticket von heute, alles gut«, nahm ich ihm die Sorgen und er nickte, zeigte dann zur Metrostation.

Es war komisch, zusammen zur Metro zu gehen. Die Stimmung flachte nicht ab, ich wollte ihn noch immer, doch irgendwie war es so herrlich ehrlich, dass er kein Auto fuhr. Ich fand es sogar lustig.

Die Metro kam schon nach zwei Minuten und wir saßen nebeneinander, er hatte eine Hand locker auf mein Knie gelegt und strich immer wieder darüber.

»Fühlt sich komisch an, oder?« Er lachte und ich nickte.

»Hast du recht, ist auch mein erstes Mal, also so als One Night, du weißt schon.«

»Du kamst mir bisher nicht so wortkarg rüber, nervös, hm?« Er lachte und nahm mir damit direkt wieder die Nervosität, die sich in mir aufstauen wollte.