Magic Elements (Band 3) – Im Bann des dunklen Kristalls - Patricia Schröder - E-Book

Magic Elements (Band 3) – Im Bann des dunklen Kristalls E-Book

Patricia Schröder

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Freundinnen Emma, Leonie, Alina und Kim entdecken, dass die magischen Kristalle der Elemente Erde, Luft und Wasser in die Hände der "Dark Elements" gefallen sind. Zu allem Übel treiben Leonies Gefühle für Emmas Bruder auch noch einen Keil zwischen die Freundinnen. Nun müssen die Mädchen all ihre Kräfte und ihren Scharfsinn einsetzen, um vereint ihre Gegner endgültig zu besiegen und so ihre Stadt zu retten. Doch mit ihrem riskanten Plan setzen sie zugleich ihre Kräfte aufs Spiel …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 255

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Tische verrücken

Eine feste Überzeugung und eine handfeste Überraschung

Paula

Von verstecktem Gemüse, schwierigen Phasen und nervigen Roboterschwestern

Bestandsaufnahme

Jede Menge Klärungsbedarf

Liebesdinge

Das Projekt

Freundschaft und Vertrauen

Eine düstere Ankündigung

Volles Risiko

Elterngespräche mal anders

Einfach nur peinlich

Die 24-Stunden-Strafe

Hauptsache, zauberisch

Eine Lehrstunde in deutscher Grammatik

Geheimnisvolle Nachrichten und ein rätselhaftes Fundstück

Sonderbehandlung

Zaubertricks mit Zaubersteinen

Streit

Alte Bekannte

Ein böser Verdacht

Plötzlich hin und weg

Der Flaschenspionage-Flop

Das magische Labyrinth

Ein gutes halbes Jahr später …

Tische verrücken

„Wisst ihr was?“, sagte Alina, während ihr Blick zwischen Emma, Leonie und Kim hin und her wanderte. „Ich habe absolut null Bock, hier zu sein.“

Es war Montagmorgen kurz nach halb zehn, und die vier Mädchen standen ein ganzes Stück abseits vom allgemeinen Trubel auf dem Pausenhof der Dietrich-Bonhoeffer-Gesamtschule. Ein aufregendes Abenteuer, ein paar wunderbare Tage in Schottland und fünf weitere Wochen chilliger Ferien lagen hinter ihnen – und nun ging der normale Alltag wieder los.

„Ich auch nicht“, erwiderte Leonie, während sie angespannt zum Eingang des Hauptgebäudes hinübersah, vor dem sich bereits eine stattliche Traube aus Schülerinnen und Schülern zusammendrängte. Offensichtlich konnten sie es kaum erwarten, endlich hereingelassen und von ihren neuen Klassenlehrern in die neuen Unterrichtsräume geführt zu werden.

Kim drehte den Schirm ihrer nagelneuen knallorangefarbenen Basecap zur Seite und formte mit beiden Händen das Siegeszeichen. „Juhu! Endlich keine Fünftklässlerinnen mehr!“, jubelte sie lustlos.

Emma zog eine Grimasse.

„Was glaubt ihr? Wen kriegen wir?“

„Die Eule“, schlug Alina vor.

Leonie reckte den Daumen, und in ihren Augen leuchtete ein Funken Hoffnung auf. „Das wäre so was von cool!“

„Ja, das wäre es“, bestätigte Emma. „Um nicht zu sagen: zu cool, um wahr zu sein.“

„Wieso denn?“, gab Kim kopfschüttelnd zurück. „Wenn die Elemente …“

„Sie haben bereits entschieden“, fiel Emma ihr ins Wort. „Schon vergessen?“

„Nein“, sagte Kim. „Aber es könnte doch sein, dass sie es sich noch einmal anders überlegt haben.“

„Haben sie aber nicht“, entgegnete Emma nüchtern. Das zumindest war der Stand von vor knapp einer halben Stunde. „Paps meint, es wäre zu riskant. Und deshalb behalten wir Florentina Flügelschlag nicht mal in Geschichte.“

„Waaas?“ Alinas Brille hüpfte empört auf und ab. „Das ist ja wohl etwas übertrieben! Wer soll denn auf uns aufpassen, jetzt, wo wir in der Höhle der Löwin hocken?“

„Die Eule ist ja nicht aus der Welt“, beschwichtigte Emma. „Außerdem brauchen wir keinen Aufpasser. Jedenfalls nicht so.“

„Sagt wer?“, knurrte Kim.

Emma zuckte mit den Schultern. „Paps.“

„Stimmt ja auch“, sprang Leonie ihr zur Seite, bevor Kim und Alina ihrer Entrüstung weiter Luft machen konnten. „Die Rösterin darf auf keinen Fall spitzkriegen, dass die Eule zu den Elementen gehört“, erklärte sie eindringlich. „Frau Flügelschlag unterrichtet doch nur Erdkunde und Geschichte. Das sind Nebenfächer. Wenn sie damit auf einmal Klassenlehrerin wird und dann auch noch ausgerechnet bei uns, gehen bei Frau Röstitzer garantiert sämtliche Alarmlampen an.“

„Leo hat recht“, pflichtete Emma ihrer blond bezopften Freundin bei. „Das wäre total verdächtig. An der Bonni gab es bisher keinen, der mit Nebenfächern Klassenlehrer werden konnte.“

„Sagt dein Vater, stimmt’s?“, vergewisserte sich Kim.

