Magic Elements (Band 1) - Patricia Schröder - E-Book

Magic Elements (Band 1) E-Book

Patricia Schröder

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Magic Elements: Vier Freundinnen, vier Elemente – Erde, Feuer, Wasser, Luft! Emma, Leonie, Alina und Kim sind die besten Freundinnen des Universums. Eines Tages entdeckt Emma, dass sie etwas ziemlich Verrücktes mit einer Treppe anstellen kann. Am gleichen Tag findet sie eine geheimnisvolle Nachricht zwischen ihren Schulunterlagen, die mit DIE ELEMENTE unterschrieben ist. Die Mädchen stehen vor einem Rätsel: Was hat das alles bloß zu bedeuten? Als kurz darauf Kim in den Besitz eines orangeroten Steins gelangt und auch sie und Leonie magische Fähigkeiten entwickeln, finden die vier Freundinnen sich unversehens in einem aufregenden Abenteuer wieder. Doch schon bald müssen sie sich einem mächtigen Gegner stellen. Kim wird entführt und Emma und Leonie stoßen bei ihrem Befreiungsversuch schnell an ihre Grenzen. Doch was ist mit Alina, die als Einzige noch kein besonderes Talent an sich an entdeckt hat? Kann womöglich ausgerechnet sie ihren Freundinnen helfen und Kim retten?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 252

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Pausenstress

Leo-Mobbing

Treppe rückwärts

Rettung in letzter Sekunde

Scharky

Eine geheimnisvolle Nachricht

Jede Menge Merkwürdigkeiten

Ein Elternpaar neben der Spur

Wilde Spekulationen

Ein magischer Fund

Leben in Gefahr!

Rätselraten

Geschenke und Geschütze

Schnipselbotschaften

Ein paar Krummhorsts zu viel

Krautzinsky

Ein erster Plan

Schober gegen Klattscheck

Alles so ziemlich oberfaul

Ertappt!

Flucht in die Zukunft

Ein Ritt durch die Luft und eine alarmierende Erkenntnis

Spuren

Auf sich allein gestellt

Wenn man die Zeichen zu deuten weiß

Das letzte Talent

Magic Elements

Pausenstress

„O Mann, mir qualmt vielleicht der Schädel!“

Leonie klappte über ihren Mathesachen zusammen und fuhr sich stöhnend mit den Händen durch ihr verschwitztes Gesicht.

„Mhm, man sieht’s“, meinte Emma. Grinsend knuffte sie ihre Freundin in die Seite. „Dir stehen schon sämtliche Haare zu Berge.“

„Na ja, eigentlich ist es nur der Pony“, warf Kim nach einem kurzen Seitenblick auf Leonie ein.

Hastig notierte sie die Hausaufgaben in ihr Heft, die Herr Stäblein erst nach Ertönen des Pausengongs in aller Seelenruhe an die Tafel geschrieben hatte. Dann schoss sie von ihrem Stuhl hoch.

„Los, ihr schlappen Hühnchen!“, trieb sie Emma und Leonie an. „Die Pause wartet nicht.“

„Ich übrigens auch nicht … Jedenfalls nicht mehr lange!“, rief Alina zu ihnen herüber.

Sie war die kleinste und flinkste im Bund der vier unschlagbar besten Freundinnen des Universums. Und wie immer hatte sie gleich nach dem Läuten alles stehen und liegen gelassen, um als Erste an der Klassentür zu sein. Dort wackelte sie ungeduldig mit den Ohren, was ihre Brille immer so lustig auf ihrer Nase tanzen ließ.

„Ich kann nicht mehr“, jammerte Leonie. „Ich brauch sofort ’ne Stärkung. Wenn ich die nicht kriege, falle ich auf der Stelle tot um“, prophezeite sie.

„Du liegst doch schon“, brummte Kim.

Dabei funkelte es in ihrem linken grünen Auge etwas heller als in ihrem rechten braunen. Was verriet, dass auch ihr Geduldsfaden bereits gefährlich auf Spannung stand.

„Hast du denn gar nichts zu essen dabei?“, fragte Emma besorgt.

Sie strich sich die schulterlangen braunen Locken hinter die Ohren, bevor sie sich über Leonies Rucksack beugte. Nachdem sie sich einmal durch den gesamten Inhalt gewühlt hatte, förderte sie schließlich eine sonnengelbe Brotdose zutage.

Leonie hob kurz den Kopf, verdrehte die Augen und sank dann wieder stöhnend auf den Tisch zurück.

„Da ist bloß ’n Vollkornbrot mit Frischkäse drin“, jaulte sie. „Davon werde ich nicht satt.“

Emma und Kim wechselten einen vielsagenden Blick.

„Klar, wirst du das“, redete Emma Leonie gut zu, während sie ihr den Rücken tätschelte. „Es dauert nur eine Weile, bis so ein Vollkornbrot wirkt. Dafür hält es dann aber auch umso länger an.“

„Außerdem ist Vollkorn gut für die Nerven“, argumentierte Kim. „Und für ’s Gehirn.“

„Zu spät“, murmelte Leonie in ihre Armbeuge. „Mathe ist vorbei.“

Alina machte derweil ein paar Kniebeugen neben der Tür.

