Julian ist dein Sohn - Corinna Volkner - E-Book

Julian ist dein Sohn E-Book

Corinna Volkner

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Beschreibung

Große Schriftstellerinnen wie Patricia Vandenberg, Gisela Reutling, Isabell Rohde, Susanne Svanberg und viele mehr erzählen in ergreifenden Romanen von rührenden Kinderschicksalen, von Mutterliebe und der Sehnsucht nach unbeschwertem Kinderglück, von sinnvollen Werten, die das Verhältnis zwischen den Generationen, den Charakter der Familie prägen und gefühlvoll gestalten. Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Toni Obermaier platzte mitten ins Telefongespräch mit einem Geschäftspartner in London. Was ihn nicht davon abhielt, sich auf die Kante des Schreibtisches zu setzen, den Postkorb geräuschvoll neben den PC abzustellen und Jutta bewundernd anzugrinsen. »Sie sehen super aus!« flüsterte er. »Ich melde mich später wieder, Henry. Dann klären wir den genauen Termin ab. Bye…« Jutta Friedrichs zog den Postkorb näher. »Toni, Toni, mit dir nimmt's mal ein böses Ende.« Damit war der total in die blonde Chefsekretärin verknallte Siebzehnjährige nicht zu bremsen. Toni starrte Jutta weiterhin ziemlich frech an. »Geh'n S' mit mir auf den Faschingsball, anstatt mit Mallendy. Der ist doch viel zu alt für so'n fesches Madel wie Sie.« Das fesche Madel seufzte, sagte dann energisch: »Toni, ich bin im Streß. Also, verzieh dich.« »Zuerst sag'n S' ja, dann geh i gleich.« Jutta wandte den Blick von Toni, der zweifellos ein gut aussehender Junge war, fort und ihrem Computer zu. »Wiederhol' deine Einladung in zwei Jahren. Mit Minderjährigen geh ich grundsätzlich nicht aus. Und nun…«

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Mami Bestseller – 94 –

Julian ist dein Sohn

Max hatte an Juttas Treue zweifeln müssen

Corinna Volkner

Toni Obermaier platzte mitten ins Telefongespräch mit einem Geschäftspartner in London. Was ihn nicht davon abhielt, sich auf die Kante des Schreibtisches zu setzen, den Postkorb geräuschvoll neben den PC abzustellen und Jutta bewundernd anzugrinsen.

»Sie sehen super aus!« flüsterte er.

»Ich melde mich später wieder, Henry. Dann klären wir den genauen Termin ab. Bye…« Jutta Friedrichs zog den Postkorb näher. »Toni, Toni, mit dir nimmt’s mal ein böses Ende.«

Damit war der total in die blonde Chefsekretärin verknallte Siebzehnjährige nicht zu bremsen. Toni starrte Jutta weiterhin ziemlich frech an. »Geh’n S’ mit mir auf den Faschingsball, anstatt mit Mallendy. Der ist doch viel zu alt für so’n fesches Madel wie Sie.«

Das fesche Madel seufzte, sagte dann energisch: »Toni, ich bin im Streß. Also, verzieh dich.«

»Zuerst sag’n S’ ja, dann geh i gleich.«

Jutta wandte den Blick von Toni, der zweifellos ein gut aussehender Junge war, fort und ihrem Computer zu. »Wiederhol’ deine Einladung in zwei Jahren. Mit Minderjährigen geh ich grundsätzlich nicht aus. Und nun…« Damit wedelte sie mit einer Hand Richtung Türe.

Toni sprang auf. »In zwei Jahren! Da sind Sie längst glücklich verheiratet und schieben einen Kinderwagen durch den Englischen Garten.«

»Servus, Toni!«

»I’ geh ja schon. Schad’ ist’s trotzdem.«

Dann war er weg, und Jutta starrte auf den Bildschirm, ohne etwas zu registrieren.

Verheiratet – glücklich! Wie Toni das sagte. Sie schluckte. Das würde es für sie wohl niemals geben. Verflixt! Jetzt bloß keine Tränen. Sie hatte so viel um die Ohren.

Ich muß endlich damit fertig werden, dachte die hübsche blonde Frau, die es mit Fleiß und Intelligenz zur Chefsekretärin eines erfolgreichen Industriellen gebracht hatte, im Privatleben aber schmerzlich an einer hoffnungslosen Liebe litt. Jutta war klug genug zu erkennen, daß sie allmählich vereinsamte, trotz ihrer erst fünfundzwanzig Jahre. Sie stand alleine da, ohne Familie. Und seit sie diesem Mann begegnet war, ihrer großen Liebe, konnte sich ihr Herz keinem anderen mehr zuwenden. Das war ihr Problem. Als die Gegensprechanlage auf ihrem Schreibtisch aufleuchtete, schrak sie aus ihren Gedanken auf. »Ja?« Sie räusperte sich, ihre Stimme klang belegt.