Emma hob erneut die Schultern. „Er muss es ja wohl wissen.“

„Hmm“, machte Alina. „Und was ist, wenn die Rösterin unsere Klasse übernimmt?“

Emma schüttelte energisch den Kopf. „Das wagt sie nicht, wetten?“

„Sagt wer?“, brummte Kim. „Etwa auch dein Vater?“

„Nee“, erwiderte Emma. „Das sage ich! Und jetzt, Mädels, lasst uns die Höhle der Löwin mit erhobenen Häuptern betreten“, fuhr sie beinahe feierlich fort. „Damit sie kapiert, dass wir keine Feiglinge sind und ein Schulwechsel nicht infrage gekommen ist!“

Eine halbe Stunde später betraten die Mädchen ihren neuen Unterrichtsraum und ergatterten gleich ganz vorne bei der Tür die ersten beiden Zweiertische des Hufeisens.

Emma hatte recht behalten: Sybille Röstitzer, die stellvertretende Direktorin und – wie die vier Freundinnen seit ihren abenteuerlichen Erlebnissen auf Scary Castle wussten – eines der vier Mitglieder der DARKELEMENTS, hatte ihre Klasse zum Glück nicht übernommen.

„Witzig ist der aber garantiert auch nicht“, murmelte Leonie finster und deutete mit dem Kinn in Richtung Pult, hinter dem sich ihr neuer Klassenlehrer verschanzt hatte.

Roderick Stölpels Figur glich einem Quadrat, auf dem eine rotgesichtige Kugel mit ungleichmäßig verteiltem Bartwuchs und rosenkohlförmigen Knubbelohren saß. Sitzend war er nicht sehr viel größer als seine leuchtend grüne Aktentasche, die er mitten auf dem Lehrertisch platziert hatte. Darüber waren nur noch seine hektisch hin und her wandernden Augen und die gigantische dunkelbraune Tolle über seiner Stirn zu sehen.

„Pscht! Pscht! Pscht!“, mahnte er. „Bitte nicht reden! Das macht mich nervös. Und wenn ich nervös bin, kann ich mich nicht mehr konzentrieren.“

„Gut zu wissen“, erwiderte Jakob.

Er stieß seinen Kumpel Fredi in die Seite und grinste von einem Ohr zum anderen.

„Deshalb würde ich vorschlagen, dass wir die Tischordnung ein wenig ändern“, fuhr Herr Stölpel unbeirrt fort. „Das wird wohl für alle das Beste sein.“

Oscar sprang von seinem Stuhl auf.

„O ja!“, brüllte er. „Lasst uns die Tische umstellen!“

Jakob, Fredi und ein paar der Mädchen stimmten begeistert zu.

Als Erstes schoben die beiden Jungen ihren Tisch an die Hinterwand und platzierten ihre Stühle so, dass diese mit der Rückenlehne zur Tafel wiesen. Durch die Lücke, die dadurch in der Hufeisenform entstanden war, schleppten Sarah, Lisette und alle Übrigen, die an einem Zweiertisch saßen, ihre Stühle und stellten sie ebenfalls an der hinteren Wand auf.

„Brauchen wir die Tische überhaupt?“, fragte Fredi in den Tumult hinein.

„Nö“, meinte Annalena schulterzuckend. „Eigentlich nicht.“

„Und wo, bitte schön, soll ich mit meinem ganzen Frühstückszeug hin?“, erwiderte Oscar.

„Okay, überredet“, riefen Annalena und Lisette im Duett und bugsierten ihren Tisch kurzerhand ebenfalls ans hintere Ende des Klassenraums.

„Stopp!“, rief Herr Stölpel hinter seiner Aktentasche. „Ihr bringt mich ganz durcheinander.“

„Das ist ja der Sinn der Sache“, feixte Jakob. „Jedenfalls unter anderem.“

Zehn Minuten später war die Hufeisenform nahezu komplett aufgelöst. Der größte Teil der Tische stand kreuz und quer im Raum. Außer Fredi und Jakob saßen nun auch noch weitere Schülerinnen und Schüler mit dem Rücken zur Tafel.

„Kinder, so geht das nicht!“, vermeldete Herr Stölpel und hob fuchtelnd seine Hände empor. „Bringt das bitte sofort wieder in Ordnung.“

„Wieso denn? Ist doch cool!“

Oscar packte seine Brotdose und seine Trinkflasche aus und nahm einen großen Schluck von seinem Eistee.

Sarah tat es ihm gleich, während Fredi und Jakob sich auf den Boden legten und ihre Stühle über ihrer Brust auf und nieder stemmten, um ihre Muskeln zu stärken. Annalena und Lisette kramten ihre Jo-Jos heraus und gaben unter dem jubelnden Applaus ihrer Mitschüler ihre Künste zum Besten.

„Kinder, so geht das nicht!“, rief Herr Stölpel erneut. „Dies ist doch kein Sportunterricht.“

„Kann mal einer die sprechende Aktentasche abstellen?“, fragte Annalena, woraufhin Oscar sich vor Lachen an seinem Käsebrot verschluckte und einen nicht enden wollenden Hustenanfall bekam.

Nur Emma, Leonie, Kim und Alina bewegten sich keinen Zentimeter von der Stelle. Sie saßen noch immer auf ihren Plätzen und verfolgten das Schauspiel ihrer Klassenkameraden mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und stummem Entsetzen.

