Marcellus - Blutgericht - Michael Kuhn - E-Book

Marcellus - Blutgericht E-Book

Michael Kuhn

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Beschreibung

Mit dem Sieg über die Alamannen und Westgoten ist der Kampf um die Vorherrschaft im Nordwesten Europas entschieden. Jetzt bietet sich für Chlodwig die Gelegenheit, mit seinen Feinden abzurechnen. Und auch Marcellus steht am Scheideweg, um endlich Rache an alten Feinden zu nehmen oder ihnen zu vergeben. Unerreichte historische Authentizität trifft auf eine packende Geschichte um Treue und Rache: Realgeschichte pur! Mit "Blutgericht" ist die Trilogie um Marcellus abgeschlossen.

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Seitenzahl: 485

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Ammianus-Verlag

Der Autor

Michael Kuhn M.A., Jahrgang 1955, studierte in Aachen Geschichte und Politische Wissenschaften. Im Anschluss war er in unterschiedlichen historischen Projekten involviert und organisierte in eigenen Unternehmen geschichtliche Events. Zurzeit arbeitet er neben seiner Tätigkeit als Autor in der Archäologie.

Das Anliegen, bei seinen Mitmenschen Interesse und Verständnis für die faszinierende Welt der Geschichte zu wecken, durchzieht seine bisherige Vita wie ein roter Faden.

So steht der vorliegende Band am Ende einer Buchreihe, die den Leser mit Spannung und Information auf eine Zeitreise in die aufregendsten Epochen unserer Vergangenheit mitnimmt.

Michael Kuhn

Marcellus – Blutgericht

Band III

Impressum

Ebook basiert auf erster Auflage von November 2013

Copyright © by Ammianus Verlag, Aachen Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, Tonträger jeder Art, fotomechanische Wiedergabe und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten. Soweit durch Hinweis oder Verlinkung auf andere Websites zusätzliche Informationen zugänglich gemacht werden, erfolgt hiermit der Hinweis darauf, dass keine Inhaltskontrolle stattfindet und jegliche Haftung für den Inhalt dieser Seiten ausgeschlossen ist.

Umschlaggestaltung und Bildbearbeitung: Thomas Kuhn (Helmabbildung Cover: mit freundlicher Genehmigung des Landesmuseums Mainz) Zeichnungen und Kartenmaterial: Hannah Möllmann Fotos: Michael Kuhn, Hannwelm Steinebach Wissenschaftliches Lektorat: Dr. Sebastian Ristow Lektorat: Angelika KielE-Book-Gestaltung: Michael Mingers

Widmung

Für Judith und Christian

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich all denen Dank sagen, die am Gelin­gen des Buches ihren Anteil hatten.

Thomas Kuhn bearbeitete das Fotomaterial, gab dem Cover seine künstlerische Gestalt und brachte das Buch in die vorliegende Form.

Rainer Schulz, Philipp Matthes und Judith C. Vogt wurden nicht müde, durch unermüdliches Lesen des gerade vorliegenden Materials viel zur dramaturgischen Dichte und Spannung der Romanhandlung beizutragen.

Hans Glasmacher M.A. und Dr. Joachim Meffert für ihre Unterstützung.

Angelika Kiel für die Erstellung des Lektorats.

Philipp Matthes für seine Mithilfe an der Spurensuche.

Hannah Möllmann für ihr künstlerisches Engagement bei der Erstellung von Zeichnungen und Karten.

Danken möchte ich zum Schluss allen, die mich wissenschaftlich beraten und mit wertvollem Material zur frühmittelalterlichen Geschichte unterstützt haben.

Sollte ich jemanden an dieser Stelle nicht bedacht haben, so bitte ich, dies zu entschuldigen.

Das Herrschaftsgebiet der fränkischen Könige in Gallien und dem Rheinland zu Beginn des 6. Jahrhunderts nach Christus

Antunacum – Andernach

Aquis – Aachen

Arduena – Erden

Bodobriga – Boppard

Bonna – Bonn

Bononia – Boulogne-sur-Mer (F)

Burdigala – Bordeaux

Camaracum – Cambrai (F)

Campus Vogladeus – Voulon

Colonia – Köln

Confluentes – Koblenz

Divodurum / Mettis Metz (F)

Icolisma – Angoulème

Iuliacum – Jülich

Lugdunum – Lyon

Marsilia – Marseille

Mogontiacum – Mainz

Parisia – Paris (F)

Remis – Reims (F)

Rigomagus – Remagen

Suessonis – Soisson (F)

Suindinum – Le Mans (F)

Tolbiacum – Zülpich

Tolosa – Toulouse (F)

Traiectum – Maastricht (NL)

Treveris – Trier

Turnacum – Tournai (B)

Turonus – Tours

Vicus Catulliacus – Saint Denis

Vienna – Vienne

Dramatis Personae

Die Familie

Marcellus:Ehemann, Vater, Krieger

Hilka:Ehefrau, Freundin Clothildes

Pippin:der gemeinsame Sohn

Ursula:die Freundin

Die Gefährten

Wulfram:Burgunde, väterlicher Freund

Ullrich:der Tapfere

Tassilo:Sohn einer Toten

Odilo:der Unheimliche

Hunerich:der Mönch

Das Königshaus der Merowinger

Chlodwig*:der Merowinger

Chlothilde*:Chlodwigs Gemahlin, Tochter Chilperichs von Burgund

Theuderich*:Bastard, ältester Sohn des Merowingers

Remigius*:Bischof von Reims, Berater am Hofe Chlodwigs

Hortarius:Militär und Ratgeber

Florentinus: Reiterführer

Die fränkischen Kleinkönige und ihr Gefolge

Sigibert*:König der Rheinfranken

Chloderich*: »der Parasit«, Sigiberts Sohn und Thronfolger

Silinga:Chloderichs Frau, heimliche Königin

Rotrudis:rechte Hand Chloderichs, Freundin Silingas

Ragnachar*:König von Cameracum

Farro*:Berater Ragnachars

Chararich*:König von Bononia

Allowin:Chararichs Sohn

*Historische Persönlichkeiten

Prolog

Als die drei Männer in den Mönchskutten zu ihm herumfuhren, wusste Hunerich, dass es um sein Leben ging.

Warum nur, schoss es ihm durch den Kopf, hatte er tiefer in die Nische zurückweichen wollen, anstatt ruhig an seinem Standort zu verharren? Und wie konnte er dabei den wackligen Schemel übersehen, auf dem dieses verfluchte Öllämpchen stand?

Dem zunächst stehenden Mann war die Kapuze vom Kopf geglitten, so dass das in Büscheln abstehende Haupthaar und der fingerbreite Bartwuchs auf Wangen und Kinn zu sehen waren. Ohne Zweifel war es Chararich, den zu überwachen ihm aufgetragen worden war. Während der ehemalige König von Bononia hastig versuchte, sein Haupt wieder zu bedecken, stieß sein Nachbar einen erstickten Schrei aus. Der dritte Mönch hatte als erster die Fassung zurückgewonnen. Die dunklen Augen des untersetzten Mannes blitzten vor Mordlust, als er seinen Dolch unter der Kutte hervorschnellen ließ. Nur um Haaresbreite verfehlte die Waffe Hunerichs Kopf und bohrte sich in die Wandvertäfelung, wo sie zitternd stecken blieb.

`Raus, nichts wie raus.´ Endlich hatte Hunerich sich gefangen. Mit einem Satz erreichte er die Schwelle und stürzte aus dem Raum. Von außen schlug er die Türe zu und wuchtete den an der Wand lehnenden Sperrbalken in die eisernen Wandhalterungen. Keinen Augenblick zu früh, denn er vernahm deutlich das Poltern von Fäusten auf den festgefügten Eichenbohlen.

Hunerich raffte die härene Kutte bis zu den Knien, so dass die darunter versteckten Hosen zum Vorschein kamen und hastete durch den Zellengang dem Ausgang entgegen. Auch diesen verriegelte er und querte das Refektorium, wo ein einzelner Mönch die Hinterlassenschaften der Abendvesper beseitigte. Dem verdutzten Mann glitt ein Stapel irdener Teller aus den Händen, als der Flüchtende gegen seinen Ellenbogen stieß. Ein Teil des kostbaren Geschirrs zerschellte dabei mit einem Krachen auf den Granitplatten des Bodenbelages. In der Zwischenzeit hatte Hunerich den Hof erreicht. Kurz überlegte er, ob er in den Stall eilen und eines der Pferde satteln sollte. Sofort verwarf er den Gedanken, weil er dadurch zu viel Zeit verlieren würde. Stattdessen eilte er zur Pforte und versuchte, den Riegel zu öffnen.

»Bruder Hunerich, was machst du da?«, wurde er von der Seite angerufen.

»Ich muss hinaus. Man hat mich zu einem Kranken gerufen«, entgegnete Hunerich und machte sich weiter an der Türsicherung zu schaffen.

»Der Abt hat es verboten«, ließ der zum Pfortendienst eingeteilte Mönch nicht locker. »Keiner darf das Kloster in der Dunkelheit verlassen.« Dabei trat er näher heran, um Hunerich zurückzuhalten.

»Dummkopf!«, schrie der den Wächter an und schlug mit der Faust zu. Er hatte gut getroffen, denn der Mönch brach mit einem verdutzten Gesichtsausdruck zusammen.

Ohne sich um den ohnmächtigen Mitbruder zu kümmern, schlüpfte Hunerich hinaus und begann, wie noch nie in seinem Leben zu rennen. In weiten Sprüngen jagte er den Weg herab bis zur nahen Straße, verharrte kurz und lief ohne sich umzusehen in Richtung Norden.