Sie, Emma, Leonie und Kim waren die Letzten im Klassenraum. Herr Stäblein, der Ohren so groß wie Untertassen hatte und von seiner Körperlänge her einer Bohnenstange in nichts nachstand, unterhielt sich draußen auf dem Flur mit einer Kollegin.

„Ich lauf schon mal vor zum Cafeteria-Kiosk und besorge Leo einen Müsliriegel!“, rief Alina nach der zwanzigsten Kniebeuge.

Augenblicklich schnellte Leonies Kopf in die Höhe.

„Aber den mit Schoko!“, brüllte sie Alina hinterher.

„Na, das nenne ich mal eine kräftige Stimme!“, frotzelte Kim.

„Klar“, sagte Emma und reckte den Daumen. „Manchmal wirkt Schokolade bei ihr sogar, ohne dass sie sie essen muss.“

„Menno, ihr seid doof!“, beschwerte sich Leonie.

„Wissen wir“, erwiderte Kim. Sie quetschte sich an ihren Freundinnen vorbei, fuhr sich ein wenig unschlüssig durch die kurze rote Fransenfrisur und zeigte schließlich zur Tür. „Öhm … Ich geh dann auch schon mal vor …“

„Menno“, wiederholte Leonie. Langsam stand sie von ihrem Stuhl auf und zupfte ihr orange-rotes Ringel-T-Shirt zurecht. „Sehen meine Haare wirklich so schlimm aus?“, wollte sie wissen.

„Quark mit Kaulquappe.“ Emma schüttelte den Kopf. „Das war doch bloß ein Witz.“ Sanft zog sie an Leonies blondem Seitenzopf. „Es ist alles noch perfekt an Ort und Stelle.“

„O Mann! Ihr seid tolle Freundinnen! Echt!“, grummelte Leonie, zog einen Schmollmund und schnappte sich ihre Brotdose.

„Was willst du denn jetzt damit?“, fragte Emma verwundert.

„Tauschen“, entgegnete Leonie knapp. „Gegen den Müsliriegel. Mama hat mir nämlich mal wieder kein Geld mitgegeben.“

Als Emma und Leonie die Cafeteria betraten, herrschte vor der Kioskausgabe ein Riesen-Tohuwabohu.

Einige Schüler beschimpften sich lautstark und rempelten einander gegenseitig an, andere gingen dazwischen und versuchten zu schlichten.

„Du warst genau hinter ihm in der Schlange! Ich wette, du hast es ihm aus der Tasche gezogen!“, bezichtigte ein krausköpfiger Junge einen älteren Schüler, der einen dunkelgrünen Kapuzenpulli trug.

„Bist du dumm, oder was?“, wurde der Krauskopf postwendend von einem dritten Jungen mit kohlschwarzen Haaren angemeckert. „Der Timo tut nicht mal einer verdammten Mücke was an.“

„Mücken haben ja auch nix in der Hosentasche“, feixte ein Mittelstufenschüler, der das Ganze aus sicherer Entfernung amüsiert beobachtete.

„Leute, wenn hier nicht gleich Ruhe herrscht, mache ich die Bude dicht und hole den Direx!“, brüllte Tamara aus dem elften Jahrgang, die an diesem Dienstag Thekendienst hatte.

Emma runzelte die Stirn.

„Was ist denn hier los?“, fragte sie Alina und Kim, die bereits einen Tisch in Türnähe in Beschlag genommen hatten.

„Keine Ahnung“, meinte Alina schulterzuckend. Sie deutete mit dem Kinn auf den schmächtigen Jungen, der mit rot geweinten Augen neben dem Krauskopf stand. „Angeblich ist Linus ein Fünfeuroschein gemopst worden.“

Emma sank auf einen freien Stuhl und schob die Augenbrauen über ihrer Nasenwurzel zusammen.

„Echt jetzt?“, knurrte sie. Wenn sie etwas auf den Tod nicht leiden konnte, war es, wenn Schüler sich gegenseitig beklauten oder Stärkere auf Schwächere losgingen. „Und du hast das nicht mitgekriegt?“

„Nee.“ Alina schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich stand zu weit hinten in der Schlange.“

„Dann hast du meinen Schokoriegel also noch gar nicht gekauft?“, fragte Leonie, die sich mittlerweile zu Alina auf die Stuhlkante gequetscht hatte.

Ein Ausdruck von Verzweiflung breitete sich auf ihrem runden Gesicht aus.

„Doch.“ Alinas rechter Mundwinkel bog sich kaum merklich nach oben. „Kurz nachdem ich ihn bezahlt hatte, ist mir allerdings eingefallen, dass ich mir eigentlich auch einen Tee holen wollte. Aber da war schon der Nächste dran, und ich musste mich wieder hinten anstellen.“

„Och, Menno.“ Leonie warf ihren Arm um Alinas Nacken und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Das tut mir leid.“

„Da kannst du mal sehen: Wir denken immer nur an dich und tun alles dafür, dass es dir gut geht“, merkte Kim an.

„Wir sind eben die besten Freundinnen der Welt!“, pflichtete Emma ihr bei.

