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Heike Olbrich

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Beschreibung

Sie ist aufregend, spannend und erotisch: die erste Nacht. Doch nicht selten wird das nächtliche Abenteuer zum Stressfaktor: Wie verhalte ich mich, wenn die Hüllen nicht so sexy fallen wie im Film? Die Psychologin Heike Olbrich hat intensiv durchs Schlüsselloch geschaut und gibt hilfreiche sowie humorvolle Tipps für die schönste Nebensache der Welt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Heike Olbrich

Manchmal ist es pure Lust

Das Abenteuer der ersten Nächte

FISCHER E-Books

Inhalt

Jörg Schmidt gewidmet. [...]VorwortTeil 1 Mythen und Märchen rund um Sex1. Mythen über SexIn der Welt dreht sich alles um SexTraditionelle Rollen sind passéAlle haben tollen SexGuter Sex braucht keine Worte2. Mythen über MännerMänner sind stark und belastbarMänner wollen und können immerMänner binden sich nicht gernMänner haben viel ErfahrungMänner sind nie überfordert beim Sex3. Mythen über FrauenFrauen sind selbstbewusstFrauen nehmen sich, was sie brauchenFrauen stehen zu ihrer Lust4. Mythen über erste NächteErste Nächte sind erotische HöhepunkteSex läuft automatischPassen zwei zusammen, klappt es auf AnhiebTeil 2 Vorspiele1. Auftakt: Viele Wege führen zum ZielUnterschiedliche OuvertürenWas uns antreibtVerwirrung der Gefühle: Was suchen wir?2. Kandidatenwahl: Wer kommt in Frage?Blitzanalyse: Taxieren – Bewerten – EntscheidenTüröffner SympathieNur nett sein reicht nichtWas macht attraktiv?Sexappeal der AngstAuswählen oder auswählen lassen?3. Kennenlernen: Begegnen – Bezaubern – BezirzenVor dem ersten Schritt: Das Kopfkino der FrauenFlirtregelnFlirtphasenDas erste TreffenFlirten kann man lernen4. Entscheiden: (Wann) soll es geschehen?Hürden auf dem Weg ins BettDer richtige ZeitpunktInitiative: Wie der Stein ins Rollen kommtWenn man es sich anders überlegtTeil 3 Sex (und so weiter)1. Erwartungen und Befürchtungen(Un)Heimliche ErwartungenWovor wir Angst habenSex-Knigge: Was ist erlaubt in ersten Nächten?2. Wenn die Hüllen fallenSchöner Körper gleich guter Sex?Sex ist keine Miss-Wahl3. Let’s talk about sexVersteht sich Liebe blind?VersteckspieleWann reden Gold ist – und wann nicht4. Verhütung – von wegen RandthemaSouveräner Umgang mit Kondomen – FehlanzeigeIst Verhütung Frauensache?Warum Kondome in der Handtasche bleibenMänner und KondomeWann und wie man das Thema klärt5. Am Gipfel der LustWas Frauen wollenHöhepunkt der Lust: Orgas-muss?Punktrichter im Bett: Leistungsdruck und PrüfungsangstKontrollverlust6. Wenn die Lust (ver)gehtLustkiller – Was Frauen abtörntWas tun, wenn ihre Lust geht?Wenn er die Lust verliertWann man es besser lässt7. Wem geht’s besser in ersten Nächten: Frauen oder Männern?Teil 4 Nachspiele1. Am Morgen danachDie ersten StundenFremd und vertrautWas die Stunden danach schön machtWodurch die Stunden danach mies werdenGehen oder bleiben?2. (Wie) geht es weiter?Bedürfnisse klärenWenn man nicht weiß, was man willBeide wollen mehrWenn beide es nur einmal wollenEr will, sie aber nichtSie will, er aber nicht3. Was von ersten Nächten übrig bleibtLust oder ZärtlichkeitVorzeichen für den weiteren Verlauf?Was erste Nächte verändernChancen erster NächteTeil 5 Worauf es ankommt in ersten NächtenVerantwortung übernehmenEigene Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellenMotive klärenFordern und abgrenzenSelbstbewusstsein stärkenEgoistisch seinErwartungen auf Normalmaß bringenLesetippsProfis für ZwischenmenschlichesGesprächspartnerinnen und -partner

Jörg Schmidt gewidmet.

Ohne seine engagierte Mitarbeit über alle Belastungsgrenzen hinaus, das Talent, Strukturen im Chaos zu erkennen, und die Fähigkeit, selbst im größten Stress gelassen zu bleiben, wäre dieses Buch niemals zustande gekommen.

Vorwort

Erste Nächte sind Abenteuer. Sie sind aufregend, spannend und riskant. Wenn man sie besteht, fühlt man sich unglaublich gut und ist stolz. Nur wenige Momente im Leben sind so prickelnd wie die erste Nacht mit einem neuen Mann. Was interessiert uns der ausgeschöpfte Dispokredit, der lästige Streit mit der Kollegin oder das trübe Grau-in-Grau des Novembers, wenn wir ahnen: Heute Nacht passiert es! Schon die Vorstellung hebt unsere Laune. Wir fühlen uns lebendig bis in die Haarspitzen, sprühen vor Lebenslust und finden uns umwerfend.

Und wenn es dann endlich zur Sache geht, klappt alles wie am Schnürchen. Der Sex ist gigantisch, inklusive gleichzeitiger Mega-Orgasmen – oder bei Ihnen etwa nicht? Was man auch über erste Nächte liest oder im Kino sieht, ist meist die Jubel-Variante. Alles ist traumhaft. Doch wie ist es tatsächlich? Halten erste Liebesnächte, ob One-Night-Stand oder Auftakt einer Paarbeziehung, was wir uns von ihnen versprechen? Schließlich können Abenteuer auch scheitern und schlimmstenfalls nichts als Katzenjammer hinterlassen.

 

Ich wollte wissen, was Frauen wirklich in ersten Nächten erleben. Ist es »pure Lust«, wie eine Frau erzählt, oder eher purer Stress? Oder beides gleichzeitig? Darüber habe ich in den letzten Monaten mit knapp fünfzig Frauen (und einer Hand voll Männern) gesprochen. Die Erfahrungen der Frauen zeigen auffallende Gemeinsamkeiten und Tendenzen. Eine gute Nachricht gleich vorweg: Wie Sie sich am Morgen danach fühlen, ob euphorisch oder verkatert, liegt in erster Linie an Ihnen. Sie haben sehr viel mehr Einfluss auf Ablauf und Stimmung, als Sie wahrscheinlich immer annahmen. Es liegt in Ihrer Hand und nicht in der des Mannes, mit dem Sie das Bett teilen.

Auf der Suche nach Antworten, wie man das Abenteuer erste Nacht am besten angeht, sprach ich mit einer Reihe von Fachleuten. Sie arbeiten beispielsweise als Sexualtherapeut oder Verhütungsexpertin, betreiben eine Flirtschule oder eine Seitensprungagentur oder beschäftigen sich mit der Psychologie der Partnerwahrnehmung. Mich interessierte ihre professionelle Sicht auf das Thema.

 

Was genau waren die Fragen, denen ich nachgegangen bin? Erstens: Was passiert im Vorfeld, beim Kennenlernen und Näherkommen? Worum geht es Frauen in der ersten Nacht – nur um Sex? Welche Männer kommen infrage und wer trifft wann die Entscheidung zu mir oder zu dir?