Inzwischen war Jakob und Fredi das Muskeltraining offenbar langweilig geworden, denn plötzlich sprangen sie vom Boden hoch und hievten ihre Stühle auf einen der Tische. Und noch ehe Herr Stölpel ein drittes Mal Kinder, so geht das nicht! rufen konnte, waren sie bereits hinaufgeklettert.

Mit vor der Brust gekreuzten Armen thronten die beiden Jungen auf ihren Stühlen und blickten mit wichtiger Miene auf das Tohuwabohu hinab.

„Schluss jetzt!“, brüllte Herr Stölpel mit sich überschlagender Stimme. „Sofort runter da! Wenn ihr abstürzt und euch den Hals brecht, ist es meine Schuld.“

Niemand hörte auf ihn.

„Wieso kommt der nicht hinter dem Pult vor?“, murmelte Emma kopfschüttelnd. „Wie will er sich denn so gegen diese Clowns durchsetzen?“

Aus dem Wochenplan, der bereits an der Tafel stand, ging hervor, dass Herr Stölpel sie nicht nur in Mathe, sondern auch in Deutsch und Geschichte unterrichten würde. Wenn ab jetzt allerdings jede Stunde so ablaufen sollte wie diese, würden sie in drei Fächern so gut wie nichts dazulernen.

„Der hat die Hosen voll“, brummte Kim. „Aber so was von!“

„Mir tut er voll leid“, presste Leonie hervor.

Am liebsten hätte sie Jakob und Fredi mitsamt ihren dämlichen Stühlen von den Tischen heruntergepustet, aber mittlerweile war der Einsatz von Magie in dieser Schule ja nur noch in absoluten Notfällen erlaubt.

„Wieso denn leid?“, knurrte Emma. „Wenn Herr Stölpel sich das alles gefallen lässt, ist er doch selber schuld. Der soll einfach mal auf den Tisch hauen. Wenn er das nicht kann, hätte er eben kein Lehrer werden sollen.“

Die Augen des neuen Klassenlehrers und seine Tolle ruckten in Emmas Richtung.

„Morgen schreiben wir einen Test“, verkündete er. „Und zwar in jedem Fach. Damit ich weiß, wo wir stehen.“

„Na und!“, tönte Fredi. „Hauptsache, wir wissen, wo Sie stehen, Herr Tölpel.“

„Diese Verunglimpfung meines Namens verbitte ich mir!“, erwiderte der Klassenlehrer mit energischer Stimme, und Emma staunte nicht schlecht, als er nun plötzlich hinter seinem Pult – und der leuchtend grünen Aktentasche! – hervortrat.

Sehr gut!, dachte Emma. Endlich wehrt er sich. – Was Fredi jedoch nicht zu beeindrucken schien.

„Och, wer wird denn gleich so empfindlich sein“, höhnte er. „Den Namen haben Sie sich doch ehrlich verdient.“

Herr Stölpel öffnete den Mund. Heraus kam allerdings nichts. Wie ein dicker Karpfen, den man an Land gezogen hatte, schnappte er nach Luft. Schließlich drehte er sich um und begab sich in den Schutz des Pultes und seiner Aktentasche zurück.

Emma schnaubte leise. In diesem Moment hätte sie nicht sagen können, auf wen sie wütender war: Fredi oder Herrn Stölpel.

Ihren neuen Klassenlehrer vor allen zu kritisieren, wäre ihr aber im Traum nicht eingefallen, und deshalb schoss sie ihren ganzen geballten Zorn auf ihre Mitschüler ab.

„Hört sofort auf damit!“, brüllte Emma, während sie von ihrem Stuhl aufsprang. „Was ihr hier aufführt, ist absolut nicht lustig, sondern einfach nur eklig und gemein!“

Fredi stieß ein kurzes ungläubiges Lachen aus, und dann war es mit einem Schlag so still im Klassenraum, als hätte jemand den Off-Schalter einer Hi-Fi-Anlage gedrückt, aus der kurz zuvor noch laute Musik erschallt war.

Alle starrten Emma an. Eine Mischung aus Fassungslosigkeit, Hohn und kalter Wut spiegelte sich in den Blicken ihrer Mitschüler.

Emma schluckte. Langsam ließ sie sich auf ihren Stuhl zurücksinken. Ihre Wangen fingen an zu glühen, und sie spürte geradezu, wie ihr ein Stempel aufgedrückt wurde, den sie ganz sicher so schnell nicht wieder loswerden würde: SCHLEIMERIN! – und schlimmer noch: VERRÄTERIN!

Auch Herr Stölpel hielt den Blick fest auf Emma gerichtet.

Für einen winzigen Moment glaubte sie ein siegesgewisses Grinsen um seine Mundwinkel zu bemerken, doch schon im nächsten verwandelte sich sein Gesicht in eine Maske ohne jede Regung.

Wie ein Roboter!, durchzuckte es Emma.

Irritiert wischte sie diesen Gedanken beiseite und richtete ihren Blick fest in Herrn Stölpels Augen. Graublau waren sie, und sie sahen sehr lebendig aus.

„Du“, sagte der Klassenlehrer.

Seine vollen Lippen wölbten sich wie in Zeitlupe. Er richtete einen Finger auf Emma und setzte sich langsam in Bewegung. Dabei verhakten sich seine Hosenklammern ineinander, die er nach dem Radfahren offenbar vergessen hatte abzunehmen. Und dann passierten zwei Dinge gleichzeitig:

Herr Stölpel geriet ins Straucheln und stolperte nach vorn. Dabei löste sich eine der beiden Hosenklammern und sauste wie vom Flitzebogen abgeschossen in Richtung Decke, wo sie eine Neonröhre zerdepperte.

