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Seit den Geschehnissen damals in Edmonton sind knapp vierzig Jahre vergangen. In dieser Zeit haben sich dort in Höhlen mit heißen Quellen Inuit angesiedelt, die genmanipulierte Izeekepire als Götter anbeten. Der telepathisch begabte Medizinmann kann sich sogar mit ihnen verständigen. Die mutierten Eisbären beschützen das Volk vor Feinden und werden im Gegenzug von ihm verehrt und gepflegt. Doch als die Izeekepire kaum noch Nahrung in der Region finden, werden die Inuit nervös - weil sie fürchten, sich den Tieren selbst opfern zu müssen. Dann aber erreicht eine siebzehnköpfige Gruppe Retrologen den neuen Nordpol...
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Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Was bisher geschah...
Bis das Blut gefriert
Leserseite
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Impressum
Cover
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« die Erde. In der Folge verschiebt sich die Erdachse, und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist – bis auf die Bunkerbewohner – auf rätselhafte Weise degeneriert.
In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Fliegerstaffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 versetzt wird. Nach dem Absturz wird er von Barbaren gerettet, die ihn »Maddrax« nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula findet er heraus, dass Außerirdische mit dem Kometen – dem Wandler, der sich als lebende, schlafende Entität entpuppt – zur Erde gelangten und schuld sind an der veränderten Flora und Fauna und der Verdummung der Menschen. Nach langen Kämpfen mit den Daa'muren erwacht der Wandler, weist sein Dienervolk in die Schranken und zieht weiter. Mit zwei Daa'muren, die auf der Erde zurückblieben – Grao und Ira – haben sich Matt und Aruula sogar angefreundet.
Bei einem Abstecher zum Mars, auf dem sich eine Expedition aus dem Jahr 2010 zu einer blühenden Zivilisation entwickelt hat, erfährt Matt von der Spezies der Hydree, die vor 3,5 Milliarden Jahren hier lebten und mittels eines Zeitstrahls zur jungfräulichen Erde umzogen, als ihr Planet seine Atmosphäre und Ozeane verlor. Mit ihren Nachkommen, den telepathisch begabten Hydriten, die von den Menschen unentdeckt am Meeresgrund leben, hatte Matt schon Kontakt und nennt einen von ihnen, Quart'ol, einen guten Freund.
Diese »Tunnelfeldanlage«, die wie ein Transporter funktioniert, in dem die Zeit unendlich gedehnt werden kann, ist bis heute in Betrieb und verursachte auch den Zeitsprung von Matts Flugstaffel um 504 Jahre, als die den Strahl querte. Dabei legt der Strahl einen Tachyonenmantel um lebende Zellen, der den Altersprozess fünfzig Jahre lang drastisch verlangsamt.
Seither ist viel Zeit vergangen – wir schreiben inzwischen das Jahr 2554 –, und all die Erlebnisse unserer Helden an dieser Stelle zu schildern, wäre unmöglich. Es gibt sogar eine Erdkolonie in einem fernen Ringplanetensystem, zu dem allerdings der Kontakt abgebrochen ist. Ihre Freunde Tom, Xi und deren Tochter Xaana (die eigentlich Matts Kind ist) leben dort auf dem Mond Novis.
Nicht nur einmal haben Matthew Drax und Aruula die Erde vor dem Verderben gerettet und mächtige Feinde bekämpft – zuletzt die vampirhaften Nosfera, die die WCA (World Council Agency, kurz: Weltrat) übernehmen wollten. Auf diese Organisation traf Matt schon früh. Momentan steht ihr General Aran Kormak vor, ein in der Vergangenheit eher zwielichtiger Charakter, der sich aber gewandelt und großes Interesse zu haben scheint, Meeraka (ehem. USA) und danach andere Länder friedlich zu einen.