»Wo bleibt heute die Post?«

»Kommt sofort, Herr Direktor.«

»Vanderhoff, bitte. Sie wissen, daß ich’s hasse, von Ihnen Direktor genannt zu werden«, kam es ungnädig zurück.

»Wie – wie Sie wünschen, Herr Vanderhoff.«

Im Postkorb lag das große, lila Kuvert. Jutta spürte, wie ihr Herz rascher klopfte. Sie nahm das Schreiben: auf der oberen linken Seite ein Emblem! Schloß Hohenfels. Es war also wieder mal soweit. Zum ersten Mal hatte sie vor drei Jahren unter der Post des Industriellen ein solches Kuvert entdeckt. Darin steckten zwei Einladungskarten des Grafen von Hohenfels, eines Sonderlings, auf dessen Schloß alljährlich ein Kostümfest stattfand, zu dem neben vielen Künstlern auch die Münchner Prominenz geladen war. Vor drei Jahren. Jutta dachte unwillkürlich an jene ersten Wochen ihrer Tätigkeit bei Maximilian Vanderhoff.

Helga Vanderhoff lebte noch, und nachdem seine Sekretärin ihm die Postmappe auf den Schreibtisch gelegt und er den lila Umschlag entdeckt und lachend geöffnet hatte, rief er gleich seine Frau an.

Natürlich wollte Jutta sein Arbeitszimmer verlassen, aber eine Geste mit der Hand stoppte sie.

»Bleiben Sie ruhig da, dauert nicht lange«, hatte er ihr zugeraunt. Und so mußte sie dem Gespräch zuhören.

Zu diesem Zeitpunkt war sie schon rettungslos verliebt in Maximilian Vanderhoff. Er aber liebte seine Frau. Ahnungslos, wie rasch sein Glück vorbei war.

»Helga, Liebling, kauf dir was Nettes für den Ball bei Nicky. Ja, der Graf hat eingeladen. Was…, als Prinzessin? Nun gut, dann werf’ ich mich in meine alten Seeräuberklamotten und entführe die Prinzessin. Aber ja, Liebling. Davon kannst du ausgehen.«

Er hatte den Hörer aufgelegt und lächelnd das Foto betrachtet, das auf seinem Schreibtisch bis heute einen bevorzugten Platz hat.

Wieder glühte das kleine Licht auf. Jutta raffte die Postmappe an sich und betrat den großen Raum, in dem der Industrielle auch seine Mitarbeiterkonferenzen abhielt. Und an dem sich ein kleiner Schlafraum und ein Bad anschlossen. Manchmal, wenn es nach einem Geschäftsessen in der City sehr spät wurde, übernachtete Dr. Vanderhoff hier im Verwaltungsgebäude. Das Werk selbst, das Medizinisch-Technische Geräte und OP-Ausrüstungen herstellte, befand sich außerhalb Münchens.

»Bitte, setzen Sie sich. Kommen wir gleich zur Sache…«

Eine knappe Geste auf den Schreibtischstuhl ihm gegenüber. Jutta reichte ihm die Unterschriftenmappe. »Die Hotels sind verzeichnet. Suite für eine Person. Ist das richtig?«

Kurz blickte Max von den Unterlagen auf. Da schwang ein seltsamer Ton in der Stimme seiner Sekretärin.

»Korrekt. Was sonst?«

Jutta flocht kurz ihre Finger ineinander. Ja, was sonst? Maximilian Vanderhoff dachte allen Anschein nach nicht daran, daß er ein gutaussehender Mann war, dem es bestimmt nicht schwerfallen würde, eine attraktive Begleiterin für seine lange Reise zu finden. Die nicht nur eine Geschäftsreise war, wie Jutta wußte. Immerhin hatte sie auch in einem eleganten Hotel auf den Bahamas eine Suite gebucht.

Eines wußte Jutta ganz genau. Sollte Max, wie sie ihn manchmal heimlich nannte, wieder heiraten, mußte sie endlich… endlich diesen Job hier aufkündigen. Obwohl es ihr sehr schwer fallen würde.

»Ach, schau her. Der Nicky, na ja«, murmelte Vanderhoff und starrte sekundenlang auf den lila Umschlag.

Was wird er tun, dachte Jutta. Im vorigen Jahr, da lebte Helga nicht mehr, warf er beide Einladungskarten in den Papierkorb.