`Wenn sie mich verfolgen`, jagte es ihm durch den Kopf, `muss ich den Wald erreichen. Dort kann ich mich verstecken. Auf dem freien Feld in Richtung Parisia werden sie mich einholen. Und dann wird der mit dem finsteren Blick nachholen wollen, was ihm eben misslungen ist`.

Dem Himmel sei Dank spendete der trübe Mond genug Licht, um das Kiesband der Straße und die nähere Umgebung zu erkennen. Er verhielt für einen Augenblick, als er die Schemen des nahen Waldes erkannte und schaute sich um. Dann begann er wieder zu laufen, bis Büsche und Bäume den Straßenrand in immer dichter werdendem Bewuchs säumten. Jetzt blieb er stehen, schaute sich noch einmal um und setzte mit einem Sprung über den Straßengraben. Wenige Augenblicke später war Hunerich nicht mehr zu sehen, da er sich in den Schutz der breit ausladenden Zweige einer Jungtanne gerollt hatte.

Er keuchte, würgte und spuckte, bis sich der pochende Puls endlich beruhigt hatte. Dann lauschte er in Richtung der Straße, ob die Schritte der Verfolger schon nahten. Bis auf die Geräusche der Nacht blieb es jedoch ruhig. Er begann, seine Gedanken zu ordnen, die ihm in wirrer Folge durch den Kopf schossen.

»Wer war das?«, fragte Farro, während er sich abmühte, seine Waffe aus der Wandvertäfelung zu ziehen. Erst als er das Heft mit aller Kraft nach oben und nach unten stieß, gab das Eichenholz die Klinge mit einem knirschenden Laut frei. Farro steckte die Waffe weg und drehte sich zu den beiden Mönchen um, die immer noch schreckensstarr in der Mitte des Raumes verhielten. »Wer war das?«, wiederholte er seine Frage.

»Ich glaube, es war der, den sie Hunerich nennen«, stammelte Allowin und starrte auf seinen Vater Chararich, der sich mit der Rechten die Kapuze vom Kopf schob. »Der Kerl ist noch nicht lange hier, vielleicht einen Monat, und schleicht die ganze Zeit um uns herum.«

»Ein Spitzel des Merowingers«, mutmaßte Farro tonlos. Dann fixierte er Chararich mit seinen Augen. Der wich dem Blick aus und zuckte nichtssagend mit den Schultern.

»Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.«

»Wenn Chlodwig erfährt, dass du dir Haar und Bart wachsen lässt, wird er handeln. Er hat dich nicht umsonst scheren lassen. Ohne deine wallende Haarpracht hast du aufgehört, ein König zu sein. So wollen es die Gebräuche der Altvorderen. Kommt mit mir zu Ragnachar. Hier seit ihr eures Lebens nicht mehr sicher.«

»Was sollen wir dort?«, antwortete Chararich verbittert. »Chlodwig wird meine Auslieferung verlangen.« Er fuhr sich mit der Rechten durch das sprießende Haupthaar und setzte eine entschlossene Miene auf. »Nein, Farro, wir bleiben hier. Der Merowinger wird nicht ewig leben. Er soll krank sein und er hat viele Feinde. Außerdem kann ihm jederzeit etwas im Gotenkrieg zustoßen. Wenn er stirbt oder gefangen wird, werde ich zu meinem Volk zurückkehren. Vielleicht sollte Ragnachar darüber nachdenken, ihm ein Unglück widerfahren zu lassen. Mir sind leider die Hände gebunden.«

Farro lächelte und schüttelte geringschätzig den Kopf. »Du hast Angst um deine Schätze, wenn du dich in den Schutz Ragnachars begibst. Und du glaubst, beim Ableben des Merowingers zu kurz zu kommen. Deine Gier nach Gold hat dir schon oft genug den Hals gebrochen. Und, was Ragnachar denkt, geht dich nichts an.«

»Das war einmal anders«, entgegnete Chararich scharf. Ihm missfiel der überhebliche Unterton in Farros Stimme.

»Damals warst du auch noch König, Gleicher unter Gleichen. Heute bist du nichts als ein erbärmlicher Wurm, weggesperrt hinter Klostermauern.

Und…« Farro betrachtete eingehend seine Fingerspitzen, ehe er fortfuhr. »Lass dir Bart und Haare scheren. Wenn Chlodwig dich so sieht, lässt er dir den Kopf vor die Füße legen.«

»Vater«, ergriff Allowin erstmalig das Wort. »Wir sollten mit Farro gehen. Hunerich hat dich ohne Kapuze gesehen.«

»Nur kurz«, entgegnete Chararich. »Und es war fast dunkel. Das wird Chlodwig und vor allem Chlothilde nicht reichen. Remigius auch nicht. Schere mir in Gottes Namen wieder das Haupt und es wird uns nichts geschehen. Dem Herrn im Himmel sei Dank, dass dein Dolch ihn verfehlt hat. Wie hättest du das dem Abt erklärt?«

»Gar nicht«, erwiderte Farro. »Ich hätte das getan, was ich auch jetzt mache. Ich sehe zu, dass ich so schnell wie möglich zu König Ragnachar zurückkehre.« Farro gürtete sich und schlang den Mantel dichter um seinen Oberkörper. »Betet zu Gott oder den Göttern unserer Väter. Vielleicht hat Hunerich wirklich nichts gesehen. Ihr hört von mir.«

In diesem Augenblick wurde von außen der Balken aus der Verankerung gezogen und die Türe öffnete sich. Schnell, ehe der erste Mönch die Schwelle überschritten hatte, zog sich Chararich die Kapuze über den Kopf und wich aus dem Licht der blakenden Öllampe in den Schatten der Zimmerecke zurück.

Als der Mönch den Sperrbalken aus der Verankerung gewuchtet hatte und über die Schwelle treten wollte, wurde er rüde zur Seite gestoßen. Im Straucheln erkannte er den Mann, der behände über ihn hinweg setzte und in weiten Sprüngen zum Ausgang hetzte. Es war der dunkle Besucher, der am frühen Abend um Einlass begehrt hatte. Der Blick, den der Fremde ihm aus brennenden Augen zuwarf, ließ dem Mönch das Blut in den Adern gefrieren. Er wich an die Wand zurück und schlug das Zeichen des Kreuzes.

Wie ein Schatten eilte Farro zum Stall, wo er seinen Rappen gelassen hatte. Ohne den Stallburschen auch nur eines Blickes zu würdigen, sattelte er sein Reittier, schwang sich in den Sattel und trabte durch den Hof auf die von Fackeln erleuchtete Pforte zu. Dort stieß er dem Pferd die Hacken in die Seiten, so dass es sich aufbäumte und wiehernd mit den Vorderhufen ausschlug. Die den Ausgang verstellende Menge kreischte und brachte sich mit hastigen Sprüngen in Sicherheit, während er zum Tor hinaussprengte. Flüche gellten ihm nach, als er die Straße erreichte und sein Pferd nach Norden in Richtung Cameracum lenkte.

`Das war knapp`. Hunerich wischte sich den Schweiß ab, der ihm beim Gedanken an den Dolchwurf auf die Stirn getreten war. `Warum nur hatte er sich von Bischof Remigius überreden lassen, diesen gefährlichen Auftrag anzunehmen? Er hätte es nicht gemusst. Aber der Bischof hatte nicht locker gelassen und auch der Abt hatte ihn gedrängt. Also hatte er, der frühere Krieger und Scharführer, die Abgeschiedenheit seiner Klosterzelle mit dem Staub der Straße getauscht und sich auf den Weg zur Abtei des Heiligen Dionysius gemacht. Es war ihm nicht in den Sinn gekommen, dem Geheiß seines obersten Hirten zu widersprechen. An dem Tag, als er die Schwelle in das Kloster des von ihm glühend verehrten Heiligen Martinus überschritt, hatte er dies als »miles christianus«, als Gottes Krieger, getan.

`Häng dich an Chararich`, hatte der Bischof ihm eingeschärft, `und verschaff mir Sicherheit, ob er sein Gelübde gebrochen hat. Wir vermuten, dass er die Abwesenheit unseres Königs ausnutzen wird, um sein altes Ränkespiel wieder aufzunehmen. Es ist ein gottgefälliges Werk, wenn du mit Beweisen seiner Untreue zurückkehrst`.

Empörte Schreie und der ferne Widerschein von Fackeln rissen Hunerich aus seinen Gedanken.

Im Licht des heller scheinenden Mondes erkannte er, wie schreiende Menschen durch die Pforte ins Freie stürzten und ein Reiter hinausschoss. Der Kiesbelag der Straße staubte auf, als der Reiter, tief über den Hals seines Gaules gebeugt, sein Versteck passierte. Es war der Unheimliche, der den Dolch nach ihm geworfen hatte. Ganz flach machte sich Hunerich und presste sein Gesicht in das weiche Bett der nach Winter duftenden Tannennadeln, um den auf ihn niederprasselnden Kieselsteinen zu entgehen. Dann war der Reiter vorüber.

»Hunerich, Bruder Hunerich«, klang es jetzt von der Pforte zu ihm herüber. »Bruder Hunerich, was hast du nur getan? Der Bruder, der die Pforte bewacht, er regt sich nicht mehr.«

Die Stimmen kamen aus Richtung der Lichtpunkte, die in der Ferne aufleuchteten. Seine Mitbrüder waren durch die offene Klosterpforte ins Freie geströmt, um nach ihm zu suchen. Eine Weile tanzten die Fackeln durch die Dunkelheit, ehe sie stillstanden und zu den massigen Schatten von Abtei und Vicus zurückkehrten. Dort schienen sie sich zu beraten, bis das Geschrei von neuem anhub.