Zweitens: Was geschieht währenddessen? Wo liegen die Hoffnungen und Sehnsüchte, Aufregungen und Stolpersteine in der ersten Nacht?

Und drittens: Wie geht es danach weiter? Woran liegt es, ob die Atmosphäre entspannt oder beklommen ist? Und wann, wie und woran entscheidet sich beispielsweise, ob es bei der einen Nacht bleibt oder ob es eine Fortsetzung geben wird?

In den Gesprächen ist mir immer wieder aufgefallen, dass die Paare nicht allein im Bett (oder wo auch immer) liegen. Es gibt geheime Mitspieler, die erste Nächte unnötig verkomplizieren: die Mythen über guten Sex im Allgemeinen und erste Nächte im Besonderen, die Mythen über Männer und die über Frauen. Und weil diese Vorstellungen immensen Einfluss auf uns, unser Bild vom Partner und auf unser Liebesleben haben, nehme ich sie zuerst kurz unter die Lupe.

Bei meiner Recherche kristallisierten sich die entscheidenden Bedingungen für gelungene erste Nächte heraus. Woran liegt es, dass sie schön werden, und was kann man dazu beitragen? Was müssen Frauen wissen, was sollten sie tun und was besser lassen? Sie müssen zum Beispiel lernen, beim Sex nur auf sich selbst zu hören. Und vor allem müssen sie ihre Köpfe entrümpeln von falschen Vorstellungen und unrealistischen Erwartungen.

 

Um auf das Bild des Abenteuers zurückzukommen: Wer den Mount Everest besteigen will, wird nicht einfach in Badelatschen losgehen und hoffen, dass es schon gut geht. Es ist überlebenswichtig, dass Sie Ihre Fähigkeiten einschätzen können, dass Sie wissen, wo Sie stark und wo Sie anfällig sind. Sie müssen die Situation realistisch einschätzen, den richtigen Zeitpunkt wählen, also nicht unbedingt bei Schneegestöber aufbrechen. Es bringt auch nichts zu schmollen, weil der Gletscher tatsächlich abweisend, kalt und hart ist und sich nicht plötzlich als sonnige Wiese entpuppt. Und wenn Sie Kokospalmen auf einem Achttausender suchen, sind Enttäuschungen vorprogrammiert.

Erste Nächte haben ihre Tücken, keine Frage. Aber vor allem haben sie das Zeug zu aufregenden Stunden, lustvollen Begegnungen und wahren Glücksmomenten.

Teil 1 Mythen und Märchen rund um Sex

Erste Nächte sind grundsätzlich aufregend und schön. Immer. Sie sind zärtlich, orgiastisch, lustvoll. Schamlos und wild. Keine Frage. Probleme, sich nackt zu zeigen oder dem anderen zu sagen, wie man es denn gerne hätte, sind uns fremd. Dass einer von beiden rechtzeitig ein Kondom ins Spiel bringt, ist selbstverständlich. Und mit einem schalen Gefühl wacht man auch nicht mehr auf am nächsten Morgen. So einfach ist das heute.

Und überhaupt: Wie gut, dass wir so aufgeklärt sind und dass über Sex alles gesagt ist! Vorbei die Zeiten, in denen es peinlich war, mit einem Liebhaber über Sexuelles zu sprechen. Und vorbei die Zeiten, in denen man die »bösen« Worte nicht in den Mund nehmen durfte – damals, als man sich noch schämte.

 

Das Einzige, was Sex im Allgemeinen und in ersten Nächten besonders für Frauen manchmal so kompliziert macht, sind Männer. Die wollen nämlich nur Sex, und davon so viel wie möglich. Gefühle, Zärtlichkeit und Intimität interessieren sie nicht. Und gibt man ihnen zu schnell, was sie wollen, ist man gleich unten durch.

Die Spezies Mann ist die alte geblieben, während Frauen sich rasant verändert haben. Moderne Frauen wissen nämlich nicht nur haargenau, was ihnen gut tut, sie nehmen sich auch unbeirrt, was sie brauchen. Ohne Zögern, ohne Zweifel, ohne Hemmungen. Der Krampf in den Betten ist Schnee von gestern. Auch danach ist es jetzt einfacher: Ruft der Mann, mit dem man eine Nacht verbracht hat, später nicht mehr an, wird nicht mehr stundenlang mit der besten Freundin beratschlagt, ob er die Nacht blöd fand. Oder ob er enttäuscht ist. Oder eine Freundin hat. Oder doch nur die Telefonnummer verloren. Selbstbewusst wie Frauen heute sind, nehmen sie selbst die Fäden – und den Hörer – in die Hand. Wäre doch gelacht.

 

Eigentlich wissen wir es besser. Wir wissen, dass gerade die ersten Nächte ihre Tücken haben und längst nicht immer reibungslos verlaufen. Dass wir nicht nur orgiastischen Sex haben, wie man uns glauben lassen will. Wir wissen, dass Männer keine allzeit bereiten Sexmaschinen sind. Und dass Frauen trotz aller Auf- und Abgeklärtheit noch ein gutes Stück davon entfernt sind, selbstbewusst ihr Sexleben zu gestalten.

Wir haben ganz vertrackte Mythen und Klischees über Männer, Frauen und Sex verinnerlicht, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Selbst wenn wir versuchen, uns nicht von diesen Bildern leiten zu lassen, bleiben sie doch ein resistenter Teil unseres Denkens. Es ist ähnlich wie in dem alten Werbespot-Klassiker von Lenor: Da liegen wir matt und lächelnd nach einem ersten Versuch mit einem neuen Mann im Bett und sind uns sicher, dass es so ganz in Ordnung war für beide. Und plötzlich erscheint unser anderes Ich und flüstert uns ins Ohr: »Meinst Du, er findet Dich toll?« – »Warst Du nicht viel zu verkrampft?« – »Andere Frauen sind bestimmt aktiver und hemmungsloser.«

Wir richten uns nach imaginären Zielvorgaben und glauben, dass es die idealtypische erste Nacht gibt oder die eine Art, guten Sex zu haben. Wer es anders treibt, macht etwas falsch. Aber es sind nicht allein sexuelle Mythen, denen wir auf den Leim gehen: Es ist auch unsere Vorstellung, wie Männer in Wahrheit sind und was Männer eigentlich von Frauen wollen. Und damit nicht genug: Wir stressen uns vollkommen überflüssig damit, dem Bild einer perfekten Frau zu entsprechen. Und die ist stark, attraktiv und hat ein gesundes, ungebrochenes Selbstwertgefühl.

Sie sind verdammt hartnäckig, diese Bilder, wie Frauen, Männer, guter Sex und erste Nächte sind und zu sein haben. Sie bestimmen unsere Einstellung und Erwartungen und sind die Brille, durch die wir uns selbst im Bett beobachten. Wenn wir davon überzeugt sind, dass alle Singles permanent traumhafte One-Night-Stands haben oder alle anderen Frauen nackt ganz unbefangen sind, dann erzeugt das Neid, und vor allem unnötigen Druck. Die Konsequenz? Wir plagen uns mit überflüssigen Fragen und schaffen Probleme, wo keine sein müssten. Wir sind frustriert und verkrampft. Vor allem verzichten wir freiwillig auf eine ganze Menge Spaß!

Grund genug, die Mythen und Märchen unter die Lupe zu nehmen. Und gründlich auszumisten.

