Wenn du mein Papa wärst … - Carmen von Lindenau - E-Book

Wenn du mein Papa wärst … E-Book

Carmen von Lindenau

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Beinahe lautlos schob sich die weiße Fähre durch das dunkelblaue Meer, begleitet von Fischschwärmen, die geduldig darauf warteten, dass die Bullaugen der Küche geöffnet wurden, um den einen oder anderen Leckerbissen herzugeben. Das Büfett im Speisesalon war längst abgeräumt. Die Passagiere hatten sich unter Deck zurückgezogen oder nach einem sonnigen Plätzchen auf dem Oberdeck Ausschau gehalten. Julia Lemke und ihre Tochter Anna hatten zwei Liegestühle auf dem Sonnendeck erobert. Das Mädchen lauschte einer Kassette über den Kopfhörer seines Walkman. Ab und zu flog ein Lächeln über das Gesichtchen, das zeigte, wie vertieft das Kind in die Geschichte war. Julias Blick aber war auf den Horizont gerichtet. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis das Ziel ihrer Reise auftauchte: Korsika, die Felseninsel im Meer. »Da schau her, meine Schwester hat mal wieder einen Platz an der Sonne ergattert.« »Musst du mich so erschrecken, Nelly?« Julia fuhr herum, als die junge Frau, die ihr zum Verwechseln ähnelte, ihren Arm berührte. »Tut mir leid, das wollte ich nicht. An was hast du denn gerade gedacht, meine Süße? An etwas Verbotenes? Sie sieht aus, als hätte ich sie bei etwas ertappt, meinst du nicht auch, Lars?« Nelly Renner, Julias Zwillingsschwester, trat einen Schritt zurück und schmiegte sich an die Schulter ihres Mannes. Mit einem Auge zwinkerte sie Anna zu, die nur kurz aufschaute, sich von den Erwachsenen aber nicht weiter stören ließ. »Ich glaube, du bist gerade ein bisschen unsensibel, mein Schatz«, sagte Lars, der an der Reling lehnte und seine Schwägerin aufmerksam betrachtete. »Ich bin manchmal auch ein richtiges Schaf!«

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Mami – 2063 –

Wenn du mein Papa wärst …

Würdest du mich dann auch allein lassen?

Carmen von Lindenau

Beinahe lautlos schob sich die weiße Fähre durch das dunkelblaue Meer, begleitet von Fischschwärmen, die geduldig darauf warteten, dass die Bullaugen der Küche geöffnet wurden, um den einen oder anderen Leckerbissen herzugeben.

Das Büfett im Speisesalon war längst abgeräumt. Die Passagiere hatten sich unter Deck zurückgezogen oder nach einem sonnigen Plätzchen auf dem Oberdeck Ausschau gehalten.

Julia Lemke und ihre Tochter Anna hatten zwei Liegestühle auf dem Sonnendeck erobert. Das Mädchen lauschte einer Kassette über den Kopfhörer seines Walkman. Ab und zu flog ein Lächeln über das Gesichtchen, das zeigte, wie vertieft das Kind in die Geschichte war. Julias Blick aber war auf den Horizont gerichtet. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis das Ziel ihrer Reise auftauchte: Korsika, die Felseninsel im Meer.

»Da schau her, meine Schwester hat mal wieder einen Platz an der Sonne ergattert.«

»Musst du mich so erschrecken, Nelly?« Julia fuhr herum, als die junge Frau, die ihr zum Verwechseln ähnelte, ihren Arm berührte.

»Tut mir leid, das wollte ich nicht. An was hast du denn gerade gedacht, meine Süße? An etwas Verbotenes? Sie sieht aus, als hätte ich sie bei etwas ertappt, meinst du nicht auch, Lars?« Nelly Renner, Julias Zwillingsschwester, trat einen Schritt zurück und schmiegte sich an die Schulter ihres Mannes. Mit einem Auge zwinkerte sie Anna zu, die nur kurz aufschaute, sich von den Erwachsenen aber nicht weiter stören ließ.