»Er lebt, Hunerich, er lebt. Der Bruder Pförtner war nur bewusstlos. Komm zurück.«

`Niemals`. Hunerich grinste und machte sich bereit, aufzuspringen, falls die Mönche ihm zu nahe kämen. Einen Moment überlegte er, die hinderliche Kutte abzustreifen. Doch er hielt es für klüger, sich nicht von ihr zu trennen. Die Nacht war kalt und das härene Habit konnte ihm auf seiner weiteren Flucht von Nutzen sein. Einem Mann der Kirche würde man nichts tun, ihm einen Platz auf einem Karren anbieten und sogar mit Essen versorgen, wenn er darum bitten würde. Er hatte einen weiten Weg vor sich, bis er Remigius im Feldlager des Merowingers erreichen und ihm Bericht erstatten würde.

Eine halbe Stunde später stellten die Sucher ihre Bemühungen ein und eine nach der anderen erloschen die Fackeln. Auch das Rufen hatte aufgehört und die Stille der Nacht senkte sich auf sein Versteck. Hunerich betrat die Straße und eilte mit weit ausgreifenden Schritten nach Süden.

Sturmgewölk

Beinahe drei Monate waren vergangen und Hunerich begann sich zu fragen, ob der Bischof, der König und der Krieg vor ihm davonlaufen würden.

Noch in der ersten Nacht hatte er Parisia erreicht. Mit eiligen Schritten passierte er die ärmlichen Häuser der rechtsseitigen Vorstadt und überquerte die Seinebrücke, die auf das Tor der mit mächtigen Bastionen umgebenen Insel inmitten des Flusses zuhielt. Dort musste er ausharren, bis die Wachen ihn im ersten Dämmerlicht einließen. Seine Sandalen klapperten über das holprige Pflaster und die schmerzenden Füße erinnerten ihn daran, dass er das leichte Schuhwerk bei nächster Gelegenheit gegen festeres eintauschen sollte. Aber seinen ganzen Besitz, vor allem seine Silbermünzen, hatte er in Sankt Dionysius zurücklassen müssen. Er überlegte, eines der hiesigen Klöster aufzusuchen, aber verwarf diesen Gedanken augenblicklich wieder.

`Was, wenn der Pförtner doch gestorben oder schwer verletzt war und man auch hier nach ihm suchen würde? Nein, er musste alles vermeiden, was seine Mission gefährden konnte. Er hatte einen Auftrag, den er erfüllen musste. Die Botschaft vom Verrat des Chararich musste den Bischof und den König erreichen. Das hatte er bei seinem Seelenheil gelobt. Selbst wenn er betteln und zur Not stehlen musste, um seine Mission zu erfüllen`.

Eilig durchmaß er die Gassen der Inselstadt und erreichte über die zweite Brücke das jenseitige Ufer. Dort folgte er der Hauptstraße, dem Cardo, bis er den ummauerten Platz des ehemaligen Forums erreichte.

Die Stadt war mittlerweile erwacht und die Straßen füllten sich mit Leben. Der mitleidige Patron einer Taverne, der gerade Tische und Schemel unter die Porticus schaffte, schenkte ihm einen Kanten Brot und einen Becher mit verdünntem Wein. An eine der Säulen des hölzernen Vordaches gelehnt, verzehrte er sein Frühstück und machte seine nächsten Pläne. Schließlich hatte er einen Entschluss gefasst. Er dankte dem Wirt für seine Gabe und schlug den Weg zur alten Arena ein, deren zerbröckelnden Mauern außerhalb der Wohnbezirke in den spätsommerlichen Himmel ragten. Dort gab es unterirdische Gänge und Gelasse, in denen er sich ungesehen erholen und etwas Schlaf finden konnte.

Nach einer Woche hatte Hunerich alles zusammengetragen, was er für seine Weiterreise benötigte. Als Erstes hatte er sich festeres Schuhwerk besorgt, das zwar schadhaft, aber leicht auszubessern gewesen war. Es musste genügen, um ihn wenigstens bis nach Turonus zu tragen. Dann schwatzte er den Händlern des Marktes einige fadenscheinige Säcke ab, aus denen er sich eine wärmende Decke nähte. Nadel und Faden hatte ihm eine mildtätige Matrone zugesteckt, von der er jeden Abend ein karges Nachtmahl erhielt. Schließlich hatte er sogar einem betrunkenen Bettler gegen ein Stück Hartkäse ein Messer abgeschwatzt, mit dem er sich gleich sicherer fühlte.

Er hatte Recht daran getan, keines der zahlreichen Klöster aufgesucht zu haben. Einmal war er beinahe einem seiner ehemaligen Mitbrüder aus Sankt Dionysius in die Arme gelaufen, die offenbar nach ihm suchten. Am Abend des gleichen Tages hatte er sich zur Matrone begeben, die ihn reichlich mit Reiseproviant versah. Ein letztes Mal wickelte er sich in dem muffigen Verließ in seine Decke und brach auf, bevor die Sonne die Morgennebel vertrieben hatte.

Der Nächte waren schon sehr kühl geworden und der Sommer neigte sich dem Ende entgegen, als er Parisia, der zukünftigen Hauptstadt und Residenz Chlodwigs, den Rücken kehrte. Ohne Proviant und mit durchgelaufenen Sohlen klopfte er zwei Wochen später an die Pforte des Klosters des Heiligen Martinus in Turonus. Er hatte sich getraut, weil es sein Heimatkloster war und die möglichen Verfolger ihn sicherlich nicht so weit im Süden gesucht hatten.

Der Pförtner erkannte Hunerich und ließ ihn freudig ein. Auch die Mitbrüder, die ihm begegneten, grüßten ihn höflich. Es war, als wäre er gar nicht fort gewesen. Bereitwillig bereitete man ihm eine stärkende Mahlzeit und stattete ihn mit einem neuen Habit und Schuhen aus. Sogar seine alte Zelle war nicht neu belegt worden, so dass er sich nach einem Bad und dem Vespergebet dorthin zurückziehen konnte. Ausgeschlafen und sauber stattete er dem Abt nach dem Abendgebet seinen Antrittsbesuch ab.

Der Klostervorsteher mit dem wallenden weißen Bart und der hervorstehenden Kugel seines mächtigen Wanstes strahlte über das ganze Gesicht, als Hunerich auf sein Geheiß hin auf dem Schemel Platz nahm. Seine Miene kehrte sich jedoch ins Sorgenvolle, als er von den Erlebnissen seines Mitbruders hörte.

»Du musst zu Remigius, aber es ist ein gefahrvoller Weg.« Er schlug das Zeichen des Kreuzes und nestelte an dem silbernen Kruzifix, das ihm an einer bronzenen Kette bis auf die Brust herabhing. »Bis Pictavium und darüber hinaus bis zum Campus Vogladeus, wo Chlodwig die gotteslästerlichen Goten schlug, sind die Straßen sicher. Danach wird es gefährlich.«

»Warum?«, entgegnete Hunerich. »Die Goten sind doch besiegt.«

»Geschlagen«, antwortete der Abt, »aber nicht besiegt. Chlodwig ist weit in den Süden vorgeprescht, um dem Feind die feste Stadt Burdigala wegzunehmen. Wir warten täglich auf die Nachricht vom Fall der Festung. Aber…« Der Abt hob den Zeigefinger, als wolle er mit dieser gewichtigen Geste seinen Unwillen ausdrücken. »Der Merowinger will eine schnelle Entscheidung und hat es bewusst versäumt, die Gegend von versprengten Feinden zu säubern. Hunderte Goten haben sich in die Wälder geflüchtet und machen die Wege unsicher. Und es gibt auch noch einige feste Plätze, wie die Stadt Iculisma, die noch nicht erobert sind.«

»Und wenn schon.« Hunerich schüttelte den Kopf. »Was soll einem armseligen Mönch geschehen, der mit Kutte und Bettelsack durch Gallien wandert?«

»Chlodwig hat bei seinem Einmarsch zum `heiligen Krieg` gegen die arianischen Goten aufgerufen. Der Herr sei dir gnädig, wenn du in die Hände der gottlosen Ketzer fällst. Selbst die einheimischen Romanen stehen nicht geschlossen hinter dem Merowinger. Viele halten es mit den Goten, obwohl Chlodwig ihnen seinen Schutz zugesichert hat.«

»Ich habe aber gehört«, unterbrach Hunerich den Abt, »dass der Merowinger Plünderer und Brandschatzer schwer bestraft habe.«

»Was nichts daran ändert«, beharrte der Abt, »dass die Furien des Krieges über die Dörfer und Äcker gefegt sind. Den Bauern bleiben nur Hunger und Krankheiten, wenn die Truppen weitergezogen sind. Außerdem haben die Menschen nicht vergessen, dass die Franken noch vor fünfzig Jahren als Plünderer und Mordbrenner die blühenden Fluren der gallischen Provinzen heimgesucht haben. Wir sind als Eroberer gekommen und es wird Jahre dauern, die Volksgruppen miteinander zu versöhnen.«

»Und die Goten sind nicht als Eroberer gekommen?«

»Man hat sich arrangiert und gelernt miteinander auszukommen. Selbst in der prekären Glaubensfrage hat König Alarich einen versöhnlichen Kurs eingeschlagen. Es sollen mehrere tausend Romanen auf Seiten der Goten fechten.«

»Alarich ist auf dem Campus Vogladeus gefallen. Man munkelt, dass Chlodwig ihn mit eigener Hand erschlagen hat.«

Der Abt zuckte mit den Achseln und schaute Hunerich durchdringend an.

