Marcus - Maximus Alamannicus - Michael Kuhn - E-Book

Marcus - Maximus Alamannicus E-Book

Michael Kuhn

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 357 nach Christus. Wo die Pax Romana Jahrhunderte lang Sicherheit und Wohlstand garantiert hatte, herrschen Chaos und Auflösung. Es ist der Spätherbst der römischen Antike. Innere und äußere Krisen weisen den Weg in die Zeitenwende und den Untergang des Imperiums, an dessen Grenzen die Nachbarvölker rütteln. Der Glaube an die alten Götter hat im Christentum seinen Bezwinger gefunden, und zunehmend verwischen im Nordwesten die Grenzen zwischen römischen und germanischen Vorstellungen und Idealen. Die Neuordnung Europas und der Übergang ins Mittelalter haben begonnen. Vor diesem Hintergrund schildert Michael Kuhn packend und unterhaltsam das Schicksal des Tribuns Marcus Junius Maximus. Geleitet von Treue, Tapferkeit und frommer Hingabe zu den Göttern, den verlöschenden Idealen Roms, zwingen ihn ein mysteriöses Schicksal und ein gnadenloser Krieg in einen aussichtslos erscheinenden Kampf um Bestimmung, Liebe und Rettung der Heimat. Mit dem vorliegenden Band endet die Trilogie um den römischen Offizier Marcus Junius Maximus. Marcus muss erleben, dass der Hass seines Todfeindes Ulf auch nicht vor seinem Besitz und seiner Familie zurückschreckt. Im Bunde mit der schrecklichen Alruna, einer ebenso verschlagenen wie bösartigen Seherin, setzt sich Ulf in den Besitz des mystischen Schlangenreifs, der ihm den Weg auf den fränkischen Königsthron ebnen soll. Die gnadenlose Verfolgungsjagd führt den Leser zu den beeindruckenden Hinterlassenschaften der Römer an Mosel und Saar. Vor den Toren Straßburgs kommt es dann zum letzten Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten in der großen Alemannenschlacht des Jahres 357 nach Christus. Wie gewohnt informiert die angeschlossene Spurensuche anhand von Fotos, Karten, Zeichnungen und Texten über die Handlungsorte des Romans. Der Autor überzeugt mit einem hohen Grad an historischem Sachverstand und einer lebendigen Sprache, die seine Werke zu einem Lesevergnügen machen.

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Seitenzahl: 604

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Ammianus-Verlag

Das römische Germanien und die östliche Belgica im Vierten Jahrhundert

Arduena – Erden

Argentoratum – Straßburg/Strasbourg/(F)

Beda – Bitburg

Biliciacum – Wasserbillig(LUX)

Bingium – Bingen

Blesa – Bliesbrück/Bliesbruck(F)

Blesiamagus – Homburg-Schwarzenacker

Bodobrica – Boppard

Borbetomagus – Worms

Confluentes – Koblenz

Contiomagus – Dillingen-Pachten

Divodurum – Metz(F)

Epternacum – Echternach(LUX)

Mogontiacum – Mainz

Noviomagus – Neumagen/Mosel

Noviomagus – Speyer

PonsSaravi – Saarburg/Sarrebourg(F)

Ricciacum – Dalheim

Tabernae – Zabern/Saverne(F)

Teulegium –VicusWareswald/Tholey

Treveris – Trier

VicusSaravus – Saarbrücken

Birg – Schmelz

Sudelfels – Ihn/Wallerfangen

VillaBorg – Perl-Borg

VillaNennig – Nennig

VillaReinheim – Reinheim

VillaVineta – Mehring/Mosel

Mosella – Mosel

Nava – Nahe

Rhenus – Rhein

Saravus – Saar

Der Autor

Michael Kuhn M.A., Jahrgang 1955, studierte in Aachen Geschichte und Politische Wissenschaften. Im Anschluss war er in unterschiedlichen historischen Projekten involviert und organisierte in eigenen Unternehmen geschichtliche Events. Zurzeit arbeitet er neben seiner Tätigkeit als Autor in der Archöologie.

Das Anliegen, bei seinen Mitmenschen Interesse und Verständnis für die faszinierende Welt der Geschichte zu wecken, durchzieht seine bisherige Vita wie ein roter Faden.

So steht der vorliegende Band am Beginn einer Buchreihe, die den Leser mit Spannung und Information auf eine Zeitreise in die aufregendsten Epochen unserer Vergangenheit mitnimmt.

Zurzeit schreibt Michael Kúhn an der Fortsetzung der abenteurerlichen Lebensgeschichte des römischen Offiziers Marcus Junius Maximus.

Michael Kuhn

Marcus Maximus Alamannicus

Band III

Impressum

Zweite Auflage 2013

Copyright©by Michael Kuhn Ammianus Verlag Aachen Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, Tonträger jeder Art, fotomechanische Wiedergabe und auszugsweisen Nachdruck sind vorbehalten.Soweit durch Hinweis oder Verlinkung auf andere Websites zusätzliche Informationen zugänglich gemacht werden, erfolgt hiermit der Hinweis darauf, dass keine Inhaltskontrolle stattfindet und jegliche Haftung für den Inhalt dieser Seiten ausgeschlossen ist.

Umschlagsgestaltung und Kartenerstellung: Thomas Kuhn Zeichnungen: Hannelore Kuhn, Andrea Naumann, Grafik und Illustration, Aachen Fotos: Michael Kuhn, Archäologiepark Römische Villa Borg Historisches und archäologisches Lektorat: Ines M. Grohmann, M.A. und Dr. Edith Glansdorp Lektorat: Helga Seiler, Aachen E-Book-Gestaltung: Michael Mingers

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich all denen Danksagen, die am Gelingen des Buches ihren Anteil hatten.