„Mhm.“ Kim nickte. „Besonders für Leonie.“

„Jetzt hört schon auf mit dem Gezicke!“, brummte Alina und deutete hinter sich. „Es reicht ja wohl, dass die Jungs sich in der Wolle haben.“

Das Geschimpfe und Geschubse hatte sich inzwischen von der Kioskausgabe weg in den Sitzbereich verlagert, war aber noch immer in vollem Gange.

„Ich würde ja glatt Leos Müsliriegel darauf verwetten, dass der wahre Dieb längst über alle Berge ist“, spekulierte Kim.

„Du bist echt fies heute!“, beklagte sich Leonie.

„Das finde ich allerdings auch!“, bekräftigte Alina. Sie versetzte Kim über den Tisch hinweg einen Stupser gegen den Oberarm. „Jetzt gönn Leo doch mal ihren Snack!“

„Das tu ich ja!“, verteidigte sich Kim. „Und es war auch überhaupt nicht böse gemeint. Manchmal gehen eben die Pferde mit mir durch.“

„Dabei bin ich die Einzige von uns, die einen Gaul besitzt“, witzelte Alina.

„Einen Gaul?“ Leonie schüttelte entrüstet den Kopf. „Krautzinsky ist ja wohl das süßeste Pony der Welt!“

„Hm“, machte Emma.

Nichts gegen Krautzinsky, aber ihr waren Tiere nun mal nicht geheuer, die größer oder kleiner waren als ein Zwergkaninchen. Ihre Freundinnen wussten das, weshalb Emma sich auch jede weitere Bemerkung verkniff.

„Apropos süß …“, vermeldete Leonie. „Wo ist denn jetzt eigentlich mein Müsliriegel?“

„Ach so“, sagte Alina. Sie hob ihre linke Pobacke an, zog ein flaches buntes Päckchen aus der Hosentasche hervor und hielt es ihrer Freundin unter die Nase. „Hier.“

„Wie? Du hast die ganze Zeit drauf gesessen?“, platzte es aus Leonie heraus. Sie griff nach dem Riegel und betrachtete ihn von allen Seiten. „Mann ey, der ist ja total platt jetzt!“

„Keine Sorge, da ist garantiert immer noch genauso viel drin wie vorher“, entgegnete Kim und gab sich große Mühe, es wie einen Scherz klingen zu lassen.

Das wäre jedoch gar nicht nötig gewesen, denn in diesem Moment ertönte auf dem Flur eine energische Frauenstimme. Einen Atemzug später kam die stellvertretende Schulleiterin Sybille Röstitzer in die Cafeteria marschiert.

Alle Augen richteten sich sofort auf sie, auch die von Emma, Leonie und Alina. Kims Bemerkung verpuffte also quasi im Nichts.

„Dürfte ich wohl erfahren, was hier los ist?“, donnerte Frau Röstitzer, während sie zielstrebig auf die Schimpf-und-Schubs-Gruppe zusteuerte.

Erschrocken stoben die Jungen auseinander.

„Ja … ähm …“, haspelte der Krauskopf und pikte mit dem Zeigefinger auf seinen kräftig gebauten Mitschüler ein, „Timo hat Linus fünf Euro geklaut.“

„Ist doch überhaupt nicht wahr!“, setzte dieser sich empört zur Wehr.

„Und wenn ich’s gesehen hab?“, fauchte der Krauskopf.

„Kann ich das als Zeugenaussage zu Protokoll nehmen, oder sollte es eher eine Frage sein?“, wollte Frau Röstitzer wissen.

„Wie zu Protokoll?“

Irritiert sah der Krauskopf die stellvertretende Direktorin an.

„Na, ob’s die Wahrheit ist“, erklärte ihm der Junge mit den kohlschwarzen Haaren. „So ähnlich wie vor Gericht.“

„Exaktemente“, bestätigte Frau Röstitzer, die gerne mal Wörter benutzte, die irgendwie italienisch klangen.

Sie stemmte ihre Hände in die Seiten, wodurch sie noch ein wenig imposanter wirkte. Wer jedoch wie Emma und ihre Freundinnen ein wenig genauer hinsah, dem entging das winzige Schmunzeln nicht, das sich um ihre Mundwinkel kräuselte. Die Rösterin, wie sie von den Schülern genannt wurde, war zwar streng, hatte aber durchaus Sinn für Humor. Und sie mochte Kinder, was man nicht unbedingt von allen Lehrern an der Dietrich-Bonhoeffer-Gesamtschule behaupten konnte.

„Wer von euch ist denn eigentlich Linus?“, erkundigte sie sich nun.

„Ich“, sagte Linus und hob zaghaft seine Hand.

„Bist du sicher, dass das Geld auch wirklich weggekommen ist?“, fragte Frau Röstitzer. „Hast du alle deine Taschen gründlich durchsucht?“

„Klar hat er das!“, antwortete der Krauskopf an Linus’ Stelle. „Außerdem ist die Kohle nicht einfach bloß weggekommen. Timo hat sie ihm geklaut!“, setzte er hinzu und stach erneut mit dem Finger auf seinen Mitschüler ein. „Wie oft soll ich das denn noch sagen?“

„Schluss jetzt!“, entgegnete Frau Röstitzer streng. Sie packte den Krauskopf bei den Schultern und zog ihn von Timo weg. „Es ist ja schön und gut, dass du deinem Freund beistehen willst. Aber ohne Gewaltanwendung, wenn ich bitten darf!“

„Dann müssen Sie Oskar aber auch wieder loslassen“, konterte der Junge mit den kohlschwarzen Haaren.

