Mach doch! - Carly Phillips - E-Book

Mach doch! E-Book

Carly Phillips

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Beschreibung

Das große Finale der Bestsellerserie

Der Corwin-Fluch besagt, dass kein männliches Familienmitglied mit seiner großen Liebe glücklich werden kann. – Nun, Derek und Mike Corwin sind inzwischen sehr glücklich verheiratet, aber jetzt scheint der Fluch bei ihrem Cousin Jason seine zerstörerische Wirkung zu entfalten. Denn dieser hat sich ausgerechnet in Lauren Perkins verliebt, deren Vorfahren damals die unheilvolle Beschwörung ausgesprochen hatten!

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Das Buch

Derek und Mike Corwin sind trotz des Familienfluches aus dem 19. Jahrhundert glücklich verheiratet. Doch nun scheint die Verwünschung bei ihrem Cousin Jason, dem attraktiven Snowboarder, seine zerstörerische Wirkung zu entfalten. Zu allem Übel hat sich Jason ausgerechnet in Lauren Perkins verliebt, deren Ahnin damals den unheilvollen Fluch über die Corwin-Männer verhängt hatte. Die Modedesignerin Lauren will eigentlich nur das Haus ihrer verstorbenen Großmutter renovieren lassen und verkaufen, um dann so schnell wie möglich nach Paris aufzubrechen, aber die Liebesschwüre von Jason gehen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Doch wie sollen Lauren und Jason ihre Liebe leben, wenn nicht zuletzt Laurens durchgeknallte Schwester Beth alles daransetzt, dass der Fluch erhalten bleibt. Und sie schreckt auch nicht vor Brandstiftung und Gewalt zurück, um ihre zweifelhaften Ziele zu erreichen.

Die Autorin

Carly Phillips hat sich mit ihren romantischen und leidenschaftlichen Geschichten in die Herzen ihrer Leserinnen geschrieben. Sie veröffentlichte bereits über zwanzig Romane und ist inzwischen eine der bekanntesten amerikanischen Schriftstellerinnen. Mit zahlreichen Preisnominierungen ist sie nicht mehr wegzudenken aus den Bestsellerlisten. Ihre Karriere als Anwältin gab sie auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Sie lebt mit ihrem Mann und den zwei Töchtern im Staat New York. Weitere Informationen auf ihrer Homepage: www.carlyphillips.com

Im Heyne Verlag liegen vor: Küss mich, Kleiner!

Die Chandler-Trilogie: Der letzte Kuss – Der Tag der Träume – Für eine Nacht

Die Hot-Zone-Serie: Mach mich nicht an! – Her mit den Jungs! – Komm schon! – Geht’s noch?

Die Corwin-Trilogie: Trau dich endlich! – Spiel mit mir! – Mach doch!

Inhaltsverzeichnis

Das BuchDie AutorinLiebe Leserin,WidmungEinleitungKapitel 1Kapitel 2Copyright

Liebe Leserin,

Freuen Sie sich mit mir auf Mach doch!, den dritten und letzten Teil der Trilogie um die charismatischen Corwin-Cousins; drei gut aussehende, moderne Männer, die unter einem uralten Fluch zu leiden haben. Der Sage nach ist jeder männliche Spross ihrer Familie dazu verdammt, seine Liebe und sein Vermögen zu verlieren, sobald er einer Frau sein Herz schenkt. In diesem Band ist Jason Corwin an der Reihe.

Jason weiß, er sollte sich eigentlich von Lauren Perkins fernhalten, schließlich hat eine ihrer Ahninnen seine Familie mit einem Fluch belegt. Doch die beiden verbindet eine gemeinsame Vergangenheit – und nach einer Begegnung, die in leidenschaftlichem Wiedersehenssex endet, ist es um seine guten Vorsätze geschehen. Wie wird sich der Fluch auf ihn und Lauren auswirken?

Trau dich endlich! und Spiel mit mir!, die Geschichten von Jasons Cousins Derek und Mike, sind ebenfalls bereits im Buchhandel erhältlich.

Für weitere Informationen besuchen Sie mich auf meiner Webseite www.carlyphillips.com oder schicken Sie eine E-Mail an [email protected]. Ich freue mich auch über Post an P.O. Box 483, Purchase, NY 10577, USA.

Ich danke allen Leserinnen, dass sie mir die Treue halten, und wünsche viel Vergnügen!

Carly Phillips

Für meine Freundinnen und Freunde – jeder Einzelne von euch erfüllt einen ganz bestimmten Zweck in meinem Leben, und ich liebe euch alle!

Einleitung

Stewart, Massachusetts, ein kleines Dorf etwa zwei Kilometer westlich von Salem, dem Schauplatz der berüchtigten Hexenprozesse. Ende des neunzehnten Jahrhunderts herrschte unter den Bewohnern von Stewart schreckliche Furcht vor Verwünschungen und Hexenzauber. Just in jener Zeit geschah es, dass ein gewisser William Corwin sein Herz an eine Frau verlor und mit ihr durchbrannte, obwohl sie bereits einem anderen versprochen war. Martin Perkins, der sitzengelassene Mann, war der älteste Sohn einer wohlhabenden Familie aus dem Nachbardorf, das eben dieser Familie auch seinen Namen verdankte.

Seine Mutter, Mary Perkins, war eine Hexe, und sie rächte sich umgehend für das Unrecht, das ihrem Sohn widerfahren war, indem sie die Corwins mit einem Fluch belegte. Seither ist jeder männliche Spross der Familie dazu verdammt, die Frau seines Herzens und sein Hab und Gut zu verlieren, sobald er sich verliebt.

Fortan gab es keinen männlichen Nachfahren von William Corwin, dem dieses Schicksal erspart geblieben wäre …

Kapitel 1

Lauren Perkins’ rotes Cabrio wirkte vor der psychiatrischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt von Bricksville nicht weniger fehl am Platz als in Perkins, Massachusetts, der kleinen Stadt, die ihre Ahnen einst gegründet hatten. Sie parkte den Porsche an der üblichen Stelle vor dem Gefängnis. So oft, wie sie im vergangenen halben Jahr hier gewesen war, hätte man eigentlich inzwischen ein Schild mit ihrem Namen anbringen können. Sie begrüßte den Wachposten am Eingang mit einem Winken und steuerte auf das alte Gebäude zu, in dem ihre Schwester Beth untergebracht war. Dabei musste sie wie immer den neuen Trakt passieren, der gerade errichtet wurde. Mittlerweile kamen ihr sogar einige der Bauarbeiter mit ihren Schutzhelmen bekannt vor. Wie immer beäugte der eine oder andere sie und ihren Sportflitzer mit einer Mischung aus Begierde und Neid. Fehlte nur noch, dass ihr einer nachpfiff. Doch sie nahmen sich zusammen, zweifellos eingeschüchtert durch die Tatsache, dass sie sich auf dem Gelände eines Gefängnisses befanden.

