Maddrax 624 - Christian Schwarz - E-Book

Maddrax 624 E-Book

Christian Schwarz

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wer würde nicht gern seinem Gott begegnen - zu Lebzeiten natürlich? Nun ja... kommt darauf an, ob es der gütige Gott ist, den man heutzutage predigt - oder der aus dem Alten Testament, der in seiner Wut schon mal sieben Plagen schickt oder den Tod des Erstgeborenen fordert.
Tautropfen stand kurz davor, ihren Gott zu treffen. Doch was sie in den letzten Tagen über die ferne Stimme erfahren hatte, ließ sie zweifeln... nein, verzweifeln. Wie gütig war ein Gott, der die Ahnen ihres Volkes in einen Vernichtungskrieg schickte...?


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 149

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Was bisher geschah...

Die ferne Stimme

Leserseite

Vorschau

Impressum

Am 8. Februar 2012 hält ein gewaltiger Komet Kurs auf die Erde! Man beschießt ihn mit Atomraketen. Drei Stratosphärenjets sollen die Auswirkung beobachten. Commander der Staffel ist der US-Pilot Matthew Drax. Doch die Raketen verpuffen auf dem Himmelskörper, von dem eine unbekannte Strahlung ausgeht. »Christopher-Floyd« schlägt in Asien ein. Die Druckwelle trifft auch die drei Jets und fegt sie davon...

Als Matthew und sein Copilot Professor Dr. Jacob Smythe aus einer Ohnmacht erwachen, trudelt ihr Jet auf die Alpen zu! Smythe steigt per Schleudersitz aus, Matt kann die Maschine notlanden. Er wird von Barbaren gefunden, die ihn als Gott ansehen und »Maddrax« nennen. Statt einer verwüsteten Erde sieht er sich fremdartigen Lebewesen und Pflanzen in einer veränderten Geografie gegenüber: Die Druckwelle hat die Fliegerstaffel durch einen Zeitstrahl um 520 Jahre in die Zukunft geschleudert! Dieser Strahl, der seit Urzeiten vom Mars zur Erde reicht, sicherte vor 4,5 Mrd. Jahren den Marsbewohnern, den Hydree, das Überleben. Der vermeintliche Komet war die Arche einer Wesenheit namens »Wandler«, deren Dienerrasse, die Daa'muren, sich die Erde untertan machen will, indem sie Fauna und Fauna mutieren und die Menschen verdummen lässt. Nur die Bunkermenschen, sogenannte Technos, bewahren sich ihr Wissen, büßen dafür aber über die Jahrhunderte ihr Immunsystem ein.

Zusammen mit Aruula, einer telepathisch begabten Kriegerin, beginnt Matt Drax seinen Feldzug. Er findet Freunde – unter anderem die Hydriten, die sich aus den Hydree entwickelt haben und in den Meerestiefen leben –, kämpft gegen die Daa'muren und Mutanten wie die blutsaugenden Nosfera, und gerät an Schurken, allen voran Jacob Smythe, der wahnsinnig wurde und die Weltherrschaft anstrebt, bis Matt ihn endlich unschädlich macht. Auch Smythes Zwilling aus einem Parallelwelt-Areal stirbt, während seine verrückte Freundin Haaley entkommt. Diese Areale, die überall auf der Erde aufbrechen, sind das Ergebnis von Zeitreisen, die die Menschen einer fernen Zukunft unternahmen, um technische Artefakte zu sammeln. Matt und seine Verbündeten – zu denen sogar zwei Daa'muren zählen, Grao'sil'aana und Gal'hal'ira – können alle schließen, wobei ihnen GRÜN, eine Art Pflanzenbewusstsein der Erde, zur Seite steht.