»Dein Weg ist voller Gefahren. Ich werde zum Heiligen Martinus beten, dass er dich wohlbehalten zu Chlodwig kommen lässt. Und lass dein Ordenshabit hier. Ich werde dich als unverdächtigen Landmann ausstatten lassen. Sprichst du die Sprache der Goten?«

Hunerich schüttelte den Kopf. »Nur ein wenig.«

»Dann meide die Gesellschaft der Menschen. Gott und der Heilige Martinus werden mit dir sein. Und ...«, fuhr er fort, »tue Buße für das Leid, das du deinem Mitbruder im Kloster des Heiligen Dyonisius angetan hast.«

»Was legst du mir auf?«

»Faste und bete eine volle Woche, bevor du aufbrichst.«

Hunerich hielt sich an das Gebot des Abtes, nahm inbrünstig an den Andachten seiner Mitbrüder teil und mied den Genuss von Fleisch, Bier und Wein. Derart gestärkt machte er sich an den Iden des Oktobers auf den Weg in den Süden.

Der Abt hatte ihm eine härene Tunika, ein wollenes Obergewand und einen weiten Kapuzenmantel aus dichtem Filz besorgen lassen. Die warme Hose hat er bis unter die Knie mit Stoffstreifen umwickelt, deren untere Enden er in die Wollstrümpfe steckte. Von den Sachen, die er bei der Ankunft getragen hatte, waren ihm nur die klobigen, aber gut eingelaufenen Schnürschuhe geblieben.

Dem Herrn im Himmel sei es gedankt, traf Hunerich bald nach seinem Aufbruch auf einen Händler, der ihn bis zum Campus Vogladeus begleiten wollte. Der vierschrötige Honorius, der in der Nähe des Schlachtfeldes aufgewachsen war, betrieb schon seit Jahren ein florierendes Handelsgeschäft, das ihn regelmäßig nach Turonus führte. Hunerich brauchte einige Tage, bis er sich an die Geschwätzigkeit seines neuen Reisebegleiters gewöhnt und die Vorteile erkannt hatte. Zum einen kannte Honorius Land und Leute wie kein Zweiter. Wenn er die Hälfte des Gehörten als Aufschneiderei abtat, blieben immer noch genügend Informationen übrig, die ihm weiterhelfen konnten. Der unbestreitbar größere Vorteil lag aber in dem klobigen Carrus, mit dem der Händler seine Waren beförderte. Von zwei geduldigen Zugochsen gezogen, rumpelte der Karren seinem Reiseziel entgegen. Es machte dem kräftigen Mönch auch nichts aus, wenn sich das Gefährt hin und wieder in einem Schlagloch der vernachlässigten Römerstraße festfuhr. Sie stiegen dann ab, stemmten ihre Schultern gegen die rückwärtige Ladeklappe und hievten die Scheibenräder über das Hindernis. In der Nacht breiteten sie ihre Mäntel und Decken auf der Ladefläche aus, über die sie eine Plane spannten. Obwohl es ein ausgesprochen nasser und kühler Oktober wurde, hatten sie nun immer einen trockenen Schlafplatz.

Honorius teilte die Ansicht des Abtes, dass es gefährlich würde, je weiter man nach Süden käme. Er warnte Hunerich eindringlich davor, den Mauern von Icolisma zu nahe zu kommen.

Immer häufiger stießen sie nun auf die Spuren des Krieges. Beim Anmarsch hatte Chlodwig seine Krieger noch im Zaum gehalten und Verstöße mit drakonischer Härte bestraft. Je näher sie aber dem Ort der Entscheidungsschlacht kamen, desto wütender hatten die Furien des Krieges getobt. Ob es Goten oder Franken waren, die die Höfe zerstört und das Getreide auf den Feldern verbrannt hatten, konnte keiner mit Bestimmtheit sagen. Honorius hatte damals dem Herrn und allen Heiligen gedankt, dass sein Anwesen verschont geblieben war.

Einen Tag, bevor die Stunde ihrer Trennung kam, passierten sie südlich der Stadt Pictavium das Schlachtfeld auf dem Campus Vogladeus. Gut sichtbar erhoben sich über dem welligen Terrain die Grabhügel, welche man über den Massengräbern aufgeschichtet hatte.

»Schau nicht hinüber«, warnte Honorius seinen Reisegefährten mit belegter Stimme. »Die Geister der Gefallenen treiben hier ihr Unwesen. Es ist noch nicht lange her, dass sich die Hügel des Nachts bewegten und schreckliche Laute die Nacht erfüllten. Es sind die Seelen der gottlosen Arianer, die nicht zur Ruhe kommen.«

Hunerich wollte seinem Gefährten nicht widersprechen. Er wusste, dass es die Verwesungsgase der Toten waren, die sich ihren Weg aus der Grube suchten. Je mehr die Körper verfielen, desto häufiger gab das Erdreich nach und sackte dann in sich zusammen. In wenigen Jahren würden die Hügel nur noch die Hälfte ihrer ursprünglichen Höhe haben. Von dem eigentlichen Geschehen der Schlacht wusste der Händler nichts zu berichten. Hunerich vermutete, dass er sich beizeiten in den Schutz der dichten Wälder zurückgezogen hatte.

Dann nahte die Stunde des Abschieds. Honorius lud den Franken noch ein, eine Nacht in seinem Haus zu verbringen. Hunerich willigte gerne ein und ließ sich von der Frau seines Gefährten mit einem guten Essen, viel Wein und einem weichen Schlafplatz verwöhnen. Am nächsten Morgen schnürte er sein Bündel und bedankte sich für die Gastfreundschaft und den üppigen Proviant, der ihm mitgegeben wurde. Es nieselte aus einem grau verhangenen Himmel, als er die letzte Etappe seiner Reise antrat.

»Gott mit dir und denke an meine Warnung«, rief ihm sein Gastgeber hinterher. »Meide die Menschen und schlage einen großen Bogen um die Mauern von Icolisma.«

Zum Zeichen, dass er ihn verstanden hatte, hob Hunerich die Hand und winkte Honorius und seiner Frau zum Abschied. Dann strebte er mit ausgreifenden Schritten der nahen Straße entgegen, die ihn nach Burdigala und zu Chlodwig führen musste.

Den Ratschlägen folgend hielt er sich von den Behausungen der Anwohner fern und verließ die Straße, als er sich Icolisma bis auf fünf Leugen genähert hatte. Er vertraute seinem Orientierungssinn, der ihm die ungefähre Richtung wies und nutzte er ausgetretene Pfade und Wildwechsel, um ungesehen an der vom Feind besetzten Festung vorbeizukommen. Er war jetzt einige Tage unterwegs gewesen und hatte damit begonnen, den Proviant zu rationieren. Jeden Bissen kaute er ausgiebig, ehe er ihn schluckte. Zusätzlich ergänzte er seine Mahlzeiten mit dem, was er am Wegesrand fand: essbare Pilze, Bucheckern, die jungen Triebe der Brennnesseln und Sauerampfer. Die leuchtend roten Beeren der Eiben und andere Wildfrüchte mied er, da er nicht wusste, ob er sich damit vergiften würde. Als er endlich die Straße wieder erreicht hatte, sagte ihm sein Gefühl, dass er die Stadt in weitem Bogen umgangen haben musste. Wohlgemut setzte er einen Fuß vor den anderen und summte ein Lied, das seine Mitbrüder in Sankt Dionysius bei den Feldarbeiten angestimmt hatten.

Als er das Trappeln von Hufen hinter sich hörte, wusste er, dass es zu spät war. Er hätte nur den Verdacht der Reiter auf sich gelenkt, wenn er sich jetzt in die Büsche geschlagen hätte. Inbrünstig hoffend, dass es keine Goten waren, spürte Hunerich die Blicke der Reiter in seinem Rücken. Er schickte ein Stoßgebet in den Himmel und wagte es nicht, der Gefahr ins Auge zu blicken.

»Halt, Bauer! Wer bist du?«

Beinahe hätte Hunerich vor Glück laut aufgeschrien, als er den kehligen Klang des rechtsrheinischen Dialektes erkannte. Es waren fränkische Krieger, die ihn an den Rand der Straße drängten und mit ihren kurzgewachsenen, struppigen Gäulen umringten.

»Ich bin ein Freund, ein Franke«, rief er dem Mann mit dem Spangenhelm zu, der sich vor ihm aus dem Sattel geschwungen hatte. Er musste der Anführer sein, da die Blicke seiner Begleiter voller Spannung an jeder seiner Bewegungen hingen.

»Du, Bauer«, herrschte der Mann ihn an. »Woher kommst du? Weißt du nicht, dass es gefährlich ist, alleine im Feindesland unterwegs zu sein?«

»Ich muss nach Burdigala«, antwortete Hunerich. »Bischof Remigius erwartet mich dort.«

»Dann kannst du von Glück sagen, dass die Stadt gefallen ist.« Der Anführer stimmte ein raues Lachen an, in das seine Gefährten einstimmten. »Eine Belagerung ist kein Spaß, Bauer.«

»Ich heiße Hunerich, Bruder Hunerich«, erwiderte Hunerich unerschrocken und lüftete die Kapuze. Der Ärger war ihm dabei deutlich anzusehen. »Ich lebe nach den Regeln des Heiligen Martinus. Und es gab auch ein anderes Leben vor meinem Mönchtum.«

»Habt ihr das gehört, Männer?«, spottete der Anführer. »Fürchtet euch. Ein Soldat des Herrn.« Einige der Krieger hatten Mühe, sich vor lauter Lachen in den Sätteln zu halten.

