Maddrax 656 - Christian Schwarz - E-Book

Maddrax 656 E-Book

Christian Schwarz

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Beschreibung

Auf der letzten Etappe zu "Queen Haaley" überfliegen die Gefährten mit dem Gleiter das kleine Eiland Bornholm, das beim Volk der Dreizehn Inseln abfällig "Insel der Männer" genannt wird, seit einige Abtrünnige dort eine Siedlung errichtet haben. Da fängt Aruulas Lauschsinn unvermittelt telepathische Signale auf, die von ihren Schwestern stammen müssen. Gibt es Ärger dort mit den Männern? Sind Kriegerinnen in Gefahr? Aruula drängt darauf, zu landen und nachzusehen. Eine schlechte Entscheidung!

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Seitenzahl: 154

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah...

Enklave der Männer

Leserseite

Vorschau

Impressum

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« die Erde. In der Folge verschiebt sich die Erdachse, und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist – bis auf die Bunkerbewohner – auf rätselhafte Weise degeneriert.

In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Fliegerstaffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 versetzt wird. Nach dem Absturz wird er von Barbaren gerettet, die ihn »Maddrax« nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula findet er heraus, dass Außerirdische mit dem Kometen – dem Wandler, der sich als lebende, schlafende Entität entpuppt – zur Erde gelangten und schuld sind an der veränderten Flora und Fauna und der Verdummung der Menschen. Nach langen Kämpfen mit den Daa'muren erwacht der Wandler, weist sein Dienervolk in die Schranken und zieht weiter. Mit zwei Daa'muren, die auf der Erde zurückblieben – Grao und Ira – haben sich Matt und Aruula sogar angefreundet.

Bei einem Abstecher zum Mars, auf dem sich eine Expedition aus dem Jahr 2010 zu einer blühenden Zivilisation entwickelt hat, erfährt Matt von der Spezies der Hydree, die vor 3,5 Milliarden Jahren hier lebten und mittels eines Zeitstrahls zur jungfräulichen Erde umzogen, als ihr Planet seine Atmosphäre und Ozeane verlor. Mit ihren Nachkommen, den telepathisch begabten Hydriten, die von den Menschen unentdeckt am Meeresgrund leben, hatte Matt schon Kontakt und nennt einen von ihnen, Quart'ol, einen guten Freund.

Diese »Tunnelfeldanlage«, die wie ein Transporter funktioniert, in dem die Zeit unendlich gedehnt werden kann, ist bis heute in Betrieb und verursachte auch den Zeitsprung von Matts Flugstaffel um 504 Jahre, als die den Strahl querte. Dabei legt der Strahl einen Tachyonenmantel um lebende Zellen, der den Altersprozess fünfzig Jahre lang drastisch verlangsamt.

Seither ist viel Zeit vergangen – wir schreiben inzwischen das Jahr 2554 –, und all die Erlebnisse unserer Helden an dieser Stelle zu schildern, wäre unmöglich. Es gibt sogar eine Erdkolonie in einem fernen Ringplanetensystem, zu dem allerdings der Kontakt abgebrochen ist. Ihre Freunde Tom, Xi und deren Tochter Xaana (die eigentlich Matts Kind ist) leben dort auf dem Mond Novis.

Nicht nur einmal haben Matthew Drax und Aruula die Erde vor dem Verderben gerettet und mächtige Feinde bekämpft – zuletzt die vampirhaften Nosfera, die die WCA (World Council Agency, kurz: Weltrat) übernehmen wollten. Auf diese Organisation traf Matt schon früh. Momentan steht ihr General Aran Kormak vor, ein in der Vergangenheit eher zwielichtiger Charakter, der sich aber gewandelt und großes Interesse zu haben scheint, Meeraka (ehem. USA) und danach andere Länder friedlich zu einen.

Auch um Kormak weiterhin im Auge zu halten, geht Matt auf seinen Vorschlag ein, zusammen mit Aruula im Auftrag des Weltrats eine schnelle Eingreiftruppe zu bilden und für ein Bündnis unter dem Dach der WCA zu werben.