»Ich glaube, du bist gerade ein bisschen unsensibel, mein Schatz«, sagte Lars, der an der Reling lehnte und seine Schwägerin aufmerksam betrachtete.

»Ich bin manchmal auch ein richtiges Schaf!« Nelly klopfte dreimal auf ihre Lippen, dabei sah sie betroffen zu Boden.

»Wolltet ihr nicht einen Kaffee trinken gehen?« Julia tat, als habe sie die Verunsicherung der Schwester nicht bemerkt.

»Waren wir schon, dabei sind wir uns ja auch einig geworden, dass es an der Zeit ist, dir etwas anzuvertrauen, was wir bisher noch niemandem gesagt haben.« Nelly schaute wieder auf und lächelte vielsagend.

»Und das wäre?« »Du denkst doch, dass ich Lars damals beim Abendessen kennengelernt habe.«

»Nein, denke ich nicht, ich weiß es.« Julia sah ihre Schwester skeptisch an. Schließlich war sie doch dabei, als die beiden sich zum ersten Mal trafen. Es war beinahe auf den Tag genau vor sechs Jahren.

Julia hatte sich für vier Wochen in einem Hotel auf Korsika einquartiert. Sie wollte in aller Ruhe darüber nachdenken, ob sie es sich zutraute, sich in ihrem Beruf als Physiotherapeutin selbstständig zu machen. Ein paar Tage, bevor der Urlaub zu Ende ging, überraschte Nelly sie mit ihrem Besuch. Sie hatte sich kurzfristig entschlossen, ihre Stelle in einem Krankenhaus aufzugeben und sich als Orthopädin niederzulassen. Sie war der Meinung, dass eine fähige Krankengymnastin die richtige Ergänzung für ihre Praxis wäre. Julia überlegte nicht lange und sagte zu, ein Entschluss, den sie nie bereut hatte.

»Manchmal sind die Dinge aber anders, als sie scheinen«, erklärte Nelly nach einer Weile zögernd. »Ehrlich gesagt, Lars und ich kannten uns schon ein paar Stunden. Wir lagen uns in den Armen, bevor wir auch nur ein Wort miteinander sprachen.«

»Und wo soll dieser Ort eurer Begegnung gewesen sein?« fragte Julia nun doch ein wenig erstaunt.

»Ich bin damals auf der Suche nach dir durch den Garten des Hotels gestapft, und da stieg dieser wundervolle Mann mit dem göttlichen Körper aus dem Pool.«

»Und sie war derart von mir angetan, dass sie ohne Verzögerung in meine Arme sank. Sie hatte ihr Glück gefunden. Der Heiratsantrag ein halbes Jahr später war nur noch eine Formalität«, mischte sich Lars ein. Zärtlich zog er Nelly an sich und hauchte ein Kuss auf ihr Haar.

»Dass ihr so flott bei der Sache wart, hat euch offensichtlich nicht geschadet. Ihr seid noch immer verliebt wie am ersten Tag«, seufzte Julia. Sie gönnte ihrer Schwester das Glück von Herzen, doch manchmal beneidete sie sie ein wenig um diesen erfolgreichen jungen Architekten, der mit seinem frechen Lausbubenlächeln so viel Lebensfreude verbreitete.

»Ich bin nicht gesunken, du hast mich aufgefangen, weil ich über diesen herumliegenden Schwimmreif gestolpert bin«, erklärte Nelly nach einer Weile schmollend.

»Du bist gestolpert, weil du nur noch Augen für mich hattest, das bleibt sich gleich. Egal, seitdem liebe ich aufgeblasene Schwimmreifen. Ich hoffe, dass die liebste meiner Schwägerinnen mich nicht für unmoralisch hält, dass ich mich einfach so küssen ließ.« Lars sah Julia mit seinen hellen blauen Augen unschuldig an.

»Ich bin deine einzige Schwägerin.« Julia lachte laut auf, als Lars im gleichen Moment in Deckung ging, um Nellys unsanftem Seitenhieb auszuweichen.