1. Mythen über Sex

Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber nicht zu fragen wagten. Dieser Filmtitel von Woody Allen war in den siebziger Jahren noch eine kleine Provokation, heute lockt er niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Kaum ein Thema ist in den Medien so ausgequetscht worden wie Sexualität. Ob SM, Fetischparty oder Swingerclub – über alles und jedes haben wir in den letzten Jahren bis zum Überdruss gelesen, gesehen, gehört. Wir kennen die Brustumfänge diverser Filmsternchen, plädieren für Pornos von Frauen für Frauen und erläutern beim Abendessen unterschiedliche Techniken des Genitalpiercing. In alle sexuellen Geheimnisse sind wir eingeweiht. Uns ist nichts mehr fremd. Wer sollte da noch Fragen haben? Über Sex ist alles gesagt und gezeigt. Was noch vor wenigen Jahren als schmuddelig und obszön galt, ist salonfähig geworden.

In der Welt dreht sich alles um Sex

Die Konsequenz: »Die schönste Sache der Welt« hat sich endlich aus der muffigen Ecke verschämter Moral befreit. Und die Kehrseite: Aus der Kür ist die Pflicht geworden. Sexualtherapeuten wie Ulrike Brandenburg, die im Universitätsklinikum Aachen arbeitet, wissen schon seit längerem, dass die geltenden sexuellen Normen viele Menschen krank machen und dass die übergroße Beschäftigung der Medien mit der Lust das private Vergnügen erheblich schrumpfen lässt. Wer täglich Sendungen wie Tangas, Transen, Titten anschaut, wer die hundert lustvollsten Stellungen in Hochglanzzeitschriften betrachtet, verliert die Lust, auch nur eine dieser Stellungen selbst auszuprobieren. Das sexuelle Überangebot macht träge und satt. Eine Tendenz, die der Hamburger Psychoanalytiker Micha Hilgers bestätigt: »Während die wachsende öffentliche Lust immer bizarrere Formen annimmt, schrumpft die private Lust zu zweit.«[1]

Durch die permanente Berieselung sind wir felsenfest davon überzeugt, die Welt drehe sich um Sex. Wir befürchten im Stillen, dass alle anderen ein phantasievolleres Sexleben haben als wir selbst, was sie mindestens fünfmal pro Woche unter Beweis stellen. Und bekommen wir nicht täglich Menschen im Fernsehen präsentiert, schwitzend in Swingerclubs oder stöhnend in Handschellen, die unsere Nachbarn sein könnten? Unweigerlich bleibt es hängen, dieses Gefühl, dass alle anderen sexuell aktiver, freier oder wenigstens experimentierfreudiger sind.

Es gibt wohl kaum ein Thema, über das so viele falsche Behauptungen und scheinbare Gewissheiten kursieren wie zum Sex! Daher zunächst einige Fakten:

Wir haben mehr Sex als früher

Keineswegs. Weder mit festen noch mit wechselnden Partnern. Da sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache, wie der Frankfurter Sexualforscher Martin Dannecker betont: »Zu Hause hat sich nichts verändert. Es gibt nicht mehr Sex, auch nicht mit wechselnden Partnern.«[2]

Die Neigung zu Seitensprüngen ist gewachsen

Im Gegenteil. Man glaubt es kaum, aber die Paare von heute sind viel treuer als noch vor zwanzig Jahren.[3] Was aber in festen Beziehungen erheblich zugenommen hat, ist die Häufigkeit der Selbstbefriedigung bei Männern und Frauen.[4]

Frauen kommen ständig und gewaltig

Schön wär’s. Aus statistischen Untersuchungen in Deutschland geht aber leider hervor, dass tatsächlich 70 Prozent (!) aller Frauen nur schwer oder kaum einen Orgasmus erreichen.[5] Und bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes INRA antwortete mehr als ein Drittel der Frauen, dass sie sich ein interessanteres und spannenderes Sexualleben wünschten.[6]

Singles haben mehr Sex

Eindeutig nicht. Tatsächlich finden über 90 Prozent aller sexuellen Akte in festen Partnerschaften statt. Der Hamburger Sexualforscher Gunter Schmidt meint süffisant: »Das Single-Dasein ist ein Zustand, in dem man mit viel Aufwand wenig Sex hat.« Das Bild der fröhlich vögelnden Singles hat nur sehr wenig mit ihrer oft freudlosen Realität zu tun.[7] Aber mit Realität schafft man schließlich keine Quote.

Frauen und Männer wollen immer

Ganz bestimmt nicht. Klagten in den siebziger Jahren noch vier Prozent der Männer über Triebverlust, so sind es heute mehr als 16 Prozent. Bei den Frauen ist der Anteil noch dramatischer gewachsen: von acht auf 58 Prozent.[8]1996 ergab eine Untersuchung unter Studentinnen und Studenten, dass ein Drittel der Männer und mehr als die Hälfte der Frauen zeitweise lustlos sind und dass jeder fünfte Mann gelegentlich Erektionsprobleme und zwei Drittel der Frauen gelegentlich Orgasmusschwierigkeiten haben.

Dumm f… gut

Von wegen. Je besser Frauen ausgebildet sind, desto aufgeschlossener sind sie gegenüber Sex. So belegen US-amerikanische Untersuchungen, dass gebildete Frauen viel bessere Chancen haben, regelmäßig zum Orgasmus zu gelangen. Außerdem haben sie eine positivere Einstellung zum Oral-Sex, zur Masturbation und zum Koitus während der Menstruation als ungebildete Frauen.[9] Auch konnte nachgewiesen werden, dass intellektuell aktive Frauen ein höheres Selbstbewusstsein haben und dadurch auch sexuell interessierter sind.[10]

Sex ist entspannend

Für viele Menschen leider nicht. Jeder zehnte Mann und beinahe jede vierte Frau empfinden Sex nicht als pure Lust, sondern als puren Stress.[11]

Sex ist das Wichtigste im Leben

Eindeutig nein. Das Forschungsinstitut Emnid befragte 1999 Männer und Frauen, was für sie das Wichtigste im Leben sei. Das Ergebnis: Für 62 Prozent aller jungen Deutschen ist es die Familie. Sex lag mit mickrigen sechs Prozent der Nennungen abgeschlagen auf dem letzten Platz der Antwortmöglichkeiten.[12]

Traditionelle Rollen sind passé

Was waren das doch früher für einfache Zeiten, als die Regeln noch eindeutig waren: Die Frau verführt, der Mann greift an. Er will erobern und sie erobert werden. Sie gewährt ihm sexuelle Gunst beziehungsweise wehrt ihn so lange ab, wie es sich gehört. Und heute? Jede Frau kann – je nach Temperament und Geschmack – entscheiden, wie sie sich beim Flirten oder beim Sex präsentieren will, ob forsch oder zögerlich, burschikos oder feminin.

Eigentlich können wir froh sein, uns nicht mehr ins enge Korsett genormter Verhaltensvorgaben pressen zu lassen. Aber damit ist auch die Sicherheit flöten gegangen. Ist es nun plump oder raffiniert, einem Mann die Hand auf den Oberschenkel zu legen, wenn man mit ihm flirtet? Denn fest gefügte Rollen schränken nicht nur den Handlungsspielraum ein, sie geben auch Verhaltenssicherheit. Und die ist uns abhanden gekommen. Ab wann man beispielsweise als leicht zu haben oder als unstürmbare Festung gilt – keine Ahnung. Wie viele Liebhaber genau sind denn viele – fünf, zehn oder dreißig? Wenn man gleich am ersten Abend mit einem Mann ins Bett gehen möchte – sollte man lieber trotzdem warten? Wir haben zwar die traditionellen Rollen, wie Männer und Frauen sich im Umgang miteinander zu verhalten haben, abgelegt, aber noch kein neues Modell geschaffen. Anything goes: Das schafft Freiheit und Überforderung zugleich.