Thomas Kuhn bearbeitete das Fotomaterial, erstelltedie Karten und gab dem Cover seine künstlerische Gestalt. Hannolore Kuhn undAndrea Naumann erstellten die Zeichnungen zum Buch.

Helga Seiler,Heike Breimes, Tatjana Lehnen, Sabine und Torsten Goesch, Hannelore Kuhn,Rainer Schulz, Tanja Baumgart, Lynn Stoffels und InesM. Grohmann wurden nicht müde, durch unermüdliches Lesen des gerade vorliegendenMaterials viel zur dramaturgischen Dichte und Spannung der Romanhandlungbeizutragen.

Danken möchte ich zum Schluss all denen, die mich wissenschaftlichberaten und mit wertvollem Material zur Provinzialrömischen Geschichte unterstützt haben:

Ines M. Grohmann M.A., Archäologin Tanja Baumgart, Cand. Phil., Archäologie

Dr. Annkathrin Kordel, Projektleiterin „Straße der Römer“,Trier Dr. Edith Glansdorp, Archäologie Büro & Verlag Glansdorp

Dr. Klaus Kell, Römermuseum Homburg Schwarzenacker Dr. Florian Müller, Europ. Kulturpark Reinheim Bliesbrück

Dr. Bettina Birkenhagen, Archäologiepark Römische Villa Borg Louis Karmeyer, „Ricciacum Frénn“, Dalheim, LUX

Philippe Eschenauer, LeaderMiseler Land, LUX

Sollte ich jemanden an dieser Stellenicht bedacht haben, so bitte ich dieses zu entschuldigen.

Widmung

Für

eine große Liebe

und

Tatjana

Dramatis Personae

Marcus Junius Maximus –römischer Tribun und Herr der Villa Vineta

Bissula –eine Alemannin aus dem Taunus

Ulf –ein fränkischer Krieger

Veleda –fränkischePriesterin

Alruna –fränkische Seherin

Frediger –fränkischer Krieger

Flavius Claudius Julianus*Caesardes Westens und späterer Kaiser

Charietto* –Tribun fränkischer Abstammungund Anführer einer Spezialeinheit

Severus* –Magister Equitum, Reitergeneral

Albinus –Magister

Brutus –Tribun und Verschwörer

Germanus –Reiteroffizier alemannischer Abstammung, Bissulas Vetter

Rufus –Soldat mitfränkischen Wurzeln

Sextus Balbus –Centurio aus Divodurum

Gratian –christlicher Priester

AmmianusMarcellinus* –Geschichtsschreiber

Serena –Römerin, Witwe des Silvanus

Clodius –Sohn der Serena,neun Jahre

Makrian* –Alemannischer Teilkönig, Herr über den Dünsberg

Rando* –Alemannischer Häuptling

Chnodomar –Alemannenkönig

Galerius –Verwalter der Villa Vineta, Freund von Marcus

Flavia –jungeAlemannin in der Villa Vineta

* Historische Persönlichkeiten

Prolog

Es war ein Winter, der einfachnicht gehen wollte. Doch sobald der Nordwind abflaute und dieSonne einen Weg durch die Wolken fand, ließen ihre StrahlenSchnee und Eis schmelzen. Ein kurzes Aufatmen nur, dennam nächsten Tag kehrten Frost und Schnee zurück. Voreilige Triebeerfroren und die Natur erstarrte wieder im Eis. Selbst dieAlten konnten sich nicht erinnern, eine solche Kälte bis weit in den März hinein erlebt zu haben.

Seit zwei Tagenstapfte eine Reitergruppe durch den Schnee. Die Atemluft kondensiertezu Wolken, wenn die Pferde sie durch die Nüsternhinaus stießen. Hatte der Wind die weiße Pracht an vereinzeltenStellen beiseite geweht, hallten die Hufschläge der Tiere aufdem gefrorenen Boden. Neben einem kurzenAufwiehern das einzige Geräusch,das die Stille inmitten der Stämme des Hochwaldes störte.

Eine seltsame Gruppe,die sich ihren Weg durch die winterliche Einöde bahnte.Voran ritt, fest in einen dunklen Mantel aus Bärenfell gehüllt,ein mittelgroßer, kräftiger Mann. Gab die tief herabgezogene Kapuzeden Blick auf sein Gesicht frei, flammte darin eine roteNarbe auf, die sich über Stirn und Wange zog.

Aufdem Pferd neben ihm saß ein wahrer Hüne, dessen Füße trotzseines für die germanische Züchtung kräftigen Reittieres fast den Bodenberührten. Unter seiner Fellmütze quoll blondes Lockenhaar bis auf dieSchultern des dichten Lodenmantels herab.

Den beiden Männern folgten,die Kapuzenumhänge fest um die Körper gewickelt, zwei Frauen, wie sieunterschiedlicher nicht sein konnten. Die eine, in eine silberduchwirkte, dunkelblaue Kostbarkeitgehüllt, die alleine ein Vermögen wert sein musste, saßstolz und gerade im Sattel. Ihre Begleiterin dagegen, deren Wetterschutzeiner verfilzten Decke glich, schien Mühe zu haben, sich auf ihremPferd zu halten.

Den Schluss bildeten vier weitere Reiter.Gewöhnliche Krieger in Fellumhängen und ein untersetzter, breitschultriger Mann mitverschlagenem Gesicht, der als einziger unter seinem Mantel ein Panzerhemd trug. Die Krieger waren die einzigen, die neben der Spathaihre Schilde und Lanzen mit sich führten.

„Wieweit ist es noch, Makrian?“, wandte sichder Mann mit der Narbe an den neben ihm reitenden Riesen. Er musste seineFrage wiederholen, weil eine schneidende Böe seineWorte hinwegfegte.