»Und ich bin deine einzige Frau und bitte doch sehr darum, dass du dich nicht als unschuldiges Opfer darstellst.«

»Ich gebe zu, ich wollte mich gar nicht wehren.« Lars packte Nellys Hände und hielt sie fest. »Und ich gestehe, dass kein erster Kuss je überzeugender war.«

»Da schau her. Wie viele haben denn versucht, dich zu überzeugen?«

»Rate mal.«

Julia hörte nicht mehr zu, wie die beiden sich neckten. Im Westen tauchte gerade das gewaltige Gebirgsmassiv auf. Erst waren nur die gezackten Spitzen zu sehen, die aber dann schnell an Höhe gewannen, so als sei die Insel soeben aus dem Meer geboren. Die Schneehauben der Gletscher glitzerten wie eine Ansammlung Abertausender Irrlichter, die Julias Blick magisch anzogen. Nellys gelbes Sommerkleid, Lars’ Jeans, das hellblaue Hemd, nur noch Farbtupfer, die sich allmählich auflösten.

Das gleichmäßige Brummen des Schiffsmotors, das Krächzen der Möwen, die die Fähre umkreisten, das fröhliche Lachen der Kinder, die auf dem Deck herumtollten, alle Geräusche wurden auf einmal ganz dumpf.

Korsika, du gewaltige Schönheit im Meer, ich wollte dich nie wiedersehen, dachte Julia, aber ihre Erinnerungen hatten sie schon gefangen genommen, und in Gedanken befand sie sich wieder auf diesem langen Marsch durch die karge Gebirgslandschaft, der sie zu dem versteckten Gebirgsgasthof führte.

Rasende Wassermassen schossen nicht weit von dem Gehöft über die zerklüftete Gebirgswand, sammelten sich auf einem Felsvorsprung und fielen wie ein Vorhang aus seidigem Engelshaar dem Meer entgegen. So, als sei es erst gestern gewesen, nahm Julia den betörenden Duft der Maccie wahr, eine sandige hitzeschwere Süße, wie sie nur sonnenverdorrte Pflanzen verbreiten. Wieder sah sie die hochgewachsene schlanke Gestalt des Mannes vor sich, der zwischen Felswand und dem niederschlagenden Wasser stand und fotografierte. Gebannt hatte sie ihn betrachtet, bis er nach einer Weile hinter dem tosenden Vorhang hervorkam und sich ihre Blicke trafen.

Leon! So sehr sie sich auch wehrte, ihre Sehnsucht nach diesem Mann ließ sich nicht bezwingen.

»Julia, Kleines, wo bist du denn hingeraten?« Nelly beugte sich nach vorn und tippte sie an.

»Ein Abstecher in die Vergangenheit«, antwortete Julia leise.

»Sieh mich an, Julia.« Nelly strich sanft über das seidige kastanienfarbene Haar der Schwester. Der Schreck fuhr ihr in die Glieder, als sie die Tränen in den grünschimmernden Augen entdeckte. »Nicht, keine Tränen mehr, das hast du mir versprochen.«

»Mami, was ist denn?!« Anna hatte den Walkman zur Seite gelegt und schob das Strohhütchen mit dem rosa Band aus dem Gesicht. Mit großen blauen Kinderaugen betrachtete sie ihre Mutter.

»Keine Sorge, Anna, der Mami geht es gleich wieder besser. Ihr ist sicher nur ein bisschen schwindlig. Die lange Reise, weißt du«, beruhigte Nelly ihre Nichte.

»Ja, Schatz, Tante Nelly hat recht. Ich denke, ich sollte mich mal ein bisschen bewegen. Hast du die Insel schon gesehen?«

»Nein, habe ich nicht.«

»Dann komm.« Julia hatte die Tränen hinuntergeschluckt. Der Schmerz der Vergangenheit durfte keine Macht über sie gewinnen.

»Dahin, ganz nach vorn«, sagte Anna, nahm ihre Mutter an die Hand und marschierte zum Bug der Fähre. »Da sind ja nur Berge! Gar kein Strand, wo ich spielen kann.« Sie schaute durch das Objektiv ihres Fotoapparates, den Julia aus ihrer Handtasche hervorgeholt hatte. Sie drückte auf den Auslöser, während Julia sie auf dem Arm festhielt, damit sie über die Reling hinwegschauen konnte. »Berge, überall nur Berge«, murrte das Kind.