„Das mache ich, sobald er mir versprochen hat, dass er seine Finger bei sich behält“, gab Frau Röstitzer zurück. „Wie heißt du überhaupt?“

„Das ist mein Kumpel Cem“, kam Timo Cem zuvor.

Die stellvertretende Direktorin musterte die vier Jungen mit einem zusammengekniffenen Auge. Schließlich blieb ihr Blick an Linus hängen.

„Weißt du, mein Junge, es ist ja nicht so, dass ich dir und deinem Freund Oskar nicht glaube“, begann sie, „oder dass ich es akzeptieren würde, wenn Schüler sich gegenseitig bestehlen. Aber selbst wenn sich bei Timo ein Fünfeuroschein anfinden sollte, wäre damit noch lange nicht bewiesen, dass er dir gehört.“

„Doch!“, posaunte Oskar. „Linus’ Mutter malt immer ein kleines Herz auf jeden Geldschein, den sie ihm mit zur Schule gibt!“

„Schsch, Mensch!“ Linus senkte verschämt den Kopf. „Das muss doch nicht jeder wissen!“, krächzte er.

Mittlerweile hatte sich um die vier Jungen und die stellvertretende Direktorin eine ganze Traube an Schülern versammelt, die das Geschehen neugierig verfolgten.

Frau Röstitzer nahm einen nach dem anderen ins Visier und holte schließlich tief Luft.

„Also gut, Linus, Oskar, Timo und Cem“, sagte sie beim Wiederausatmen. „Ich schlage vor, wir klären die Sache unter zehn Augen bei mir im Büro. Hier steht mir nämlich eindeutig zu viel Publikum herum.“

„Klar“, raunte eine Schülerin, die schräg hinter Emma am Nebentisch mit zwei weiteren Mädchen zusammensaß, „ohne Publikum kann sie die armen Kleinen ja auch viel besser rösten.“

Leo-Mobbing

„Kommt ihr mit raus?“, fragte Kim, nachdem die stellvertretende Direktorin mit den vier Streithähnen im Schlepptau die Cafeteria verlassen hatte. „Mir ist es hier eindeutig zu wuselig.“

„Was ist denn mit dir los?“, wunderte Emma sich.

Normalerweise konnte es ihrer Freundin nämlich gar nicht trubelig genug zugehen.

„Nix“, grummelte Kim.

„Und warum bist du dann heute so bissig?“, hakte Alina nach.

„Ach, es ist nur …“ Kim zog eine dunkelblaue Basecap unter ihrer Jeansweste hervor und pflanzte sie sich auf den Kopf. „Mein Vater will mir die Kappen verbieten. Er findet, sie passen nicht zu einem Mädchen.“

„Spinnt der, oder was?“, entfuhr es Alina. „Du siehst deine Eltern doch kaum. Und dein Vater dich logischerweise auch nicht öfter. Da kann es ihm doch wurscht sein, wie du rumläufst!“, setzte sie hinzu, und in ihren nachtschwarzen Augen blitzte es geradezu vor Zorn.

„Außerdem muss deine Kluft zu dir passen“, meinte Leonie, während sie an der Verpackung ihres Müsliriegels herumzupfte. „Und nicht zu irgendwelchen anderen Leuten.“

„Das tut sie …“, bestätigte Emma und schnipste gegen den Schirm von Kims Basecap, sodass dieser nun leicht nach oben wies. „… absolut perfekt!“

„Das hilft mir aber leider nichts“, knurrte Kim. „Mein Vater hat nämlich einen Antrag bei der Internatsleitung gestellt, dass doch bitte schön endlich Schüleruniformen eingeführt werden sollen.“

„Pfff!“, machte Alina und tippte sich an die Stirn.

„Damit kommt er nicht durch“, sagte Emma und schüttelte den Kopf, dass ihre brauen Locken nur so flogen. „Die Bonny ist eine freie Schule. Und ihr Internatler geht schließlich nicht alle hierher. Die meisten von euch sind drüben auf dem Gymnasium. Da wäre es ja bescheuert, wenn man euch überall sofort an euren Uniformen erkennen könnte.“

„Glaub mir, mein Vater fände so etwas klasse“, brummte Kim und zog sich den Schirm ihrer Kappe wieder etwas tiefer ins Gesicht.

„Kapier ich nicht“, sagte Alina.

Kim gab einen lang gezogenen Seufzer von sich.

„Ich auch nicht“, erwiderte sie. „Meine Eltern sind ein einziges großes Rätsel für mich. Früher hat Mam mich ja meistens noch in Schutz genommen, wenn mein Vater mit irgendwelchen Hirngespinsten ankam. Aber jetzt … Manchmal habe ich echt das Gefühl, ich bin denen völlig egal geworden!“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Unsinn“, widersprach Emma aufs Heftigste. „Bestimmt machen sie das nur, weil sie dir zeigen wollen, dass sie sich um dich kümmern. Obwohl sie ständig in der Weltgeschichte herumgurken.“

Sie sprang von ihrem Stuhl hoch und wollte Kim tröstend einen Arm um die Schultern legen, doch die schlüpfte so schnell auf den Gang hinaus, dass Emma kaum hinterherkam.