„Noch zwei oder drei Stunden bis zumDorf der Franken, Ulf. Wir müssen es in weitem Bogen umreiten,ehe wir in den heiligen Hain eindringen, in dem diePriesterin Veleda haust. Der Kundschafter hat alles genau beschrieben.“

„Warum dieser Umweg?“, brüllteUlf zurück. „Hast du Feinde im Dorf?“

„Es ist besser, nichtgesehen zu werden. Man kennt und fürchtet Makrian im gesamten alemannisch fränkischen Grenzland.“

„Hätte mich auchgewundert, wenn du Freunde bei meinen Landsleuten hast.“ Ein Lächelnumspielte die dünnen Lippen des Franken.

Ulf beugte sich im Sattelnach vorne, um dem Wind möglichst wenig Angriffsfläche zubieten.

Fünf Monate, fast ein halbes Jahr, waren vergangen, seit er und seine Begleiterin Serena als Flüchtlinge zu Makriangekommen waren. Die Erinnerung an die Niederlage gegen die Römerim Kampf um die Colonia lastete schwer auf dem Franken.Immer wieder wälzte er die Geschehnisse im Kopf umher, ohnedie Ursachen ergründen zu können. Er hatte alles richtig gemacht.Es war Schicksal gewesen, dass die Götter seinen Feinden den Sieg geschenkthatten. Am meisten schmerzte es ihn, dass es dieser MörderMarcus und sein Freund Charietto gewesen waren, die über ihn triumphierthatten.

„Marcus“. Unwillkürlich ballte Ulf die Faust und schlug seinemPferd die Hacken in die Flanken, dass es einen Satznach vorne schoss und aufgeregt tänzelnd ein schrilles Wiehern ausstieß.

Damals, vor der Colonia, schien sich die Waage desSchicksals zu seinen Gunsten geneigt zu haben. Er konnte diesemMörder mehrfach entkommen, der seinem Vater den Schlangenreif geraubtund seinen Tod verschuldet hatte. Dann war Serena zuihm gestoßen und mit ihr, der geliebten Frau, schiendas Glück zurückgekehrt. Er hatte mit seinen Scharen die Festung Divitiaeingeschlossen, in der sich seine persönlichen Feinde befanden. Und dann warihm der Sieg aus der Hand geschlagen worden. Wäre nicht Charietto,dieser Verräter an seinem Volk, den Römern zu Hilfe geeilt, wären sie alle des Todes gewesen.Warum ließen Tyr und Wodan seinen letzten Sturmangriffscheitern?

Und wie konnten die Götter es zulassen, dass dieserMarcus immer noch im Besitz des Schlangenreifes war? Schlimmer noch, das zweite heilige Symbol, dieGürtelschnalle in Form einer Schlange, war durch die Unwissenheit Serenasebenfalls in die Hand des Römers gelangt.

Der Bastard Clodius war schuld, den sieSilvanus, dem ehemaligen Statthalter Niedergermaniens, geboren hatte. Alssie die Seiten wechselte und zu ihm kam, hatte sieden Jungen mitsamt der Gürtelschnalle in die Obhut dieses Marcusgegeben. Es hatte ihn rasend gemacht, dass sie ihren Jungen ausgerechnetseinem Todfeind anvertraut hatte. Nicht, dass er jemals etwas fürClodius empfunden hatte, er hatte diese Kröte immer gehasst. Was ihn quälte war der Gedanke, was zwischen diesem Marcus undseiner Geliebten gewesen war. Auf seine Fragen hatte sie ihmbis heute keine befriedigende Antwort geben können.

Es war ihm gleichgültig gewesen, dass Silvanussein leiblicher Onkel und Clodius somit sein Vetter war.Er hatte Genugtuung verspürt, als er dem Ungeliebten die Frau ausspannte und ihn an seine Feinde verriet, diekurzen Prozess mit ihm machten. Wichtig war, dassder tote Statthalter wie sein Vater ein Schlangenträger war undClodius ihm eines Tages seine Ansprüche auf die Schmuckstückestreitig machen konnte.

Drei Schlangen waren es, die seine Ahneneinst erhalten hatten: Armreif, Gürtelschnalle und Fibel. Wer sie besaßhatte Anspruch auf den Königstitel aller Franken. So erzählten es dieAlten und Alruna, die Seherin aus dem Norden. Zwei Monate wares her, dass sie durch Eis und Schnee in seinalemannisches Exil auf demDünsberg kam und ihm dieBedeutung der Schlangen offenbarte. Er würde König werden undals zweiter Arminius über seine Feinde triumphieren, wenn er die dreiSchmuckstücke in seiner Hand vereint hatte.

Ulf drehte sich imSattel um und blickte auf die hinter ihm reitenden Frauen.

Es versetzte ihm einen Stich als er die Blicke sah,mit denen die in ihren blauen Umhang gehüllte Serena seinenBegleiter Makrian wohlwollend musterte. Es war ihm nicht entgangen, dassder Herrscher des Dünsberges seine Frau mit begehrlichen Blickenverschlang, sobald er sich unbeobachtet fühlte. Aber er war zurUntätigkeit verdammt, solange er auf den Schutz des mächtigen Alemannenfürsten angewiesenwar. Ansonsten hätte er ihm längst die Spatha durchden Leib gerammt. Aber wehe, wenn der Alemanne zu weit ging.Ulf war nicht mehr alleine, denn jeden Tag kamenfränkische Krieger zum Dünsberg. Es hatte sich bis in denletzten Winkel der fränkischen Lande herumgesprochen, dass er den Kampf gegen die Römer an der Seite der Alemannen weiterführen würde. Unzufriedene,Abenteurer und Glücksucher hatten ihre Waffen gepackt, Haus undFamilie verlassen und sich aufgemacht, unter seinem Waffenheil zukämpfen.

Sein Blick wanderte weiter zur Seherin Alruna, die ihnmit glühenden Augen fixierte. Er senkte die Lider und blicktezur Seite. Wie immer fühlte er ein Unbehagen in sichhochsteigen, wenn die Augen der finsteren und geheimnisvollen Frau aufihm ruhten.