Auch um Kormak weiterhin im Auge zu halten, geht Matt auf seinen Vorschlag ein, zusammen mit Aruula im Auftrag des Weltrats eine schnelle Eingreiftruppe zu bilden und für ein Bündnis unter dem Dach der WCA zu werben.
Dies sind ihre Abenteuer...
Weitere Informationen und Hintergründe zur Serie findet ihr unter https://de.maddraxikon.com im Internet!
von Simon Borner
Die Welt war Eis.
Wo sie auch hinblickte, sah sie nichts als Kälte, nichts als weiße Ebene. Fast schien es ihr, als gäbe es nichts, was unter diesen Bedingungen leben konnte – hier draußen in der Ewigkeit.
Doch sie wusste es besser. Das bewiesen auch die Wölkchen, die ihr Atem erzeugte.
Ich lebe, dachte sie. Und wo ich bin ... muss noch mehr sein.
Ein Name lag ihr auf der Zunge, der eines ganz konkreten Gefährten. Sie konnte ihn nicht fassen.
Also zog sie weiter. Sie musste sich beeilen, das wusste sie. Alles hing davon ab.
Denn ihre Verfolger kannten keine Gnade!
Sie werden mich nicht kriegen, versprach sie sich in Gedanken. Schnee knirschte unter ihren Schritten, und mehr als einmal lief sie Gefahr, auszurutschen. Ich mag in ihrem Reich sein, aber ich bin schlauer als sie. Eine Kriegerin, verdammt! Sie werden mich nicht kriegen.
Sie wusste nicht, wie viele es waren. Ehrlich gesagt, erinnerte sie sich nicht einmal daran, sie gesehen zu haben. Doch dass sie auf ihrer Spur waren, daran bestand kein Zweifel.
Sogar sehr dicht, warnte sie sich.
Sie spürte, wie ihr Herz dabei schneller schlug, panischer wurde. Konnten ihre Verfolger es hören? War das Herz so laut, dass es ihren Aufenthaltsort verriet?
Unsicher sah sie sich um. Da war nichts, oder? Nur die Leere, das ewige Weiß. Beißender Wind, der Schnee aufwirbelte, und vereinzelte Sonnenstrahlen. Die dichte Wolkendecke ließ nicht mehr Sonne zu, und in dieser eisigen Wüste war jeder Strahl wie eine Fata Morgana. Wie ein Versprechen, das nicht real war.
Dann stutzte sie. Bewegte sich dort nicht etwas, da hinten bei den Felsen? Sie hielt den Atem an, kniff die Lider enger zusammen. Tatsächlich: Da war etwas. Da ...
Da sind sie!, erkannte sie.
Drei von ihnen zählte sie. Mächtige pelzbewehrte Riesen – die wahren Herren dieser unwirtlichen Gegend. Wesen mit gewaltigen Pranken, enormer Kraft ... und mit Mäulern, die kein Erbarmen kannten.
Ich muss hier weg, befahl sie sich. Schnell, verdammt!
Sie wirbelte herum, beschleunigte ihren Schritt. Sie brauchte ein Versteck, sonst war sie geliefert. Diese Kreaturen hatten ihre Fährte längst aufgenommen. Sie würden nicht nachlassen, solange sie sie vor sich wussten. Sie ...
Eine ruckartige Bewegung unterbrach ihren Gedankenfluss. Erst nach einem Sekundenbruchteil begriff sie, dass sie selbst diese Bewegung ausführte. Einen halben Herzschlag später rutschte sie auch schon in die Tiefe.
Ein Spalt im Eis! Sie erschrak. Ich bin ausgerutscht und in eine Spalte gestürzt!
Ob sie sich irgendwo festhalten konnte? Fieberhaft sah sie sich nach etwas um, das ihre Rutschpartie bremsen konnte. Doch sie fand nichts. Immer tiefer schoss sie hinab ins Dunkel, dahingleitend auf einer Schräge aus unberührtem Eis.