„Die Pause ist sowieso bald zu Ende“, sagte Alina und stand ebenfalls auf. „Statt hier rumzuhängen, können wir auch schon mal zum Klassenraum tapern.“

„Warte! Ich werfe eben schnell das Papier weg“, rief Leonie, die mittlerweile beschlossen hatte, dass der platt gesessene Müsliriegel noch essbar war.

Leider besaß sie ja keine magischen Kräfte, die ihm seine ursprüngliche Form zurückgaben – oder sein Volumen womöglich sogar verdoppelten!

Anschließend schnappte sie sich ihre Brotdose mit dem Vollkornfrischkäsebrot vom Tisch und hastete Alina hinterher.

Emma und Kim warteten im Gang ein paar Schritte von der Cafeteria entfernt auf ihre Freundinnen.

„Alles okay?“, fragte Alina.

Kim rieb sich über die Nase und nickte.

„Wir haben sogar schon einen Plan fürs Wochenende“, verkündete Emma.

„Aha …?“

Neugierig wanderte Alinas Blick zwischen Emma und Kim hin und her.

„Na, was glaubst du wohl?“, platzte es aus Kim heraus, als die Spannung kaum noch auszuhalten war. „Zelten im Paradies! Und zwar von Freitagnachmittag bis Sonntagabend.“

Das Paradies war eine verwunschene Welt aus knorrigen Obstbäumen, kniehohem Gras und duftenden Wildblumen. Um dorthin zu gelangen, musste man die Terrasse hinter Emmas Haus, den daran anschließenden Blumengarten, eine Teichanlage und unzählige Gemüsebeete durchqueren.

Jenseits des quadratischen Kartoffelackers plätscherte ein kleiner Bach dahin, den man mühelos überspringen konnte – vorausgesetzt, man kannte die richtige Stelle.

„Aber natürlich nur, wenn eure Eltern und die Internatsleitung es erlauben“, fügte Kim mit perfekt gespielter Katastrophenmiene hinzu.

„Ach, das werden sie schon!“, riefen Emma und Alina wie aus einem Mund.

„Klar, wenn wir ihnen verschpreschen, dasch wir schuschammen die Hauschaufgaben machen“, nuschelte Leonie, die gerade in ihren Müsliriegel gebissen hatte.

„Guten Appetit, Fättchen!“, ertönte eine Stimme hinter ihnen. „Du kriegst wohl nie den Hals voll, was?“

Emma, Kim und Alina wirbelten herum. Nur Leonie stand da wie einbetoniert – mit halb offenem Mund, den Müsliriegel in der einen Hand und ihre Brotdose in der anderen.

An der Ecke zum nächsten Gang lehnte ein Junge mit kurzen blonden Haaren, dessen Gesicht man nicht erkennen konnte, weil er sich ein Handy davorhielt.

„Leute, das wird ein Fest“, feixte er. „Für alle, die wissen wollen, warum Leonie Schumann es nicht mal in die Bewerbungsrunde zu Heidi Klums GNTM geschafft hat!“

„Den kenne ich!“, keuchte Kim. „Das ist Kevin Römer aus der 7 b! Der ist auch bei mir im Internat! Eine ganz miese Ratte, sag ich euch. Immer auf die Kleinen und Schwachen.“

Sie hatte es kaum ausgesprochen, da blitzte das Handy auf, und Kevin tauchte hinter der Wand ab.

„Verfluchter Mist!“, stieß Alina aus. „Er hat Leo fotografiert!“

„So ein dummer A… Mistkerl“, murmelte Emma. „Los! Hinterher!“, rief sie. „Den schnappen wir uns!“

„Dasch bringt doch schowiescho nixsch“, nuschelte Leonie, als ihre drei Freundinnen längst um die Ecke verschwunden waren.

Langsam klappte sie ihren Mund zu und setzte sich ebenfalls in Bewegung.

Emmas, Alinas und Kims stampfende Schritte hallten laut vom Fliesenboden wider. Wie ein vom Flitzebogen abgeschossener Pfeil rannte Alina vorneweg, aber der Blondschopf war schneller als sie.

„Bleib stehen, Mann!“, brüllte Kim.

Emma ballte die Fäuste.

„Wir wissen doch sowieso, wer du bist!“

Sie holte noch einmal alles aus sich heraus und schloss sogar fast zu Alina auf.

Ein paar entgegenkommende Schüler sprangen hastig zur Seite und schauten ihnen kopfschüttelnd hinterher.

„Das könnt ihr vergessen!“, rief ihnen ein großer schlaksiger Kerl nach. „Kevin hält den Schulrekord im Kurzsprint. Den holt ihr im Leben nicht ein.“

„Pfff!“, machte Emma.

Kurz geriet sie aus dem Tritt, doch sie fing sich sofort wieder und rannte unbeirrt weiter.

Unterdessen hatte Kevin das Ende des Gangs erreicht und hielt nun mit großen Schritten auf die Treppe zum ersten Stock zu. Als er die Hälfte der Stufen erklommen hatte, blieb er plötzlich stehen und drehte sich um. Er zückte sein Handy und richtete die Kameralinse erneut auf die heranstürmenden Mädchen.