Feine Glassplitter rieselten zu Boden.

„Volltreffer!“, johlten Oscar, Jakob und Fredi im Chor.

Unterdessen hatte Herr Stölpel seinen Fall abgefangen, indem er sich in letzter Sekunde mit beiden Händen auf Emmas und Leonies Tisch stützte. Mühsam arbeitete er sich in den Stand zurück und zeigte erneut auf Emma.

„Du tauschst deinen Platz mit dem da“, befahl er und wies nun auf Kim. „Und dann ist hoffentlich endlich Ruhe!“

„Aber wir haben doch gar ni…“, setzte Emma zum Protest an.

Doch dann bemerkte sie das irre Flackern in Herrn Stölpels Augen und schluckte den Rest ihres Einwands hastig hinunter.

Ihr Klassenlehrer drohte jeden Moment zu explodieren. Und solange er in dieser Verfassung war, würde er für Argumente wohl kaum zugänglich sein. Abgesehen davon war es schließlich völlig egal, ob sie neben Leonie oder neben Alina saß.

Kim war mittlerweile aufgestanden und zwinkerte Emma zu. Anscheinend fand die Freundin es lustig, dass Herr Stölpel sie für einen Jungen hielt.

So ein Idiot!, dachte Emma, während sie ihren Kram packte und sich auf Kims Stuhl plumpsen ließ. Nach seiner Vorstellung mit den Hosenklammern würde er in dieser Klasse garantiert kein Bein mehr auf den Boden bekommen.

Aber das war Emma gerade völlig egal.

Eine feste Überzeugung und eine handfeste Überraschung

„Es war richtig, dass du dazwischengegangen bist“, beschwor Alina Emma, als die Freundinnen ihren neuen Klassenraum zur Pause verließen. „Auch, wenn es leider nicht besonders lange gewirkt hat“, fügte sie finster hinzu.

„Es war eine einzige Katastrophe“, brachte Kim die Sache auf den Punkt. „Fredi, Jakob und die anderen haben doch trotzdem weiter ihre Tische herumgeschoben, und nun sitzen alle mit dem Rücken zur Tafel. Nur wir vier nicht! Keine Ahnung, wie Stölpel-Tölpel da Unterricht machen will.“

„Wenigstens haben sie ihn nicht länger beleidigt“, erwiderte Leonie, die Mühe hatte, mit den strammen Schritten ihrer Freundinnen mitzuhalten, weil sie gleichzeitig ihren Rucksack nach etwas Süßem durchwühlte. „Und du solltest das auch nicht tun!“

„Dafür haben die Jungs uns mit einem Pfeifkonzert verabschiedet“, ging Kim über die Ermahnung hinweg. „Keine Ahnung, ob das so viel besser ist“, knurrte sie.

„Ich finde schon“, entgegnete Emma. „Herr Stölpel ist eine arme einsame Socke, wir dagegen sind die MAGICELEMENTS.“

„Na toll!“, brummte Alina. „Was nützt uns das, wenn wir in der Schule nicht zaubern dürfen?“

„Es geht doch nicht ums Zaubern“, gab Emma zurück, „sondern darum, dass wir einander haben. Wir sind nicht allein, sondern zu viert. Und zwar absolut untrennbar, weil uns die Kraft der Elemente zusammenhält.“

„Ach, echt?“ Alina blieb stehen, und Emma, Kim und Leonie stoppten ebenfalls. „Und ich dachte, wir wären Freundinnen.“

„Das sind wir ja auch!“ Kim blickte herausfordernd von einer zur anderen. „Oder bestehen daran etwa irgendwelche Zweifel?“

„Natürlich nicht!“, sagte Emma inbrünstig. „Wir sind beides: Freundinnen undMAGICELEMENTS. Das eine wäre ohne das andere doch überhaupt nicht möglich!“

„Stimmt“, pflichtete Leonie ihr bei.

Sie pfriemelte einen halben, offensichtlich schon ein wenig in die Jahre gekommenen Keks zwischen zwei Heftern hervor, schob ihn sich in den Mund und schulterte ihren Rucksack.

„Benn bir nich scho dicke Freunbinnen wären, hätten bir garantiert niemalsch diese Talente bekom…“

Leonie stockte, hielt mit dem Kauen inne und verzog gequält das Gesicht.

„Bäääh!“, stieß sie hervor und schluckte die alten trockenen Krümel hastig hinunter. „Außerdem …“, fuhr sie fort, nachdem sie sich einmal kräftig geschüttelt hatte. „Wer weiß schon, wie lange Fredi und Jakob gute Kumpel bleiben werden. So etwas ändert sich ja dauernd. Ich glaube, in unserer Klasse sind wir die Einzigen, die das ganze Schuljahr über fest zusammengehalten haben. Und das hat bestimmt nicht nur mit unseren magischen Fähigkeiten zu tun!“, schloss sie zutiefst überzeugt.