Auch wenn wir die alten Vorgaben als unzeitgemäß ausgemistet haben: In unseren Köpfen rotieren sie weiter. Dafür sorgten unsere Mütter und Väter, denn jede Generation gibt ihre Normen und Werte weiter. Zwar lockerte sich parallel zur Entwicklung sicherer Mittel zur Empfängnisverhütung die Sexualmoral, aber im Verborgenen ist noch immer die Vorstellung virulent, Sex sei das kostbarste Gut einer Frau, das sie sparsam zu verwalten habe. Wer sich zu früh, zu schnell, zu unüberlegt hingibt, hat keinen Trumpf mehr zum Ausspielen. Also: Zurückhaltung üben, nicht den Kopf verlieren, abwägen, wer überhaupt wert ist, mit ihm das Kissen zu teilen! Tief in den Frauen von heute sitzt die Warnung der Frauen von gestern: »Kind, gib dich nicht dem Erstbesten hin!«

Dass die sexuellen Rollen aus der Mottenkiste nicht verschwunden sind, merkt man spätestens in ersten Nächten. Mann aktiv, Frau passiv – dieses Muster verspricht Sicherheit in einer unsicheren Situation. Das alte Bild vom sexuellen Comme il faut funktioniert weiter, wie auch der Berliner Sexualtherapeut Theo Gilbers berichtet. Ich besuchte ihn im Berliner Zentrum für Familienplanung und Sexualität Balance: »Die klassische Aufteilung beim Sex – der Mann ist aktiv, die Frau ist passiv – wird immer noch phantasiert, und zwar von Männern und Frauen gleichermaßen. Obwohl wir wissen, dass es in der Praxis gar nicht so ist!«

Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie in einer ersten Nacht weniger stürmisch sind, als Sie möchten. Oder wenn Ihr Liebhaber, den Sie für zurückhaltend hielten, plötzlich die Zügel in die Hand nimmt. Männer zeigen sich selten in der ersten Nacht passiv, genauso wenig, wie sich Frauen zuerst aktiv verhalten. Wir gehen auf Nummer Sicher in ersten Nächten und folgen den traditionellen Rollen.

Alle haben tollen Sex

Was ist guter Sex? Ist er hemmungslos oder zärtlich, experimentell oder romantisch? Partnerschaftlich vielleicht? Oder hocherotisch? Egal, welche konkreten Vorstellungen Sie haben: Sehr wahrscheinlich ist Ihr Sexleben meilenweit vom Ideal entfernt. Trösten Sie sich: Anderen geht es genauso! Und warum? Weil unsere Vorstellung von dem, was andere so alles miteinander treiben, schlichtweg überzogen und unrealistisch ist. »Sex ist meist viel weniger aufregend als die Vorstellung davon«, betont der Frankfurter Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch. Auch die neue Kollegin wird nicht wöchentlich ihre Liebhaber wechseln, und auch die attraktive Nachbarin hat nicht regelmäßig multiple Orgasmen. Was für uns das Maß aller Dinge zu sein hat, basteln wir aus Infopartikeln zusammen, die wir aus den Medien aufschnappen. Und mit wem vergleichen wir uns da? Etwa mit Frau Hinz oder Frau Kunz? Sicher nicht.

Guter Sex: Die Antworten, die uns spontan dazu einfallen, sind oft genug Klischees. Doch woher sollen wir andere Antworten haben? Die Einstellung zu Liebe, Ehe, Nacktheit, Sexualität, One-Night-Stand und Verhütung ändert sich mittlerweile in sehr kurzen Zyklen. Jede Frauengeneration muss komplett neue Antworten auf die alten Fragen finden. Für uns gilt nicht mehr, was für unsere Mütter galt. Selbst was unsere älteren Schwestern für richtig empfanden, ist keine Richtschnur mehr für uns.

Wir wissen alles über Sex

Sex hat man, über Sex spricht man nicht. Wer womöglich noch Fragen hat, outet sich als verklemmt und vorgestrig. (Scheinbare) Offenheit und Geschwätzigkeit sind die eine, Sprachlosigkeit und Missverständnisse die andere Seite der Medaille. Zwar wissen wir, was eine Domina so alles mit ihrem Sklaven treibt und wie man Sex mit Tieren nennt, aber die Fragen, die uns wirklich interessieren, bleiben nach wie vor unbeantwortet. Das technische Know-how beherrschen wir – theoretisch zumindest – aus dem Effeff, aber den Rest? Was ist mit den Gefühlen, der Aufregung, der Versagensangst, dem Wunsch zu gefallen?

Obwohl sexuelle Themen in aller Munde sind, wissen wir noch lange nicht, wie wir in intimen Situationen am besten miteinander umgehen. Männer und Frauen plagen sich weiterhin mit falschen Vorstellungen vom anderen Geschlecht, reden aneinander vorbei und setzen sich unter Leistungsdruck. Wer zugibt, Hemmungen zu haben oder sich unsicher zu fühlen, hat schon verloren. »Sex hat man einfach zu können, dazu darf man keine Fragen mehr haben«, bringt Karin es während unseres Interviews auf den Punkt. Sie hat Recht. In unserer so aufgeklärten Zeit ist es schwierig geworden zuzugeben, dass man unsicher ist oder Angst hat, dass man mehr Zeit braucht oder wirklich überhaupt kein Interesse daran hat, das Kamasutra durchzuturnen. Immer noch treiben uns die klassischen Konflikte und Fragen um: Wen kann ich lieben? Wird meine Liebe erwidert? Wie weit kann ich gehen?

Sex ist messbar

Höher, schneller, weiter beziehungsweise öfter, länger, ausgefallener: Sex wird wie eine olympische Disziplin bewertet, noch dazu nach männlichen Maßstäben. Nur die messbare Leistung zählt, und nicht die beteiligten Gefühle, die Erlebnisfähigkeit, die Stimmung. Die Bewertungsskala reicht von sehr gut bis sehr schlecht. Aber woran liegt es, ob wir eine Nacht als unvergleichlich in Erinnerung behalten? An der Zahl unserer Orgasmen oder an der Dauer des Aktes? Daran, dass der Mann nicht zu schnell kam oder er uns mehrmals oral befriedigt hat? Kann alles auch eine Rolle spielen. Doch Frauen (und nicht nur Frauen) geht es um ganz anderes. Und sie kommen immer wieder in ähnliche Situationen wie Christine. Sie erinnert sich noch gut an ihren Ex Wolfgang, dem schon nach wenigen Wochen Beziehung die »ganze Kuschelei« auf die Nerven ging, solange sie nicht das Vorspiel zum Eigentlichen war. »Hast du etwa gedacht, das geht so weiter wie am Anfang, mit so viel Streicheln und Schmusen?«, fragte Wolfgang Christine irritiert. Ja, genau das hatte sie geglaubt! »Das bisschen Orgasmus kriege ich auch alleine hin! Dazu brauche ich niemanden.« Aber zum Berühren, Schmusen und Umarmen, und für die kleinen zärtlichen Gesten – die Hand des anderen streicheln, ihn in den Arm nehmen, ihm einen Kuss geben –, dazu braucht und will sie einen anderen Menschen.