„Was für eine Ehre!“, höhnte Kevin. „Gleich drei Fünftklässlerinnen, die mir vergeblich nachlaufen!“

Breit grinsend drückte er auf den Auslöser. Dann drehte er sich um und hastete weiter die Treppe hinauf.

Treppe rückwärts

„Verdammt noch mal, was soll denn das, du Idiot?“, blaffte Emma Kevin hinterher. Sie stoppte neben Alina, die inzwischen am Fuß der Treppe angekommen war und sich japsend auf ihre Oberschenkel stützte. „Willst du mit den Fotos vor deinen Kumpels prahlen, oder was?“

Kevin stoppte wenige Stufen vor der oberen Etage und drehte sich langsam wieder zu ihnen um.

„Mit dem von Fättchen ganz bestimmt nicht“, erwiderte er abfällig. „Obwohl es natürlich ein prima Beweis dafür wäre, dass Querstreifen ganz sicher nicht schlank machen.“

„Weißt du was, Kevin Römer?“, schnaubte Kim. „Ich könnte mich glatt übergeben.“ Sie lief an Emma und Alina vorbei und stieg bis zur dritten Treppenstufe hinauf. „Und zwar genau hier rein!“, erklärte sie, während sie sich ihre Basecap vom Kopf angelte.

„Viel Spaß dabei“, erwiderte Kevin knapp.

Mit einer Geste, die wahrscheinlich besonders cool wirken sollte, schob er das Handy in seine Hosentasche und wandte sich erneut zum Weitergehen ab. Aber Kim war noch nicht fertig.

„Und weißt du auch, was ich danach am liebsten damit machen würde?“, fragte sie scharf.

Obwohl die Situation alles andere als lustig war, hätte Emma beinahe losgeprustet. Denn natürlich kannte sie Kim gut genug, um zu wissen, was ihr vorschwebte. Die Vorstellung, wie ihre Freundin Kevin die Kappe mit ihrem halb verdauten Frühstück darin auf die Rübe pflanzte, war jedenfalls zu komisch.

„Ich kann’s mir ungefähr denken“, brummte Kevin. „Dumm nur, dass ich zwei Jahre älter bin als du und sehr viel schneller … und größer … und vor allem stärker …“

„Aber wir sind zu dritt“, entgegnete Emma. „Wir wissen, was du getan hast, und wir kennen deinen Namen. Also lösch gefälligst die Fotos! … Vor unseren Augen natürlich. … Und die Sache ist vergessen“, fügte sie sichtbar unwillig hinzu.

„Träum weiter“, knurrte Kevin. „Das ist mein Handy. Darauf sind meine Fotos. Und mit denen kann ich machen, was ich will.“

„Kannst du eben nicht!“, fauchte Alina. „Jedenfalls … wenn du die Fotos nicht löschst, dann müssen wir das dem Direx melden, und dann …“

„Ja klar!“, fuhr Kevin dazwischen. „Das ist mal wieder typisch Weiber. Fällt euch eigentlich nix Besseres ein als immer nur Petzen? Was soll das überhaupt bringen?“, fragte er weiter, als weder Emma noch Alina oder Kim sofort mit einer schlauen Antwort konterten. „Bis ich beim Direx im Büro hocke, haben die Fotos längst die Runde gemacht. Nur auf meinem Smartphone wird dann leider keins mehr zu finden sein.“

Er bedachte die Mädchen mit einem überheblichen Grinsen, dann wandte er sich endgültig ab und stieg betont langsam weiter die Treppe hinauf.

„Mist!“, zischte Kim. „Er hat recht.“

„Aber wir können ihn doch nicht so einfach davonkommen lassen“, sagte Alina. „Mensch, überlegt doch mal. Spätestens ab morgen wird jede Pause für Leo zum Spießrutenlauf.“ Mit glühenden Augen sah sie Emma an. „Wahrscheinlich ist sie dann nicht mal mehr in unserer Klasse vor Getuschel und gemeinen Kommentaren sicher.“

Ich weiß!, dachte Emma.

Vor Wut hatte sie ihre Hände so fest zu Fäusten geballt, dass die Fingernägel tiefe Rillen in ihr Fleisch gruben. Wie hypnotisiert hielt sie den Blick auf Kevin geheftet. Inzwischen hatte er das Ende der Treppe fast erreicht.

Aber er durfte auf keinen Fall ganz oben ankommen!

Dieser Gedanke ließ Emma nicht mehr los.

Für Kevin konnte es nur einen einzigen Weg geben: den zurück zu Alina, Kim und ihr.

Und deshalb würde die Treppe sich jetzt nach unten bewegen. Stufe für Stufe. Schneller und immer schneller.

Emma sah es genau vor sich: Während oben ständig neue Stufen hervorsprangen, verschwanden die unteren fortlaufend im Boden. – Wie bei einer Rolltreppe im Kaufhaus, nur dass es hier gerade in einem Wahnsinnstempo geschah.

Kim schrie entsetzt auf, und Emma sah, dass ihre Freundin zurückstolperte und kurz darauf mit schreckgeweiteten Augen wie angewurzelt vor der Treppe stehen blieb. Und sie bemerkte auch die Panik in Kevins Gesicht.