»Die Flugreservierungen perfekt?«

Achtlos schob Maximilian den Umschlag zur Seite und vertiefte sich in die Reiseunterlagen. »Mallendy soll morgen noch mal zu mir kommen. Dann geht’s ins Wochenende und am Montag bin ich fort. Damit wäre wohl alles geklärt, oder…«

Jutta erhob sich. »Ich denke ja, Herr Di… Herr Vanderhoff.«

»Frau Friedrichs…!«

Kurz vor der Türe drehte sie sich zu ihm um. Ihr Blick umfing ihn, und das Verlangen, ihm einmal näher zu kommen – als Mensch, als Frau, trieb ihr das Blut ins Gesicht. Sie war jung, wußte, daß sie hübsch war… Warum immer diese Kälte in seinen Augen? Sie hielt das kaum noch aus.

»Ja…?« sagte sie und blickte ihn an.

Er hatte sich erhoben, kam um den Schreibtisch herum auf sie zu. »Hm – nun ja. Arbeiten Sie nicht so lange. Keine Überstunden während der Wochen meiner Reise.

Sie sind eigentlich viel zu tüchtig, gewissenhaft. Das wollte ich Ihnen längst mal sagen. Auch Mallendy findet das. Also…«

Er gab ihr die Hand, eine warme, feste Hand, von der sich ihre kühlen, bebenden Finger nur ungern lösten. »Danke«, flüsterte sie und floh zurück in ihr Büro. An diesem Tag sah sie ihren Chef nicht mehr, er weilte außerhalb.

Als Jutta, wie gewohnt, nach Büroschluß in seinem Arbeitszimmer nach dem Rechten sah und wichtige Papiere in den Tresor schloß, fiel ihr Blick in den Papierkorb. Der lila Umschlag zog sie magisch an. Er war geöffnet, es befand sich aber nur noch eine Einladungskarte drin.

Nur eine. Das bedeutete, Maximilian Vanderhoff würde am diesjährigen Kostümfest teilnehmen.

*

Kostümfest auf Schloß Hohenfels!

Im gedämpften Rotlicht der Kellerbar, inmitten lachender ausgelassener Masken, traf der Domino mit Carmen, der feurigen Zigeunerin, zusammen. Ihr tiefschwarzes Haar umgab wirr ein erhitztes, braun geschminktes Gesicht, aus dem blutrot ein verträumt lächelnder Mund lockte.

Ein sehr schweigender Mund, dem selbst der Domino kein Wort entringen konnte. Nur ein weiches, leises Lachen. Ein sehr glückliches Lachen, das den Mann in Schwarz seine kühle Zurückhaltung vergessen ließ.

»Du bist fremd hier in diesem Haus! Eine fremde, schöne Blume, die einen betörenden Duft verströmt. Du gefällst dem Domino!«

Während er ihr diese Worte zuflüsterte, tanzten sie eng umschlungen zwischen Rokokodamen, Fürsten und feurigen Toreros, stießen mit einem kleinen dicken Sancho Pansa zusammen und bahnten sich, als die Musik schwieg, einen Weg zur Bar.

»Auf diese Nacht, schöne Maske!« Damit stießen ihre Sektgläser aneinander und erzeugten einen feinen, hellen Ton.

Nein, Max kannte diese bezaubernde Frau nicht. Und auch er schien ihr ein Fremder zu sein.

Jutta hätte den Domino unter Tausenden erkannt. Ihr Herz erbebte bei seinem Anblick, und als er sie vorhin im Arm hielt, wußte sie, daß sich alles gelohnt hatte, daß diese Nacht sie für vieles entschädigen würde. Aber sie mußte weiter schweigen.

Der Domino trank viel: denn die Nacht war lang. Und als die Musik schwieg, nahm er Carmen in seine Arme. Seine Stimme klang voll verhaltener Leidenschaft. »Weißt du auch, schöne Frau, daß es mir heute nacht zum ersten Mal seit langer Zeit wieder gelang, glücklich zu sein?«

Stumm lehnte sie an seiner Brust. Sie fühlte seinen Mund an ihrer Stirn und hätte gerne die Perücke abgenommen. Nur kurz zögerte sie, ihm zu folgen. Als Maximilian darum bat, spülte das heiße Verlangen nach seinen Zärtlichkeiten alle Bedenken fort.

Eng umschlungen durchschritten sie die langen Gänge, die zu den Gästezimmern führten. Während Carmen hier alles fremd war, fand der Domino die auf seiner Einladungskarte angeführten Räume sofort.