Hunerich hatte jetzt genug. Eben hatte er noch darüber nachgedacht, den Anführer zu fragen, ob sie ihn nicht mitnehmen könnten. Sie führten zwei Pferde mit sich, deren Sättel leer waren. Offenbar hatte es eine Auseinandersetzung mit den Goten gegeben, die Zweien von ihnen den Weiterritt unmöglich gemacht hatte. Sie waren wohl tot, weil einer der Gäule mit Waffen und Ausrüstungsstücken bepackt war. Dass man sie nicht mit ihrer Habe bestattet hatte, warf kein gutes Licht auf die Schar.

»Sag mir«, begann er beherrscht, wie viele Tagesmärsche sind es noch bis Burdigala? Dann reitet mit meinem und Gottes Segen.« Er schlug das Zeichen des Kreuzes und umfasste sein hölzernes Kruzifix mit der Rechten.

»Es war nicht so gemeint«, gab der Anführer nach. Er hatte wohl daran denken müssen, dass Chlodwig allergrößten Wert auf die gute Behandlung von Klerikern legte. »Es sind fünf harte Tagesmärsche.« Dann wies er auf das unbepackte Pferd. »Du kannst reiten? Steig auf, du darfst uns begleiten.«

Schon wollte Hunerich einwilligen, als ihm eine innere Stimme riet, den Rest des Weges ohne Begleitung zurückzulegen, und er dankend ablehnte.

»Wie du willst«, antwortete der Anführer enttäuscht. »Ich kann dich nicht zwingen. Aber erzähle keinem, dass wir dich nicht mit der erforderlichen Ehrerbietung behandelt hätten. Ich würde dir sogar das Pferd lassen. Aber es gehört jetzt der Frau des unglücklichen Besitzers.«

»Es ist gut«, lächelte Hunerich. »Eine letzte Frage noch: Sind die Straßen frei von Feinden?«

»Die Einzigen, die wir gesehen haben, sind tot oder haben sich hinter die Mauern von Icolisma geflüchtet. Es wird Zeit, dass dieses Rattennest endlich ausgeräuchert wird.« Wieder stimmten die Krieger ihr raues Lachen an.

Der Anführer hob die Rechte, worauf die Schar sich in Bewegung setzte und in Richtung Süden davontrabte. Hunerich atmete tief durch, als der Trupp verschwunden war. Irgendetwas war ihm an der Begegnung nicht geheuer gewesen. Er nahm sich vor, sich nicht wieder überraschen zu lassen und auch den Weg hinter ihm im Auge zu behalten.

Ohne einen weiteren Zwischenfall erreichte er am Abend ein schützendes Wäldchen, in dem er sein Nachlager aufschlug. Es hatte zu Nieseln begonnen, so dass er sich aus Tannenzweigen ein provisorisches Schutzdach errichtete. Hungrig schlang er sein Nachtmahl herunter und wickelte sich fest in seine Decke, weil es kalt geworden war. Ein Feuer konnte er nicht entzünden, da er seinen Vorrat an trockenem Zunderschwamm aufgebraucht hatte. Selbst das hätte ihm auch nichts genutzt, weil alles brennbare Material, wie Zweige und Tannennadeln, vom Regen und Nebel der letzten Woche durchgeweicht war. Seine Atemluft kondensierte bei jedem Zug und er sehnte sich nach seiner trockenen, geheizten Klosterzelle und seinem weichen Bett.

Es wurde eine kurze Nacht mit wenig Schlaf und ihn schmerzte seine Blase, die er sich in dem kalten Wetter entzündet hatte. Mehrmals musste er sich aus der Decke schälen, um an einem Baum unter Schmerzen seine Notdurft zu verrichten. Er spürte jeden Knochen seines gepeinigten Körpers, als es schließlich dämmerte und er seinen Weg fortsetzten konnte. Behutsam packte er seine Sachen zusammen und setzte vorsichtig Schritt vor Schritt, bis er die Straße erreicht hatte. Selbst jetzt dauerte es noch eine viertel Stunde, bis er sich wieder eingelaufen hatte. Es wurde Zeit, dass er das Ziel seiner Reise erreichte.

`Vielleicht hätte er das Angebot des Anführers doch annehmen sollen. Besser ein durchgerittener Hintern, als dieses Martyrium noch vier oder fünf Tage durchstehen zu müssen`.

Das Krächzen der Raben hörte er, bevor er sie in der Luft kreisen sah. Einige Schritte abseits sah er sie aufsteigen und wieder herabstoßen, wobei sie ihr garstiges Lied ausstießen.

`Das hat nichts Gutes zu bedeuten`. Vorsichtig näherte er sich der Stelle, schlüpfte durch eine Lücke im Gebüsch, bog einige Äste zur Seite und stieß einen erstickten Schrei aus.

`Meide die Menschen`, schoss Hunerich die Mahnung des Honorius durch den Kopf. Aber das waren keine Menschen mehr, die da niedergestreckt im Gras lagen. Es waren Tote mit verrenkten, blutigen Gliedern, denen die Qual und die Todesangst noch in den Gesichtern standen. Das Fauchen eines Raben, der mit spitzem Schnabel in der Augenhöhle einer Leiche stocherte, löste die Erstarrung seiner Glieder. Wild mit den Armen in der Luft rudernd brach Hunerich schreiend durch das Gebüsch. Die aufgescheuchten Todesboten umflatterten ihn mit lautem Krächzen, stießen nach ihm und ließen sich in der Krone einer Eiche nieder. Aufmerksam verfolgten sie von dort das Geschehen am Boden.

`Gütiger Gott im Himmel`, stöhnte Hunerich, als er die Männer erkannte. Es waren die Reiter, die ihn am Vortag eingeholt hatten. Man hatte sie bestialisch ermordet und ihnen bis auf einige unbrauchbare Kleiderfetzen alles genommen, was sie am Leib trugen.

`Weg von hier!` bäumte sich sein Innerstes auf, aber er widerstand der Versuchung, fortzulaufen. Hunerich wusste nicht, ob es Christen oder Heiden waren. Aber er wusste, was seine Pflicht war. Mit seinem Messer versuchte er, den Boden aufzubrechen, um den Männern ein provisorisches Grab zu bereiten. Steine und Wurzeln vereitelten aber sein Vorhaben, so dass er die Toten schließlich nebeneinander bettete. Dann bedeckte er die Kadaver mit belaubten Ästen, die er mit größeren Gesteinsbrocken beschwerte. Er keuchte und schwitzte und war so in seine grausige Arbeit vertieft, dass er die Schatten erst dann bemerkte, als sie ihm beinahe die Sicht nahmen. Hunerich richtete sich auf und schnellte herum, als ihn ein Schlag am Kopf traf. Er sah nur einen grellen Blitz vor seinen Augen, dann wurde es schwarz um ihn und er brach zusammen.

»Ist der hin?«, fragte einer der Krieger in die Runde und stieß mit dem Schaft seiner Lanze nach Hunerich, der ein Stöhnen von sich gab.

»Noch nicht«, antwortete ihm ein Mann in schwarzem Lederkoller, dessen Mantel eine protzige Adlerfibel zierte. »Hängt ihn an den nächsten Baum und dann nichts wie weg. Vielleicht sind noch andere Franken in der Nähe.«

»Das darfst du nicht, Totila«, hielt ihn ein weiterer Bewaffneter zurück und vertrat ihm den Weg. Schon wollte der Gote den Romanen beiseiteschieben, um das Seil zu holen, das an seinem Sattel befestigt war.

»Warum nicht?«, drohte der Gote, blieb aber stehen.

»Siehst du das Kreuz?«, wies der Romane auf die Habseligkeiten ihres Opfers, die sie zu einem Häuflein zusammengetragen hatten. »Er ist wahrscheinlich ein Mönch, ein Diener des Herrn.«

»Ein von Gott verdammter Irrgläubiger«, antwortete Totila unwirsch. »Ein Leugner der Lehre des Arrius.«

Während die Goten unter den Männern dem Mann mit der Fibel anfeuernd zustimmten, begannen die wenigen Romanen zu murren.

»Hat König Alarich nicht befohlen, keinen Unterschied im Glauben zu machen?«, erwiderte der Romane selbstbewusst. »Auch ich und meine Freunde glauben nicht an die Lehre des Arrius.«

»Alarich ist tot.« Totila kniff die Lippen zusammen, ehe er fortfuhr. »Gefallen gegen Chlodwig, der im Namen seines Gottes unsere Höfe verbrennen und unsere Frauen schänden lässt.«

»Lassen wir ihn leben«, mischte sich ein weiterer Gote ein. »Die Franken haben einige unserer besten Krieger gefangen. Vielleicht können wir sie gegen den Mönch austauschen.«

Totila überlegte eine Weile, bis er seine Zustimmung gab. »Glaube nicht, Severus«, wandte er sich an den Romanen, »dass ich ihn am Leben lasse, wenn aus dem Austausch nichts wird. Dann hänge ich ihn persönlich an den nächsten Ast.«

Hunerich war mittlerweile wieder zur Besinnung gekommen. Sein Kopf schmerzte und er konnte sich kaum bewegen. Von dem gotisch-romanischen Kauderwelsch, das sein Gehör umschwirrte, hatte er nur wenige Brocken verstanden. Er wusste nur, dass er den Goten und einigen mit ihnen verbündeten Romanen in die Hände gefallen war und sich glücklich schätzen konnte, noch am Leben zu sein. Dann wurde er brutal hochgerissen, an den Händen gebunden und unter Schlägen zur Straße getrieben. Dort angekommen hievte man ihn auf einen der erbeuteten fränkischen Gäule. Sein Kopf schmerzte bei jedem Tritt seines Pferdes und er fühlte sein Blut aus der Kopfwunde heraus in den Nacken rinnen, als es im Galopp Richtung Icolisma ging.