Verzweifelt versuchte er, gegen das Runterrollen der Stufen anzulaufen, doch diesmal gewann die Treppe den Schulsprint. Zielsicher beförderte sie Kevin nach unten und schubste ihn mit einem letzten energischen Ruck Emma vor die Füße.

„Was war das denn?“, hauchte Alina.

Sie war leichenblass um die Nase.

„Ich … ich weiß es nicht“, stammelte Emma.

Dabei wusste sie es eigentlich ziemlich genau. Alles, was sie gewollt hatte, war passiert. Ganz automatisch. Und plötzlich fühlte Emma sich stark. In ihrem Kopf gab es keinen einzigen störenden Gedanken mehr und auch keine Zweifel an dem, was sie tat.

Unter den staunenden Blicken ihrer Freundinnen krallte sie eine Hand in Kevins Pulli fest und fischte mit der anderen das Handy aus seiner Hosentasche. Dabei fiel ein zusammengefalteter Fünfeuroschein zu Boden.

Alina stutzte.

„Das gibt’s doch nicht!“, krächzte sie. „Da ist ein Herz draufgemalt, oder?“ Sie bückte sich, um den Schein aufzuheben, und betrachtete ihn genauer. „Volltreffer! Der gehört ja wohl ganz klar Linus.“

„Hab ich’s nicht gesagt?“, presste Kim hervor. Sie hieb sich ein paarmal mit dem Handballen gegen die Schläfe und versuchte so, das Bild der rollenden Treppe auszublenden. „Dass der Dieb längst über alle Berge ist?“

„Ich hab die Kohle nicht geklaut“, kam es stockend von Kevin.

Emma musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen.

„Sondern?“

„Gefunden“, behauptete Kevin.

„Etwa in der Cafeteria?“, hakte Emma nach. „Vor der Kioskausgabe?“

„Genau“, brummte Kevin.

„Ach so“, meinte Kim. „Und da hast du dir gedacht, och, der Schein gehört bestimmt niemandem. Waren ja auch kaum Leute da. Wie immer in den Pausen. Und dann hast du ihn eingesteckt, damit er nicht mehr so ganz allein auf dem Boden rumliegen muss. Hab ich recht?“

„Anstatt einfach mal in die Runde zu fragen, ob ihn jemand verloren hat“, setzte Emma hinzu und hielt ihm das Handy unter die Nase. „Und jetzt lösch gefälligst die Fotos! Und zwar so, dass ich sehen kann, was du tust.“

„Äh …“ Unschlüssig sah Kevin über seine Schulter zur Treppe.

„Vergiss es!“, sagte Emma. „Denk lieber an das, was eben passiert ist.“

Das war wirklich krass, durchzuckte es Kim von Neuem. Bei dem Gedanken an die rollenden Stufen bekam sie schon wieder weiche Knie.

„Okay, okay!“

Kevin hob abwehrend die Hände, bevor er nach seinem Smartphone griff und den Fotoordner öffnete. Zuerst holte er das Bild von Leonie hervor und ließ es verschwinden. Danach war das von Emma, Alina und Kim dran.

„Gut!“

Emma nickte zufrieden.

„Und was ist jetzt mit der … ähm … Kohle?“, fragte Kevin und zeigte auf den Schein in Alinas Hand.

„Was soll schon damit sein?“, entgegnete Kim. „Die bringst du jetzt natürlich zu Frau Röstitzer ins Büro.“

Kevin reckte provozierend das Kinn.

„Und wenn nicht?“

„Können wir das auch gerne übernehmen“, bot Emma an.

„Aber das wäre dann ja petzen“, sagte Alina, die den Rolltreppenschreck zu ihrer eigenen Überraschung schon fast verdaut hatte.

„Und so etwas machen wir eigentlich nicht so gern“, ergänzte Kim.

„Deshalb wäre es uns lieber, du würdest Frau Röstitzer selber erzählen, dass du das Geld während der Pause in der Cafeteria gefunden hast“, erklärte Emma.

„Ach so.“ Ein Hoffnungsschimmer glomm in Kevins Augen auf. Erleichtert wanderte sein Blick zwischen den drei Mädchen hin und her. „Na ja, dann!“, freute er sich. „Das ist doch überhaupt kein Thema!“

„Fein“, meinte Alina und streckte ihre Hand mit dem Geldschein aus.

Nach einem kurzen Zögern griff Kevin danach und stopfte ihn grinsend in seine Hosentasche zurück.

„Frau Röstitzer wird natürlich wissen wollen, warum du dich nicht sofort bemerkbar gemacht hast“, sagte Emma. „Schließlich hat es deswegen ein ziemliches Chaos gegeben. Oskar hat Timo lautstark als Dieb bezichtigt und sich deswegen tierisch mit Cem in die Wolle gekriegt“, schmückte sie aus. „Erst als Frau Röstitzer dazugekommen ist, kehrte allmählich wieder Ruhe ein.“

„Was?“, hauchte Kevin. „Die Rösterin war auch in der Cafeteria?“

Sein Gesicht hatte mittlerweile die Farbe von frisch getünchtem Mauerputz angenommen.