Dann hörte sie das hungrige Knurren aus der Tiefe und ahnte, dass sie dort unten schon erwartet wurde ...
Aruula erwachte mit einem lauten Keuchen. Im ersten Moment fehlte der Kriegerin jede Orientierung. Das Herz schlug wie wild in ihrer Brust, und vor ihrem geistigen Auge sah sie sich noch immer in eisige Höhlentiefen schlittern. Erst dann nahm sie Notiz von ihrer wahren Umgebung.
Die Kojen, dachte sie erleichtert. PROTO.
Sie hatte schlecht geträumt, weiter nichts. Sofort beruhigte sich ihr Puls, und sie schwang die Beine über die Bettkante, stand auf.
Der Weg ins Cockpit war nicht weit, doch sie legte ihn mit Sorge im Bauch zurück. Ein Albtraum? Jetzt noch? Das war doch alles längst vorbei. Aber wenigstens war er nicht so drastisch wie die Visionen aus Salem gewesen ...
»Na?«, grüßte Maddrax seine Gefährtin. Er saß an der Steuerkonsole des gepanzerten Amphibienfahrzeugs aus den Chapel Hill Laboratories. Den Anzeigen auf seinem Pult nach zu urteilen, hielt PROTO nach wie vor den Kurs. »Hast du dich ein wenig ausruhen können?«
Aruula schüttelte den Kopf. Seufzend ließ sie sich in den Copilotensitz sinken. »Schlecht geträumt. Von einer Eislandschaft und ... einer Jagd.«
Die Traumbilder vergingen schon wieder. Je mehr sie nach ihnen suchte, desto blasser wurden sie.
Maddrax hob eine Braue. »Ein Albtraum?«
»Glaubst du ...« Aruula zögerte. Sie wusste, was sie ihn fragen wollte. Doch es kam ihr töricht vor, regelrecht unlogisch. »Glaubst du, es ist noch eines von ihnen da? Ein Tiefes Wesen?«1
»Unmöglich«, antwortete ihr Begleiter prompt – und mit hörbarer Überzeugung. »Du warst dabei, Aruula. Dieser Cthulhu hat sie alle vernichtet. Sofern das alles überhaupt passiert ist.«
Sie nickte. Er hatte ja recht. Und doch ...
»Diese Bilder, Maddrax«, sagte sie. »Sie kamen mir absolut real vor. Ich dachte wirklich, ich würde gejagt. Durch Eis und Schnee, von ... von ...«
Wieder suchte sie vergebens nach Details. Was war es noch mal gewesen, vor dem sie im Traum hatte fliehen müssen? Etwas Starkes, nur das wusste sie noch. Etwas mit majestätischer Macht und unerbittlichem Hunger ...
»Eis und Schnee kann ich dir bieten«, sagte Maddrax. Lächelnd deutete er voraus. Jenseits der Cockpitfenster zeigte sich exakt die Ebene, von der Aruula geträumt hatte. »Jede Menge, sogar. Wir sind bald am Ziel.«
Das Ziel war der neue Nordpol. Ein Ort, der in Maddrax' alter Zeit »Edmonton« geheißen und zu einem Land namens Kanada gehört hatte.
Ein »böses Omen« war dort erschienen – jedenfalls in der Beschreibung der Dörfler, die Maddrax und sie vor zwei Tagen erst verlassen hatten. Ein greller Lichtstrahl, der von Edmonton aus kerzengerade in den Nachthimmel fuhr und den man selbst aus weiter Entfernung noch deutlich erkennen konnte.
Vor zwei Tagen war das zumindest noch so gewesen. Doch je näher sie dem neuen Nordpol kamen, desto länger blieb es hell. Maddrax hatte berichtet, dass die Tage am Pol damals ein halbes Jahr gedauert hatten, und die Nächte ebenso lang. Doch dann hatte Kristofluu die Erde getroffen und ihre Achse verschoben. Nun war es schon seit dreißig Stunden hell, und der Strahl, an dessen Ursprungsort eigentlich nichts und niemand mehr leben sollte, war wesentlich schwerer zu erkennen.