Frauen tun sich bedauerlicherweise immer noch schwer damit, ihre Bedürfnisse im Bett einzufordern. Vor allem trauen sie sich genau dann nicht, wenn die Bedürfnisse mit Sex nur am Rande zu tun haben, sondern eher mit Nähe oder Zärtlichkeit. Sie glauben, kein Anrecht darauf zu haben, denn richtig guter Sex kennt keinen Platz für die sanften, ruhigen Töne und Spielarten, sondern er ist messbar, effizient und zielorientiert.

Guter Sex braucht keine Worte

»Wenn du mich wirklich liebst, weißt du genau, was ich will.« Gehören Sie auch zu den Frauen, die glauben, dass Sex ohne Worte auskommt? Dass der andere schon wissen wird, wann Sie es wo und wie am liebsten haben? Wenn er sich nur genug Mühe gibt und wirkliches Interesse an Ihnen hat, dann ist es selbst in der ersten Nacht kein unergründliches Geheimnis für ihn, was Sie heiß macht und was Sie abkühlt?

Zu den klassischen Mythen über Sexualität gehört die Auffassung, dass man sich auch ohne Worte bestens im Bett versteht. Wieviel Schaden diese Vorstellung anrichtet, lässt sich kaum erahnen. Scharenweise mühen sich Männer und Frauen – immer noch und immer wieder – damit ab, die Wünsche, Vorlieben und Abneigungen des anderen zu enträtseln. Denn Reden ist verboten. Schade – und absurd! Woher soll er, mit dem wir das erste Mal schlafen, denn wissen, was uns gefällt? Besitzt er nicht zufällig telepathische Fähigkeiten, wird er durchs Gitter fallen: Sechs, bitte setzen!

Viele Frauen empfinden es als Zeichen mangelnder Wertschätzung oder Intimität, wenn ihre Liebhaber nicht auf Anhieb erraten, wie sie gerne behandelt werden möchten. Sie sind schnell enttäuscht und beleidigt, weil er nicht merkt, dass sie ein besonders langes oder kurzes Vorspiel brauchen, um auf Touren zu kommen. Wäre er der Richtige, so glauben sie, wüsste er genau, was sie mögen. Wir können Männern zwar einiges zutrauen – aber das nun wirklich nicht! Um sexuelle Missverständnisse zu vermeiden und erotische Wünsche erfüllt zu bekommen, lässt es sich nicht umgehen, miteinander zu sprechen. Dass es schwierig ist, über Sex zu reden, besonders in ersten Nächten: keine Frage. Dass die richtigen Worte dafür fehlen: stimmt auch. Aber es gibt keine Alternative, denn blindes Verständnis im Bett ist eine Seltenheit.

2. Mythen über Männer

Wie sehen die Klischees aus, die wir über Männer im Kopf haben? Männer hinken hinterher. Noch immer sind es die gleichen Kerle an unserer Seite wie zu Großmutters Zeiten: Kraftmeier mit aufgeblasenem Selbstbewusstsein, denen Selbstzweifel fremd sind. Großkotzige Typen, die glauben, alles zu können und alles zu dürfen. So sehr sich Frauen auch verändert haben in den letzten Jahrzehnten: Männer sind davon unberührt geblieben. Noch immer geben sie sich stark und überlegen, unterdrücken ihre Gefühle, sind auf der ständigen Jagd nach Sex und flüchten vor verbindlichen Beziehungen. Sie führen Strichlisten über ihre Eroberungen und protzen damit wie kleine Jungs. Betrachten wir diese (Vor)Urteile einmal genauer!

Männer sind stark und belastbar

Männer leben gefährlich. Was den Mann zum Manne macht, ist alles andere als gesund: viel trinken und rauchen, aggressives Autofahren, gefährliche Sportarten, stressige Jobs. Und das geht auf Dauer nicht gut. Männer sterben durchschnittlich sieben Jahre früher, sind häufiger krank und nehmen sich dreimal so oft das Leben wie Frauen. Sie sind im Vergleich zu Frauen überdurchschnittlich oft alkohol- und drogenabhängig.[13] Kein Wunder, dass immer mehr Männer zweifeln, ob sie den richtigen Weg gehen und sich vom traditionellen Rollenverständnis verabschieden wollen.

Männer wollen und können immer

Männer wollen Sex, Sex und nochmal Sex. So das einhellige Urteil. Der US-Amerikaner Bernie Zilbergeld, einer der erfahrensten Therapeuten bei Problemen der männlichen Sexualität, bringt dieses Klischee auf den Punkt: »Dem Mythos zufolge sind Männer im Gegensatz zu Frauen, was Sex anbelangt, sehr simple Geschöpfe. Sie haben keine besonderen Bedürfnisse, sie sind fast immer bereit und willig, und ihr einziges Problem besteht darin, wie sie nur genug Sex bekommen können.«[14]

Aber wenn Männer so versessen auf Sex sind, wenn sie tatsächlich immer wollen und können: Warum bezeichnet es dann mehr als die Hälfte aller befragten Männer bei einer großen Umfrage als Problem, keine beziehungsweise nie Lust auf Sex zu haben?[15] Und wieso haben Männer um die dreißig erheblich weniger Sex als noch ihre Altersgenossen vor fünfzehn Jahren?[16] Oder aus welchem Grund werden Männer in Beziehungen nicht selten zu Bettflüchtern: sehen fern bis in die Puppen oder brechen einen Streit vom Zaun, nur um das gemeinsame Ins-Bett-Gehen zu vermeiden?

Der Mann, das triebgesteuerte Wesen. Irgendwie glauben wir das immer noch. Das alte Dampfkesselmodell hat sich noch längst nicht aus unseren Köpfen verabschiedet: Männer stehen permanent unter (sexuellem) Druck, und wenn sie keinen Dampf ablassen können, platzen sie. Viele Frauen und Männer sind fest davon überzeugt, dass ER nicht ohne Sex leben kann. Männer glauben tatsächlich, dass sie viel öfter Lust haben sollten, als sie sie verspüren. Um nur eine Folge zu nennen: Mann schläft auch dann mit Frauen, wenn er keine Lust hat. Eine beunruhigende Vorstellung. Nicht wenige Männer ergreifen die sexuelle Initiative, weil sie davon überzeugt sind, dass es von ihnen erwartet wird. »Heute nicht, Liebes!« ist kein Satz, der zum Bild des allzeit bereiten Mannes passt. Schade eigentlich.

Männer stehen unter Beweiszwang: Verlieren sie ihre Erektion, haben sie versagt. Haben sie mal keine Lust, sind Frauen oft erstaunt und nicht selten beleidigt. Denn Männer haben zu funktionieren.

Männer binden sich nicht gern

Das klassische Bild: Männer wollen keine Beziehung. Sobald es ernst wird, sind sie verschwunden. Tauchen einfach ab und lassen nie wieder von sich hören. Männer sind gefühlsresistent. Was sie suchen, ist eine Mama (oder Haushälterin), die sie versorgt, und eine sexy Gespielin fürs Bett. Dann sind sie zufrieden.

Wenn Männer tatsächlich diesen Bindungshorror haben, frage ich mich, warum alle Untersuchungen zum Thema dann eine so eindeutig andere Sprache sprechen. Dass Männer sich nämlich viel schneller verlieben als Frauen. Dass sie länger an Beziehungen festhalten, selbst an total zerrütteten.