Es regnete seit mehr als zwei Wochen. Ein Regengebiet auf das nächste war über das weite Meer herangefegt und hatte das Land und die Weinberge in einen Morast verwandelt. Keiner konnte sich in Burdigala erinnern, jemals einen solchen Spätherbst erlebt zu haben. Das trübe Tageslicht währte immer kürzer und man konnte die Tage bis zum Geburtsfest des Herrn an beiden Händen abzählen. Einer der wenigen trockenen und warmen Plätze der Stadt, das altehrwürdige Prätorium, war alleine dem Merowinger und seinem Gefolge vorbehalten. An den Iden des Novembers, als die Goten die Stadt geräumt hatten, waren die Franken hier eingezogen.

Eingehüllt in einen wärmenden Pelz hatte es sich Chlodwig in seinem hölzernen Thronsessel bequem gemacht. Zum Verdruss seiner Dienerschaft hatte er sich angewöhnt, das aufwendige und schwere Möbel auf seinen Reisen und Kriegszügen mitzuführen. Gedankenverloren massierte Chlodwig seinen schmerzenden Ellenbogen und starrte in die wabernde Glut des Feuerbeckens, das die einzige Wärmequelle des Raumes darstellte. Mehrmals hatte er angeordnet, das komplizierte Heizungssystem der Römer wieder in Gang zu setzen. Aber die marmornen Verkleidungen von Böden und Wänden waren kalt geblieben. Stattdessen war beißender Qualm durch die Flure und Hallen gezogen, der einem die Luft zum Atmen genommen hatte. Die Hypokausten mussten an mehreren Stellen beschädigt sein und es gab keinen, der diesem Umstand abhelfen konnte. Also hatte man an allen erdenklichen Stellen metallene Heizbecken aufgestellt, die das Gebäude notdürftig erwärmten und die durch alle Ritzen einströmende Feuchte niederhielten. Trotzdem waren die Kleider feucht und die Papiere und Pergamente der königlichen Kanzlei hatten Stockflecken angesetzt. Jeder sehnte ein Ende des Regens und ein wenig Sonne herbei, die soweit im Süden auch im Winter etwas wärmte und trocknete.

Chlodwig veränderte seine Sitzhaltung und stöhnte leicht auf, weil seine Kniegelenke schmerzten. Beim Aufstehen musste er immer häufiger einige vorsichtige Schritte machen, bis seine Beine ihm wieder gehorchten. Sein Arzt hatte wohl Recht, wenn er ihm eine gesündere und vor allem fleischarme Mahlzeit empfahl. Ein Blick in den Spiegel hätte ihm das zerfurchte Gesicht eines alternden Mannes gezeigt, den die Anspannung und die Strapazen der vergangenen Jahre gebeugt aber nicht gebrochen hatten. Dabei hatte er die Vierzig gerade erst überschritten. Seine Feinde und Neider würden wohl noch einige Jahre auf sein Ableben warten müssen. Falls er ihnen nicht zuvor kam und sie zu ihrem Schöpfer schickte. Er hätte sich mehr schonen und nicht jede Auseinandersetzung und Herausforderung annehmen sollen.

Chlodwig schloss die Augen und sah die Ebene des Campus Vogladeus, wo vor drei Monaten das Schicksal die Westgoten herausgefordert hatte. Er hatte den Kampf immer geliebt, aber dieses verzweifelte Gemetzel erfüllte ihn jedes Mal von neuem mit Abscheu. Nicht viel hatte gefehlt und er wäre einen sinnlosen Tod gestorben.

Anfangs war alles nach Plan verlaufen. Die Goten waren vorgerückt und hatten sein Zentrum attackiert, während ihre Reiterei gegen die auf dem rechten Flügel aufgestellten Burgunden lospreschte. Es gelang den Kriegern Sigismunds jedoch, die Goten mit ihren Pfeilen und Speeren auf Distanz zu halten. Auch der Angriff gegen seine Bucellarier war nicht mit der letzten Entschlossenheit geführt worden. Nur kurz verzahnten sich die Schlachtreihen, ehe die Goten sich lösten und in scheinbarer Flucht davonliefen.

Chlodwig hatte mit diesem Manöver gerechnet, das Alarich schön öfters angewendet hatte. Deshalb hatte er den Rheinfranken unter Chloderich eingeschärft, ihm zu folgen, wenn er den Goten nachsetzte. Mit flatternden Bannern und wildem Kriegsgesang setzten die Bucellarier dem Feind nach, wobei sie die dichten Reihen der Verbündeten hinter sich wähnten. Nach einer halben Leuge boten ihm die Goten endlich die Stirn. Alarich hatte die im Hinterhalt liegenden Verstärkungen erreicht und seine Reihen mit tausenden ausgeruhten Kämpfern verstärkt. Ein gewaltiges Tosen und Brüllen stieg zum Himmel, als die beiden Heere mit voller Wucht aufeinanderprallten. Der aufgewühlte Staub nahm ihm die Sicht, so dass er nicht sehen konnte, dass er sich in der Unterzahl befand und der Feind seine Flanken überflügelte. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass Sigiberts Sohn ihm nicht gefolgt war und er sich in einer verzweifelten Lage befand. Entweder hatte Chloderich seine Weisung nicht verstanden oder er hatte die Hosen vollgehabt.

Dann hatte er Hortarius befohlen, sich zurückzuziehen und Florentinus und andere Scharführer und Vorkämpfer um sich geschart, um das Absatzmanöver zu decken. Mit dem Plan, den anderen ein leuchtendes Beispiel zu sein, hatte er sich in die erste Reihe begeben und aus dem Sattel heraus mit Spatha und Franziska auf den nachdrängenden Feind eingeschlagen. Plötzlich war er abgeschnitten und sah zwei Feinde mit ihren Speeren auf ihn losgehen. Es gelang ihm, dem ersten Stoß auszuweichen, aber der zweite Gote trieb ihm seine Waffe mit aller Wucht in die Seite. Gott im Himmel und dem Heiligen Martinus sei es gedankt, dass sein Schuppenpanzer der stählernen Klinge widerstand. Trotzdem hätte ihn die Wucht des Stoßes beinahe aus dem Sattel geworfen. Mit letzter Kraft krallte er sich in die Mähne seines Reittieres und hieb ihm die Sporen in die Seiten, was ihn in die Nähe seiner Gefährten brachte. Florentinus hatte alles mit angesehen und einige Krieger gesammelt, mit denen er den König aus seinen Feinden herausschlug.

Chlodwigs Hand tastete an die Stelle seiner Hüfte, an der sich noch heute ein dunkler Fleck befand, der ihn wohl zeitlebens an diesen schrecklichen Augenblick gemahnen würde. Wäre er gefallen, es wäre alles vergebens gewesen. Seine Siege, Eroberungen, sein Reich – es hätte keinen Bestand gehabt und wäre in wenigen Wochen zerbrochen. Chlothilde und Theuderich – Chlotar, Childebert und Chlodomer waren noch zu klein – hätten es gegen die Meute der Widersacher nicht zusammenhalten können. Noch nicht. Erst wenn die Goten vollständig besiegt wären und er mit seinen inneren Feinden abgerechnet hätte.

Chararich, Ragnachar und Sigibert! Der Merowinger ballte die Fäuste.

Und warum gaben die Goten nicht auf? König Alarich war auf dem Campus Vogladeus gefallen und sein Sohn Amalrich ein Kind, dessen erwachsener Halbbruder Gesalech die Herrschaft in Hispanien an sich gerissen hatte. Chlodwig wusste die Antwort. Sie hielten aus, weil Theoderich seine Ostgoten zum Krieg rüstete.

»Herr«, riss ein Diener den Merowinger aus seinem Brüten. Chlodwig hatte ihn nicht hereinkommen hören und schreckte in seinem Thronsessel hoch.

»Was gibt es?«, herrschte er den verängstigt zurückweichenden Mann an.

»Bischof Remigius bittet darum, vorgelassen zu werden.«

»Ja«, knurrte Chlodwig, als der genannte schon eintrat und der Diener sich eilig zurückzog.

»Und?« Chlodwig blickte hoch, als wenn ihn sein erster Berater bei einer wichtigen Beschäftigung gestört hätte.

»Gott mit dir, großer König der Franken.« Der Bischof schien nur wenig beeindruckt. Er kannte die mürrische Art seines Königs und kam gleich zur Sache. »Der Festungskommandant von Icolisma hat einen Boten geschickt. Er schlägt vor, einige Gefangene auszutauschen. Es handelt sich um einen Mönch, den er gegen zwei Grafen auslösen möchte.«

»Zwei Grafen gegen einen Mönch?« Chlodwig schüttelte den Kopf. »Das Mönchlein soll bleiben, wo es ist.«

»Es ist Hunerich«, erwiderte Remigius.