Dies sind ihre Abenteuer...

Weitere Informationen und Hintergründe zur Serie findet ihr unter https://de.maddraxikon.com im Internet!

Enklave der Männer

von Christian Schwarz

2516, auf den Dreizehn Inseln

Ich heiße Snorrje. Zu jener Zeit war ich acht Sommer alt. Niemals hätte ich geglaubt, dass es Entsetzlicheres gäbe, als Gefangener der Nordmänner zu sein und einem Leben in Elend und Sklaverei entgegenzusehen.

Es gab Entsetzlicheres. Jedenfalls für mich. Ich lag angebunden im Bauch eines Raddampfers der Nordmänner. Und in meinem Kopf versammelten sich die Gefühle derer, die um mich herum waren. Verzweiflung, Furcht, Hass, Triumph, der unbedingte Wille zu töten ... All das erlauschte ich.

Dabei hätte dies niemals sein dürfen. Denn wie jeder wusste, war dieses Geschenk der Götter nur Frauen vorbehalten. Nur ihnen war die Gabe des Lauschsinns gegeben. Doch ich war doch Junge! Dieses Mysterium verstärkte meine Furcht ins Unermessliche. Trieb Orguudoo ein böses Spiel mit mir?

Ich saß auf den Holzbrettern und steckte den Kopf zwischen die angezogenen Knie. Mit meinen Händen wollte ich die fremden Gedanken und Gefühle aus meinem Kopf herauspressen, denn ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen. Weil es nicht funktionierte, versuchte ich sie nun herauszuschütteln. Dabei schrie ich wie am Spieß.

Wikka, der neben mir saß, überlagerte mit seinem Zorn für einen Moment alle anderen Gefühle in meinem Kopf. Er schubste mich so stark, dass ich zur Seite fiel und mir unsanft die Stirn anschlug. In diesem Moment war ich wieder alleine in meinem Kopf, alle anderen blieben draußen.

»Was soll das, Snorrje?«, zischte Wikka mich an. »Mach es nicht schlimmer, als es schon ist. Willst du, dass die Wachen das Gleiche mit dir machen wie mit Bruunhild? Oder mit uns anderen?«

»N-nein«, murmelte ich und krabbelte langsam wieder hoch. Eine derartige Erleichterung hatte ich nie zuvor gespürt. »Entschuldige«, antwortete ich kläglich. »Ich ... ich ...«

Wikka winkte ab. »Die Faulnase hat uns gesagt, dass wir so still sein sollen wie eine verdammte Crooch«, fügte er noch hinzu. Mit seinen neun Sommern war er bereits einen Kopf höher gewachsen als ich. Ihn schien nichts erschüttern zu können. Zudem war er stolz und schlau. Wikka wäre einmal ein großer Krieger geworden. Aber Wudan hatte ein anderes Schicksal für ihn auserkoren, vielleicht auch Orguudoo. Ihm würde es sicher am schwersten fallen, den Nordmännern als Sklave dienen zu müssen.

Ohne zu überlegen, konzentrierte ich meine Gedanken für einen Moment auf Wikka. Denn auf diese Art lauschten die Frauen. So hatte es mir meine Mutter, die vor einigen Tagen im Kampf gegen die Nordmänner gefallen war, immer erzählt. Bevor ich über mein eigenes Tun erschrecken konnte, war es bereits zu spät. Ein Blitz wie aus den Kanonen der Nordmänner explodierte in meinem Kopf. Und Wikkas Gefühle überströmten mich wie eine Woge, wenn die See schwer war und an den Strand der Eselinsel rollte. Was ich spürte, war pure Todesangst. Und eiserne Selbstbeherrschung, die versuchte, diese Todesangst im Zaum zu halten.