„Ja, okay“, hakte Kim ein. „Es kann uns wirklich egal sein, ob die Jungs uns auspfeifen. Ich finde aber, wir sollten mal darüber nachdenken, ob wir wegen Herrn Stölpel nicht vielleicht doch etwas unternehmen.“

„Was denn?“ Alina schob skeptisch die Unterlippe vor. „Je mehr wir ihn unterstützen, desto lauter wird das Gepfeife sein“, führte sie mit finsterer Miene aus. „Irgendwann haben wir die ganze Klasse gegen uns, und das könnte verdammt anstrengend werden.“

„Wir könnten mit dem Direx sprechen“, schlug Leonie vor. „Oder mit Frau Flügelschlag.“

Emma nickte.

„Genau das werden wir tun“, entschied sie, während sie sich in Bewegung setzte und mit schnellen Schritten weiterlief. „Na los, Mädels, vielleicht erwischen wir die Eule ja im Lehrerzimmer.“

Auf halbem Weg dorthin kam ihnen Hausmeister Strunzke entgegen. In der einen Hand trug er eine kleine Trittleiter und in der anderen seinen großen Werkzeugkasten. Ebenso wie Florentina Flügelschlag gehörte auch er zum Elemente-Team von Emmas Vater.

„Warum fragen wir nicht einfach ihn?“, raunte Leonie.

Emma runzelte die Stirn.

„Ich glaube kaum, dass Strunzi uns wegen Herrn Stölpel weiterhelfen kann“, murmelte sie.

Inzwischen war der Hausmeister nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt. Er setzte die Trittleiter ab und stellte seinen Werkzeugkasten ebenfalls auf den Boden.

„Ganz schön schwer, das Teil, hm?“, meinte Kim.

Harald Strunzke schenkte ihr ein strahlendes Lächeln.

„Ach, das geht schon“, winkte er ab. „Ich bin ja noch jung und elastisch.“

Kim verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen.

Jung war in ihren Augen nämlich jemand, der nicht älter als ihre Eltern war, und Strunzi gehörte eindeutig nicht dazu. Dafür zierten einfach zu viele Runzeln sein freundliches Gesicht. Und auch seine schütteren schneeweißen Haare sprachen eine andere Sprache.

Eine gute Kondition besaß er aber durchaus, was er auf ihren gemeinsamen Touren durch die Highlands bewiesen hatte. Jedenfalls war Strunzi immer schon lange vor ihnen am Ziel gewesen. Wobei das natürlich auch mit seinen magischen Talenten zusammenhängen konnte. Harald Strunzke beherrschte das Luft-Element. Zusammen mit ihm waren die vier Mädchen Anfang der Ferien auf dem Rücken von Alinas Pony Krautzinsky nach Schottland geflogen – mit einer Geschwindigkeit, die sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine lange Nase zeigte.

„Gibt es Probleme?“, fragte der Hausmeister jetzt. „Kann ich euch in irgendeiner Weise helfen?“

„Ähm …“ Emma krauste die Nase. Dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich glaube nicht.“

„Aber …“, setzte Leonie zum Widerspruch an.

„Wir wollten zu Frau Flügelschlag“, ging Emma dazwischen.

„Oh … Ach so …“ Harald Strunzke kratzte sich hinterm Ohr. „Soweit ich weiß, ist sie heute gar nicht im Haus.“

„Oh … Ach so …“, wiederholte Emma.

„Aber vielleicht kann ich euch ja trotzdem helfen“, bot der Hausmeister sich an. „Schließlich kann ich nicht nur Nägel einschlagen und Glühbirnen auswechseln“, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu.

„Ähm, ja, klar …“, sagte Leonie.

Sie räusperte sich und warf Emma einen unschlüssigen Blick zu.

Emma schüttelte kaum merklich den Kopf.

„Es geht um unseren neuen Klassenlehrer“, erwiderte sie.

Harald Strunzke nickte. „Roderick Stölpel, ich weiß.“

„Äh …“ Emma schob irritiert die Augenbrauen zusammen. „Woher wissen Sie das?“

„Gegenfrage“, gab Herr Strunzke zurück. „Wie kommen Gedanken von A nach B?“

„Gar nicht!“, platzte es aus Alina heraus. Sie tippte sich mit der Hand an die Stirn. „Gedanken gehören in die Dachkammer. Und sonst nirgendwohin!“

„Tja, dann hat Leonie wohl versehentlich ein Fenster aufgelassen“, meinte Herr Strunzke mit einem immer breiter werdenden Lächeln. „Hin und wieder muss schließlich gelüftet werden.“

„Ich?“, rief Leonie empört. „Wieso denn immer ich?“

„Falsche Frage“, bemerkte Kim. „Sehr viel interessanter ist doch, wieso Strunzi Gedanken lesen kann.“

„Nicht lesen!“ Hausmeister Strunzke reckte einen Zeigefinger in die Höhe. „Sondern empfangen!“, stellte er klar.

„Ist doch logisch“, sprudelte Emma in plötzlicher Erkenntnis hervor. „Weil Sie zum Lu…“

„Pssst!“

Harald Strunzkes Finger bewegte sich auf ihre Lippen zu. Berühren musste er sie aber nicht, denn allen vier Mädchen war natürlich sofort klar, dass bestimmte Dinge in der Schule besser nicht laut ausgesprochen wurden.

„’tschuldigung“, murmelte Emma zerknirscht, was Harald Strunzke abermals mit „Ich weiß“ und einem weiteren Augenzwinkern quittierte. „Im Übrigen solltet ihr Herrn Stölpel noch ein wenig Zeit zur Eingewöhnung gewähren. „Nicht selten trügt der erste Eindruck.“

Nicht in diesem Fall, lag es Emma auf der Zunge zu erwidern. Gerade noch rechtzeitig schluckte sie es hinunter und antwortete mit einem stummen Nicken.