Auch Colonel Aran Kormak stammt aus einer dieser Parallelwelten – zumindest will er Matt dies weismachen. In Wahrheit ist er sein skrupelloser Zwilling aus dieser Welt, von dem Matt glaubt, er wäre tot. Doch Kormak, Befehlshaber einer Elitetruppe namens Dark Force, die aus dem Weltrat in Waashton (Washington) hervorging, scheint sich zu besinnen und verbündet sich mit Matt, als eine neue Bedrohung auftaucht. Denn kaum ist das letzte Areal in Afrika versiegelt, wobei GRÜN beinahe vernichtet wird, sehen sich die Gefährten einer kosmischen Bedrohung namens »Streiter« gegenüber, die noch immer den Wandler auf der Erde vermutet. In einem furiosen Endkampf kann Matt sie versteinern.

Doch die Freude währt nur kurz, als Aruula mit dem Gleiter RIVERSIDE verschwindet. Matt und ein Dark-Force-Trupp folgen ihr mit der PLASMA, einem gekaperten außerirdischen Raumschiff, bis nach Südamerika (Amraka). Über Peru stürzen sie wegen plötzlichen Energieverlusts ab und finden die havarierte RIVERSIDE. Von Aruula keine Spur! Dafür entdeckt Matt das Wrack eines Flugzeugträgers mitten im Dschungel – und eine blinde Passagierin, die mit nach Amraka kam: Haaley.

Auf der USS Nimitz trifft Matt auf eine feindlich gesinnte Mannschaft und einen gewaltigen roten Diamanten. In der Zwischenzeit wird sein Trupp von mysteriösen Gegnern dezimiert, und Matt ist sich nicht sicher, ob nicht Haaley dahintersteckt. Die letzte Dark-Force-Soldatin stirbt beim Kampf gegen einen mutierten Jaguar, kann ihn aber erlegen – ein heiliges Tier, wie Matt und Haaley erfahren, als sie von Eingeborenen überwältigt werden. Zusammen mit einer Frau von der Nimitz warten sie auf den Tod, denn auch die Fremden sind Feinde der Indios, seit sie deren Heiligtümer, zwei rote Diamanten, raubten.

Sie versuchen zu fliehen, doch nur die Soldatin entkommt. Matt und Haaley müssen eine Götterprobe bestehen: den »Spiegel von Pachacámac«, mit dem sich weitere Diamanten herstellen lassen, aus einer Todeszone zu bergen – was ihnen auch gelingt. Sie werden freigelassen und beobachten den Angriff eines Ameisenvolks auf die Nimitz. Bei der Kontaktaufnahme mit einem Indiostamm, der den Schwarm kontrollieren soll, stellen sie fest, dass das Gegenteil der Fall ist: Mabuta, der »vielbeinige Gott«, nimmt sie gefangen. Dabei stellt sich heraus, dass Haaley – wie Aruula – vom Volk der Dreizehn Inseln abstammt und latent telepathisch begabt ist, was die Kommunikation mit Mabuta erleichtert. Der wird von einem Pilzgeflecht bedroht, und Matt soll ein Mittel dagegen finden. Es gelingt ihm, eine Ladung Fungizid zu stehlen und das Gift in Mabutas Dorf zu schaffen, wo es mit dem Regen verteilt wird, was das Pilzgeflecht in dieser Region abtötet. Zum Dank bringt der »Ameisengott« Matt und Haaley auf die Nimitz, wo sie als Aants vergeblich nach Aruula suchen, aber von einem bevorstehenden Angriff der Soldaten auf Mabuta erfahren.

Mabuta versetzt Matt und Haaley unter einer Bedingung zurück in ihre Körper, die sich inzwischen in der Gewalt Dak'kars befinden. Dessen Soldaten konnten viele Aants töten, wurden letztlich aber zurückgeschlagen: Sie sollen Dak'kar töten! Doch Matt verbündet sich mit ihm, um mit Dak'kars Hilfe zu dem Pilz in der Todeszone vorzustoßen, den er für intelligent und telepathisch begabt hält und der mehr über Aruulas Verbleib wissen könnte. Dafür will er Dak'kar die Formel vom »Spiegel von Pachacámac« verschaffen, mit der weitere rote Diamanten hergestellt werden können. Denn die braucht Dak'kar, um seine heimatliche Community in Macapá, Brasilien, zu retten, in der künstliche Lymphozyten, die eigentlich die Immunschwäche der Ex-Technos heilen sollten, zu einer tödlichen Krankheit führten. Die Strahlung der Diamanten kann diese Lymphozyten abschalten, doch der einzige Splitter wurde von Dak'kars ehemaligem Freund Toma'bar gestohlen.