Als wäre sie ein Geist, war sie in einerNacht auf dem Dünsberg erschienen, vor ihn hingetreten und hattedas Knie gebeugt. Vor ihm, dem rechtmäßigen Träger der Schlangenund zukünftigen König aller Franken.

Alruna war es auch, die diesen Ausrittmit aller Vehemenz gefordert hatte.

„Wenn du allesüber die Schlangen und ihren jetzigen Träger erfahren willst,müssen wir zu Veleda gehen“, hatte sie ihn bedrängt. „Sie weißmehr als ich und alle anderen, die mit der anderen Welt sprechen. Sie muss uns weiterhelfen.“

„Was geht bloß in diesem Franken vor?“, murmelte Makrian vorsich hin, der seinen Begleiter die ganze Zeit aus denAugenwinkeln beobachtet hatte.

Sie hatten sich im vergangenen Jahrbei einem Raubzug in den Wäldern des Idar kennen gelernt.Bereitwillig hatte er Ulf dann im Spätherbst Aufenthalt und Schutz garantiert, alsdieser mit Serena vor ihm erschienen war.

Bedächtig stricher sich mit der Rechten über seinen Schnauzbart, alser seine Gedanken ordnete. Sein Bruder Hariobaud hatte getobt, als ervon Ulfs Asyl erfuhr. Beständig wurde der gemäßigte Führerder Bukinobanten von den Römern gedrängt, den wilden Franken auszuliefern. AuchBauto, König der Brukterer, hatte unlängst einen Boten mit demgleichen Begehren zu ihm geschickt.

Ulf und Serena waren politischerZunder. Solange der Franke am Leben war, würdeer nichts unversucht lassen, seine Stammesgenossen zum Kampf gegenRom aufzuwiegeln. Außerdem hatte er allen guten Sitten und Überlieferungen zumTrotz den Unterhändler und Tribunen Viatorinus köpfen lassen.Die Frau war vor allem dem Kreis um die Magistri Ursicinusund Barbatio ein Dorn im Auge. Niemals würde die Witwe desSilvanus, Statthalter und Usurpator gegen den Imperator Constantius, es aufgeben,das geraubte Erbe ihres Mannes einzufordern. Außerdem war sie eineÜberläuferin und mitschuldig am Tod des Viatorinus.

Der Gedankean die schöne Römerin ließ den Hünen aufseufzen. Sie gefielihm und er begehrte sie. Das erste Mal, seit ihm dieserRömer Marcus seine Jugendliebe Bissula ausgespannt hatte, war das Sehnen derLiebe zu ihm zurückgekehrt. Aber er musste sich beherrschen. Eineunbedachte Affäre mit dieser Frau würde alles zerstören. Er spürte,dass er ihr gefiel und nach dem Krieg würde man weitersehen.

Er setzte aufdie Vorteile, die Ulf ihm verschaffte. Der Krieg würdeweitergehen und im Falle eines Sieges würde er seinemBruder die Herrschaft entreißen. Ein mächtiger Bundesgenosse konnte ihm daher nurvon Nutzen sein. Jeden Tag kamen neue Krieger,die Ulfs Gefolgschaft anwachsen ließen. Mehr als zweihundert zu allem entschlosseneKämpfer hatte der Franke schon unter sich versammelt und ihm geschworen,mit ihm und seinen Männern nach Süden zu ziehen. Dorthin,wo sich im Alemannensaß die Verbände der alemannischen Stämme sammelten,um die Entscheidung gegen die Legionen Julians zu suchen.

Einleichtes Kribbeln im Nacken erinnerte ihn daran, dass diese unheimliche SeherinAlruna hinter ihm ritt. Er spürte es körperlich, wenn sie ihnmit ihren Glutaugen fixierte. Niemals würde er diese hässliche Hexe auchnur anrühren. Ein Schauer lief ihm beim Gedanken daran überden Rücken. Aber sie war nützlich, hatte sie sich doch inden Kopf gesetzt, in Ulf den Retter aller Franken, einen zweitenArminius, zu sehen. Ihren Wahn um diese Schlangensymboleteilte er nicht, aber die Franken glaubten daran.

Hoffentlichwar dieses Unternehmen in Eis und Schnee bald beendet undsie konnten an ihre warmen Herdfeuer zurückkehren.

Zum wiederholtenMal hatte Serena den Blick Makrians erwidert, als Ulfsich zu ihr umdrehte. Sofort schlug sie die Augen nieder,weil sie seine Eifersucht kannte.

Worauf hatte sie sichbloß eingelassen? War es klug gewesen, zu ihrem alten LiebhaberUlf zurückzukehren? Und was hatte sie damit erreicht?

Sie warvogelfrei. Die Römer wollten ihren Tod und ihr Erbe würdesie nur im Fall eines germanischen Sieges zurückerhalten. Würde siedas wirklich? Wer weiß, welche Verhältnisse dann herrschten.

Anallem trug dieser Marcus die Schuld, der sie damals brutalzurückgewiesen hatte. Hätte es diese Bissula nicht gegeben, wäre siejetzt die Frau an der Seite des Tribunen. Niemals zuvorwar sie von einem Mann so gedemütigt worden.

Ja, sie wollteseinen Tod, aber hatte er sich nicht um ihrenSohn Clodius gekümmert?

„Clodius“. Ein Seufzer entrang sich ihrer Brust,so dass die neben ihr reitende Alruna irritiert herüberschaute.

Sie hatte dieses Kind nie geliebt, das ihrMann Silvanus ihr mit Gewalt gemacht hatte. Abersie war seine Mutter. Immer öfter musste sie an ihn denken, was ihremGewissen zusetzte. Wo mochte der Junge jetzt sein?Hatte Marcus ihn zu Verwandten nach Lugdnunum gebracht oder hatte er ihn ganz zu sich geholt?