Lauren hätte ihnen am liebsten den Mittelfinger gezeigt. Sie hatte sich sowohl in Dritte-Welt-Ländern als auch im Shopping-Dschungel von Manhattan durchgeschlagen, und es gab weiß Gott nicht viel, das ihr Beklemmung verursachte. Doch in dieser Umgebung fühlte sie sich mehr als unbehaglich. Entsprechend ungern kam sie hierher.

Dass sie es trotzdem tun musste, verdankte sie Beth und ihren kriminellen Machenschaften. Ihre Schwester war vor etwa einem Jahr unter anderem wegen Brandstiftung eingewiesen worden und befand sich seither in der psychiatrischen Abteilung in Bricksville. Lauren tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie es kurz und schmerzlos machen würde, genau wie sie es sich für ihren Aufenthalt im Haus ihrer Großmutter vorgenommen hatte.

Paris wartete schon auf sie, und nichts würde sie davon abhalten, persönlich anwesend zu sein, wenn ihre Kleiderkollektion der Welt zum ersten Mal präsentiert wurde. Sie hatte ihre Entwürfe an Galliano verkauft, und nun hatte sie noch ein paar Wochen Zeit, um das alte viktorianische Haus ihrer Großmutter für die Veräußerung vorzubereiten. Danach würde sie nach Paris fliegen, um der Modenschau höchstpersönlich beizuwohnen. Und dann konnte sie nur noch hoffen und beten, dass ihre Kreationen ein durchschlagender Erfolg wurden.

Die Haute Couture Fashion Week in Paris, das war der Traum jedes Modeschöpfers. Darauf hatte Lauren die vergangenen fünf Jahre hingearbeitet. Sie hatte eine Modeschule in der City absolviert, hatte die kuriosesten Jobs angenommen, um sich die Ausbildung zu finanzieren, und nachts an ihren Entwürfen gearbeitet. Sie hatte sich diese Chance redlich verdient, und sie freute sich riesig über ihr Glück. Trotzdem fühlte es sich so an, als würde sie ihre Schwester im Stich lassen. Aber sie hätte ohnehin nicht viel mehr für Beth tun können, als sie bereits tat.

Um das Haus ihrer Großmutter für den Verkauf in Schuss zu bringen, hatte Lauren ihr Leben in New York vorübergehend aufgeben und nach Perkins ziehen müssen. Ihre Eltern waren nämlich wie üblich der Ansicht gewesen, dass ihre Tätigkeit für diverse Hilfsorganisationen wichtiger war als die materialistisch orientierten Aktivitäten ihrer Tochter. Dass sich diese Aktivitäten allmählich zu einer erfolgreichen Karriere gemausert hatten, war in ihren Augen unerheblich.

Ihre Eltern hatten nie nachvollziehen können, warum Lauren und Beth nicht in ihre Fußstapfen treten wollten. Sie erachteten ihre Arbeit im Dienste der Menschheit für so bedeutend, dass sie es selbst jetzt noch immer nicht für nötig hielten, sich um Beth zu kümmern. Sie hatten sie nur ein einziges Mal besucht.

Lauren war noch immer nicht klar, was ihre Schwester vor etwa einem Jahr dazu veranlasst hatte, ein Gebäude in Brand zu stecken, in dem sich zahlreiche unschuldige Menschen befunden hatten. Heute hüllte sich Beth – nicht nur diesbezüglich – hartnäckig in Schweigen. Die Ärzte bezeichneten ihren Zustand lapidar als Apathie. Wenn man der Polizei glauben wollte, hatte Beth damals völlig hysterisch zu Protokoll gegeben, sie habe es getan, um die schwindende Macht der Familie Perkins aufrechtzuerhalten. Im Grunde klang diese Erklärung für Lauren einleuchtend, denn viele Stadtbewohner konnten mit Geschichten davon aufwarten, wie ihre verstorbene Großmutter, die lange Bürgermeisterin von Perkins gewesen war, versucht hatte, mittels Erpressung, Einschüchterung und Manipulation ihre Machtposition zu festigen. Beth hatte als ihre Sekretärin fungiert, und wie es schien, hatte sie sich ein Beispiel an ihrem Verhalten genommen.

Lauren hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie so mit sich selbst beschäftigt gewesen war und darüber nicht bemerkt hatte, dass ihre Schwester unter ernst zu nehmenden psychischen Problemen litt. Dasselbe galt für ihre Großmutter. Lauren war nicht klar gewesen, wie schlimm es offenbar um deren geistige Gesundheit bestellt war. Ihr Verhältnis zueinander war seit Jahren getrübt, deshalb hatte sie die alte Dame nur sporadisch zu Gesicht bekommen, wenn sie Beth besuchte.

Mittlerweile weilte Mary Perkins nicht mehr unter den Lebenden, aber Lauren wusste aus eigener Erfahrung, dass sich ihre Großmutter hervorragend darauf verstanden hatte, das Denken und Verhalten ihrer Mitmenschen zu beeinflussen. Man hatte die ehemalige Bürgermeisterin damals in Untersuchungshaft genommen, da auch sie sich so einiges hatte zuschulden kommen lassen, und dort war sie kurz nach dem von Beth verursachten Brand einem Herzinfarkt erlegen. Und Beth starrte seither hier in der Abteilung für geistig abnorme Rechtsbrecher schweigend Löcher in die Luft.

Lauren besuchte ihre Schwester mindestens einmal im Monat, wenn es ging auch öfter. Genau wie früher schien sich ihr Leben nur um Beth zu drehen. Schon in ihrer Kindheit hatte sich Lauren um ihre kleine Schwester kümmern müssen. Ihre Eltern hatten keine Zeit für sie gehabt, deshalb hatte Lauren, die fünf Jahre älter war als Beth, die Rolle von Vater und Mutter übernommen, hatte sozusagen als Autoritätsperson fungiert. Trotzdem waren sie sich sehr nahegestanden. Lauren hatte mit Beth schon damals alle Hände voll zu tun gehabt, und daran hatte sich bis heute nichts geändert. Selbst jetzt, mit siebenundzwanzig, musste sie in Aktion treten, wenn ihre Schwester etwas angestellt hatte.

Sie hasste das Gefängnisgelände, und die Spezialabteilung für psychisch kranke Straftäter, in der Beth untergebracht war, fand sie schrecklich bedrückend. Trotzdem kam sie regelmäßig hierher, in der Hoffnung, die Rekonvaleszenz ihrer Schwester zu beschleunigen, indem sie als Beths Schnittstelle zur Außenwelt fungierte.