Vielleicht, weil es Männern ohne Partnerin bedeutend schlechter geht. Weil sie sich nach Trennungen deprimierter und einsamer fühlen als Frauen. Sie kommen mit dem Alleinleben viel schlechter klar als Frauen. Merkwürdig, wenn es doch ihr eigentliches Element zu sein scheint! Kaum verwunderlich übrigens, dass verheiratete Männer zufriedener sind und länger leben als unverheiratete. Und Männer sind auch – laut Statistik – dreimal stärker selbstmordgefährdet nach unglücklichen Liebesaffären als Frauen.[17] Wo wir doch immer dachten, aufgeschnittene Pulsadern aus Liebeskummer sei weibliches Terrain. Besonders bei jungen Männern gibt es die Tendenz, dass sie viel romantischer geworden sind und sich in ihrer Einstellung zu Liebe, Treue und Sex kaum noch von Mädchen unterscheiden. Junge Männer schlafen überwiegend mit Frauen, die auch als längerfristige Partnerinnen und eben nicht nur für flüchtige sexuelle Kontakte in Frage kommen.

Frauen wollen feste Bindungen, Männer unverbindliche Affären? Das viel beschimpfte Bild stimmt einfach nicht! »Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist eine primäre Antriebskraft des Menschen, die Essenz unseres Daseins«, betont zum Beispiel die US-amerikanische Paartherapeutin Kris Rosenberg, ganz egal, »ob wir männlichen oder weiblichen Geschlechts, jung oder alt sind.«[18] Zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen gehört so sehr zum Menschsein wie Essen und Trinken. Für Männer ebenso wie für Frauen.

Männer haben viel Erfahrung

So würden Männer es gerne sehen: Sie sind souverän beim Sex. Schließlich ist Sex ihr Hobby, sozusagen. Sind Männer unter sich, reden sie viel über Frauen, Erotik und sexuelle Techniken. Sie lesen Bücher zum Thema und schauen sich Pornos an, natürlich nur, um zu lernen, wie man eine Frau richtig befriedigt. Männer treiben sich gerne in Sexshops herum, weil sie immer auf der Suche sind nach Tipps, wie sie das Treiben im Bett noch phantasievoller gestalten können. Und weil sie ständig Sex wollen und jede Gelegenheit dazu nutzen, haben sie auch mehr Erfahrung als Frauen. Deshalb übernehmen sie die Führung im Bett. In ersten Nächten ganz besonders. So könnte es sein. Ist es aber nicht.

Jeden Monat schicken Hunderte von jungen Männern Fragen über Fragen zum Thema Sex per E-Mail an Pro Familia. Von wegen das erfahrene Geschlecht: Tatsächlich haben zum Beispiel Männer zwischen 18 und 27 erstaunliche Wissenslücken. Mitarbeiter von Pro Familia kommen zu dem Ergebnis: »Wenn es unter Jungen um Sex geht, wird vor allem geprahlt. Je älter sie werden, um so schwieriger ist es zuzugeben, dass sie etwas nicht wissen.«[19]

Eine Erhebung der Zeitschrift Psychology Today in den USA zum Thema Sex ergab sogar, dass erstaunliche 22 Prozent der befragten Männer noch Jungfrauen waren.[20] Vermutlich lag die Zahl noch deutlich höher, da es für Männer fast unmöglich ist zuzugeben, noch nie mit einer Frau geschlafen zu haben. Nebenbei bemerkt: Die Männer vermuteten, dass lediglich ein Prozent ihrer Altersgenossen noch Jungfrauen waren. Sie verschätzten sich also um ganze 21 Prozent![21] Dass Mannsein und sexuelle Unerfahrenheit in der gängigen Vorstellung nicht zusammenpasst, zeigt sich allein schon daran, dass es im Deutschen noch nicht mal ein adäquates Wort für männliche Jungfrauen gibt.

Männer sind nie überfordert beim Sex

Die volle Verantwortung für den Verlauf eines erotischen Treffens lastet auf männlichen Schultern. ER hat dafür zu sorgen, SIE ins Bett zu kriegen. ER muss die Initiative ergreifen, nicht nur beim Anmachen und Flirten, sondern auch später, beim Ausziehen und (Noch)Näherkommen. ER ist zuständig für die Dramaturgie beim Sex – bitte nicht zu heftig, aber bitte auch nicht zu lahm! Ach ja, und für IHRE Befriedigung hat ER natürlich auch zu sorgen, aber gut und ausreichend, versteht sich.

Und das Ergebnis? Spricht man lange und intensiv mit Männern, erzählen sie, wie extrem stressig Sex, besonders erste Nächte, für sie sind. Die Erwartungen an sie sind gigantisch, genauso wie ihre Angst, zu versagen oder Defizite zuzugeben. Denn instinktiv ahnen sie, dass Frauen keine unsicheren oder unerfahrenen Männer im Bett haben wollen. Schließlich müssten sie dann ja selbst aktiv werden und könnten sich nicht einfach zurücklehnen, genießen und die Verantwortung abgeben.

Auch Männer fühlen sich wie bei einer Prüfung, wenn sie das erste Mal mit einer neuen Frau schlafen. Sie klagen vehement über den Leistungsdruck in den Betten. Kein Wunder, dass mehr als die Hälfte aller Männer vorzeitige Ejakulationen aus eigener Erfahrung kennt.[22] Schon vorab beschäftigt sie die Frage: »Bin ich potent genug in dieser Nacht oder versage ich?« Und so ist es auch kein Wunder, dass viele Männer mittlerweile Sex alleine daran bewerten, ob sie ihre Partnerin zum Orgasmus bringen können, und ihre eigene Befriedigung nicht mehr zum Maßstab nehmen. Das kann auf Dauer zu keiner erfüllten Sexualität führen. Und: Wieso sollen wir bei Männern nun auf einmal etwas begrüßen, worunter Frauen jahrhundertelang litten?

3. Mythen über Frauen

Welche Klischees über Frauen haben wir eigentlich verinnerlicht? Frauen haben es geschafft. Sie haben erreicht, wovon frühere Generationen nicht zu träumen wagten. Sie sind stark, schön, klug, selbstbewusst, erfolgreich. Tagsüber erobern sie die Chefetagen und abends die Herzen attraktiver Männer. Frauen leiten Konferenzen und backen Plätzchen, besuchen alte Tanten und kümmern sich um streunende Katzen, trösten Kinder und renovieren Häuser. Sie pflegen ihren Freundeskreis und ihren Körper. Und da das alles noch nicht reicht, studieren sie nebenbei und trainieren für den nächsten Marathon. So sieht das Bild der Frau von heute aus.

Frauen sind selbstbewusst

Frauen wissen, was sie wert sind. Sie gehen ihren eigenen Weg und haben ihren eigenen Kopf. Sie haben gute Ausbildungen und verdienen eigenes Geld. Sie haben Ehrgeiz, Mut und Kraft, um viel zu erreichen. Niemals würden sie sich für den Mann an ihrer Seite verbiegen. Sie kennen ihre Stärken und setzen sie konsequent ein. Sie wissen, was ihnen gut tut und sorgen dafür, dass sie es auch bekommen.