»Ich habe das damals nur am Rande mitbekommen«, fuhr Maddrax fort. »Viel weiß ich nicht darüber. Im Jahr 2518 hat der Weltrat eine Expedition nach Edmonton geschickt,2 zu der auch unsere Nemesis Professor Dr. Jacob Smythe gehörte – er ruhe in Frieden. Sie haben dort etwas entdeckt und vernichtet, aber meine Erinnerungen sind in diesem Punkt ausgesprochen lückenhaft. Vielleicht hat ja etwas überlebt und diese Lichtanlage wieder in Betrieb genommen. Auf jeden Fall müssen wir dort nachsehen.«
»Smythe«, brummte Aruula und schlang die Arme um ihren Oberkörper. »Das ewige Stehaufmännchen.«
Ihr Partner lachte leise. »Ich bezweifle, dass wir ihm begegnen. Aber jemand ... oder etwas anderem. Kann durchaus sein, dass dort eine Gefahr lauert.«
Nun, dieses Risiko war ein fester Bestandteil ihres Lebens geworden, nicht erst, seit sie mit Maddrax durch die Lande zog. Als Kriegerin von den Dreizehn Inseln gehörte es zu Aruulas Natur, sich in Gefahren zu begeben. Aber auch Maddrax hatte schon unzählige Male bewiesen, dass er keinen Einsatz scheute, wenn es die Sache wert war.
Wann immer ihnen ein Rätsel begegnete, versuchten sie es zu lösen. Was in Edmonton geschah, war ein Rätsel. Und doch ...
»Ich habe kein gutes Gefühl bei dieser Sache, Maddrax«, gestand sie leise. Ihr Blick ging von den Steuerkonsolen zum Fenster, hinaus in die eisige Weite. »Es ist ... anders als sonst, verstehst du? Irgendetwas da draußen lässt mich zögern.«
Er schenkte ihr einen teils fragenden, teils zweifelnden Seitenblick. »Du denkst so, weil dir der Traum noch nachhängt«, meinte er. »Er hat dich übervorsichtig gemacht.«
»Vielleicht«, stimmte sie zu, wenn auch halbherzig. Aber vielleicht hat mein Bauchgefühl auch recht, ergänzte sie in Gedanken. Das hat es oft, Maddrax. Vergiss das nicht.
Sie beschloss, das Thema zu wechseln. »Hab ich irgendetwas verpasst, während ich schlief?«
Ihr Begleiter grinste. »Und ob. Hast du gewusst, dass wir uns nicht länger auf einer Erkundungs-, sondern auf einer Rettungsmission befinden?«
»Inwiefern?«, fragte sie blinzelnd.
Maddrax' Finger flogen über das Konsolenpult. Er rief mehrere Dateien auf die Monitore – Aufzeichnungen der vergangenen Stunden.
»Ich gebe zu, dass es gedauert hat, bis es mir auffiel«, sagte er.
Sie runzelte die Stirn. »Wovon sprichst du?«
Er deutete auf den Monitor, wo eine nächtliche Aufnahme des Lichtstrahls zu sehen war, die er vorgestern gemacht hatte – herangezoomt und aufgehellt. »Man merkt es nicht gleich, aber ... das Licht flackert in einem sich wiederholenden Rhythmus!«
»Du meinst, irgendjemand steuert dieses Licht?«
»Mehr als das. Er setzt es für eine Botschaft ein! Schau, da flackert er wieder: kurz, kurz, kurz. Dann dreimal lang ... und wieder kurz.«
Aruula sah ihn ratlos an. »Und das heißt ...?«
»Es sind Morsezeichen! Ein SOS.«
Aruulas Ausdruck veränderte sich nicht.