„Okay“, versprach Kim. „Machen wir.“ Besonders viel Hoffnung, dass sich am Unterricht ihres neuen Lehrers etwas änderte, hatte sie allerdings auch nicht.

„Gut“, sagte Herr Strunzke. „Dann wünsche ich euch noch einen wundervollen Vormittag! Es war wirklich nett, mit euch zu plaudern!“

Mit diesen Worten ergriff er seinen Werkzeugkasten und die Trittleiter und marschierte fröhlich pfeifend in Richtung Hausmeisterkiosk davon.

„Danke ebenso“, murmelte Emma.

„Mann ey!“, brach es aus Leonie hervor. „Wie krass ist das denn!“

Alina neigte sich ihr entgegen und ließ die Brille auf ihrer Nase tanzen. „Darf man erfahren, wovon Sie sprechen, gnädige Frau?“

„Na, davon, dass Strunzi Gedanken em…“

„Pssst!“, machten Emma, Alina und Kim im Chor, und eine Sekunde später landeten drei Zeigefinger gleichzeitig auf Leonies Mund.

„Ist ja schon gut!“, knurrte diese und wich ruckartig zurück.

Im selben Moment wirbelte ein plötzlich aufkommender Windstoß einen schneeweißen Zettel auf die Mädchen zu. Er vollführte ein paar elegante Saltos und landete schließlich direkt vor Emmas Füßen auf dem Boden.

„Wow“, sagte Kim. „Das hatten wir ja schon ewig nicht mehr.“

„Aber wenn die Eule heute gar nicht hier ist …“, murmelte Leonie. „Wie hat sie es dann gemacht?“

„Gar nicht“, gab Alina zurück. „Weil sie es weder heute noch früher gewesen ist.“

„Ganz genau“, stimmte Emma ihr zu. „Hundertpro sind die Elemente-Nachrichten schon immer von Hausmeister Strunzke gekommen.“

„Na klar“, meinte Kim kichernd. „Briefe von Frau Flügelschlag wären nämlich garantiert verbrannt, bevor sie uns erreicht hätten.“

Verwirrt sah Leonie zwischen ihren Freundinnen hin und her.

„Aber dann hätten doch auch unsere Klassenarbeiten jedes Mal in Flammen aufgehen müssen“, wandte sie ein – worin sie nicht unbedingt nur Nachteile erkennen konnte. „Oder nicht?“

„In Geschichte schreiben wir doch gar keine Klassenarbeiten, sondern nur Tests“, erwiderte Alina.

„Und die haben wir tatsächlich noch nie zurückbekommen“, stellte Emma zu ihrer eigenen Überraschung fest.

Überhaupt arbeitete die Eule nur sehr ungern mit Papier, sondern bevorzugte Tablets und Unterrichtsmaterial aus dem Internet. Emma schüttelte im Stillen den Kopf. Komisch, dass ihr das erst jetzt auffiel!

Texte aus dem Geschichtsbuch mussten von den Schülerinnen und Schülern immer vorgelesen werden. Florentina Flügelschlag selbst hatte noch nie eines in der Hand gehabt. Möglicherweise besaß sie nicht mal eins.

Inzwischen hatte Emma den Zettel vom Boden aufgeklaubt. Sie wartete, bis Alina, Kim und Leonie sich dicht hinter ihr versammelt hatten, dann erst faltete sie ihn auseinander.

Liebe MAGICELEMENTS,

für Euch gibt es eine kleine Stundenplanänderung:

Montag:

08:15 bis 09:45 Uhr: Deutsch

10:05 bis 11:35 Uhr: Mathematik

12:00 bis 12:45 Uhr: Geschichte

Dienstag und Donnerstag:Projekttage

Mittwoch:

08:15 bis 09:45 Uhr: Deutsch

10:05 bis 11:35 Uhr: Mathematik

12:00 bis 12:45 Uhr: Geschichte

Freitag: Projekttag (in englischer Sprache)

Treffpunkt morgen:

Punkt 08:00 Uhr auf der Brachweide / Brennnesselweg

Bitte festes Schuhwerk und einen freien Kopf mitbringen!

DIE ELEMENTE 

„Waaas!“ Kim machte ihrer Empörung Luft, indem sie sich ihre Basecap vom Kopf riss und den Gang hinunterpfefferte. „Montags und mittwochs fünf Stunden Tölpel hintereinander?“ Sie verdrehte theatralisch die Augen. „Das überlebe ich nicht!“

„Nenn ihn nicht so!“, wies Leonie ihre Freundin zurecht.

„Wie denn sonst?“, fauchte Kim.

„Vielleicht Herr Stölpel?“, schlug Alina vor.

„Okay“, knurrte Kim. „Dann eben die sprechende Aktentasche.“

„Also, ich würde es ziemlich gut finden, wenn zwischen uns und Jakob und Fredi keine Verwechslungsgefahr bestünde“, merkte Emma an.

„Ich auch!“, schloss Leonie sich sofort an. Sie flitzte los, um Kims Kappe aufzuheben, und pflanzte sie sich auf den Kopf. „Herr Stölpel hält dich ja sowieso schon für einen Jungen!“

„Na und!“, brummte Kim. „Soll er doch!“

„Morgen haben wir ihn jedenfalls nicht“, stellte Alina klar.