Heute lag Beth zur Abwechslung nicht im Bett, sondern saß auf einem Stuhl, doch abgesehen davon war alles wie immer. Vor ihrem Zusammenbruch war sie stets makellos, wenn auch nicht unbedingt topmodisch gekleidet gewesen. Mode, das war stets mehr Laurens Metier gewesen. Ihre Lieblingsfarbe Orange hatte sie allerdings aus ihrer Kollektion verbannt, nachdem sie Beth bei der Einlieferung in der leuchtend orangefarbenen Gefängniskluft gesehen hatte. Inzwischen trug Beth graue Anstaltskleidung mit einem nicht zu übersehenden Schriftzug auf dem Rücken. Ihre Großmutter hätte sich bei diesem Anblick garantiert im Grab umgedreht, doch Lauren hütete sich wohlweislich, dies ihrer Schwester gegenüber zu erwähnen.

Wozu sollte sie sie beunruhigen, wo sich Beth doch stets unermüdlich – und mit Erfolg – um die Anerkennung ihrer Großmutter bemüht hatte? Lauren hatte diesbezüglich keinerlei Anstrengungen mehr unternommen, seit sie als Teenager bei der alten Dame wegen ihrer Affäre mit Jason Corwin in Ungnade gefallen war. Sie hatte es nie bereut, obwohl sie sich damit Mary Perkins’ Zorn zugezogen hatte. Der Sommer mit Jason war es in ihren Augen mehr als wert gewesen.

Da Beth keine Schwierigkeiten machte, musste sie während der Besuche keine Handschellen tragen. Allerdings patrouillierten draußen vor dem Zimmer ständig Aufseher, und in regelmäßigen Abständen kam eine Krankenschwester herein.

»Tag, Beth«, sagte Lauren betont fröhlich. »Wie geht es dir heute?«

Keine Reaktion. Lauren hatte auch keine erwartet.

Beth starrte stur geradeaus, das Haar hing ihr ins Gesicht. Der einst perfekte, wenn auch etwas konservative Bob war längst herausgewachsen, ihre Frisur wirkte ungepflegt, die graue Kleidung ließ ihre Haut noch blasser aussehen. Manchmal zog Lauren in Erwägung, ihrer Schwester einen Spiegel vorzuhalten; vielleicht würde der Schock sie ja aus ihrer Apathie reißen.

Sie räusperte sich, legte die Hände in den Schoß und versuchte, nicht nervös herumzuzappeln. »Weißt du noch, letzte Woche habe ich dir erzählt, dass ich in Grandma’s Haus ziehen werde. Am ersten Dezember läuft die Frist für die Renovierung ab, und so lange werde ich dort wohnen. «

Ihre Schwester blinzelte lediglich.

Lauren hatte keine Ahnung, ob ihr Beth zuhörte; ob sie verstand, was sie ihr erzählte. Die Gefängnispsychologin hatte Lauren dazu ermuntert, aus ihrem Leben zu berichten und von vertrauten Dingen zu reden. Als wäre alles in bester Ordnung. Also führte Lauren das übliche Selbstgespräch, obwohl sie sich denkbar dämlich dabei vorkam.

»Wenn ich es schaffe, das Haus bis dahin den Vorstellungen der potenziellen Käufer entsprechend herzurichten, sollte der Verkauf eigentlich reibungslos über die Bühne gehen.« Die Interessenten hatten ihr ein Angebot unterbreitet, und in nur vier Wochen sollte die Entscheidung fallen. Danach blieben ihr noch vierzehn Tage Zeit, um nach New York zurückzukehren und ihre Reise nach Paris vorzubereiten.

Vorausgesetzt man kaufte ihr das Haus tatsächlich ab. Lauren hatte sich die ganze Angelegenheit bedeutend unkomplizierter vorgestellt. Das Gebäude hatte fast ein Jahr lang leer gestanden, bis sie die gerichtliche Ermächtigung zur Nachlassverwaltung erhalten hatte, und Lauren hatte festgestellt, dass es in einem bedeutend schlechteren Zustand war als erwartet. Ihre Großmutter hatte sich offenbar lediglich auf Schönheitsreparaturen beschränkt, statt sich um die echten Probleme zu kümmern. Die Bausubstanz war angegriffen, die Strom – und Wasserleitungen waren alt. Außerdem waren die Rigipswände mit Löchern übersät. Schwer zu sagen, ob hier Spaßvögel oder Vandalen am Werk gewesen waren. Jedenfalls würde Lauren sehr sparsam mit dem ihr zur Verfügung stehenden Budget haushalten müssen, um sämtliche Reparaturen bezahlen zu können. Hoffentlich fand sie einen Bauunternehmer, der aufgrund der schlechten Auftragslage bereit war, das Projekt zu einem halbwegs vernünftigen Preis zu übernehmen.

Sie holte tief Luft und sprach weiter. »Der Makler meinte, die potenziellen Käufer seien sehr sympathisch. Sie kommen aus Übersee und haben keine Zeit, die Reparaturen selbst zu übernehmen. Aber in Anbetracht der aktuellen Marktlage kann ich froh sein, dass ich überhaupt Interessenten gefunden habe. Wenn die Arbeiten in einem Monat nicht abgeschlossen sind, springen sie womöglich ab, und wo soll ich dann einen neuen Käufer auftreiben?«

Plötzlich hatte Lauren eine Art Déjà-vu. Hatte sie ihrer Schwester vor einer Woche nicht bereits genau dasselbe erzählt? Und wenn schon. Beth hatte das alte Haus ihrer Großmutter geliebt, und sie hätte es zweifellos gern gesehen, wenn es im Familienbesitz geblieben wäre. Doch die Erbmasse war in Anbetracht von Schulden und Anwaltskosten ihrer Großmutter arg geschrumpft. Es gab keine Alternative. Sie mussten verkaufen, und Lauren hoffte, Beth aus ihrer Lethargie reißen zu können, indem sie sie über die Geschehnisse auf dem Laufenden hielt.

Sie zuckte zusammen, als draußen vor dem Fenster eine Säge aufkreischte, gefolgt von ohrenbetäubendem Gehämmer.

»Nicht schon wieder«, stöhnte Lauren. So ging das ständig, seit vor einem halben Jahr die Bauarbeiten am neuen Flügel begonnen hatten.

Die Augen ihrer Schwester blitzten auf, ihr linker Mundwinkel zuckte.

Sie wirkte entnervt, und Lauren konnte es ihr nicht verdenken. Es war ihr ein Rätsel, wie die Patienten unter diesen Bedingungen zu geistiger Normalität zurückfinden sollten. Man konnte ja kaum seine eigenen Gedanken hören.

Sie tätschelte ihrer Schwester die Hand. » Wir ignorieren diesen Krach ganz einfach«, sagte sie und deutete auf das vergitterte Fenster, vor dem sich die Baustelle befand. Kaum hatte sie den Satz beendet, stimmte eine Bohrmaschine in den Lärm mit ein. Beth, die bereits sichtlich aufgewühlt war, riss die Augen auf. Ihre Wangen röteten sich. Selbst Lauren bekam Kopfschmerzen.