„Lass das, Serena, das führt zu nichts“,schalt sie sich. „Es gibt Wichtigeres“.

Es galt, den Aufenthaltsortder Schlangen in Erfahrung zu bringen, damit Ulf mit ihrerHilfe zur Macht gelangte. An der Seite eines Königs würdesie bleiben, mochte Makrian ihr noch so schöne Augen machen. Dannwürden Ursicinus, Barbatio und die übrigen Verschwörer dafür büßen müssen,ihr Eigentum an sich genommen und ihr nach dem Leben getrachtetzu haben.

„Hoffentlich sind wir bald bei dieserPriesterin“, sprach sie Alruna an, die ihr mit Spott in denAugen zulächelte.

„Ist dir kalt, schöne Römerin?“, schnitten dieWorte der Fränkin durch die Winterluft.

„Was geht es dich an?“, fauchte Serena zurück.

„GebtRuhe!“, herrschte Ulf, der sich im Sattel umgedreht hatte, die beidenFrauen an. „Es muss ja nicht jeder hören, dass wir zu Veleda wollen“.

„Was für eine dumme und eingebildete Person“, grummelte Alrunavor sich hin.

Ein schöne Gesellschaft, in die sie dahineingeraten war. Makrian, ein ehrgeiziger und eingebildeter Pfau, Serenaeine intrigante Schlange, der man das Spielzeug weggenommen hatte undRando ein brutaler, geistloser Erfüllungsgehilfe und Schlächter. Und Ulf.Allein dieser war von den Schicksalsgöttern ausersehen, Großes zu vollbringen.

Sie wischte sich mitder Rechten eine zottige Strähne aus der Stirn und schobsie unter die Kapuze zurück. Sie war überzeugt, dass alle andem Unternehmen Beteiligten übereinander herfallen würden, sobald die Klammerder gemeinsamen Interessen sich löste.

Drei Monate waren vergangen, seitsie im Traum diese Offenbarung erhalten hatte. Hel, dersie diente, war ihr im Traum mit drei Schlangen erschienen.Eine wand sich um den Hals, die andere umdie Hüfte und die letzte um den Arm.

„Suche nachdem Mann mit der Narbe“, hatte die Göttin gesprochen. „Es istder, den König Bauto und die Römer verflucht haben.Ihm kann gelingen, was bis heute keiner fertig brachte. Erwird die Stämme der Franken in seiner Hand vereinen, wennes ihm gelingt, die Schlangen zu gewinnen. Gehe zu ihm, aber hüte dich vor der schwarzen Königin und ihrem Kind. Töte sie,wenn sie deinen und den Weg des Auserwählten kreuzen.“

Also hatte sie ihr Bündel gepackt, ihrebescheidene Hütte verbrannt und war lange Wochen durch Schneeund Eis in das Land der Alemannen gezogen. Als sie Ulfund auch Serena gegenüberstand, wusste sie augenblicklich, dass erder Erwählte war.

Seit jenem Tag grübelte Alruna, obSerena die schwarze Königin sei. Sie fühlte es, war sichaber nicht sicher. Und von einem Kind hatte sie nochnichts gesehen. Sie würde die Römerin im Auge behalten und wehe ihr, wenn sie etwas tat,was sich gegen Ulf richtete.

Bald nach ihrer Ankunft aufdem Dünsberg war ihr die Göttin ein weiteres Mal erschienen.Hel ließ sie das Angesicht einer Frau sehen, die imWald auf einem Hochstand lebt. Sofort war ihr bewusst,wen die Göttin meinte. Man hatte ihr von einer Seherin namensVeleda berichtet, die an den Ufern der Logana lebte, zweiTagesritte vom Dünsberg entfernt.

Immer wieder hatte sieUlf und Makrian gedrängt, bis der Reiterzug sich vor zweiTagen endlich aufgemacht hatte, dem Willen der Göttin zu genügen.

„Aus dem Weg, alte Krähe!“, erhielt Alruna einen Stoß in die Seite undkonnte sich gerade noch im Sattel halten. Es war Rando, derrücksichtslos an ihr vorbeipreschte und zu Ulf und Makrian an dieSpitze aufschloss.

„Was gibt es?“, wandte sich Makrian, dieVerwünschungen der Priesterin ignorierend, an seinen Untergebenen.

„Seht ihr dortdie Rauchfahnen über den Bäumen?“, wies die Hand Randos auf denWald vor ihnen. „Dort befindet sich das Dorf der Franken.Es ist besser, wenn wir jetzt den Weg verlassenund uns rechts halten, bis wir zum Hain der Priesterin gelangen.Der Kundschafter meint, dass wir so ungesehen ans Ziel gelangen.“

Ohne ein Wort zu verlieren, lenkte der Alemanneseinen Rappen vom Saumpfad auf die verschneite Lichtung, hinter der dieschwarzen Wipfel in das Grau des Winterhimmels ragten. Eine RotteRaben stieg krächzend auf, als sie sich dem Waldrand näherten.

Sie hatten den kleinen Jungen nicht bemerkt, der sich imGebüsch neben dem Saumpfad verborgen hielt und ein Zicklein ansich drückte. Am Mittag hatte der Knabe bemerkt, dass die Stalltüreinen Spalt offen stand und eines der Jungtiere fehlte.Er war den im Schnee gut sichtbaren Spuren gefolgt, biser den Ausreißer weit außerhalb des Dorfes eingefangen hatte. Wodan sei Dank war er schneller als Fuchs oder Wolfgewesen. Auf dem Rückweg bemerkte er die ihm fremden Reiterund versteckte sich unter einem schneebedeckten Haselstrauch. Er wartete, bisdie Fremden den Waldsaum jenseits der Lichtung erreicht hatten.Dann sprang er auf und rannte, das Zicklein im Arm,zum Dorf zurück. Er musste zu Hatto, dem Vorsteher des Dorfes,und ihm melden, dass bewaffnete Reiter in den heiligenHain eingedrungen waren.