Aber wenn das wirklich so ist: Warum lassen sich Frauen immer noch so viel gefallen? Wieso leben zum Beispiel so viele Frauen mit Männern zusammen, die sie schlecht behandeln? Und wie kommt es, dass Frauen so leicht zu verunsichern sind? Dass jede noch so harmlose Kritik an ihrem Selbstwertgefühl nagt? Dass eine dumme Bemerkung ihnen den Tag versauen kann? Und warum legen sie immer noch so viel Wert auf ihre äußere Erscheinung und geben Unmengen von Geld aus, um ihr Aussehen zu verändern? Warum ist die Unsicherheit, ob sie auch attraktiv genug sind, bei Frauen der größte Hemmfaktor für eine lustvolle, befriedigende Sexualität?[23] Es stimmt: Frauen von heute wissen, was sie alles erreichen und leisten können und dass sie jeden Grund haben, stolz auf sich zu sein. Nur: Sie vergessen es zwischenzeitlich immer mal wieder.

Verheerend sind die Bilder der perfekten Frau, die uns aus Werbung, Zeitschriften und Fernsehen entgegenlächeln. Daran arbeiten wir uns ab, weil wir wider besseren Wissens immer noch glauben, dass Frauen tatsächlich so sind. Die Folge: Wer keinen Traumjob hat oder keine Traumfigur, weder im Penthouse lebt noch Designerkleider trägt, gehört zu den Verlierern. »Versagt!«, flüstert die Stimme uns zu: zu arm, zu unattraktiv, zu ungebildet. Und so plagen sich alle Frauen, die nicht dem Ideal entsprechen, mit ihren Mängeln herum.

Frauen nehmen sich, was sie brauchen

Frauen ergreifen die Initiative. Sie warten nicht mehr, bis der Mann sie anspricht, der ihnen gut gefällt. Vorbei die Zeiten, in denen Frauen sich aussuchen ließen! Sie wissen, was und wen sie brauchen, wie sie es haben wollen und wann. Und dann greifen sie zu. Endlich haben Frauen ihr vorsichtiges, passives, zögerliches Verhalten abgelegt. Sie stehen zu ihren Wünschen und sorgen aktiv dafür, dass sie in Erfüllung gehen.

Aber warum geben sie sich dann immer noch so unendlich viel Mühe, um Männern zu gefallen? Warum geben sich Frauen lieber mit Männern zufrieden, die ihnen hinterherlaufen, anstatt die zu nehmen, die sie wirklich wollen? Wieso versuchen sie unentwegt herauszufinden, wie ein Mann sie gerne hätte, nur um seinem Wunsch in vorauseilendem Gehorsam entsprechen zu können? Warum antworten beim Hite-Report von 1988 mehr als drei Viertel der befragten weiblichen Singles, dass sie häufig schon beim ersten Date Sex hätten – obwohl sie eigentlich lieber damit gewartet hätten?[24]

Frauen ist es in Fleisch und Blut übergegangen, Männern gefallen zu wollen und männlichen Wünschen zu entsprechen. Darauf nämlich sind sie in den letzten zweitausend Jahren von Generation zu Generation programmiert worden. Als sei ihre wichtigste Funktion, Männern zu gefallen.

Hierin liegt wohl auch eine Erklärung für das mitunter seltsam anmutende Verhalten der Spezies moderne Frau: Sie nehmen klaglos, was Männer ihnen geben. Und ist das zu wenig, sind sie traurig und enttäuscht. Nimmt er kein Kondom? Naja, sie kann ihn ja nicht zwingen. Ruft er nicht an? Gefällt sie ihm eben nicht genug. Frauen sagen viel zu selten: Er macht mich nicht genug an. Er gibt mir nicht, was ich brauche. Eher stellen sie sich, ihr Handeln, ihr Aussehen und ihre Fähigkeiten in Frage.

Vielleicht wissen Frauen ja tatsächlich, was sie brauchen. Aber dafür zu sorgen, dass sie das auch wirklich bekommen, trauen sich bisher nur die wenigsten.

Frauen stehen zu ihrer Lust

Frauen haben Spaß am Sex. Sie wissen, was ihrem Körper gut tut. Sie wollen lange, oft und viel. Früher mussten sie ihre Lust drosseln, doch endlich können auch sie sich so richtig ausleben. Ein Quickie auf dem Klo? Gerne doch. Frauen sind aktiv und fordernd. Sie schlafen mit allen Männern, die ihnen gefallen, und scheren sich einen Dreck darum, was irgendjemand darüber denken könnte. Spätestens, seit AIDS ein Thema ist, benutzen sie ausnahmslos jedesmal ein Kondom. Nie würden sie mit einem Mann schlafen, der kein Gummi anziehen will. Und sie nehmen auch kein Blatt vor den Mund: Natürlich sprechen sie nicht nur mit ihrer besten Freundin über Sex, sondern auch mit ihren Partnern.

Wenn Frauen tatsächlich zu ihrer Lust stehen: Warum irritiert es sie dann, wenn sie zu viel Lust haben? Warum trauen sie sich selten, einen Mann damit zu konfrontieren? Wieso haben sie Angst, ihn dadurch zu verschrecken oder abgewiesen zu werden?

Und immer noch nehmen Frauen beim Sex wenig Einfluss. Sie begnügen sich damit, abzubremsen, zu stoppen, zu verweigern. Viel eher bleiben sie passiv und lassen es geschehen. Warum schweigen Frauen, wenn ihnen etwas nicht gefällt oder zu weit geht? Und warum wollen sie auf keinen Fall den Eindruck erwecken, sie hätten es darauf angelegt, einen Mann ins Bett zu kriegen?

Weil Frauen von heute über Probleme von gestern stolpern. Sie sind hin- und hergerissen: Einerseits nehmen sie für sich das Recht in Anspruch, sexuell aktiv zu sein und ihre Wünsche und Bedürfnisse einzufordern. Und andererseits sitzt ihnen die traditionelle Rolle der passiv Liebenden weiterhin im Nacken: das Bild der Frau, die Sex nur durch den Mann empfängt und die weniger Lust und »Trieb« hat als er. Dazu kommen Scham- und Schuldgefühle. Eine unselige Mischung …!

Ein Beispiel: Eigentlich weiß Karin ganz genau, was sie im Bett mag. Sie kennt ihren Körper gut und hat im Laufe der Jahre genügend Erfahrungen gesammelt, um zu wissen, was sie sexuell befriedigt. Aber mit diesem Wissen rückt sie vor Männern nicht raus, in ersten Nächten schon mal gar nicht: »Ich habe zu viel Angst, das auch zu sagen. Angst, dass der andere sich darüber lustig macht. Dass ich mich bloßstelle, wenn ich mein Innerstes preisgebe.« Deshalb wartet Karin lieber ab. Erst will sie herausfinden: »Was erwartet er von mir, wie soll ich sein? Was möchte er, möchte ich das auch?« Karins Ängste hemmen sie. Die Befürchtung, dass ein Mann sie wieder aufgibt, wenn sie zu früh signalisiert, zu Sex bereit zu sein: »Männer sind gerne auf der Jagd und geben sich viel mehr Mühe, wenn man sich mehr Zeit lässt. Das habe ich oft im Hinterkopf.«

Übrigens glaubten fast alle Frauen, mit denen ich im Laufe der Interviews gesprochen habe, sie seien die einzigen, die speziell in ersten Nächten mit den »üblichen« Problemen zu kämpfen haben: mit der Angst, nackt nicht attraktiv zu sein; mit dem Druck, unbedingt einen Orgasmus bekommen zu müssen; mit der Befürchtung, den Partner zu verschrecken, wenn sie sexuell aktiv werden oder im Gegenteil, ihn zu langweilen, weil sie keine tolle Show abziehen. Doch genau diese Probleme plagen in unterschiedlichen Variationen die meisten Frauen vor, während und nach ersten Nächten!