Sie drehte sich zu der Krankenschwester um, die vorhin hereingekommen war, geschäftig in irgendwelchen Papieren blätterte und sich Notizen machte. »Entschuldigen Sie, dieser Krach macht meine Schwester ganz nervös. Kann man denn gar nichts dagegen unternehmen?«

Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber wir können nicht viel mehr tun als abzuwarten, bis die Arbeiten beendet sind.«

Lauren legte die Stirn in Falten. »Ich weiß, ich weiß. Die Leute hier sind keine Patienten in einer Privatklinik, sondern Insassen eines Gefängnisses. Sie kosten den Staat und den Steuerzahler Geld, also kann man sie ruhig leiden lassen.«

Die Schwester legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Also, falls es Sie tröstet: Normalerweise scheint ihr der Lärm nichts auszumachen.«

»Ich schätze, ich sollte froh sein, dass sie überhaupt mal eine Reaktion zeigt.« Lauren erhob sich von ihrem Stuhl. »Was meinen Sie, ist das ein gutes Zeichen?«, fragte sie hoffnungsvoll. Würde sich der Zustand ihrer Schwester vielleicht bald ändern?

Wieder schüttelte die Krankenschwester den Kopf. »Das ist eher ein Reflex. Machen Sie sich lieber keine Hoffnungen«, erwiderte sie sanft.

Lauren seufzte und nahm wieder Platz.

Sie betrachtete ihre stumme Schwester. Beth hatte bis zur zerstörerischen letzten Konsequenz an den Corwin-Fluch geglaubt und einen hohen Preis dafür bezahlt. Lauren fragte sich, ob es das in den Augen ihrer Schwester wert gewesen war.

Der Corwin-Fluch.

Für Lauren waren die Legenden um den Fluch lange nur Gutenachtgeschichten gewesen, die ihre Großmutter gern erzählte. Dass der Fluch auch dazu gedient hatte, die künftige Generation ihrer Familie mit einer ordentlichen Portion Selbstgefälligkeit auszustatten, war ihr erst später klargeworden.

Wenn man ihrer Großmutter glauben wollte, hatte die erste Mary Perkins, eine Ahnin aus der Zeit der Hexenprozesse in Salem, einen gewissen William Corwin und all seine männlichen Nachfahren verflucht, weil er ihrem Sohn die Verlobte ausgespannt hatte. Seitdem war jeder Corwin-Mann dazu verdammt gewesen, nicht nur die Frau seines Herzens, sondern auch sein Vermögen zu verlieren, sobald er sich verliebt hatte. Man konnte es Zufall nennen oder eine Verkettung tragischer Umstände; Tatsache war, dass sämtliche Männer der Familie Corwin vom Pech verfolgt zu sein schienen. Doch Jason Corwins Cousins hatten offenbar beschlossen, dem Fluch die Stirn zu bieten. Beide hatten kürzlich geheiratet, wie Lauren von ihrer Freundin Sharon gehört hatte.

Na, dann viel Erfolg, ihr zwei!, dachte Lauren.

Sie selbst hatte den Fluch stets als Ammenmärchen abgetan; schon damals, als sie mit siebzehn wie so oft die Ferien bei ihrer Großmutter verbracht und Jason kennengelernt hatte. Im Laufe jenes Sommers hatte sie sich in ihn verliebt und sich oft zu einem geheimen Tête-à-tête mit ihm fortgeschlichen. Dummerweise hatte ihre Großmutter davon Wind bekommen – sie hatte ihr Tagebuch gelesen, und da Mary Perkins im Gegensatz zu ihrer Enkelin fest an den Fluch glaubte, hatte sie eine Schimpfkanonade vom Stapel gelassen, die Lauren wohl niemals vergessen würde. Lauren durfte Jason nicht wieder sehen und wurde stante pede zu ihren Eltern zurück nach Sierra Leone geschickt.

An jenem Tag hatte sie das Vertrauen und die Anerkennung ihrer Großmutter unwiederbringlich verspielt. Sie hatte allerdings auch nie große Anstrengungen unternommen, sich beides wieder zu erarbeiten. Dafür war sie viel zu wütend über ihre Verbannung gewesen.

Lauren hatte Jason nicht gleich aufgegeben. Sie hatte ihm einige Male geschrieben, aber keine Antwort erhalten. Als sie ein Jahr später in die USA zurückgekehrt war, hatte sie feststellen müssen, dass Jason das Land verlassen hatte, um für die Teilnahme an den Olympischen Spielen zu trainieren und seinen Traum von der Goldmedaille für seine Leistungen als Snowboarder zu verwirklichen.

Er hatte sich weder bei ihr gemeldet noch ihr eine Kontaktadresse hinterlassen, dabei hatten sie doch beide von einer gemeinsamen Zukunft geredet, hatten fest daran geglaubt, dass sie einen Weg finden würden, um eines Tages zusammen sein zu können. Lauren war am Boden zerstört gewesen, wie man es nur als Teenager ist, als ihr klarwurde, dass Jason der gemeinsame Sommer wohl nicht so viel bedeutet hatte wie ihr. Da er sie offenbar vergessen hatte, war sie nach New York aufgebrochen, um sich ihre eigenen Träume zu schaffen.

Lauren zwang sich, in die Gegenwart zurückzukehren und sich wieder auf ihre Schwester zu konzentrieren. Allzu oft konnte sie Beth vor ihrer Abreise nach Paris nicht mehr besuchen, deshalb galt es, die wenige gemeinsame Zeit, die ihnen noch blieb, bestmöglichst zu nutzen.

Sie nahm ihren Monolog wieder auf. »Na, jedenfalls, Großmutters Haus ist wie gesagt in einem sehr schlechten Zustand. Jemand hat die Fenster eingeschlagen … Wahrscheinlich Kinder, die sich einen Spaß daraus machen, das alte Gebäude mutwillig zu zerstören.« Oder jemand, der sich für das Feuer rächen wollte, das Beth gelegt hatte. Doch das behielt Lauren wohlweislich für sich. »Aber ich schaffe das mit links.«

Keine Reaktion.

Lauren sah sich um und hatte plötzlich das Gefühl, als würden die Wände näher kommen. Sie schämte sich. Beth saß Tag für Tag in diesem engen, kleinen Zimmer fest und hatte keine Möglichkeit, von hier zu fliehen.

»Keine Sorge, Beth. Ich bleibe weiterhin mit deinem Rechtsanwalt in Kontakt, auch von Paris aus. Ich werde versuchen, dich hier rauszuholen.«

Der Anwalt setzte alles daran, das Urteil anzufechten. Beth hatte die ersten Monate nach ihrer Verhaftung in einem ganz normalen Krankenhaus verbracht und war dort von zwei Psychiatern untersucht worden. Sowohl der staatliche als auch der von ihrer Verteidigung zu Rate gezogene Fachmann waren damals zu dem Schluss gekommen, dass sie nicht prozessfähig war. Also hatte man sie bis auf weiteres in die Abteilung für psychisch kranke Rechtsbrecher des Gefängnisses von Bricksville überstellt.