In der Zwischenzeit startete eine Rettungsmission der Dark Force, die aber aufgrund des riesigen Gebiets eingestellt werden musste. Nur die Daa'muren Grao und Ira sind an der brasilianischen Küste verblieben und versuchen weiter, eine Spur der beiden Freunde zu finden. Sie stoßen auf die Community in Macapá, geraten aber in die Gewalt von Nosfera, die dank der künstlichen Lymphozyten, die sie von Toma'bar erhielten, neue telepathische Kräfte entwickelt haben.

Um Mabuta zu täuschen, der durch Haaleys Geist alles beobachtet, ersinnt Dak'kar einen Plan, um seinen Tod vorzutäuschen. Er gelingt auch – bis Dak'kar, von den anderen getrennt, in eine Fallgrube stürzt und verletzt in die Fänge einer geistig Verwirrten fällt, die ihn »für sich behalten will«. Die Gefährten können ihn befreien und retten sich vor Mabuta in die Todeszone. Dort aber brechen sie in das unterirdische Reich der Nocturno ein und baden – bis auf Dak'kar – in einem See, der ihre Körper langsam verholzen lässt. Auf ihrer Flucht nehmen sie die Nocturna Tautropfen mit, die Kontakt zu einer fernen Stimme hat, welche das Verderben aufhalten könnte. Doch die Gefährten verholzen zusehends, und so müssen Dak'kar und Tautropfen allein weiterfahren, während Matt, Haaley und All'ec einem Tümpel ausharren...

Die ferne Stimme

von Christian Schwarz

Tautropfen stolperte durch den dichten Dschungel. Todesangst schnürte ihr die Kehle zu und ließ jeden Atemzug zur Qual werden. Doch viel schlimmer noch war der Zorn ihres Gottes. Unablässig hämmerte die ferne Stimme, die nun gar nicht mehr fern war, sondern ihren Kopf ausfüllte, auf sie ein: Du hast mich an die Fremden verraten! Dafür werde ich dich strafen!

Tautropfen wusste nur zu genau, wie sinnlos ihr Fluchtversuch war. Warum tat sie es dann trotzdem, anstatt auf die Knie zu fallen und sich dem Gott zu unterwerfen? Weil es Unrecht ist! Weil nicht ich meinen Gott, sondern er mein Volk verraten hat!

Plötzlich verschwamm ihre Umgebung. Die Bäume um sie her begannen sich zu bewegen, kamen auf sie zu und kreisten sie ein. Tautropfen erkannte, was die Bäume wirklich waren. Der Schock ließ sie aufschluchzen.

Tautropfen zitterte am ganzen Körper. Gehetzt sah sie sich um. Aber da war keine Lücke, durch die sie hätte schlüpfen können. Undurchdringlich stand die Phalanx ihrer... nein, nicht ihrer Gegner, sondern ihrer Ahnen. Die von der fernen Stimme geschickt wurden, um sie zu bestrafen.

Immer näher kamen die knotigen, nur noch entfernt an Menschen erinnernden Bäume, in denen Tautropfen die verstorbenen und verholzten Ahnen erkannte. Dass ausgerechnet sie ihre Henker sein sollten, erfüllte Tautropfen mit Grauen.

Äste, an deren Enden wie Finger aussehende Zweige saßen, peitschten durch die Luft. Wie Snaaks krochen sie heran, zuckten in ihre Richtung.

Tautropfen warf sich flach auf den Boden, streckte die Arme vor und drückte ihr Gesicht in die regenfeuchte Erde. »Du hast dich in mir getäuscht, ferne Stimme«, rief sie schluchzend. »Ich war dir immer treu und gehorsam ergeben! Ich bin keine Verräterin!«

Die Stimme, nun ganz nah, erklang in ihrem Kopf. Du hast es nicht verdient, den Weg der Ahnen zu gehen! Er wird dir auf ewig verwehrt bleiben!