Den ganzen Morgen hatte dieSeherin Veleda über den Sinn des Traumes gegrübelt, der siein der Nacht heimgesucht hatte.

Eine den Oberkörper bedrohlich aufgerichteteSchlange war ihr erschienen, die sie aus glühenden Augen angestarrt hatte.Unschlüssig wiegte das Tier den Kopf, als ob esnicht wüsste, ob es zubeißen sollte. Dann öffnete die Schlangedas Maul und zeigte bluttriefende Giftzähne.

Schweißgebadet war die Seherin erwachtund es hatte lange gedauert, ehe sie in den Schlafzurückfand.

Selbst die mit magischen Zeichen versehenen Stäbe aus Buchenholz, diesie mehrmals auf ein Wolfsfell warf, gaben ihr keine Antwort.Natürlich dachte sie an den Römer Marcus, der im vergangenen Sommer mit seiner Gefährtin Bissula wegen der Schlangen zu ihrgekommen war. Drohte ihnen Gefahr? Nein, die Warnung waran sie gerichtet.

Endlich fasste sie den Entschluss, sich indas nahe Dorf zu begeben. Dort, unter Menschen, würde siesicher sein. Hastig packte sie ihre wichtigsten Utensilien in ihreUmhangtasche aus gegerbtem Hirschleder, als sie plötzlich in ihremTun hochschreckte.

Es waren das Krächzen der Raben undkurz darauf das Stampfen von Pferdehufen, die ihr sagten, dass eszu spät war, und dass etwas Schreckliches geschehen würde.

Veledasetzte ihre Tasche ab und redete beruhigend auf sichein, um die aufsteigende Angst niederzuhalten. Niemand würde ihr helfen, alleinemusste sie sich der Gefahr stellen. Ihre Rechte krallte sich indas den Eingang verhüllende Fell und sie schickte einen letzten Hilferufan Nerthus. Dann schlug sie den Wetterschutz zurück undsah die acht Reiter, die im Halbkreis ihren hölzernenWohnturm umstanden.

„Steig herab“, schrillte die Stimme der Frau zuihr herauf, die bis an die hochführende Leiter herangeritten war.

„Wer bist du und was willst du von mir?“,rief Veleda der Frau mit fester Stimme zu und griffnach ihrem Wollumhang, der an einem Holzdübel neben demEingang hing.

Die Frau auf dem Pferd warf die Kapuzezurück und entblößte die wirren klebrigen Strähnen ihres aschblonden Haupthaares, durchdas sich die ersten grauen Strähnen zogen. Wie im Fieberglänzten die schwarzen Augen aus tief verschatteten Höhlen. Scharfe Falten umgabenKinn und Mund des totenbleichen Antlitzes. Zur Seite gebogen undwie der Schnabel eines Raubvogels geformt, thronte die Nase übereinem beinahe lippenlosen Mund, der beim Sprechen schwärzlich verfärbten Zähne offenbarte. Als hätten die Götter sie noch nicht genug gestraft,entstellte ein daumennagelgroßes Mal ihre rechte Wange, aus der eindichter Haarflaum spross. Der hochgewachsene, ausgemergelte Körper mit den dürren Brüsten war unter dem verfilzten Umhang nur zu erahnen.

Veleda nahm wahr, wie sich einer der Reiter,ein gut aussehender Hüne, mit Grausen vom Anblick der Frau abwandte.

„Kommst du freiwillig oder müssenwir dich herunterholen“, drohte einer der Reiter, dessen Gesichteine im Zorn glühende, rote Narbe entstellte.

Plötzlich wusste Veleda,wer sie heimgesucht hatte. Der Mann mit der Narbe musste jenerUlf sein, von dem ihr der Römer berichtet hatte. Jetzt wusstesie auch das Traumgesicht zu deuten. Ulf war gekommen, weiler nach den Schlangensymbolen suchte. Und diese hässliche Frau, wohleine Seherin wie sie selbst, hatte ihn hergebracht. Siemachte sich keine Illusionen, dass die Anwesenheit von Frauen ihreLage verbessern würde. Sie wusste, dass ihr Leben in größter Gefahr war.

Trotzig und stolzunterdrückte sie das Zittern in den Beinen und kletterte scheinbarunbeteiligt die Leitersprossen hinab.

„Ich bin Alruna, Priesterin aus demNorden.“ Umständlich, als ob sie Schmerzen hätte, rutschte die hagere Frauaus ihrem hölzernen Sattel.

„Wir sind gekommen, um dich nach den Schlangen zu….“

Weiter kamsie nicht, denn sie wurde von Ulf beiseite gescho ben.

Langsam zog der Franke seine Spatha und setzte die Klingenspitzedirekt auf Veledas Herz, das voller Angst raste.

Nach Hilfeheischend blickte sie in die abweisenden Augen Serenas und gewahrte daslüsterne Aufflackern im Blick Randos. Von diesem Vieh undder schönen, dunkelhaarigen Römerin war keine Hilfe zu erwarten.

„Bist duvon Sinnen, Ulf“. Die Waffe des Franken klirrte zu Boden,als Makrian sie mit einem wuchtigen Hieb nach unten schlug.„Es bringt Unheil, sich an einer den Göttern Geweihten zu vergreifen.“

Mit offenem Mund hatteAlruna dem Vorfall tatenloszugesehen, während Serena beinahe belustigt die beiden Kontrahenten

musterte. Randoverzog enttäuscht das Gesicht. Am liebsten hätte er die schöneSeherin mit dem jugendlichen Körper auf der Stelle geschändet. Sie aberzuckend in ihrem Blut zu sehen, hätte ihm auch gefallen.