»Die Damen in den rechten und die Herren in den linken Flügel, bitte!« sagte er lächelnd. Dann, ehe Carmen ihm entweichen konnte, nahm er sie fest in die Arme.

Traumhaft schön war alles in dieser Nacht, und als Jutta sich Stunden später heimlich aus dem Schloß schlich, weinte sie zwar, aber es waren Tränen des Glücks.

Ihr kleiner Wagen stand ziemlich weit hinter der eleganten Limousine des Mannes, dem sie sich für Stunden geschenkt hatte.

Sie nahm die schwarze Perücke ab, die ihr Aussehen so sehr verändert hatte, und lenkte den Wagen behutsam aus der Parklücke. Das Schloß lag weit außerhalb Münchens, und als sie die Stadt erreichte, dämmerte ein blasser Wintertag herauf.

*

Das war vor zwei Monaten geschehen.

An der Isar hingen schon die Weidenkätzchen an ihren Ästen und in den Hecken dufteten Veilchen. Jutta sah das Erblühen der Natur nicht wie sonst mit Freude, sondern in tiefster Verzweiflung.

Zur Sorge, wie es mit ihr – und ihrem Baby weitergehen würde, kam ein dramatisches Unwohlsein. Sie konnte kaum etwas zu sich nehmen, ohne daß es zurückkam. Nahezu nüchtern ging sie jeden Morgen ins Büro. Was zur Folge hatte, daß sie sich matt und kraftlos an die Arbeit machte.

Maximilian Vanderhoff hatte einige Male angerufen und ihr Aufträge erteilt. Beim Klang seiner Stimme wurde sie jedes Mal vor Aufregung regelrecht krank. Verzweifelt starrte sie auf den Bildschirm ihres PCs. Ging es wieder los…? Vorhin hatte sie Heißhunger auf ein Brötchen mit Leberwurst und hatte sich eins in der Kantine geholt. Laß es gutgehen, bitte, flehte sie und befürchtete dennoch…

»Hallo, schöne Frau!« Mallendy steckte den Kopf zu ihr herein, schwenkte einen Ordner und meinte augenzwinkernd: »Der Chef wird sich freuen, wenn Sie ihm diese Zahlen vorlegen. Produktionssteigerung um…«

Da war er mit einem Satz bei ihr. Sie war aufgestanden und versuchte, sich verzweifelt an der Schreibtischkante festzuhalten.

Sie fiel dem Prokuristen buchstäblich in die Arme. Leichenblaß und offenbar von heftiger Übelkeit heimgesucht.

Draußen im Gang Lachen und eilige Schritte. Die Mittagspause begann. »Hilfe!« schrie der Prokurist. »Hierher – ins Chefsekretariat!«

Jemand trat ein: Frau Krüger. Mallendy war erleichtert, als er die resolute Leiterin der Buchhaltung sah. »Frau Krüger…« Schnell war sie an seiner Seite. »Schon gut, das übernehme ich…«

Jutta preßte beide Hände auf ihren Magen und warf Frau Krüger einen hilfesuchenden Blick zu, den diese sofort richtig deutete.

»Zum Chef rein. In seinem Bad sind Sie ungestört.«

Während Mallendy den beiden Frauen irritiert nachstarrte, eilten diese durch das Arbeitszimmer ins anschließende Bad. Die folgenden Geräusche drangen bis zu ihm herein, und er fiel perplex in den Sessel vor Juttas Schreibtisch.

Nein – unmöglich – dachte der Prokurist, der sich seit einem Jahr vergeblich um Jutta Friedrichs bemühte. Er war verliebt in die hübsche blonde Frau, deren kühle Höflichkeit er einer allgemeinen Zurückhaltung Männern gegenüber zuschrieb. Daß es da einen anderen gab, wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Dabei…, oder hatte er sich verhört. Nein… Frau Krüger sagte laut und deutlich: »So erging es mir auch im ersten Monat meiner Schwangerschaft. Das gibt sich, Kindchen.«

Und Jutta Friedrichs hatte geantwortet: »Es ist mir so peinlich. Dabei wage ich kaum noch, etwas zu essen. Scheußlich. Frau Krüger, ich will nicht, daß jemand…«

»Keine Angst, ich bin verschwiegen. Aber dem Chef sollten Sie’s sagen, sobald Dr. Vanderhoff zurück ist.«

Mallendy fand es angebracht, heimlich zu verschwinden.

Er hätte schwören können, daß Jutta weinte. Warum?