Mein Entsetzen war größer als beim ersten Mal. Ich sah den schwarzen Schatten Orguudoos, des Dämons der finsteren Tiefe, der nach mir griff und versuchte, mich in sein schreckliches Reich zu ziehen. Schlagartig verebbte die Woge, die Wikkas Gefühle getragen hatte. Denn ich hatte mich auf etwas anderes konzentriert. Genau dies musste ich tun, damit die Gefühle der anderen wieder aus meinem Kopf flohen.

Ich schluckte schwer und versuchte wieder einen Sitz zu finden, denn alles tat mir weh. Meine Blicke wanderten durch den schmutzigen Bretterverschlag, in den sie uns eingesperrt hatten. Verstohlen musterte ich Bruunhild, die mit ausgestreckten Armen an einem Balken hing. Mit ihren vierzehn Sommern war sie bereits eine junge Frau. Nachdem sie vor Angst geschrien hatte, war die Faulnase, die statt einer Nase einen feuchten, manchmal tropfenden Hautlappen im Gesicht trug, erschienen, hatte sie angebrüllt, dann geschlagen und ihr alle Kleider vom Leib gerissen. Während er sie an den Balken gefesselt hatte, der sich über die Decke spannte, hatte er schlimme Dinge mit ihr gemacht, über die ich nicht sprechen will. Nun hing sie nackt und bloß da und kam mit den Sohlen kaum auf den Boden. Möglicherweise hatte sie das Bewusstsein verloren, denn sie wimmerte schon seit einiger Zeit nicht mehr.

Neben mir zählte ich noch dreiundzwanzig weitere Kinder, die in die Hände der Nordmänner gefallen waren. Nur Wikka und Bruunhild kannte ich, denn sie stammten wie ich von der Eselinsel. Die anderen Kinder hatte ich nie zuvor gesehen, sie kamen von den anderen Inseln.

Vor sieben Sommern hatten die Schrecklichen meine Heimat überfallen und die Dreizehn Inseln besetzt. Fortan hatten sie jedes Jahr vierzehn Mädchen als Tribut gefordert und in die Lokiraaburg bei Malmee verschleppt, wo sie hausten und wo wir alle auch bald landen würden.

Diesen Sommer waren die Kriegerinnen der Dreizehn Inseln jedoch gegen das Joch der Nordmänner aufgestanden und hatten ihnen schwere Kämpfe geliefert. Seither verschleppten die Nordmänner, die die Rebellion bisher nicht wieder in den Griff bekommen hatten, alle Kinder, derer sie habhaft werden konnten, auch Jungen. Die Erwachsenen hingegen töteten sie, wo sie sie fanden; auch die Wehrlosen konnten keine Gnade erwarten.

Vereinzelt setzte der Kanonendonner wieder ein, während das Schiff leicht schaukelte. Ich konnte ihn leise hören, fast wie einen verwehenden Hauch. Und ich wusste nur zu genau, was er bedeutete. Die Nordmänner starteten einen neuen Angriff auf den Königinnenpalast, den sie belagerten und in dem sich gut siebenhundert Kriegerinnen und Krieger um Königin Lusaana verschanzt hatten, um den Nordmännern einen verzweifelten Abwehrkampf zu liefern. Es würde allerdings nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sie endgültig unterlagen. Dann würde es das Volk der Dreizehn Inseln nicht mehr geben.

Der Raddampfer der Nordmänner, in dem wir gefangen waren, ankerte mit drei anderen zusammen direkt vor der Küste der Königinneninsel, was uns zu Ohrenzeugen des endgültigen Untergangs werden ließ.

Ich schaute zu einem großen blonden Jungen, der auf einer Kiste saß und nun den Kopf hob. Auch er schien den Kanonendonner zu vernehmen. »Sie greifen wieder an«, murmelte er leise. Dann senkte er erneut den Kopf. Neben ihm, auf einer Taurolle, saßen zwei Mädchen. Das größere schlang seinen Arm um das kleinere und drückte es fest an sich. Die Kleine schien die Wärme zu genießen und kuschelte sich ein.

Das weckte für einen Moment eine unglaubliche Sehnsucht nach meiner Mutter Isbeela, in deren starken Armen ich nur zu gerne Schutz gesucht hätte. Das Schwert eines Nordmanns hatte sie auf direktem Weg an Wudans Festtafel befördert. Sie war gestorben, weil sie mich hatte beschützen wollen.