Der Anwalt hatte gegen diesen Beschluss Berufung eingelegt und versuchte durchzusetzen, dass Beth in eine Nervenklinik eingewiesen wurde, wo es bessere Behandlungsmöglichkeiten gab, so dass sie früher oder später als geheilt entlassen werden konnte. Und wo sollte sie dann hin? Zu wem? Darüber wollte sich Lauren im Augenblick noch nicht den Kopf zerbrechen. Der Anwalt hatte angedeutet, dass dieses Szenario ohnehin einigermaßen unwahrscheinlich sei, doch Lauren gab die Hoffnung nicht auf.

Die Anwaltskosten hatten ein großes Loch in Laurens einst beträchtliche Ersparnisse gerissen. Ihren roten Sportflitzer hatte sie noch vor der Verhaftung ihrer Schwester gebraucht erstanden, von dem Geld, das sie sich mit dem Verkauf ihrer Entwürfe an Galliano verdient hatte. Der Porsche war der Beweis dafür, dass Träume wahr werden konnten. Dass es sich lohnte, fleißig zu sein, an sich zu glauben und niemals aufzugeben.

Natürlich hätte sie ihr geliebtes Auto verkaufen können, aber sie hatte so hart dafür gearbeitet. Jedes Mal, wenn sie hinter dem Lenkrad saß und das Gaspedal durchdrückte, erinnerte sie das Aufröhren des Motors an die Euphorie, die sie angesichts ihres ersten Erfolges verspürt hatte. Sie war nicht bereit, ihren Wagen – und damit auch dieses Gefühl – für irgendjemanden zu verkaufen. Nicht einmal für Beth.

Wenn ihre Modekollektion in Paris Anklang fand, würde man weitere Entwürfe von ihr anfordern, und damit wären ihre Geldsorgen Geschichte. Sie dachte an die Kosten für die Renovierung des Hauses. Ebenfalls eine große finanzielle Belastung.

Lauren betrachtete ihre Schwester, die diese ganze Misere verursacht hatte, und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie frustriert und verärgert sie war.

Sie legte ihr die Hand auf den Arm. »Ich muss gehen, aber ich komme bald wieder.« Damit erhob sie sich und küsste Beth auf die Wange.

Als sie den Raum verließ, fühlte sie sich seltsam beobachtet, als würde ihr ihre Schwester dabei zusehen, wie sie in ihr Leben außerhalb der Gefängnismauern zurückkehrte.

Der Porsche Boxter brauste mit atemberaubender Geschwindigkeit und aufheulendem Motor vorüber, um anschließend mit quietschenden Bremsen in einer Staubwolke zu verschwinden. Mit einem knallroten Cabrio konnte man in Stewart, Massachusetts, einem verschlafenen Nest in Neuengland, für einiges Aufsehen sorgen. Vor allem wenn das Verdeck offen stand, und das zu dieser Jahreszeit. Der Herbst war angebrochen, und im Stadtpark wurden gerade die letzten Vorbereitungen für das große Stadtfest getroffen.

Jason Corwin hob unwillkürlich den Kopf, als er das ohrenbetäubende Dröhnen vernahm. Sein Puls beschleunigte sich, fast wie früher, wenn er an einem Snowboardrennen teilgenommen hatte. Er verbannte die Erinnerung an das Leben davor in die hinterste Ecke seines Gehirns. Ein Leben, in dem er zwar keinen Boxter, aber immerhin einen Carrera gefahren hatte. Ein aufregendes Leben, das ihm einen Adrenalinkick nach dem anderen verpasst hatte. Er rief sich in Erinnerung, dass dieses Leben vorbei war und konzentrierte sich wieder auf die vor ihm liegende Aufgabe, die da lautete, eine Tarot-Bude für den Jahrmarkt zu zimmern, der noch am selben Abend mit einem Maskenball feierlich eröffnet werden sollte.

»Hm. Ich frage mich, wer da so erpicht auf einen großen Auftritt ist«, murmelte Clara Deveaux.

»Keine Ahnung.« Jason hämmerte den letzten Nagel in das Schild an Claras Bude, in der sich die Leute die Zukunft weissagen lassen konnten.

Wer auch immer in dem roten Flitzer hinter dem Lenkrad gesessen hatte, wollte gesehen werden, darauf ließ sowohl die auffallende Farbe des Wagens schließen als auch die Tatsache, dass der Fahrer – oder die Fahrerin – das Gaspedal absichtlich voll durchgedrückt hatte.

»Ich bin sicher, wir werden es bald erfahren«, sagte Clara. »Brauchst du noch lange?«

Jason schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin jetzt fertig. « Er hatte den Organisatoren versprochen, beim Aufbau der Stände für das Fest zur Hand zu gehen, und da Clara eine Freundin der Familie war, hatte er ihr außerdem beim Dekorieren ihrer Bude geholfen und den Transport der Waren übernommen, die sie dort verkaufen wollte.

Clara führte einen New-Age-Wicca-Laden namens Crescent Moon, den sie kürzlich von der Nachbarstadt nach Stewart verlegt hatte. Sie würde heute Abend mit Sicherheit alle Hände voll zu tun haben, denn viele der Ortsansässigen glaubten an weiße Magie, Verwünschungen und dergleichen. Jason allerdings wollte als männlicher Angehöriger des Corwin-Clans nichts mit Hexenzauber und dergleichen zu schaffen haben, hieß es doch hinter vorgehaltener Hand, er habe selbst unter dem berühmt-berüchtigten Corwin-Fluch zu leiden.

Doch Clara hatte darauf bestanden, ihm zum Dank für seine Unterstützung die Zukunft vorherzusagen. Und wenn sich Clara Deveaux erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war sie durch nichts und niemanden davon abzubringen.

»Hervorragend!« Sie ließ sich vor ihm nieder und brachte einen Packen überdimensionaler Tarotkarten zum Vorschein. »Mischen«, befahl sie und reichte ihm die Karten. Ihre Armreifen klimperten.

Jason stöhnte theatralisch, kam ihrer Aufforderung aber nach. Sie verfolgte jede seiner Bewegungen aufmerksam.

Clara hatte vor einer Weile mit seinem Onkel Edward eine Beziehung wieder aufgenommen, die keiner in seiner Familie so recht durchschaute, aber es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass es sich um eine dauerhafte Angelegenheit handelte. Jason mochte Clara, wenngleich sie ihm mit ihrer Absicht, ihn zu verkuppeln, oft gehörig auf die Nerven ging. Clara war wie Gabrielle und Amber, die Gattinnen seiner Cousins, wild entschlossen, ihn aus seinem derzeitigen Tief zu befreien.

Er konnte durchaus nachvollziehen, dass sie von seiner miesen Laune die Nase voll hatten. Ihm ging es ja nicht anders. Deshalb ließ er Clara gewähren und sich die Zukunft vorhersagen.

Er reichte ihr den Kartenstapel zurück.