»Keine Sorge, ein bisschen Sandstrand gibt es schon«, tröstete Julia ihre Tochter.

»Hoffentlich auch da, wo Tante Nelly und Onkel Lars das Ferienhaus gemietet haben.«

»Ehrlich gesagt, Schatz, ich weiß nicht genau, wo es liegt. Nelly und Lars wollen uns mit der Lage überraschen.«

»Wenn da kein Strand ist, dann ist es aber eine dumme Überraschung.«

»Ich bin sicher, Tante Nelly und Onkel Lars haben bei der Wahl des Hauses schon an dich gedacht. Du wirst bestimmt Spaß haben.«

»Na gut, dann lass ich mich halt überraschen.«

»Das ist die richtige Einstellung.« Lächelnd streichelte Julia über die blonden Locken des Kindes.

Die Konturen der Hafenstadt, der sie sich allmählich näherten, wurden klarer, formten sich zu Gebäuden aus hellem Sandstein, manche von ihnen sicher schon mehr als ein Jahrhundert alt. Wie eine zauberhafte Kulisse aus vergangenen Tagen lehnte sich die Stadt an die Berge und hieß die Besucher willkommen.

An Bord der Fähre wurde es nun unruhig, die Passagiere räumten das Sonnendeck und versammelten sich vor den Zugängen der Parkdecks.

*

Langsam bahnte sich Lars den Weg durch den quirligen Hafen hinaus zur Straße. Er hatte das Verdeck des Geländewagens herunter gelassen, und die drei Erwachsenen und das Kind ließen sich von dem sanften warmen Wind streicheln. Fasziniert schaute Anna auf das bunte geschäftige Treiben, zückte immer wieder den Fotoapparat, um es in Bildern festzuhalten. Schiffssirenen, Autohupen, kläffende Hunde, Rufe, Lachen, tanzende Laute, die Melodie des Südens.

Doch kaum hatten sie das Hafengelände verlassen und waren auf die steil ansteigende Straße eingebogen, schien es, als verschluckten die Felsen die Lebendigkeit der Stadt. Auf einmal war nur noch das Rauschen der Kiefern und Pinien zu hören, die sich die Hänge hinaufzogen.

»Ist es weit bis zu unserem Haus?« wollte Anna wissen.

»Eine Stunde werden wir noch unterwegs sein, Mäuschen.« Nelly hatte eine Landkarte auf den Knien und versuchte, ihr langes Haar mit einer Spange am Hinterkopf zu befestigen, wie es kurz zuvor schon Julia getan hatte.

»So lange noch!« rief Anna entsetzt.

»Geduld, Schatz. Ich verspreche dir, wir beide machen heute noch einen Spaziergang am Meer. Ich bin sicher, es wird nicht weit von unserem Haus entfernt sein.« Julia legte ihre Hand auf die des Kindes und drückte sie zärtlich.

»Und Lars und ich werden etwas Schönes zum Abendessen kochen, während ihr unterwegs seid«, verkündete Nelly.

»Aber du kannst doch gar nicht kochen, Tante Nelly, nur Onkel Lars kann kochen.«

»Ich bin aber lernwillig, und jetzt ist es an der Zeit.«

»An welcher Zeit?«

»Ja, das möchte ich auch wissen!« schloss sich Julia der Frage ihrer Tochter an.

»Mann, oh Mann«, seufzte Lars, als er in diesem Moment einen kurzen Blick auf seine Frau warf und dann in den Rückspiegel schaute. »Die Damen sehen sich heute mal wieder besonders ähnlich. Manchmal könnte ich schon ins Zweifeln geraten, ob die Richtige in meinen Armen liegt.«

»Willst du damit andeuten, dass du dich eventuell für die falsche Schwester entschieden hast?« gab sich Nelly entrüstet. Sie war offensichtlich recht froh über diese Ablenkung, die ihr die Antwort auf die Frage der Schwester ersparte.