Auch wenn ich Orguudoos Tun keinen Vorschub mehr leisten wollte, konnte ich doch nicht anders. Ich konzentrierte meinen Geist auf die Faulnase, die ich hinter der Tür vermutete. Tatsächlich schwammen seine Gefühle zu mir herein, wenn auch nicht so klar und deutlich, wie ich die von Wikka erfasst hatte. Ich spürte Gemeinheit, Mordlust und Wut, weil er hier ausharren musste, während die anderen die Festung angriffen und abschlachten durften, wer immer ihnen in den Weg kam.

Irgendwann hörte ich ein seltsames Geräusch, wie ich es noch nie zuvor vernommen hatte. Es klang wie ein beständiges Hämmern, das zuerst leise war und immer lauter wurde. Wütendes Kanonenfeuer mischte sich in das Hämmern. Die Nordmänner erhöhten den Salventakt um das Drei- bis Vierfache.

»Was ist das?«, murmelte Wikka so leise, dass die Faulnase es nicht hören konnte. Auch ich konnte mir keinen Reim darauf machen.

Das Hämmern verschwand gleich darauf wieder, auch der Salventakt wurde wieder normal.

»Vielleicht kommt uns ja Wudan persönlich zu Hilfe und schlägt alle Disuuslachter tot«, flüsterte der blonde Junge. Er nannte die Nordmänner bei dem Namen, den sie sich selbst gaben: Götterschlächter.

»Wenn, dann war es eher sein Bote Sigwaan auf seinem Göttervogel«, erwiderte Wikka ebenso flüsternd.

»Dann war er auf jeden Fall nicht sehr erfolgreich«, mischte sich ein weiterer Junge ein, dessen Namen ich nicht kannte. »Die Nordmänner feuern ihre Kanonen weiter ab.«

Aber erst nach einer ganzen Weile machten die Nordmänner ernst. An ihrem Kriegsgebrüll, das so laut war, dass es ebenfalls bis hierher ins Schiffsinnere drang, erkannte ich, dass der Angriff nun startete. Gleichzeitig feuerten sie all ihre Kanonen ab. Doch plötzlich mischten sich andere Knallgeräusche in den ohrenbetäubenden Lärm der Kanonen. Sie waren leiser, dafür aber zahlreicher als die Kanonenschüsse. Auch diese Geräusche hatte ich noch nie zuvor gehört. Was ging da bei der Festung vor? Setzten die Nordmänner eine neue Art von Waffen ein?

Wieder lauschte ich, ich konnte nicht anders. Und wollte es einfach nicht glauben, was da auf mich einströmte. Denn es waren die Todesangst und die blanke Wut der Nordmänner, gemischt mit dem Triumph der Kriegerinnen.

Das Blatt musste sich plötzlich gewendet haben. Aber wie?

Irgendwann hörten wir dumpfe Schläge und Gebrüll über uns auf dem Schiff. Die anderen Kinder wagten kaum zu atmen. Sie wussten im Gegensatz zu mir nicht, was es bedeutete. Denn erneut konnte ich der Versuchung des Lauschens nicht widerstehen. Die Kriegerinnen und Krieger unseres Volkes griffen die Raddampfer an! Die verbliebenen Nordmänner lieferten ihnen zwar einen verzweifelten Abwehrkampf, konnten aber wegen ihrer deutlich geringeren Zahl nicht bestehen. Trotzdem kämpften sie voller Hass und Todesmut. Denn sie konnten einfach nicht begreifen, wie es zu dieser plötzlichen Wende gekommen war, und wollten nicht aufgeben.