Vor der offenen Tür entstand Bewegung. Dort hatten sich in schöner Reihenfolge einige Mädchen aus der Buchhaltung postiert, die in Begleitung ihrer Chefin Frau Krüger zu Tisch gehen wollten. Angelockt von deren Neugierde, kam auch Toni mit seinem Postwagen den Gang hochgeschossen. Er drängelte sich zwischen zwei Computermiezen, wie Toni die jungen Angestellten nannte. Plötzlich fuhren alle heftig auseinander.

»Darf man fragen, was dieser Aufstand bedeutet?«

Mallendy, im Begriff, dank seiner Autorität als Prokurist, die Versammlung zu sprengen, sah sich Dr. Maximilian Vanderhoff gegenüber.

In einer Hand seinen Laptop, in der anderen den Aktenkoffer, im offenen Trenchcoat, einen Kaschmir-Schal lässig umgelegt, starrte er seinen Prokuristen an. Jürgen Mallendy hob die Schultern zu einer ratlosen Geste. Maximilian runzelte die Brauen. Sein Prokurist schien nicht Herr der Lage, was äußerst selten vorkam.

Ironisch meinte der Industrielle: »Wenn die Katze aus dem Haus…« Sein Blick ging belustigt über die Angestellten, die sich eiligst davonmachten. Toni, keß wie immer, rief: »Aber Chef, Sie wollten doch erst nächste Woche…«

Ein Blick aus stahlblauen Augen und er brach ab und schob den Postwagen rasant weiter.

»Darf ich…?« Vanderhoff machte Anstalten, an Mallendy vorbei ins Vorzimmer zu treten. »Frau Friedrichs!« rief er gedämpft.

»Chef, äh – vielleicht sollten Sie zuerst in mein Büro…«

»Wo ist meine Sekretärin?« Das kam nun scharf und ungehalten. Maximilian schob Mallendy einfach zur Seite.

»Was geht hier eigentlich vor?«

Jürgen Mallendy hatte plötzlich das Gefühl, er müsse Jutta beschützen.

»Bitte – nur noch einen Augenblick, Herr Direktor.« Mit ausgebreiteten Armen stand er vor der Tür zum Chefzimmer. »Jutta befindet sich in… in Ihrem Badezimmer. Ich glaube, es geht ihr nicht gut.«

Ungeduldig hatte Maximilian ihm zugehört und dabei Laptop und Aktenkoffer abgelegt. Er zog den Trenchcoat aus. »Was fehlt ihr?«

Seine kühle Stimme, die offensichtliche Distanz, brachte Mallendy auf die Palme. Er konnte sich nicht zurückhalten und sagte bitter: »Ihre so tüchtige Sekretärin bekommt ein Kind. Offenbar leidet sie unter ihrer Schwangerschaft. Das haben Sie natürlich nicht bemerkt, Chef. Vom Privatleben Ihrer Mitarbeiter…«

»Vorsicht, Mallendy«, kam es scharf. Dann griff Max zum Trench, drehte sich um und ging hinaus.

Jürgen Mallendy fuhr sich durchs Haar. Liebe macht einen verrückt, dachte der Prokurist bitter. Wer ist der Vater ihres Kindes? Wer – zum Teufel… Da stimmt doch was nicht. Warum wirkte der Chef so betroffen…

Frau Krüger kam aus dem Allerheiligsten und rief, mit Blick auf den Laptop: »Er hat’s mitgekriegt. Na – vielleicht ganz gut so.«

Hinter ihr erschien Jutta, bleich bis ins Haar. »Der Chef ist zurück?«

Mallendy nickte. »Ja, eine Woche früher als geplant. Kein gutes Timing.«

Jutta zitterte. »Ich muß nach Hause«, flüsterte sie und ließ sich von Frau Krüger in den Mantel helfen. »Danke.«

»Kopf hoch, Kindchen. Heutzutage ist ein Baby kein Grund zur Verzweiflung. Auf mich können Sie zählen.«

Stumm nickte Jutta und verließ ihr Büro. In ihren Augen brannten Tränen.

*

Seit dem Tod seiner Frau bewohnte Dr. Vanderhoff wieder die Villa seiner Mutter. Er liebte das alte Haus in Bogenhausen sehr, den etwas verwilderten Garten mit mächtigen Kastanienbäumen und zahlreichen Azaleen.

Frau Vanderhoff erwartete ihren Sohn in der Diele. Auf ihrem Gesicht lag ein frohes Lächeln. Sie wies mit der Hand ins Wohnzimmer.

»Also sag schon, Mutter –, was stimmt dich so heiter?«

»Du wirst schon sehen. Ich habe allen Grund, froh zu sein.« Damit ging die alte Dame voraus.