»Ja, und?«

»Jener Hunerich«, ließ sich der Bischof nicht beirren, »den ich zur Überwachung des Chararich ins Kloster des Heiligen Dionysius entsandt hatte. Ich glaube, er war auf dem Weg zu dir, als man ihn fing. Das kann nur bedeuten, dass er wichtige Neuigkeiten hat.«

Chlodwig bedachte sich einen Moment, ehe er antwortete. »Dann tausche ihn gegen die beiden Verwundeten aus, die Theuderich bei der Eroberung von Tolosa in die Hände gefallen sind. Soll der Kommandant von Icolisma sie gesund pflegen, bis wir die Festung erobert haben.«

»Ich habe das nötige schon veranlasst«, antwortete Remigius. »Ich habe die beiden Genannten mit einer Eskorte weggeschickt, die den Hunerich in Empfang nehmen und nach Burdigala bringen wird.«

»Du hast es bestimmt, ohne mich zu fragen?«

Remigius sah das Blitzen in den Augen des Königs und wusste, dass er zu weit gegangen war. Er würde sich in Zukunft vorsehen und die Hierarchien genau einhalten müssen, wenn er keinen Ärger mit dem Merowinger riskieren wollte. Chlodwig hatte sich geändert. Er erinnerte sich an die überzogenen Bestrafungen, die Chlodwig während des Vormarsches ausgesprochen hatte. Vermeintliche Plünderer und Befehlsverweigerer hatte er unnachsichtig hinrichten lassen. In besonders drastischen Fällen hatte er die Strafe selber vollzogen. Sein jähzorniges Wesen war in den letzten Jahren immer ungehemmter zu Tage getreten. Remigius schob es auf seinen körperlichen Verfall und das Fernbleiben von Chlothilde, die es vorgezogen hatte, bei ihren kleinen Kindern in Suessonis zu bleiben. Der Merowinger wurde seiner Umgebung umso gefährlicher, je länger er dem mäßigen Einfluss seiner klugen Frau entzogen war.

»Verzeih meinen Übereifer«, entschuldigte sich der Bischof. »Ich dachte, in deinem Sinne zu handeln und wollte keine Zeit verlieren. Du kennst den Zorn der Goten. Vielleicht bringt Hunerich Nachrichten, die ein Vorgehen gegen Chararich rechtfertigen.«

»Es ist gut.« Ein Aufleuchten huschte über die Züge des Königs. »Das wäre endlich eine gute Nachricht. Der Mann soll sofort zu mir gebracht werden, wenn er in Burdigala eingetroffen ist.« Der Zorn des Merowingers schien verraucht.

»Gibt es Neuigkeiten vom Kriegsschauplatz im Süden? Was macht Theuderich? Was ist mit Theoderich und den Ostgoten?«

»Nichts, was du nicht schon weißt«, entgegnete Remigius mit Bedauern. »Dein ältester Sohn hat sich wieder nach Tolosa zurückgezogen, nachdem die Eroberung von Carcaso missglückt ist. Er will dort den Winter abwarten und es im Frühjahr noch einmal versuchen. Seine Truppen sind erschöpft und müssen sich erholen.«

»Dann sitzen die Goten weiter auf ihren Schätzen und können in aller Ruhe auf Theoderich warten. Wenn uns ihr Gold doch in Tolosa in die Hände gefallen wäre! Unsere Kassen sind leer und ich muss meine Krieger entlohnen. Wenn sie unruhig werden, muss ich hart durchgreifen.«

Remigius dachte mit Schaudern an die Exempel, die Chlodwig in den letzten Monaten statuiert hatte.

»Die Ostgoten«, fuhr er fort, »werden ihre Rüstungen erst im Frühjahr beendet haben. Theoderich muss seine Truppen erst sammeln, die er auf die Hafenstädte Italiens verteilt hatte. Leider haben sich die Oströmer damit begnügt, nur einige Landemanöver ausgeführt zu haben. Sie haben halbherzig geplündert und sind davongesegelt, wenn sie Gegenwehr erwarteten. Immerhin hat uns das bis heute den Rücken freigehalten. Kaiser Anastasius hat sein Wort nicht gebrochen, aber er sieht sich nicht in der Lage, einen längeren Krieg gegen Theoderich zu führen!«

»Verweichlichte, fränkische Oströmer.« Chlodwig machte eine abfällige Handbewegung. »Und unsere Kleinkönige?«, fuhr er fort. »Verhalten sie sich ruhig oder müssen wir mit Schwierigkeiten rechnen?«

»Chararich hast du mit seinem Sohn ins Kloster verbannt. Was mit ihm ist, werden wir in Kürze erfahren.« Remigius konnte es nicht unterlassen, seinen König selbstgefällig anzulächeln. »Ragnachar hat sich enger mit seinen Brüdern verbunden. Er hat Richar an seinen Hof nach Camaracum geholt, während Rigomer in Suindinum Söldner anwirbt. Es gibt aber auch erfreuliches.«

Chlodwig hob interessiert den Kopf, als Remigius weiterredete.

»Das Volk und ein Teil des Heeres scheinen nicht mehr hinter Ragnachar zu stehen. Sein Berater Farro hatte einen seiner besten Heerführer, einen gewissen Ullrich, schwer gekränkt, der sich daraufhin auf seine Ländereien zurückgezogen hat.«

»Jener Ullrich, der sich gegen die Alamannen ausgezeichnet hat?«

»Genau dieser«, antwortete Remigius.

»Das ist gut.« Chlodwig rieb sich zufrieden die Hände. »Und Farro?«

»Der Mann treibt weiterhin sein Unwesen. Ragnachar scheint ihm aber treu ergeben zu sein. Man munkelt, dass auch sein Lebenswandel immer gottloser wird. Er braucht diesen Unhold, um sein ausschweifendes Leben in gierigen Zügen zu genießen. Viele vermögende Familien haben ihre hübschen Töchter in deinem Herrschaftsbereich in Sicherheit gebracht. Die Klagen der Priester und Bischöfe nehmen wegen der unsittlichen Übergriffe kein Ende.«

»Und Sigibert, König der Rheinfranken?«, fragte Chlodwig gespannt.

»Sigibert ist ein Fuchs«, sinnierte Remigius. »Er schickt dir eine Streitmacht und seinen Sohn, verhandelt aber insgeheim mit den Thüringern und den Ostgoten. Ein Graf Amalrich ist in der Colonia gesehen worden. Die Verhandlungen soll übrigens Silinga, die Nichte deiner Frau Chlothilde, maßgeblich beeinflussen.«

»Ein kluges und gerissenes Mädchen«, unterbrach Chlodwig seinen Bischof. »Ihr Gatte, Chloderich, ist ehrgeizig, aber dumm. Aber König Sigibert ist eine Gefahr. Er muss beseitigt werden.«

»Was planst du?«, fragte Remigius. »Tue nichts Gottloses.«

»Es muss Gott gefallen, wenn ich dem Heidentum der Rheinfranken ein Ende bereite.

»Und Chloderich? Er hat in der Schlacht versagt und dich in große Gefahr gebracht. Trotzdem behandelst du ihn mit ausgesuchter Freundlichkeit.«

»Ich brauche ihn. Ihm wird beim Untergang seines Vaters eine wichtige Rolle zukommen. Das muss dir für heute genügen.«

Remigius nickte. Er wusste, dass es keinen Sinn machte, weiter in den Merowinger zu dringen. Chlodwig würde sich ihm offenbaren, wenn es an der Zeit war.

Hunerich hatte schon mit seinem Leben abgeschlossen, als der Wärter in sein Verließ kam und die Kette von seinem Fußgelenk löste. Sie würden ihn jetzt aufhängen, weil der Austausch nicht zustande gekommen war. Eine kurze Qual und dann würde er im Paradies sein. Er bedauerte aber, dass sein König und der Bischof nichts vom Verrat des Chararich erfahren würden. Jedenfalls hatte er seine Pflicht getan und würde bald reinen Gewissens vor Gottes Thron treten. »Heiliger Martinus, steh mir bei«, flehte er inbrünstig, als man ihn durch die Pforte auf den Hof führte.

Aber er sah keine Schlinge vom Ast der mächtigen Eiche herunterbaumeln, als er seine bangen Blicke umherschweifen ließ. Stattdessen gewahrte er ein gesatteltes Pferd, das unruhig mit den Vorderhufen im Kies scharrte.

»Steig auf und reite!« Der Wärter schlug ihm gönnerhafte seine schwere Pranke auf die Schulter. »Vor dem Tor warten einige Krieger, die dich zu deinen Leuten bringen. Hast noch mal Glück gehabt.«

»Gott wird es dir danken«, stammelte Hunerich, der unter dem Schlag beinahe zu Boden gegangen wäre. Mit unbeholfenen Schritten stakste er zu dem Gaul, der aufmerksam den Kopf hob. Er legte die Hände an den Sattelknopf und zog sich mühsam hinauf. Die Kerkerhaft hatte ihn sehr geschwächt und das helle Tageslicht schmerzte in den Augen. Währenddessen war das Hoftor aufgeschwungen, durch das er das Pferd zu der Gruppe von Reitern dirigierte, die auf ihn warteten.

Die Kalenden des März waren ein warmer und sonniger Tag. Auf den Brachen spross das erste Gras und frühe Blüten reckten sich der Sonne entgegen. Die Reiter, die den Mönch in die Mitte genommen hatten, hatten aber keinen Blick für die Schönheiten der Natur. Die Umgebung genau musternd, um einem eventuellen Überfall zuvorzukommen, strebten sie der Stelle zu, an der der Austausch stattfinden sollte. Wie verabredet, trafen sie wenige Leugen vor der Stadt auf den fränkischen Trupp, der ihnen den Karren mit den beiden Verwundeten übergab. Eigentlich ein schlechter Tausch, aber einer der Grafen war ein Vetter des Stadtkommandanten, was den Handel ermöglicht hatte.