Emma nickte. „Wobei …“ Sie hob den Blick und sah kopfschüttelnd in die Richtung, in die Harald Strunzke vor wenigen Minuten verschwunden war.

„Was?“, half Alina ihr auf die Sprünge.

„Na ja, ich kapier das irgendwie nicht“, erwiderte Emma. „Die Stundenplanänderung stammt offensichtlich von den ELEMENTEN.“

„Klar“, bestätigte Leonie. „Sonst hätten sie wohl kaum ihren Stempel druntergesetzt.“

„Oje! Was täten wir bloß ohne unser kleines Schlauli“, frotzelte Kim und schnappte sich ihre Basecap zurück.

Leonie streckte ihr die Zunge heraus, und Alina meinte:

„Du könntest ruhig mal Danke sagen.“

„Wer? Ich?“ Kim tippte sich auf die Brust. „Wofür?“

„Dafür“, sagte Alina, und ehe Kim sich’s versah, flog ihre knallorangefarbene Kappe erneut den Gang hinunter.

„Mann ey! Ihr seid echt blöd heute!“, jaulte Leonie und machte sich erneut auf den Weg.

„Du musst das nicht tun!“, rief Alina ihr nach. „Kim kann sich das Teil auch selber holen!“

„Ich weiß“, grummelte Leonie und lief weiter.

„Okay“, sagte Emma, als ihre blond bezopfte Freundin mit der Basecap zurück war. „Seid ihr jetzt wieder aufnahmebereit?“

„Ja“, bestätigte Leonie ein wenig außer Atem.

Alina und Kim nickten.

„Also“, begann Emma aufs Neue. „Wenn dieser Plan hier tatsächlich von den ELEMENTEN stammt, gilt er wahrscheinlich nur für uns. Was bedeutet, dass alle unsere Klassenkameraden auch dienstags, donnerstags und freitags ganz normalen Unterricht haben.“

„Und wir jede Menge Stoff verpassen?“, führte Alina den Gedanken weiter. „Das kann es ja wohl nicht sein!“

„Keine Sorge“, gab Kim zurück. „Sobald mein Vater davon erfährt, ist das Projekt sowieso gestorben. Und die verpassten Unterrichtsstunden dürfen wir dann nachholen.“

„Wieso denn?“, erwiderte Leonie. „Wir wissen doch noch gar nicht, was das für ein Projekt ist. Vielleicht findet dein Vater es ja megainteressant.“

„Immerhin soll der Projektfreitag auf Englisch abgehalten werden“, bekräftigte Emma. „Das klingt schon wieder etwas mehr nach Schule.“

„Und nach meinem baldigen Begräbnis“, prophezeite Leonie.

Englisch war nämlich leider so gar nicht ihr Ding.

„Quatsch mit Käsesoße“, sagte Kim. Sie nahm Leonie die Basecap aus der Hand und stopfte sie in ihre linke Hosentasche – in die nämlich, in der sich nicht das dunkelrote Samtsäckchen mit dem magischen Feuerstein darin befand. „Wer die letzte Stunde mit Herrn Stölpel überlebt hat, den bringt garantiert so schnell nichts mehr um.“

Paula

Tief in Gedanken versunken kam Emma vor ihrer Haustür an. Komisch – weder dem Ponymädchen Alina noch der tierverrückten Leonie war aufgefallen, dass sich der morgige Treffpunkt ausgerechnet auf der Weide von Ravioletta Klattscheck befand! Zumindest hatte dieses Stück Brachland am Ende des Brennnesselwegs vor einigen Wochen noch einer Frau dieses Namens gehört.

Der Plan war gewesen, ein Ponyparadies daraus zu machen. Alina hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, Krautzinsky dort unterzubringen. Mittlerweile hatte ihr Ponyhengst sich auf dem Schoberhof jedoch so gut eingelebt, dass dies schon lange kein Thema mehr war.

Während Emma im Seitenfach ihres Rucksacks nach dem Schlüssel kramte, kaute sie nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum. Sie fragte sich, ob diese ominöse Ravioletta Klattscheck überhaupt existierte. Denn eigentlich war das Ganze damals ja nur ein großes Ablenkungsmanöver gewesen, das die DARKELEMENTS in die Wege geleitet hatten, um ihre Macht auszudehnen und das Geschehen in der Stadt zu beeinflussen. Gut möglich also, dass Frau Klattscheck eine erfundene Person war und das Brachland jemand völlig anderem gehörte.

Endlich hatte Emma den Schlüssel gefunden. Sie zog ihn hervor und wollte ihn gerade einfädeln, als die Haustür bereits langsam von innen geöffnet wurde.

„Hallo, Paps!“, rief Emma erfreut, obwohl noch überhaupt niemand zu sehen war.

Und sie erhielt auch keine Antwort.

„Mam?“, fragte Emma, während sie die Tür vorsichtig weiter aufdrückte. „Bist du das?“

„Stopp!“, rief ihre Mutter vom Obergeschoss hinunter.

„Wieso?“ Abrupt hielt Emma in ihrer Bewegung inne. „Was ist denn?“

„Paula!“, rief Nina Klirrbach. „Sie ist noch nicht ganz sicher auf den Beinen!“

„Ähm …?“

Emma schüttelte irritiert den Kopf.

Seit wann lebte in ihrem Haus ein Kleinkind? Oder hatte ihre Mutter etwa heimlich einen Hund angeschafft?