Plötzlich stand Tautropfen wieder auf ihren Beinen, ohne zu wissen, wie sie in die Aufrechte gekommen war. Die kalten, holzigen Zweigfinger der Ahnen schnellten vor, packten Tautropfen am Hals und drückten erbarmungslos zu. Sie bekam keine Luft mehr, gurgelte, versuchte verzweifelt, den Würgegriff zu lösen.

Sie hatte keine Chance. Der eiserne Griff um ihren Hals verstärkte sich noch. Dann wurde sie plötzlich hochgehoben. Ihre Beine zuckten in der Luft; sie spürte, wie sich ihre Blase entleerte. Eine derartige Angst hatte sie noch nie zuvor verspürt.

Ungehorsam ist Verrat und wird mit dem Tod bestraft!

Die Stimme des Gottes klang nun triumphierend. Und Tautropfen spürte den Tod nahen. Zuerst waberten rote Schlieren vor ihren Augen. Dann bemerkte sie die finsteren Schatten, die von allen Seiten auf sie zukamen.

Aber die junge Nocturna wollte nicht in das Reich der Finsteren eingehen! Tautropfen schrie auf und wehrte sich mit letzter Kraft. Und fuhr in die Höhe.

Die Dunkelheit war von einem Summen erfüllt, das ihr seltsam vertraut vorkam. Auch die Umrisse, die sich aus dem Zwielicht schälten, hatte sie schon einmal gesehen.

Ein Ruck warf sie fast von ihrem Lager. Sie keuchte erschreckt und hielt sich fest.

In diesem Moment begriff Tautropfen, dass sie in Sicherheit war. Sie hatte sich im Bauch des Metalltieres zum Schlafen hingelegt. Dabei hatte ein böser Traum sie heimgesucht.

Die ferne Stimme jagte sie nicht. Es gab auch keine finsteren Schatten. Tautropfen stieß einen Seufzer purer Erleichterung aus.

In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Laderaum. Graues Tageslicht strömte durch die offene Rampe herein. Es war düster genug, um ihr nicht weh zu tun.

Der große Oberflächenmensch, den seine Leute Dakaa nannten – so zumindest hatte sie seinen Namen verstanden – trat ein. Er musterte sie forschend und sagte etwas in dieser Sprache, die sich kaum vom Brummen des Metalltiers unterschied.

Tautropfen war es rätselhaft, wie man mit so einem monotonen Singsang überhaupt verständliche Ausdrücke formulieren konnte. Er war so unendlich weit weg von ihrer eigenen Sprache, dass sie sich niemals mit Worten würden verständigen können.

Aber Tautropfen gelang es immer besser, Körpersprache und Mimik der Fremden zu begreifen. Die querliegenden Falten auf der Stirn bedeuteten, dass Dakaa sich Sorgen um sie machte. Sie spürte zudem, dass er es ehrlich meinte. In seinen Gefühlen konnte sie keinen Falsch erkennen.

Dakaa kratzte sich kurz in seinem Gesichtspelz, der Wangen und Kinn überwucherte. Das tat er immer, wenn er sich Sorgen machte oder angestrengt überlegte. Wie kamen die Frauen der Oberflächenmenschen bloß mit diesem Gestrüpp zurecht, ohne sich überwinden zu müssen?

Wieder sagte Dakaa etwas. Dabei lächelte er. Er wollte eindeutig wissen, wie sie sich fühlte.

Schlecht, wenn du es genau wissen willst. Ich bade in meinem Schweiß, das Gewand klebt mir am Körper, und ich muss dringend mein Wasser abschlagen. Aber ich bin froh, dass ich nur das Opfer eines bösen Traums war.

Wie schön wäre es gewesen, ihm das sagen zu können. Einfach so. Sie hätte es gerne getan, denn sie vertraute Dakaa mittlerweile. Aber es ging nun mal nicht, damit musste sie sich wohl abfinden.