4. Mythen über erste Nächte

Es ist unausweichlich: Früher oder später werden sie miteinander schlafen. Die erotische Anziehung ist zu stark, um von ihnen auf Dauer ignoriert zu werden. Und dann geschieht es: Nach einem romantischen Essen landen sie im Bett. Es ist gigantisch, ein Rausch der Sinne: Der Sex ist grandios, die Orgasmen zahlreich. Aneinander geschmiegt schlafen sie ein. Morgens erwachen sie lächelnd, küssen sich zärtlich und frühstücken im Bett.

So oder so ähnlich sehen in unzähligen Filmen und Liedern, in Geschichten und Mythen die ersten Nächte aus. Sie sind beinahe ausnahmslos schön, romantisch und lustvoll. Und sie sind Auftakt einer großen Liebesgeschichte oder das einmalige sexuelle Highlight mit bombastischen Orgasmen. Jeder Handgriff sitzt, gegenseitig schaukeln sich Mann und Frau in ungeahnte Sphären der Lust.

Die Erfahrungen der meisten Frauen sehen anders aus. Sie haben die perfekte Version im Kopf, wie so eine Nacht ablaufen sollte, erleben aber selten etwas, das diesem Bild nahe kommt. Verglichen mit der Hollywood-Version, sind die hausgemachten Erfahrungen eher mittelmäßig bis enttäuschend.

Erste Nächte sind erotische Höhepunkte

Tatsächlich sind erste Nächte oft der pure Stress! Da gibt es immer Momente der Unsicherheit, mindestens einer von beiden ist befangen. Man schämt sich, weil man zu laut oder zu leise stöhnt, zu feucht oder zu trocken ist. Der BH geht nicht auf und die lästige Verhütungsfrage wird auch nur selten problemlos geklärt. Was mir Kristina erzählte, kennen die meisten Frauen: Die ersten Male mit einem neuen Mann waren für sie aufregende und spannungsgeladene Erlebnisse – sexuell allerdings eher enttäuschend: »Was den Sex angeht, waren die nie gut. Ist doch klar: Man muss sich erst mal kennen lernen. Außerdem ist man viel zu aufgeregt. Man ist voller Erwartungen und Angst.«

Was stürmen in dieser Ausnahmesituation nicht alles für innere Stimmen auf uns ein:

»Wenn’s nicht auf Anhieb klappt, ist er nicht der Richtige.«

»Du musst mindestens einen Orgasmus haben, sonst passt ihr sexuell nicht zusammen.«

»Wenn er zu früh oder gar nicht kommt: Vergiss ihn, das wird nie was.«

»Mein Gott, so wie du aussiehst, solltest du dich besser gar nicht ausziehen. Wenn er dich nackt sieht, vergeht ihm mit Sicherheit die Lust.«

»Du musst dich mehr bewegen. Sei aufregend und geil, das lieben Männer. Sei doch nicht so langweilig und prüde.«

»Reiß dich zusammen. Du bist zu laut und zu gierig. Gute Mädchen tun das nicht.«

Und so weiter und so fort. Wie um alles in der Welt soll man sich dabei entspannen?

Sex läuft automatisch

Wer hat bloß das Gerücht in die Welt gesetzt, dass der erste Sex reibungslos abläuft? Die Messlatte liegt eindeutig zu hoch. Dafür gibt es einfach zu viele potenzielle Stolpersteine. Viele davon haben mit dem (vermeintlich richtigen) Timing zu tun. Wann ist der richtige Zeitpunkt, den anderen ins Schlafzimmer zu lotsen, mit dem Ausziehen zu beginnen, das Kondom aus der Tasche zu holen oder zu sagen, dass man Oralsex gewöhnungsbedürftig findet? Sicherheitshalber schon gleich beim Kennenlernen?

Erste Nächte können schon kompliziert sein, bevor sie überhaupt begonnen haben. Viele Frauen kennen, was Sonja erzählt. Manchmal ist es wie verhext, da verpasst man es, das Startsignal zu geben. Und der andere bekommt irgendwie auch nicht den Dreh, weil er sich nicht sicher oder zu schüchtern ist: »Und dann quatscht man und quatscht man und denkt gleichzeitig: Das kann doch nicht wahr sein. Wieso sitze ich denn hier und unterhalte mich mit dem? Das ist doch gar nicht das, was ich wollte!«

Wir glauben, dass Sex automatisch gut wird, wenn man sich nur genug liebt oder richtig scharf aufeinander ist. Diese Vorstellung bezeichnet der Berliner Sexualtherapeut Theo Gilbers als mächtigen Irrtum, dem wir alle aufsitzen: »Wir glauben immer noch: Wenn man sich wirklich liebt, dann ist der Sex auch wunderbar. Ein großer Trugschluss – gerade in der ersten Nacht!« Denn Sex und Liebe haben erst mal überhaupt nichts miteinander zu tun: Ich kann mir eine höchst vergnügliche Nacht mit einem Mann machen, den ich garantiert nicht zu meinen zehn besten Freunden zählen würde. Und umgekehrt: Tiefe Gefühle sind absolut kein Garant für lustvollen Sex.

Passen zwei zusammen, klappt es auf Anhieb

Um einen Menschen kennen zu lernen, braucht man viel Zeit. Da nähert man sich langsam an, freut sich über Gemeinsamkeiten und staunt über Unterschiede. Vielleicht ist man auch mal völlig irritiert, alles kein Problem. Es sei denn, es geht um Sex. Da wollen wir bitte schön weder irritiert werden noch staunen müssen. Von Anfang an hat hier absolute Harmonie zu herrschen. Doch die ist eine große Ausnahme. Dazu noch einmal Theo Gilbers: »Viele Menschen passen sexuell erst mal überhaupt nicht zusammen – was nicht heißt, dass es so bleibt.« Sexualität muss man lernen und sich erarbeiten. Es ist der Idealfall, wenn es auf Anhieb klappt. »Zwei völlig verschiedene Vorerfahrungen, Leben und Persönlichkeiten treffen dabei aufeinander. Die müssen erst mal zueinander finden.«

 

Der erste gemeinsame Sex legt nicht zwangsläufig die Richtung fest, das spiegeln auch die Erfahrungen der von mir interviewten Frauen wider. In unserem Gespräch brachte es Martina auf den Punkt: »Oft ist es doch so: Du gehst mit jemandem aus, gehst essen und dann noch in eine Bar, schlägst dir die Nacht um die Ohren, trinkst was. Und wenn man dann in der Wohnung landet und zur Sache kommt, ist man eigentlich ganz schön müde, weil alles vorher schon so anstrengend war!« Körperliche Meisterleistungen sind dann nicht mehr zu erwarten – was uns allerdings nicht davon abhält, trotzdem darauf zu hoffen. Was erschwerend hinzukommt, erzählte Michaela: »Jeder hat seine Geschichte und die trägt er auch in eine erste Nacht mit rein.« Dies sind die unterschiedlichen Vorerfahrungen und Lebenswege, von denen Theo Gilbers sprach, die den Verlauf erster Nächte mit beeinflussen. Und eigentlich wissen wir auch, dass es eine Ausnahmesituation ist. Und doch sind wir enttäuscht, wenn nicht gleich ein sinnliches Feuerwerk abbrennt …