„Es ist hoffentlich kein Bernhardiner!“, rief Emma.

Die mochten als Welpen ja noch ganz niedlich sein, aber wenn so ein Kerl erst einmal ausgewachsen war … Nein! Das konnte Mam ihr unmöglich antun! Sie wusste doch, dass Emma große Tiere nicht besonders gern um sich hatte.

„Aber Spätzchen, was denkst du denn von mir!“, erwiderte Nina Klirrbach lachend. „Wer außer deinem Vater würde sich in dieser Familie denn um einen Hund kümmern, und der hat nun wirklich keine Zeit, so wenig, wie er in den letzten Wochen zu Hause war, also ich meine damit natürlich deinen Vater und nicht den Hund“, ratterte sie einen ihrer berüchtigten Monstersätze herunter und lachte dann noch einmal lauthals auf. „Wobei ein Hund, der gerne alleine auf Reisen geht, vermutlich ziemlich perfekt für uns wäre. Selbstverständlich dürfte er deine Kniehöhe nicht übersteigen“, setzte sie nach einem weiteren kurzen Lachanfall hinzu.

„Maham!“, brüllte Emma.

Das war nicht lustig!

„Ich bin schon unterwegs!“

„Wohin?“, hätte Emma beinahe gefragt.

Mams überschwänglich gute Laune in Kombination mit der Vorstellung von reiselustigen Hunden und streunenden Vätern machte sie noch ganz wirr im Kopf! Aber da hörte sie bereits die eiligen Schritte ihrer Mutter auf der Treppe.

„Kann ich jetzt bitte endlich reinkommen?“, bettelte Emma.

„Nein!“, brüllte Nina Klirrbach.

Einen Atemzug später polterte eine Leiche zu Boden.

Das zumindest war Emmas erster entsetzlicher Gedanke, als sie den kastanienbraunen Lockenkopf und den schmalen Oberkörper hinter der Wohnungstür hervorkippen sah.

„MAM!!!“

„Beruhige dich, mein Spatz. Das ist doch nur Paula.“

Nina Klirrbach war inzwischen unten angekommen. Nachdem sie einen kurzen prüfenden Blick auf die Leiche geworfen hatte, fasste sie Emma beim Handgelenk und zog sie in den Flur.

„Und jetzt schrei bitte nicht so laut“, mahnte sie. „Es muss ja nicht gleich jeder mitkriegen, dass …“

„… du jemanden umgebracht hast?“, presste Emma hervor und machte einen großen Satz über den kastanienbraunen Lockenkopf hinweg.

„Jetzt bist du aber wirklich albern!“, erwiderte ihre Mutter.

Sie drückte die Haustür zu und hockte sich zu Paula hinunter. „Ich bin Programmiererin und keine Mörderin.“

Sanft strich sie Paula ein paar Locken aus dem kalkweißen Gesicht. Danach öffnete sie den Reißverschluss des hellblauen Hoodies und legte ihre Hand auf Paulas Brust.

Herzdruckmassage war das Erste, was Emma dazu einfiel.

Einen Atemzug später fingen ihre Gehirnzellen wie verrückt an zu rattern.

Paulas Hoodie kam ihr nämlich verdammt bekannt vor. Und auch die Jeans und die roten Chucks an ihren Füßen stammten eindeutig aus Emmas Kleiderschrank. Außerdem ergriff ihre Mutter reichlich ungewöhnliche Maßnahmen, um die Leiche wieder zum Leben zu erwecken. Anstatt ihr das Herz zu massieren, öffnete sie eine Klappe in Paulas Brust, nickte kurz und hievte das leblose Mädchen mit einem Ruck auf die Füße.

„Guten Morgen, Mama“, sagte Paula mit zuckersüßer Stimme. „Hast du gut geschlafen?“

Sie klapperte geräuschvoll mit den Lidern und bewegte ihre Lippen mechanisch auf und zu.

„Mam, was soll das?“, stammelte Emma.

„Keine Sorge, Spätzchen, das kommt wieder in Ordnung“, versprach Nina Klirrbach. „Udo muss lediglich den Anschluss für den Chip ein wenig auspolstern, das dauert vermutlich nur ein paar Stunden, am besten, ich rufe ihn gleich an.“

„Wieso trägt sie meine Klamotten?“, fragte Emma empört.

„Jetzt stell dich bitte nicht so an“, wies ihre Mutter sie zurecht, während sie die Klappe in Paulas Brust zudrückte und den Reißverschluss des Hoodies wieder nach oben zog. „Du hast schließlich genug Sachen zum Anziehen.“

„Ja, Mam! Aber wieso?“

„Ich hatte gerade nichts anderes zur Hand“, erwiderte Nina Klirrbach. „Und Paula kann schließlich nicht nackt herumlaufen, das bringt deinen Bruder nur auf dumme Gedanken, du weißt ja, er ist gerade in diesem Alter.“

Noah und sein plötzlich erwachtes Interesse an bonbonfarben gekleideten Zickentussis hin oder her, Emma fand, dass Paula hier überhaupt nicht herumlaufen sollte.

„Und warum sagt sie Mama zu dir?“, platzte es aus ihr heraus.

„Damit sie sich bei uns zu Hause fühlt, natürlich“, erwiderte ihre Mutter mit einem verständnislosen Kopfschütteln. „Immerhin gehört sie jetzt zur Familie.“

„Hallo“, knurrte Emma. „Das ist ja wohl nicht dein Ernst!“