Voll unterdrückter Wut hob Ulf das Kinn und starrtedem Alemannen in die Augen. Dann hatte er die Gewaltüber sich zurückgewonnen, bückte sich nach seinem Schwert und schobes zurück in die Scheide.

„Ich will nur eines von dirwissen“, wandte sich der Franke an die noch schreckensstarre Veleda.

„Istes wahr, dass der, der die drei Schlangenbesitzt, König der Franken wird?“

„So ist es“, antwortete Veleda mitfester Stimme. Das Eingreifen Makrians gab ihr Kraft und Selbstvertrauen zurück.

„Wo ist das dritte Symbol? Wer hat die Fibel mit dem Abbild der Schlange?“

„Du wolltest nureine Antwort von mir“, entgegnete Veleda schlagfertig. „Gib dich damit zufrieden.“

Ohne von Makrian gehindertzu werden, holte Ulf mit der Rechten aus und schlug derFrau mit dem Handrücken ins Gesicht.

Veleda taumelteund das Blut schoss ihr aus Mund und Nase.

„Wer hat die Fibel?“, brüllte der Franke auf.

Wie eine Woge kamen Wut undZorn, aber auch Stolz. Jede Vorsicht ignorierend ließ sieden Franken ihre ganze Verachtung spüren.

„Du wirst nie König werden.Das prophezeit dir Veleda bei Tyr, Nerthus undWodan. Es gibt einen Würdigeren. Ihr tragt das gleiche Blut ineuch, weil ihr einen gemeinsamen Vorfahren habt, aber ihnhat das Schicksal auserkoren und nicht dich. Verkrieche dich inirgendeinen dunklen Winkel und versuche nicht, dem Schicksal in denArm zu fallen.“

Völlig von Sinnen streckte der Franke die Seherin miteinem Tritt gegen den Unterleib nieder.

„Nein!“ Es warSerena, der dieser Ausruf des Mitleids entglitten war.

„Ist es dieser verfluchte Römer, der meinen Vater tötete und dem Sterbenden den Schlangenreif vom Arm zog?“, heulte der Franke auf. Er packteVeleda bei den Haaren und riss ihren Kopf nach oben.

„Makrian, tu doch etwas. Er bringt sieum“, schrie die Römerin den Alemannen an.

„Als wir kämpften“, rasteUlf weiter, „winselte dieser Marcus um Gnade und faselte voneinem gemeinsamen Vorfahren. Ist das so?“

Schon erwartete Veleda, ihrGenick brechen zu hören, als Makrian den rasenden Ulf zurückriss.

Irrevor Schmerz und Wut, eine Hand gegen den Unterleib gepresst,kam Veleda auf die Knie und spuckte einen Schwall Blutin den zertrampelten Schnee.

„Ich verfluche dich“, schriesie Ulf an, wobei sie den Zeigefinger der Rechten wie bei einem Schwurin die Höhe reckte. „Mein Blut wirdüber dich und alle die kommen, diezu dir stehen. Niemals, hörst du, niemals wirst du König der Franken werden!“

Es knackte, alswürde ein dürrer Zweig brechen, als sich Ulf mit unmenschlicher Kraftder Umklammerung Makrians entwand und mit seinen schweren Stiefeln auf diesich in Schmerzen windende Seherin eintrat.

„Veleda, Veleda,bist du da?“, erklangen Stimmen aus Richtung des Dorfes, die raschnäher kamen.

Ulf ließ von der reglosen Priesterin ab undschwang sich in den Sattel.

„Weg hier“, brüllte erdie umstehenden Männer und Frauen an. „Mehr bringen wir aus derHexe sowieso nicht heraus. Mag sie in der Unterwelt verrotten.“

Als Hatto und seine Männerdie reglos in ihrem Blut liegende Veleda erreichten, warendie Täter verschwunden und der einsetzende Schneefall verwischte alleSpuren.

Drei Monate gingen ins Land, bis Veledas gebrocheneRippen verheilt waren und sie soweit zu Kräften gekommen war, dasssie Gundas Hütte verlassen konnte. Kinder würde siekeine mehr bekommen, dafür hatte Ulfs Tritt in den Unterleib gesorgt.

Die heilkundige Frau, die im vergangenen Sommer BissulasVerletzungen geheilt hatte, war Tag und Nacht nicht von derSeite der Seherin gewichen. Lange hatten die Schicksalsgöttinnen gezögert,die auf den Tod danieder Liegende, ins Leben zurückzulassen.Schließlich senkte sich die Waagschale doch dem Leben zu, woraufes Veleda von Tag zu Tag besser ging.

Seit sie ins Leben zurückgekehrt war, bereute Veleda eszutiefst, ihrer Wut und Empörung nachgegeben zu haben.

Es wäre besser gewesen, Ulf irgendeine Geschichte zum Besten gegeben zu haben, die ihn zufrieden gestellthätte. Stattdessen hatte sie ihm alles offenbart, was erwissen musste, um seine nächsten Schritte zu planen. Er würdealles unternehmen, sich in den Besitz der Schlangen zu bringen.Marcus und Bissula waren in höchster Gefahr. Wenn derFranke nicht schon zur Treveris aufgebrochen war, würde erdies in den nächsten Tagen tun. Sie musste alles daransetzen, den Römer zu warnen.

WenigeTage später packte Veleda ihre hirschlederne Umhangtasche, schwang sicheinen Mantel über die Schulter und machte sich auf denweiten Weg an die Mosella.

Händler des Todes

Mein Name ist Marcus Junius Maximus, geborenauf dem väterlichen Weingut in der Nähe der Kaiserstadt Treverisim14. Jahr der Herrschaft des großen Constantinus. ImAlter von neunzehn Jahren hatte ich meinen Dienst beider ruhmreichenXXX. Legion in Tricensima angetreten, wurde in den Grenzkriegen mehrfach ausgezeichnet und zum ranghöchstenCenturio meiner Einheit befördert. Als Tribun und Freund des göttlichen Imperators Julian, dessen früher Tod ein neues Zeitalterverhinderte, war ich maßgeblich an dem blutigen Sieg überFranken und Alemannen und der Rückgewinnung der verlorenen germanischenProvinzen beteiligt.