»Das ist mein Lieblingsdeck«, bemerkte sie und legte die erste Karte auf. »Mal sehen. Der Page der Münzen, auf dem Kopf stehend. Du arbeitest hart und kannst für dich selbst sorgen, aber kürzlich ist etwas geschehen, das deine Weltordnung gehörig erschüttert hat.«

Jason unterdrückte ein Schnauben. Das war weiß Gott nichts Neues. Die ganze Stadt wusste, dass er sich die Chance auf eine erfolgreiche Teilnahme an den olympischen Winterspielen abschminken konnte, nachdem man ihn des Dopings überführt hatte. Ausgerechnet ihn, der in seinem ganzen Leben noch nie eine illegale Substanz zu sich genommen hatte. Das IOC hatte ihn für zwei Jahre gesperrt, und bis zu den nächsten Olympischen Spielen in vier Jahren würde er bereits einunddreißig sein.

Seine Sponsoren waren samt und sonders abgesprungen, sprich, er hatte nicht mehr die finanziellen Mittel, um trainieren und konkurrenzfähig bleiben zu können. Und da es ihm nicht gelungen war, seine Unschuld zu beweisen, war ihm nun auch die Motivation abhandengekommen, um weiter an seiner Karriere zu arbeiten.

»Nun sei doch nicht so skeptisch«, rügte sie ihn und wedelte mit den Armen, so dass ihr bunter Kaftan eine sanfte Brise erzeugte.

»Du musst doch zugeben, dass das, was du mir da weissagst, alles längst bekannt ist.«

Clara legte lächelnd die zweite Karte auf, quer auf die erste. »Diese Karte steht für ein Ereignis, unter dessen Einfluss du zurzeit stehst: die Drei der Kelche. Ein betrogenes Herz.«

Jason musste sogleich an Kristina denken, die Frau, die ihm zum Verhängnis geworden war. Er hatte sie ein halbes Jahr vor der schicksalsträchtigen Dopingkontrolle kennengelernt, und sie waren unzertrennlich gewesen. In ihr hatte Jason, der nie Zeit für eine Beziehung gehabt hatte, endlich jemanden gefunden, der seine Liebe zum Sport teilte; jemanden, der ihm nicht ständig vorhielt, er trainiere zu viel. Jedenfalls hatte er das angenommen. Dabei gehörte ihr Herz in Wahrheit Rusty Small, seinem größten Konkurrenten. Doch diese Tatsache hatte sie geschickt vor ihm geheim gehalten. Sie hatte Jason verführt und ihm nach und nach eine verbotene Substanz in die Power Shakes gemischt, die er täglich konsumierte.

Was zunächst nur ein Verdacht gewesen war, hatte sich später bestätigt. Rusty hatte Kristina wegen einer anderen den Laufpass gegeben, und einen Monat nach Jasons Rückkehr nach Stewart war sie plötzlich bei ihm vor der Tür gestanden, um ihr Gewissen zu erleichtern. Doch da war es bereits zu spät gewesen, zumal sie sich geweigert hatte, mit einem Geständnis an die Öffentlichkeit zu gehen. Nur auf diese Weise hätte Jason seinen Namen reinwaschen können. Doch so würde er weiterhin nur einer von vielen Athleten bleiben, die einer ungläubigen Welt ihre Unschuld beteuerten.

»Du wirst dich etwas mehr ins Zeug legen müssen, Clara«, zog Jason sein Gegenüber auf.

Doch Clara ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Die Karte links davon steht für deine unmittelbare Vergangenheit, für die Entscheidungen und Faktoren, die zu deiner derzeitigen misslichen Lage geführt haben. « Jason hörte nur mit halbem Ohr hin. »Der Page der Kelche. Du musst deine Berufung wiederfinden. Deinen heiligen Gral, wenn du so willst. Du setzt dich für die Erfüllung deiner persönlichen Anliegen ein«, orakelte sie. Diesmal konnte er sich keinen Reim auf ihre Worte machen. Was wollte sie ihm zwischen den Zeilen mitteilen?

»Könntest du das etwas näher ausführen?«, bat er.

Clara strich sich ihr pechschwarzes Haar glatt.

»Natürlich nicht. Nur du selbst weißt, was deine persönlichen Anliegen sind.«

»Verstehe.« Seine persönlichen Anliegen waren ein Geheimnis, das er nicht vorhatte zu lüften.

Sie machte weiter, ohne auf seinen sarkastischen Unterton einzugehen. »Die Karte darüber zeigt uns an, was für dich im Bereich des Möglichen liegt … Aha!«, stieß sie aufgeregt hervor. »Die Königin der Stäbe. Sie ist eine leidenschaftliche Frau, impulsiv und schelmisch.«

Jason gluckste, und es klang selbst für seine Ohren eingerostet. War es wirklich schon so lange her, dass er richtig herzhaft gelacht hatte? »Komm schon, Clara, selbst wenn ich aktiv auf der Suche wäre, was ich nicht bin, weißt du so gut wie ich, dass es in dieser Stadt keine Frau gibt, die wissentlich etwas mit einem Corwin anfängt.« Und selbst wenn – Kristina hatte ihm die Lust auf jedweden Kontakt mit dem weiblichen Geschlecht vorerst gründlich verdorben. Andererseits war er zugegebenermaßen nicht fürs dauerhafte Zölibat geschaffen.

»Und was ist mit mir? Ich laufe jedenfalls nicht vor den Corwin-Männern davon.« Clara musterte ihn mit ihren arglosen Augen.

»Du bist die berühmte Ausnahme von der Regel.« Sie war die Einzige, die es geschafft hatte, seinen Onkel Edward, der sich jahrelang von der Welt zurückgezogen hatte, aus seinem Schneckenhaus hervorzulocken. Die medikamentöse Behandlung seiner Paranoia schien endlich Früchte zu tragen. Er war zwar noch reichlich misstrauisch, kehrte aber allmählich ins Leben zurück, nachdem ihn die Angst vor dem Corwin-Fluch jahrzehntelang auf Schritt und Tritt begleitet hatte. Einzig seine Einstellung zum Thema Beziehungen hatte sich nicht geändert. Er wollte sich partout nicht mit Clara Deveaux einlassen; zu tief saß seine Furcht. Doch Clara gab nicht auf und stellte dem »alten Dickkopf« hartnäckig nach.

Clara grinste. »Ich verhalte mich wie jede andere Frau, die ihr Herz an einen Mann verloren hat. Aber zurück zum Spiel. Die Karte rechts davon. Ah, ja. Die Hohepriesterin. Eine mysteriöse Frau, wie man an der roten Maske unschwer erkennen kann.«

Jason musste sofort an den roten Porsche denken, der eben durch die Stadt geflitzt war.

»Sie steht für die Dinge, die du finden wirst, wenn du dich auf dich selbst konzentrierst statt auf die Außenwelt«, unterbrach Clara seine Gedankengänge. »Hochinteressant, wenn man bedenkt, dass sich heute Abend alle verkleiden sollen«, sinnierte sie.