Von Chlodwigs Kriegern eskortiert, trat Hunerich den letzten Teil seiner Reise an.

Anlässlich der ersten schönen Tage hatte Chlodwig die Musterung seiner Truppen um einige Tage vorgezogen. Alle Gruppen und Kriegshaufen, die in der Nähe von Burdigala oder in der Stadt selbst lagerten, hatten sich auf dem diesjährigen Märzfeld eingefunden. Begeisterte Zurufe empfingen den Merowinger, als er in Begleitung des Bischofs und seiner Heerführer die Front der angetretenen Krieger abritt. Hin und wieder zügelte er sein Ross und sprach mit dem einen oder anderen verdienten Krieger. Zuerst wandte er sich an die Franken, besuchte dann die verbündeten Burgunden und suchte zum Schluss die Rheinfranken auf. Herausgeputzt in seiner silbernen Rüstung erwartete Chloderich, Sigiberts Sohn und Thronfolger der Colonia, den Auftritt des Merowingers.

Bis auf eine Pferdelänge ritt Chlodwig heran, schwang sich aus dem Sattel und nahm seinen Bundesgenossen in die Arme, der ebenfalls abgestiegen war.

»Sei mir gegrüßt, tapferer Sohn des weisen Sigibert!« Wegen der übertrieben höflichen und ehrerbietigen Floskel begann das Gefolge des Merowingers, verhalten zu tuscheln. Jeder fragte sich, was ihren König zu dieser unverdienten Auszeichnung bewogen hatte. Chloderich hingegen strahlte den Vetter seines Vaters mit unverhohlener Bewunderung und stolzgeschwellter Brust an.

»Ich grüße dich, König der Franken. Möge unsere Waffenbrüderschaft ewig währen.«

Das aufkeimende Gelächter der Umstehenden war nicht zu überhören, weshalb ihnen der Merowinger einen tadelnden Blick zuwarf. Dann nahm er seinen Verbündeten am Arm und führte ihn, gefolgt von Remigius und Hortarius, einige Schritte zur Seite.

»Mehr denn je brauche ich deine Unterstützung«, begann Chlodwig ohne Umschweife das Gespräch. »Aber nicht hier, sondern an anderer Stelle.«

Chloderich schaute überrascht, während sich Hortarius und der Bischof vielsagende Blicke zuwarfen.

»Wo soll das sein? Warten nicht viele Städte der Goten darauf, von uns erobert zu werden?

»Am Rhein«, antwortete Chlodwig. Dann begann er zu flüstern, so dass die Anderen Mühe hatten, ihn zu verstehen. »Wenn ich mit dem Heer nach Icolisma aufbreche, wirst du in die Colonia zurückzukehren.«

»Warum?«, begehrte Chloderich auf. »Brauchst du meine Krieger nicht mehr? Jetzt, wo die Ostgoten kommen.«

»Deine Männer lass hier«, fuhr Chlodwig fort. »Aber was deinen Vater betrifft, sind mir schreckliche Dinge zu Ohren gekommen.«

»Was?« Der Thronfolger vergaß vor Überraschung, seinen Mund zu schließen, weshalb Chlodwig seinen Kopf zur Seite drehte. Was auch immer sein Gegenüber gegessen oder getrunken hatte, es musste etwas Furchtbares gewesen sein. `Vielleicht sollte er sich auch nur etwas besser pflegen`, schoss es Chlodwig durch den Kopf. `Es gibt Hölzer und Kräuter die man kauen kann und die den schlechten Atem nehmen`.

»Gesandtschaften des Feindes, Ostgoten und Thüringer, sind in der Colonia und reden deinem Vater törichte Dinge ein.«

»Das kann nicht sein«, entsetzte sich Chloderich. »Das würde Vater niemals tun. Er steht zu dir.«

»Vielleicht will er das«, fuhr der Merowinger fort. »Aber ist dein Vater noch Herr seiner Gedanken? Seit seiner Verwundung soll er nicht mehr unter Menschen gehen. Man nennt ihn deshalb den Lahmen.« Chlodwig machte eine Pause, um seinen folgenden Worten mehr Bedeutung zu geben.

»Was ist das für ein König, der seine Tage im Lehnstuhl verbringt und seine Krieger nicht mehr in die Schlacht führen kann? Es wäre besser, wenn ein Jüngerer und Tatkräftigerer seinen Platz einnimmt. Einer, der die Politik nicht dem Ränkespiel einer Frau überlässt. Ein solchen Mann würde ich meinen Freund nennen und ihm in der Not beistehen, so wie er mir beigestanden hat.«

»Was sollen mir deine Worte sagen?«, stammelte Chloderich und blickte von Remigius zu Hortarius und dann wieder zu Chlodwig. Seine Mimik wechselte von Verlegenheit in Unsicherheit, Machtgier und Stolz.

»Behalte meine Worte und denke nach, wenn du wieder in der Colonia bist. Und wenn du dich für das Richtige entscheidest, werde ich dich in allem unterstützen.« Chlodwig saß auf, drückte seinem Pferd die Sporen in die Seiten und sprengte, umtost vom Jubel seiner Krieger, davon. Kurz vor dem Stadttor holten ihn der Bischof und sein erster Heerführer ein.

»Das ist nicht gottgefällig, Sohn des Childerich und Urenkel des Merowech. Wie kannst du den Sohn gegen den Vater aufwiegeln? Weißt du, wozu Chloderich in der Lage ist?«

»Ich will es hoffen«, antwortete der Merowinger und lachte. »Um mein Seelenheil brauchst du dich nicht zu sorgen, heiliger Mann. Hast du vergessen, was diese Intriganten und Verräter mir angetan haben? Mein ist die Rache, spricht doch der Herr. Oder hast du diese Worte nie ausgesprochen?«

»Chlothilde, die Königin, wird es nicht dulden«, brauste Remigius auf.

»Sie ist meine Königin und meine Frau. Sie hat sich immer in das gefügt, was ich entschieden habe.«

Remigius schüttelte den Kopf und blickte zu Hortarius, der ihn breit anlächelte.

Wenige Tage später verließ Chloderich in Begleitung einiger Gaugrafen und einer Eskorte von hundert Kriegern das Kriegslager von Burdigala. Der verbleibende Rest seiner Truppen rüstete sich derweil zum Kampf, um mit Chlodwig vor die Mauern von Icolisma zu ziehen.

Mit lauter Stimme pries Hunerich den Herrn im Himmel, als er das glitzernde Band der Garonne und an ihren Ufern die Mauern von Burdigala aufragen sah. Es waren nur noch wenige Stunden, die ihn vom Ende seiner Reise und dem Ziel seiner Mission trennten.

Sie folgten der Straße, die durch sanft abfallende Hügel auf die Stadt zuführte. Soweit das Auge blickte, erstreckten sich die Weingärten dieser von Gott gesegneten Region. Die Weinbauern und ihre Knechte hatten das schöne Wetter genutzt und waren schon früh ausgerückt. Mit Hacken lockerten sie den Boden zwischen den Rebstöcken, entfernten grobe Steine und ebneten die Schrunden und Löcher, die der Regen im Boden hinterlassen hatte. Einige von ihnen besserten die knie- und hüfthohen Gestelle aus, an den die Reben gebunden wurden, nachdem sie von den verdorrten Trieben befreit worden waren. Hunerich hatte viel von dem köstlichen Rebensaft der hiesigen Regionen gehört und nahm sich vor, sobald als möglich einen Krug zu leeren. Zuvor musste er aber Remigius seine Aufwartung machen und ihm vom Verrat des Chararich berichten.

Wenige Leugen vor der Stadt kündete eine Staubwolke von einer Reiterschar, die auf sie zuhielt. Als diese heran war, lenkten sie ihre Pferde in den Straßengraben, um die größere Gruppe passieren zu lassen. Hunerich zählte hundert Reiter, denen ein Tross von etwa einem Dutzend Wagen folgte.

»Hast du das gesehen?«, hörte er zwei Krieger hinter sich tuscheln. »Das war Chloderich, der Sohn Sigiberts. Wie es scheint, hat der Merowinger ihn gehen lassen.«

»Dann zweifle ich nicht mehr am glücklichen Ausgang des Gotenkrieges«, blieb der zweite Krieger die Antwort nicht schuldig. »Auf dem Campus Vogladeus hätte er es beinahe verdorben.« Der tadelnde Blick des Truppführers brachte die beiden Männer zum Schweigen, als er das Zeichen zum Aufbruch gab.

Hunerich war etwas beklommen zumute, während sie das dunkle Tor der mächtigen Befestigungsmauer passierten und die Huftritte der Gäule im engen Gewölbe widerhallten. Als man ihn das letzte Mal durch ein solches Tor schleppte, war er sicher gewesen, nicht mehr lebend herauszukommen. Es würde einige Zeit brauchen, bis sein Geist die Kerkerhaft in Icolisma verwunden hatte.

Der Reiterführer schien sich gut in der Stadt auszukennen, denn er hielt auf dem kürzesten Weg auf das Prätorium zu. Dort angekommen verabschiedete sich Hunerich von seinen Begleitern und bat die Wache, zu Remigius vorgelassen zu werden.