»Ein Notruf: Save Our Souls.« In seinen Augen lag ein Funkeln, das fast kindlich anmutete. Er freute sich offenbar über diese neue Facette des Mysteriums, denn es machte es noch rätselhafter. »Da funkt jemand um Hilfe! Fragt sich nur: Wer kennt heutzutage noch das alte Morsealphabet?«
»Vielleicht jemand, der uns in eine Falle locken will?«, warf sie ein.
»Glaube ich nicht«, winkte er ab. »Dafür würde man etwas benutzen, was die Menschen dieser Zeit kennen.«
»Dasselbe gilt aber auch für einen Notruf«, sagte sie.
Er stutzte einen Moment. Und meinte dann: »Wie auch immer, der Absender der Botschaft ruft ganz offensichtlich Mitglieder einer fortschrittlichen Zivilisation um Hilfe. Das können wir nicht ignorieren.«
»Sollen wir nicht lieber auf den Gleiter der WCA warten?«, schlug Aruula vor. »Der ist ja schon auf dem Weg.«
Sie hatten eigentlich in Saaltleyk auf den Gleiter warten wollen, aber dann war ihnen die Sache mit Edmonton dazwischengekommen, und sie waren kurzentschlossen aufgebrochen. PROTO verfügte über einen Peilsender; der Gleiter würde sie also auch bei Edmonton abholen können.
»Bei einem Notfall kann es um Stunden oder sogar Minuten gehen«, erwiderte Maddrax. »Da könnte jede Verzögerung fatale Folgen haben.«
Aruula schüttelte resigniert den Kopf. Maddrax konnte mal wieder nicht aus seiner Haut.
Aber was war eigentlich mit ihr los? Sie war doch sonst nicht so ängstlich. Hallten die Albträume aus Salem wirklich immer noch in ihr nach und beeinflussten ihr Denken? Maddrax und sie hatten doch schon unzählige Abenteuer gemeistert, warum nicht auch dieses?
Also los, dachte Aruula entschlossen und sagte: »Okee, Maddrax. Retten wir ein paar Är-«
Weiter kam sie nicht. Weil der Alarm losging ...
Zuvor
Die Welt ist Eis.
Sie erstreckt sich, so weit das Auge reicht. Und sie zwingt jedem, der sich in sie verirrt, ihren Willen auf. Die anderen mögen glauben, sie könnten sie sich untertan machen, aber über kurz oder lang ist sie es, die gewinnt.
Denn die Welt hat etwas, das den anderen fehlt: unendlich viel Zeit.
Auch die Menschen um Jacob Smythe haben geglaubt, in ihr bestehen zu können. Genau wie die, die vor ihnen gekommen waren. Sie alle haben einmal gedacht, sie wären die Herren hier. Ihr Wille sei derjenige, der gelte.
Doch sie irren sich, und schon bald ziehen jene von ihnen, die das Gemetzel überleben, weiter wie geprügelte Doggars. Was sie zurücklassen, sind nur Kadaver und Ruinen. Spuren ihres Versagens, die das ewige Eis und der endlose Schnee schon bald wieder überdecken und vergessen machen.
Und die Welt aus Eis überdauert, zeitlos und unbeeindruckt. Alles, was lebt, ist für die Welt nicht relevant. Denn Leben enden, erst recht hier in der unwirtlichen Wüste aus Kälte und Nichts. Selbst die wenigen Kreaturen, deren Biologie auf derartige Bedingungen geeicht ist, wissen sich nicht dauerhaft in ihr zu behaupten. Alles, was lebt, stirbt irgendwann – sei es ein Mensch oder ein Izeekepir. Nichts ist unendlich. Außer die Welt aus Eis.
Wind zieht über sie hinweg. Er bringt neue Wolken, neues Eis. Er heult um ihre schneebedeckten Felsen und vorbei an ihren Gebirgsmassiven aus gefrorenem Wasser. Er singt für sie, als wolle er die letzten Worte derjenigen übertönen, die mit Jacob Smythe und Jed Stuart gekommen waren. Als hinge ihr Abdruck noch immer in der eisigen Luft, festgefroren wie eine Fußspur im Schnee, und er müsse ihn vernichten.