Jason verdrehte die Augen.

Clara musterte ihn amüsiert. »Eine rote Rose, Symbol für eine Liebe, die nur darauf wartet, leidenschaftlich zum Ausdruck zu kommen. Rot signalisiert Erfüllung, sinnliche Sehnsucht, stürmische Leidenschaft.«

Er spürte, wie er errötete. »Ach, hör doch auf. Das ist mir ja direkt peinlich.«

Sie grinste. »Nun zur untersten Karte in der Viererreihe. Sie zeigt, wie andere dich sehen.« Sie drehte die entsprechende Karte um und fuhr fort: »Der König der Münzen. Du hältst dich für einen Versager, doch deine Umwelt erlebt dich als Menschen, der alles im Griff hat, Verantwortung übernimmt und in der Lage ist, sich um andere zu kümmern.« Sie deckte die nächste Karte auf. »Ein auf dem Kopf stehendes Ass der Kelche. Du hast die Hoffnung aufgegeben, jemals die große Liebe zu finden und fürchtest, du könntest für immer allein bleiben. Für dich ist das Glas halb leer, nicht halb voll.« Das klang bekümmert und eine Spur vorwurfsvoll, als wünschte sie, er möge sich ändern.

Doch wie sollte er? Bei ihren nur allzu treffenden Worten zog sich Jasons Magen schmerzhaft zusammen. Er hatte noch längst nicht verwunden, dass ein Urintest seinen Lebenstraum zerstört und seine ganze harte Arbeit zunichtegemacht hatte. In einem einzigen Moment hatte er alles verloren.

»Die dritte Karte in dieser Reihe ist die Zehn der Münzen. Die Karte der gesellschaftlichen Erfüllung. Um deine Ziele umzusetzen, musst du dich wieder in die Gesellschaft eingliedern, in jeder Hinsicht.« Sie löste den Blick von den Karten, die vor ihnen auf dem Tisch lagen, und sah ihm in die Augen. »Hör auf, dich hinter deiner Vergangenheit zu verschanzen.«

Er beschloss, ihr nicht zu widersprechen. Es hätte keinen Zweck gehabt.

»Die letzte Karte.«

Jason war froh, dass er es bald überstanden hatte. Clara meinte es gut, aber dieser ganze Hokuspokus bewirkte lediglich, dass ihm sein Scheitern nur noch schmerzlicher bewusst wurde. Er ließ schon viel zu lange zu, dass ein einziger Fehler sein Leben bestimmte, und seine Laune obendrein. Er war unglücklich und unleidlich, und er konnte sich allmählich selbst nicht mehr ausstehen.

Seit der Rückkehr nach Stewart war er im Baugewerbe tätig, aber seine Arbeit bedeutete ihm nichts und bereitete ihm keinen Spaß.

Vielleicht haben die Karten ja gar nicht so Unrecht, dachte er mit einer Prise Ironie. Vielleicht war es Zeit, dass er die Vergangenheit endlich hinter sich ließ und wieder in die Zukunft blickte. Er konnte zumindest damit anfangen, den sexuellen Frust abzubauen, der sich in ihm aufgestaut hatte. Genau das hatte Clara doch angedeutet, als sie auf die Bedeutung der Farbe Rot zu sprechen gekommen war.

»Bist du bereit?«, fragte sie nun.

Er nickte, wollte es nur so rasch wie möglich hinter sich bringen. »Okay, was soll’s. Zeig her.«

Sie deckte die letzte Karte auf. »Die Zehn der Kelche. « Sie lächelte breit. »Siehst du den weißen Zaun?« Clara breitete die Hände aus. »Das passt perfekt zu der roten Maske. Das ultimative Symbol für eine dauerhafte Liebe.« Beim letzten Wort seufzte sie auf. »Weißt du, was das bedeutet?«

»Nein, aber ich bin sicher, du erzählst es mir gleich.«

»Diese Karte besagt, dass eine glückliche Ehe für dich durchaus im Bereich des Möglichen liegt, Jason«, erklärte sie ihm im Brustton der Überzeugung und lächelte.

Ihre Worte versetzten ihn zurück in die Vergangenheit.

Erinnerten ihn an eine andere Frau.

Er war achtzehn gewesen und hatte versucht, genügend Geld zusammenzusparen, um sein Hobby – das Snowboarden – zu finanzieren. Sie war siebzehn gewesen und hatte den Sommer in der Stadt verbracht. Er war ein Corwin, sie war eine Perkins. Sie hatte davon geträumt, mit ihm durchzubrennen. Er hatte egoistische Pläne von seiner Sportlerkarriere geschmiedet, in denen kein Platz für eine Frau war.

Auch wenn er sich zuweilen gewünscht hatte, es wäre anders.

Er hatte sich oft gefragt, was geschehen wäre, wenn ihre Großmutter sie nicht zu ihren Eltern zurückgeschickt hätte. Wenn er sich auf die Suche nach ihr gemacht hätte, sobald er dafür das nötige Kleingeld verdient hatte. Doch er hatte es nicht getan. Er hatte sein Geld dafür verwendet, sich einen Namen zu machen. Hatte einen Coach engagiert und war einem Traum nachgejagt, der sich nicht erfüllen sollte.

»Woran denkst du?«, fragte Clara und unterbrach damit seine Gedankengänge.

»Daran, dass das alles Unsinn ist.« Bis jetzt hatte er ja gern mitgespielt, aber es war ganz schön realitätsfern, ihm einreden zu wollen, dass das Schicksal ein »Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende« für ihn bereithielt.

Er hatte seit Jahren nicht mehr an Lauren gedacht. Er war nicht in den Staaten gewesen, als ihre Familie vor einem Jahr endgültig zerbrochen war. Er hatte trainiert wie ein Verrückter, und bei seiner Rückkehr nach Stewart war sie wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Angeblich wohnte sie in New York City, weit weg von ihrer Problemfamilie.

»Ich sage dir nur, was in den Karten steht.« Vollkommen unbeeindruckt von seinen Zweifeln sammelte Clara ihre Karten ein.

»Als Nächstes willst du mir wohl noch weismachen, dass diese ominöse Frau, die ich kennenlernen werde, eine rote Maske tragen wird.«

Clara klopfte die Karten der Länge und der Breite nach auf den Tisch, so dass ein ordentlicher Stapel entstand. »Das hast jetzt du gesagt, nicht ich.«

Er schwieg, weil er sie nicht beleidigen wollte. Aber die Tatsachen sprachen für sich. Wenn ein Mann in Stewart, Massachusetts, mit Nachnamen Corwin hieß, dann war es nicht leicht für ihn, eine Frau ins Bett zu locken, geschweige denn vor den Traualtar.

Er bückte sich, sammelte seine Siebensachen ein und warf sie in seine Werkzeugkiste.