Immerhin konnten sie sich durch Zeichensprache verständigen. Gequält lächelnd hob sie beide Daumen in die Höhe. Das bedeutete: Alles gut, ich bin in Ordnung. Auch diese Geste kannte sie inzwischen.

Dakaa bewegte ein paar Mal den Kopf von oben nach unten. Das Zeichen der Zustimmung.

Tautropfen hatte in der unteren der beiden übereinander liegenden Kojen geschlafen. Sie setzte sich zuerst auf den Rand, bevor sie geschmeidig aufstand. Dann deutete sie auf ihren Schritt und beugte die Beine ein wenig.

Dakaa kannte dieses Zeichen bereits. Er verließ das Abteil. Sie folgte ihm. Den engen gegenüberliegenden Raum mit der seltsamen weißen Schüssel, in die die Oberflächenmenschen ihre Geschäfte zu verrichten pflegten, streifte sie nur mit einem kurzen Blick. Keine zehn Khryssokks1 hätten sie dazu gebracht. Nocturno verrichteten ihre Geschäfte so, wie es sich gehörte: direkt auf den Boden, damit die Ausscheidungen wieder eins mit der Natur werden konnten.

Dakaa hatte auch das kapiert. Er deutete auf das offene Maul des Metalltiers. Als Tautropfen nach draußen trat, kniff sie die Augen zusammen und duckte sich leicht.

Es war zwar Tag, aber über dem Dschungel hingen so dicke graue und schwere Regenwolken, dass kaum Sonnenlicht durchkam. So konnte sie die Helligkeit ertragen. Die feuchte Schwüle war aber unerträglich.

Das Gefährt, das sie bei sich immer noch ein Tier nannte, obwohl sie längst begriffen hatte, dass es eine Maschine war, in der die Fremden reisten, stand am Rand einer kleinen Lichtung, auf der hohes Gras wucherte. Ringsherum erhoben sich die Urwaldriesen, von deren Ästen und Blättern das Wasser tropfte, bis fast an den Himmel. Es musste bis vor kurzem geregnet haben.

Dichtes Gebüsch wucherte um sie her; überall sah sie Gespinste aus weißen Pilzfäden, die von Bäumen hingen oder sich über den Boden zogen – eine beruhigende Erinnerung an die Höhlen ihres Volkes, in denen es seit Generationen lebte. Die schier unendliche Oberflächenwelt würde ihr wohl immer unheimlich bleiben.

Einige Augenblicke lang ließ die Nocturna die Blicke schweifen. Sie suchte verholzte Ahnen zwischen den Bäumen. Aber da waren keine. Erleichtert drehte sie sich um. Dakaa stand im Maul des Metalltiers, seine Donnerwaffe in der Hand. Er passte auf sie auf, dass ihr nichts passierte.

Natürlich braucht er mich, weil ich für ihn zur fernen Stimme sprechen soll; er selber kann es ja nicht, dachte sie. Andererseits spürte sie seine ehrliche Sorge um ihr Wohlergehen. Beruhigt hockte sie sich ins nasse Gras, nachdem sie den Platz genau inspiziert hatte.

Aber erst nachdem sie sich an einer Pfütze gründlich gewaschen hatte, ging es ihr wieder besser.

Dakaa wollte wissen, ob er das Metalltier noch in die richtige Richtung lenkte. Tautropfen zögerte einen Moment. Eine dumpfe Furcht überfiel sie. Dann gab sie sich einen Ruck und horchte gezielt nach der fernen Stimme. Sofort hörte sie ihr Wispern und Raunen. Die Feindseligkeit darin, die sie im Traum gefürchtet hatte, gab es nicht. Alles war wie immer.

Sie zeigte Dakaa die Richtung an. Er schaute auf das bunte Bild, das sich ständig bewegte. Dann brachte er das Metalltier erneut zum Laufen. Er hatte es wohl angehalten, um nach ihr zu sehen, als sie schreiend aus dem bösen Traum erwacht war.