»Hmm, wollte ich das andeuten?« Lars schmunzelte und summte leise vor sich her.

»Lars?!« Nelly stieß ihn unsanft an.

»Tante Nelly, der Onkel Lars macht doch nur Spaß, guck doch, sein Ohr wackelt!« kicherte Anna und schaute auf Lars, der sich vor Lachen kaum noch halten konnte. Aufgeregt zupfte sie an dem rosa Seidenband, das durch ihr Strohhütchen gezogen und unter dem Kinn zu einer Schleife gebunden war.

»Ich könnte beinahe glauben, dass unsere Nichte mich besser kennt als meine eigene Frau«, sagte Lars.

»Vielleicht ist es ja auch so, Anna und du, ihr seid doch sowieso eine verschworene Gemeinschaft.« Nelly wandte sich zu Julia um und musterte sie. »Was meinst du dazu, Schwesterchen?«

»Ich finde das in Ordnung, sie kommen ja auch mit unserer Gemeinschaft zurecht.«

»Manchmal eine schwer durchschaubare, wenn man nur nach dem Äußeren urteilen muss. Glücklicherweise lernt man euch nach einer Weile zu unterscheiden.«

»Ach, und wie?« fragte Nelly.

»Ihr guckt anders, und dann lacht ihr anders, und gehen tut ihr auch ganz anders«, sprudelte es aus Anna heraus.

»Allerdings fällt das nur auf, wenn man euch sehr gut kennt. Ich kann euch unterscheiden, das versichere ich dir, meine süße kleine Nelly.« Lars fasste nach Nellys Hand und zog sie an seine Lippen.

»Schuft, mich so hochzunehmen!« rief Nelly und lehnte sich in ihren Sitz zurück.

Lars brauchte jetzt seine ganze Aufmerksamkeit für die Fahrt auf den schmalen kurvigen Straßen.

*

Das Ferienhaus war eine in hellem Rosa gestrichene Villa. Wie ein kleines Schlösschen thronte sie auf einem felsigen Hügel, von dort hatte man einen weiten Blick auf das Meer. Auch von innen ließ sie nichts zu wünschen übrig. Große Fenster, die viel Licht hineinließen, hell gestrichene Wände, silbergraue Granitfliesen und elegante weiße Möbel. Farbenfrohe Kissen und Vorhänge verliehen der kühlen Einrichtung die nötige Wärme.

»Mami, ein Swimmingpool! Hier gefällt es mir aber gut!« rief Anna begeistert, nachdem sie alle Zimmer in Augenschein genommen hatte und gefolgt von Julia auf die Terrasse rannte.

Mit glänzenden Augen schaute das Mädchen auf das in den Boden eingelassene ovale Schwimmbecken. Von der Sonne beschienen und umgeben von Oleander und Palmen in schweren Kübeln machte es einen äußerst gepflegten Eindruck. Eine hübsche Sitzgruppe mit einem Esstisch lud die Bewohner des Hauses zum Verweilen ein. Großzügig angelegte Marmorstufen führten hinunter zum Meer.

Wie eine kleine Königin schaute Anna auf die von Kalksteinfelsen begrenzte Bucht. Das Wasser zeigte sich in einem faszinierenden Farbenspiel, smaragdfarben am Strand bis hin zum dunklen Blau der offenen See.

Zu beiden Seiten der Bucht setzte sich die Küste in kleinen und größeren Bögen fort. Eine Bucht reihte sich an die nächste. Gleich hinter den Kreidefelsen zu ihrer Rechten lag ein Fischerdorf. Bunt angestrichene Holzboote, Kähne mit aufgerollten Netzen schaukelten auf den Wellen. Häuser aus grauem Stein erbaut standen dicht an dicht. Klappernde Fensterläden, Wäsche, die im Wind flatterte, Kinder, die in den engen Gassen spielten, ein schrilles Kofferradio, das von irgendwoher dröhnte, das Leben war nicht zu überhören.

»Das haben Tante Nelly und Onkel Lars aber ganz schön gut ausgesucht, stimmt’s, Mami?«