„Ja, stell dir vor“, meinte Alina leichthin.

„Exaktemente“, pflichtete Emma ihr bei. „Uns würde dann nur noch interessieren, ob das Geld auch wirklich bei Linus angekommen ist. Spätestens morgen werden wir uns bei ihm danach erkundigen.“

„Pfff!“, machte Kevin. „Ihr seid echt …“

Er biss sich auf die Unterlippe und wandte sich kopfschüttelnd ab.

„Was?“, fragte Emma.

„Ach nix“, sagte Kevin.

Er setzte einen Fuß auf die untere Treppenstufe, überlegte es sich dann aber doch anders und stürmte an den Mädchen vorbei in die entgegengesetzte Richtung davon.

„Was. War. Das. Denn?“, ertönte Leonies stockende Stimme hinter ihnen

Wie einstudiert wirbelten Emma, Alina und Kim herum.

Leonie stand ein paar Schritte von ihnen entfernt und starrte sie fassungslos und mit Augen so groß wie Lakritzschnecken an.

„Was habt ihr mit der Treppe gemacht?“, brach es aus ihr hervor.

Im selben Moment kündigte der Gong das Ende der Pause an, und kurz darauf war das Gebäude vom Geplapper Hunderter Schüler erfüllt, die in ihre Klassenräume zurückströmten.

Rettung in letzter Sekunde

„Was zur Hölle habt ihr mit der Treppe gemacht?“, stellte Leonie ihre Frage zwei Schulstunden später am Ende des Englischunterrichts bereits zum dritten Mal.

Dabei klebte der Blick aus ihren großen graubraunen Augen so fest auf Emma, als wollte sie ihr Löcher in die Stirn brennen.

„Das erkläre ich dir, sobald wir vom Schulgelände runter sind und uns sicher sein können, dass uns niemand belauscht“, vertröstete Emma sie. – So, wie sie es auch schon in der Fünfminutenpause getan hatte.

Schweigend packten die vier Mädchen ihre Unterlagen zusammen, schulterten ihre Rucksäcke und verließen das Klassenzimmer.

„Ein Wunder, dass es außer euch niemand sonst gesehen hat“, sagte Emma, als sie endlich auf dem Weg zur Bushaltestelle waren.

„Euch?“ Leonie schüttelte den Kopf. „Du meinst wohl mich“, stellte sie klar. „Ich bin als Einzige nicht dabei gewesen und …“

„Es war Emma“, fiel Alina ihr ins Wort. „Sie ganz allein. Kim hätte sich fast langgelegt, weil sie auf der Treppe stand, als es passierte. Sie wird also auch nichts damit zu tun haben. Zumindest nicht, wenn sie noch alle Radieschen im Beet hat.“

„Habe ich“, versicherte Kim mit einem schiefen Grinsen. „Dreiundzwanzig an der Zahl und alle exakt in einer Reihe.“

„Na also“, erwiderte Alina. Sie strich sich eine schwarze Strähne aus dem Gesicht und ließ die Brille auf ihrer Nase tanzen. „Und ich schwöre, ich habe auch nichts damit zu tun, sondern bin genauso gespannt auf Emmas Erklärung wie du, Leo.“

„Ja, ja, ja!“

Emma machte eine abwehrende Geste. Dann drehte sie sich einmal um sich selbst, um die Umgebung abzuchecken. Eine Gruppe Schüler näherte sich auf Fahrrädern, doch sie fuhr auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Und die zwei Mädchen, die ein Stück weiter hinten den Bürgersteig entlangtrotteten, waren ebenfalls noch weit genug entfernt.

„Ich wollte eben nicht, dass Kevin Leos Foto überall rumverteilt“, begann Emma. „Deshalb habe ich mir einfach vorgestellt, dass er es nicht die Treppe hinaufschafft … weil die sich wie eine Rolltreppe in die entgegengesetzte Richtung bewegt.“

„Sensationell!“, entfuhr es Kim. Sie klatschte sich mit der Hand gegen die Stirn. „Ich meine, auf so eine Idee muss man erst mal kommen!“

„Joah.“ Alina nickte. „Und dann muss sie auch noch funktionieren.“

„Kapier ich nicht“, sagte Leonie, und wieder heftete sie ihren Blick auf Emma. „Konntest du das schon immer?“

„Ähm …“ Emma zog ihre Schultern bis zu den Ohren hoch. „Keine Ahnung! Ich habe es noch nie ausprobiert.“

„Eigentlich geht so etwas ja auch gar nicht“, gab Leonie mit hochwissenschaftlichem Gesichtsausdruck zurück.

„Sag ich doch“, erwiderte Alina, die nicht nur besonders flink auf ihren Beinen, sondern auch im Kopf war.

Mühelos löste sie kilometerlange Kettenaufgaben und besonders knifflige Rätsel. Doch für Emmas Rolltreppenaktion hatte auch sie keine Erklärung.

„Dann war es also Magie“, überlegte Kim. „Oder … Wie heißt das noch mal, wenn man Gegenstände bewegen kann?“

„Telepadingsbums“, kam es wie aus der Pistole geschossen von Leonie.

„Mhm.“ Alina knuffte sie in die Seite. „Telekinese.“