Zu gerne hätte sich Tautropfen mit Dakaa über die Oberflächenwelt unterhalten. Sie war neugierig, auch wenn sie keinerlei Bedürfnis verspürte, diese Welt selber zu erkunden. Weil das aber nicht möglich war, kletterte sie auf den Stuhl neben ihm. Von hier aus konnte sie wenigstens die Oberflächenwelt betrachten. Das sorgte für ein wenig Abwechslung, und hier fühlte sie sich auch sicher.

Das Metalltier walzte durch den Dschungel und drückte alles nieder. Immer wieder bemerkte Tautropfen flüchtende Tiere. Einige hatte sie noch niemals zuvor gesehen. Sie waren noch haariger als Dakaa und schwangen sich elegant durch die Bäume. Auch Schwärme von Vögeln stoben auf und verschwanden in den dichten Nebelwolken zwischen den Baumkronen.

So interessant das alles war, bewahrte es Tautropfen doch nicht vor der Rückkehr der finsteren Gedanken. Irgendwann, als das Vorwärtskommen eintönig wurde, erwachten sie wieder in ihr. Erneut sah sie die Tapiir-Karawane vor sich, wie so oft in den vergangenen Tagen und Nächten, wenn sie ins Grübeln kam. Die Oberflächenmenschen, die den Treck führten, waren von seltsamen Pflanzenaffen angegriffen worden. In diesen Konflikt war sie mit Dakaa und dem Metalltier hineingeraten.

Das Bedrückende daran war jedoch, dass die ferne Stimme die Pflanzenaffen auf die Oberflächenmenschen gehetzt hatte. Tautropfen hatte die Gedankenbefehle deutlich vernommen. Viel deutlicher, als ihr lieb war. Was sie jedoch zutiefst verstörte, war, dass die ferne Stimme auch ihren verholzten Ahnen den Angriff auf die Tapiir-Karawane befohlen hatte.

Ein hagerer Khryssokk begleitete das Metalltier seitlich, wagte sich aber nicht näher heran. Dakaa sagte irgendetwas. Tautropfen bekam es nur am Rande mit. Ihre Gedanken fraßen sich wieder an dem Ungeheuerlichen fest, mit dem sie nicht klarkam.

Die Weisen Mütter haben uns immer gelehrt, dass der Weg der Ahnen nur einem einzigen großen Ziel dient. Wenn ein Nocturno zum Baum wird, ist es seine Aufgabe, das Volk zu schützen... Tautropfen biss sich auf die Lippen, während sie in das dichte Grün starrte. Aber die Ahnen wurden von der fernen Stimme als Soldaten missbraucht. Einige sind ein zweites Mal gestorben. Es... ist alles so verwirrend. Die Weise Mutter hat sicher eine Erklärung dafür; sie ist so unendlich viel klüger als ich. Wie gern würde ich jetzt mit ihr sprechen, sie fragen, ob der Gott vielleicht böse...

Tautropfen erschrak vor ihren eigenen Gedanken. Wer bin ich, die ferne Stimme zu hinterfragen? Ist nicht alles, was die Götter entscheiden, richtig? Bin ich ungehorsam, weil ich an meinem Gott zweifle?

Die Nocturna erschrak. Schnell schob sie den Zweifel beiseite, bevor ihr Gott sie dafür bestrafte. Das konnte er doch, oder? Sicher bin ich einfach nur viel zu klein, um zu begreifen, was dahintersteckt. Vielleicht sollten wir umkehren...

Eine Bewegung draußen lenkte sie ab. Seine Neugier wurde dem Khryssokk zum Verhängnis. Eine riesige Akoonda fiel von einem Baum direkt auf ihn. Dakaa stieß einen Schrei aus, als er es sah. Die Schlange verbiss sich in den zuckenden Mähnenwolf, umschlang ihn und drückte erbarmungslos zu. Dann geriet das Drama aus Tautropfens Blickfeld.

Und die Gedanken kehrten zurück. Dakaa würde bestimmt nicht umkehren. Er erhofft sich von der fernen Stimme