»Früher warst du nicht so zynisch«, stellte Clara fest. Jason hob eine Augenbraue. »Woher willst du das wissen?« Er mochte und respektierte Clara, doch er konnte nicht anders, als ihre sogenannte Intuition in Frage zu stellen. Und er wusste aus Erfahrung, dass sie sich diesbezüglich nur zu gern auf hitzige Diskussionen einließ.

Clara schüttelte lediglich den Kopf. »Ich weiß eben, dass du davor anders warst. Genau wie ich weiß, dass du danach anders sein wirst.«

»Wonach?«, fragte er, obwohl er ahnte, dass er es bereuen würde.

»Nachdem sie deine Welt in den Grundfesten erschüttert hat.«

Trotz der herbstlich kühlen Temperaturen hatte Lauren beschlossen, den Weg von Bricksville nach Perkins mit offenem Verdeck zurückzulegen. Nachdem sie eine Stunde in dem kleinen Zimmer ihrer Schwester zugebracht hatte, brauchte sie dringend etwas frische Luft. Sie wollte Freiheit atmen, den Wind in ihrem Gesicht spüren.

Wie nach jedem Besuch bei Beth hatte sie das Bedürfnis, sich geistig abzulenken. Um ihre Schwester, ihre Großmutter, das Gefängnis und den verdammten Corwin-Fluch eine Weile zu vergessen, lenkte sie ihre Gedanken bewusst auf Paris und die bevorstehende Modenschau. Damit war sie beschäftigt, bis sie nach einer guten Stunde die Vororte der Stadt erreichte. Dort sprang ihr die Ankündigung für das alljährliche Herbstfest ins Auge.

Davon hatte ihr Jason früher mehrfach erzählt. Wie es sich für Halloween gehörte, wurde heute im Rahmen des Festes ein Maskenball veranstaltet. Das klang unterhaltsam. Jason hatte damals stets bedauert, dass sie nicht bis zum Herbst bleiben und mit ihm dorthin gehen konnte. Nun, wie es aussah, bekam sie jetzt doch noch die Gelegenheit dazu. Okay, es war zehn Jahre zu spät, und sie konnte nicht behaupten, dass sie mit Jason hinging.

Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass er kommt, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Er war wieder in der Stadt, das wusste sie von Sharon Merchant, mit der sich Lauren während der Sommerbesuche bei ihrer Großmutter angefreundet hatte. Mittlerweile hatte Sharon den amtierenden Bürgermeister von Perkins geheiratet und hieß mit Nachnamen Stern.

Sie hatten den Kontakt über die Jahre aufrechterhalten. Sharon war die Einzige, der sich Lauren damals anvertraut hatte. Beth hatte sie von ihrer Affäre mit Jason Corwin nichts erzählt, wohl wissend, dass diese sie gleich bei ihrer Großmutter anschwärzen würde, weil sie mit dem »Feind« verkehrte. Doch Sharon war ihr sowohl damals als auch später noch eine verständnisvolle Freundin gewesen, und das, obwohl sie von Laurens Großmutter erpresst worden war, um zu verhindern, dass Sharons Mann Richard Bürgermeister von Perkins wurde. Zum Glück schien ihr das Prinzip der Sippenhaft fremd zu sein.

Sharon würde sich den Maskenball heute Abend garantiert nicht entgehen lassen. Gut, dann konnte Lauren sie überraschen. Natürlich maskiert. Der Nachlassverwalter ihrer Großmutter hatte angedeutet, dass sie die Einwohner von Stewart und Perkins nicht gerade mit offenen Armen aufnehmen würden. Nicht dass sich Lauren ihre Abneigung sonderlich zu Herzen nehmen würde. Sie würde etwaige Schmähungen hoch erhobenen Hauptes über sich ergehen lassen, denn sie hatte ein reines Gewissen und missbilligte das Verhalten ihrer Großmutter und ihrer Schwester. Trotzdem erschien ihr der Gedanke verlockend, unerkannt zu bleiben, während sie den Leuten etwas auf den Zahn fühlte.

Insbesondere falls ihr Jason über den Weg laufen sollte. Bei dieser Aussicht ergriff eine freudige Erregung von ihr Besitz. Zehn Jahre waren eine lange Zeit, und wenn sie eine Maske trug, würde er sie wahrscheinlich nicht erkennen. Ein Mann, der etwas auf sich hält, verkleidet sich nicht, hatte er einmal gesagt. Wenn er also aufkreuzte, würde sie voraussichtlich die Gelegenheit haben, ihn unter die Lupe zu nehmen und dabei selbst anonym bleiben.

Jawohl, dachte sie, ein Abend unter Leuten, das war jetzt genau das Richtige, um den deprimierenden Gefängnisbesuch zu vergessen.

Im Haus ihrer Großmutter angekommen ging sie schnurstracks auf den Dachboden. In der alten Truhe mit den Faschingskostümen stieß sie neben Federn und Spitzen auf Gesichtsmasken in sämtlichen Farben. Orange? Auf keinen Fall, aus nachvollziehbaren Gründen. Blau? Langweilig. Dann hielt sie plötzlich in den Händen, was sie gesucht hatte. Eine Maske, die förmlich darauf gewartet zu haben schien, von ihr entdeckt zu werden, in einer Farbe, die zweifellos einen Eindruck hinterlassen würde.

Eine rote Maske, passend zu ihrem roten Porsche.

Kapitel 2

Jason schob sich durch die Massen, die sich zwischen den im Stadtpark aufgebauten Buden und Zelten tummelten. Ein Farmer hatte das Gelände der Gemeinde für ebensolche Zwecke gestiftet. Als Kind hatte sich Jason auf dem Herbstfest stets blendend amüsiert. Heute jedoch war er ungewöhnlich ruhelos, und das lag nur an Claras Weissagung.

Nicht dass er an solchen Unfug wie Tarot glauben würde. Und doch wurde er dieses mulmige Gefühl nicht los, während er da und dort Bekannten zulächelte, ohne stehen zu bleiben, um mit ihnen zu plaudern.

Fast die ganze Stadt war auf den Beinen. Dass die meisten Leute kostümiert waren, machte die Sache auch nicht besser, im Gegenteil.

»Keine Verkleidung, Jason? Ich bin enttäuscht.« Das war Gabrielle, die Göttergattin seines Cousins Derek, angetan mit einer Maske aus rosa Federn.

Trotzdem hatte er sie gleich erkannt, nicht nur an ihren kastanienbraunen Haaren, sondern auch an den Stilettos, die quasi ihr Markenzeichen waren. Mit Gabrielle war Derek ein richtiger Glücksgriff gelungen, aber den hatte er sich auch redlich verdient. Er hatte

Die Originalausgabe LUCKY BREAK erschien bei Harlequin Enterprises Ltd., Ontario, Canada

Vollständige deutsche Erstausgabe 08/2010

Copyright © 2009 by Karen Drogin Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Satz: Greiner & Reichel, Köln

eISBN 978-3-641-06263-7

www.heyne.de

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