Direkt vor der Tür vernahmen wir einen dumpfen Schlag. Ein Stöhnen folgte. Dann irres Kichern. Gleich darauf flog die Holztür auf. Voller Entsetzen starrten wir auf die Faulnase, die blutbespritzt, mit einem Schwert in der Hand, in den Verschlag trat. Hinter ihm sah ich etwas Felliges liegen. In Faulnases Augen stand der Irrsinn. »Euch nehme ich noch mit, wenn ich gleich zu unserer Urmutter Sigynja gehen muss, ihr kleinen Kwötschis«, knurrte er. »Ich stech' euch ab, einen nach dem anderen!«

Wikka und der blonde Junge, dessen Name Tjuur lautete, wie ich inzwischen wusste, sprangen auf. Tjuur ballte die Fäuste. Er wollte wohl sein Leben so teuer wie möglich verkaufen. Gegen Faulnases Schwert würde er aber keine Chance haben.

Hinter dem Nordmann erschien eine Kriegerin in der Tür. Sie hatte langes blauschwarzes Haar und aufgemalte Linien im Gesicht. Ihre braunen Augen blitzten voller Zorn. In ihrer Hand hielt sie ein Langschwert. »He!«, rief sie.

Die Faulnase fuhr herum. Er hatte keine Chance. Die Kriegerin, in einen blutverschmierten Pelzmantel gehüllt, stach der Faulnase das Schwert mitten ins Gesicht. Schreiend brach der Nordmann zusammen und starb auf dem Boden.

»Ihr müsst keine Angst mehr haben, Kinder, ihr seid gerettet. Wir haben die Nordmänner besiegt. Ich heiße Aruula«, stellte sie sich vor, steckte ihr blutiges Schwert in eine Rückenkralle und ging zu Bruunhild, um sie von dem Balken loszuschneiden. »Sie lebt noch«, sagte Aruula erleichtert und nahm die Bewusstlose auf die Arme. »Folgt mir nach oben, Kinder. Ihr seid frei. Es besteht keine Gefahr mehr.«

Einige der Mädchen begannen zu weinen vor lauter Erleichterung. Wir folgten Aruula. Vor der Tür lag eine tote Kriegerin. Sie war wohl verletzt die Holztreppe heruntergestürzt und von der Faulnase getötet worden. Voller Ehrfurcht stiegen wir über sie und dann die Treppe nach oben.

Der Morgen war gerade angebrochen. Eisiger Winterwind empfing uns. Überall auf dem Deck lagen tote Nordmänner in großen Blutlachen. Einer hing in dem seitlich angebrachten mächtigen Rad, das die Schiffe antrieb, ein zweiter war mit einem Schwert förmlich an den Schornstein genagelt worden.

Direkt dahinter, in einiger Ferne, erstreckte sich der Königinnenpalast. Auch einige gefallene Kriegerinnen bemerkte ich. Und viele Waffen, die kreuz und quer herumlagen. Noch hatte sie keiner aufgesammelt. Aruula gab Bruunhild bei einer der Heilerinnen ab, die im Bug des Schiffes saßen und Verwundete unseres Volkes versorgten. Sofort wurde Bruunhild in einen wärmenden Mantel gehüllt.

Dann trat Aruula zu einer Gruppe Kriegerinnen in Pelzmänteln, die mittschiffs zusammenstanden und miteinander redeten. Mir blieb der Mund offen stehen, denn ich erkannte Königin Lusaana unter ihnen, blutverschmiert wie alle anderen auch.

Trotzdem blieb mein Blick an dem großen Krieger hängen, der gerade mit der Königin sprach. So einen wie ihn hatte ich noch niemals gesehen. Er überragte mit seinen mächtigen Muskeln nicht nur alle Anwesenden. Mit seinen roten Augen wirkte er wie ein Dämon aus Orguudoos Hölle! Lange hellgraue zerzauste Haare umrahmten sein Gesicht. Er brauchte anscheinend keinen Mantel, denn er trug lediglich Stiefel, eine lederne Hose und ein ledernes Wams, das die Arme freiließ. In seiner rechten Hand sah ich einen seltsamen Gegenstand, eine Kugel mit einem sich verjüngenden Stab und einem Griff unter der Kugel, an dem er das Ding hielt. Mit der Linken kraulte er den Kopf eines mächtigen Lupas, der neben ihm stand!