Zeit vergeht. Sonnenaufgänge, Sonnenuntergänge. Tage, Wochen, Jahre ... Jahrzehnte. Nichts stört die Ödnis, nichts verirrt sich in ihre majestätische Weite.
Bis neues Leben kommt, neue Menschen. Sie sind nur wenige, ein kleiner Stamm aus Nomaden, halb vergraben unter dichten Fellen und Decken. Durch puren Zufall stoßen sie auf die Ruinen von einst, die letzten Spuren der Menschen von zuvor.
Und sie freuen sich, als hätten sie ein Reich gefunden, das sie beherrschen und sich untertan machen könnten.
Diese Narren ...
Der Wind war das Schlimmste. Mit dem dicht gepackten Eis unter seinen Füßen und der klirrenden Kälte überall konnte Baali umgehen. Doch der Wind setzte ihm immer mehr zu. Wie ein Raubtier kam er dem jungen Krieger vor. Eines, das mit jeder neuen Böe seine Zähne in ihn schlagen und ihn verschlingen wollte.
»Weiter!«, rief Mordu irgendwo weiter vorn. »Wir dürfen nicht nachlassen. Es sind nur Wind und Eis, meine Freunde. Nur die Elemente. Sie mögen sich wehren, aber sie können uns nie besiegen. Nicht, wenn wir es nicht erlauben.«
»Wenn du das sagst, alter Mann«, murmelte Baali spöttisch. Mordu war mehr als dreimal so alt wie er, der Älteste des gesamten Stammes und ein verehrter Weiser. Doch manchmal ging er Baali mit seinem Optimismus und seinen Durchhalteparolen gehörig auf die Nerven. »Dann muss es ja stimmen.«
»Was schimpfst du da, Versprochener?«
Baali zuckte zusammen, aber nicht wegen der Kälte. Reumütig drehte er den Kopf zur Seite und sah Seetu an. Unter all den Fellen konnte er das Gesicht seiner versprochenen Gefährtin kaum erkennen. Aber auch so wusste er, dass es das schönste Gesicht der gesamten Welt war. Eines, für das sich jeder Kampf und jede Mühe lohnte.
»Ich höre doch, dass du leise murmelst«, fuhr Seetu fort. Ihr Ton war schelmisch und tadelnd zugleich. »Bist du etwa nicht einverstanden mit der Führung meines Onkels?«
»Mordu ist ein weiser Mann«, erwiderte Baali.
Sie nickte unter den Fellen. »Der Weiseste von uns allen.«
»Und doch ...«, setzte er an, stockte dann aber.
Er wollte Seetu nicht verärgern, indem er ihre Familie in schlechtes Licht rückte. Sein Groll auf Mordu hatte nichts mit seiner Versprochenen zu tun. Und war ohnehin nur aus der Situation geboren.
»Und doch schleift er uns schon seit Wochen über diese Ebene«, beendete Seetu den Satz, als er nicht weitersprach. »Tag für Tag aufs Neue. Ohne dass ein Ziel in Sicht käme.«
»Ziel, pah.« Baali schnaubte, obwohl sie sein Gefühl sehr treffend in Worte gekleidet hatte. »Ich brauche kein Ziel. Wer stehen bleibt, stirbt irgendwann an Langeweile.«
»Aber auch die sterben, die immer weiter ziehen«, gab Seetu zurück. Irrte er sich, oder gluckste sie dabei leise vor Vergnügen.
»Schon.« Baali grinste. »Sie haben nur mehr von ihren Tagen.«
Der Stamm war noch nie länger als ein paar Monde am selben Ort geblieben. Seit Baali denken konnte – Verflucht, seit Mordu