In diesem Moment erschienen weitere Nordmänner! Sie kletterten wassertriefend über die Reling! Und griffen sofort an. Die Götterschlächter mussten von einem der anderen Schiffe stammen und waren wohl unbemerkt durch das eisige Wasser hierher geschwommen.1

Kriegerinnen schrien gellend. Zahlreiche von ihnen fuhren herum und zogen ihre Schwerter. Die Krieger taten es ihnen nach. Gleich darauf waren die Leute unseres Volkes in verbissene Zweikämpfe mit den brüllenden Angreifern verwickelt. Aruula stach einen Nordmann nieder. Der Rotäugige hob das seltsame Gerät in seiner Hand und richtete es auf einen der Barbaren, der gerade über die Reling hüpfte. Ein greller Blitz löste sich und traf den Nordmann in die Brust! Er taumelte brennend und schrill schreiend über das Deck. Eine der Heilerinnen warf geistesgegenwärtig ein Pulver in die Flammen, die daraufhin noch höher schossen.

Auch der Lupa des Rotäugigen griff in den Kampf ein. Er sprang einen Nordmann an, streckte ihn nieder und biss ihm die Kehle durch.

Wir Kinder standen wie erstarrt. Eine Kampfaxt flog. Und traf Wikka direkt am Kopf! Mit gespaltener Stirn sank er nieder. Dadurch erwachte ich aus meiner Lethargie.

»Los, komm!«, rief ich Tjuur zu, der nicht weit von mir entfernt stand, »wir müssen uns verstecken!« Ich rannte los und zog ihn mit mir zu dem flachen Deckaufbau neben dem Schornstein. Dort gab es einen breiten Spalt, in den wir uns kauern konnten. Eine blutige Kampfaxt lag darin. Wir drückten uns an die eiskalten Wände.

Ein verwunderter Nordmann taumelte über das Deck. Direkt vor unserer Nase brach er stöhnend zusammen. »Diese verfluchten Piigs«, stieß Tjuur hervor. Bevor ich ihn hindern konnte, drückte er sich aus dem Versteck. Er griff sich das Schwert des Verwundeten, um ihn zu töten.

Als er über ihm stand und zustoßen wollte, rammte ihn ein anderer Nordmann, dessen linkes Auge sehr viel tiefer saß als das rechte, brutal weg. Tjuur krachte auf das Deck. Nun stand seinerseits der Nordmann über ihm, um ihm das Schwert in die Brust zu stoßen.

Nein! Ich handelte instinktiv. Blitzschnell hob ich die Kampfaxt auf und sprang ebenfalls aus dem Versteck. Entschlossen hieb ich mit der Waffe zu und spaltete dem Nordmann von hinten den Schädel! Das hässliche Knirschen werde ich nie in meinem Leben vergessen. Stöhnend fiel er zu Boden und kam neben Tjuur zu liegen.

Der schrie gellend! Ich fuhr herum. Und sah mich einem Götterschlächter gegenüber, der keine Ohren und nur ein Auge besaß. Das zweite hatte es wohl nie gegeben. Denn wo es hätte sitzen sollen, befand sich ebene Haut.

Bevor er mich zu Wudan schicken konnte, tauchte Aruula auf. Ihr waagerecht geführter Schwerthieb rettete mich im letzten Moment. Der Kopf des Götterschlächters rollte auf das Deck. Ich schloss die Augen. So etwas hatte ich schon einmal gesehen.

Aruula verteidigte Tjuur und mich gegen zwei weitere Angreifer. Kurze Zeit später war auch dieser Kampf gewonnen. Keiner der Nordmänner war mehr am Leben. Aber es galt auch, zwei weitere tote Krieger und eine Kriegerin zu betrauern, die Wudan zu sich geholt hatte. Verletzte gab es ebenfalls.

Tjuur klopfte mir auf die Schulter. »Das werde ich dir niemals vergessen, Snorrje«, sagte er. »Danke.«