Bisher schilderte ich, wie ich beim Fallder Festung Gelduba nur mit knapper Not dem Tod entging,in Aquis gesundete, dort meine geliebte Bissula kennen lernte undmich unter der Führung meines treuen Freundes Galerius durch die Silva Arduenna nach Hause durchschlug. Aberder Krieg war mir in die Heimat gefolgt und ichmusste meinen Besitz gegen plündernde Barbaren behaupten. Siegreichim Kampf gegen die Eindringlinge wurde ich vom Statthalterzum Tribun befördert und mit dem Posten des stellvertretendenVicarius der Festung Noviomagus betraut.

In Treveris führte michdas Schicksal mit meinem Todfeind, dem Franken Ulf, zusammen,der mich an meinem goldenen Schlangenreif erkannte hatte. Diesergoldene Armreif in Form einer sich windenden Schlange war mirals Kriegsbeute in einem Grenzgefecht zugefallen, bei dem seinBesitzer, der Vater Ulfs, sein Leben gelassen hatte. Ichsollte erst später erfahren, dass sich ein mysteriöses Geheimnis andas Schmuckstück knüpfte und mich in Vorgänge verstrickte,die für mein weiteres Schicksal von entscheidender Bedeutung werden sollten. Ich ließ damals den jungen Ulf, der am Kampfteilgenommen hatte, aus Mitleid entkommen. Es sollte mir nicht gedanktwerden. Seit unserem Wiedersehen stellte er mir nachund nur mit Glück und Geschick entging ich seiner Rachebis zu dem Zeitpunkt, als ich gezwungenwar, mitihm um den Schlangenreif auf dem Tempelbergzu Tabernae zu kämpfen. Ich siegte und wähnte meinen Todfeind in derUnterwelt, da er schwer verwundet in den Fluten der Mosellaversunken war.

Nachdem ich mich von den Strapazen meinerRückkehr an die Mosella erholt hatte, trat ich meinen Postenin der Festung Noviomagus an der Seite meines Freundes und Waffengefährten Viatorinus an.Nur wenige Wochen dauerte mein Dienst, als ein Befehl desgöttlichen Julian alle verfügbaren Einheiten des Heeres nachMogontiacum rief, um noch in diesem Jahr die Colonia, die Provinzhauptstadt der Germania Secunda, zurückzugewinnen.

Tausend Legionäre undReiter machten sich auf den Weg, der Anordnung desCaesars nachzukommen. Im Idar wurden wir in Kämpfe mitgermanischen Plünderern verwickelt, die uns wiederholt aus dem Hinterhalt angriffen. Beim ersten Gefecht traf ich wieder auf Ulf,der wie durch ein Wunder überlebt und es zumAnführer der Marodeure gebracht hatte. Unter schweren Verlusten an Menschen und Ausrüstung gelang es uns schließlich,die Feinde zurückzuschlagen und Mogontiacum zu erreichen.

Zu meinergroßen Freude traf ich dort auf Bissula, diemich während der nächsten Wochen begleitete. Gemeinsam meistertenwir ein gefährliches Abenteuer bei den Alemannen, das mit unserer Flucht ein glücklichesEnde fand. Es war uns vergönnt, einige glückliche Wochenin einem fränkischen Dorf an den Ufern der Logana zu verbringen.

Dort war es mir beschieden, von der Seherin Veledadie Wahrheit über den Schlangenreif und meine fränkischeHerkunft zu erfahren. Ein Vorfahre meines fränkischenGroßvaters hatte jedem seiner drei Söhne ein Schmuckstückin Form einer Schlange vermacht. Fibel, Gürtelschnalle und Armreif,um die sich bald eine schicksalhafte Legende rankte. Wem esgelingen sollte, alle drei Schlangen in seiner Hand zuvereinen, würde als König über die Stämme der Frankenherrschen. Die Gürtelschnalle gelangte mit ihrem Träger,der Dienst bei den Römern nahm, nach Gallien. Der letzteNachfahre, der sie trug, ein gewisser Silvanus, brachtees bis zumStatthalter Niedergermaniens. Er empörte sich gegen den Imperator Constantius und wurde im letztenHerbst durch ein Mordkommando beseitigt. Durch meinenGroßvater kam die Fibel in den Besitz meiner Familie.Jenes Gefecht auf der anderen Seite des Rhenus, dasmir als junger Legionär die Todfeindschaft Ulfs eintrug, brachtemir den Schlangenreif. Was mir der Priester des Herculesin Tabernae offenbart hatte, wurde jetzt zur Gewissheit.Ulf und ich waren eines Blutes, außerdem verwandtmit Silvanus, einem Feind des Reiches, der sich den Purpurangemaßt hatte. Wahrheiten, die niemals an das Licht desTages kommen durften, weil sie mein Leben gefährdethätten.

Nachdem meine geliebte Bissula von Baudobriga aus in dieSicherheit meines Vaterhauses aufgebrochen war, nahmich am Feldzug Julians gegen die von den Franken besetzte Coloniateil. Ich jagte Ulf und seine Bande, die nicht aufgegebenhatten und unsere Nachschubwege bedrohten, bei Confluentes überden Rhenus.

Dann traf ich auf Serena, die Witwedes Statthalters Silvanus. Das Schicksal der schönen Frau, derenReizen ich fast erlag, verwickelte mich zum einen in die Ereignisse um die Ermordung ihresGatten. Zum anderen brachte es mich in den Besitzdes dritten Schlangenzeichens. Als Serena die Sache der Römer verriet und zuden Franken und ihrem alten Liebhaber Ulf überlief, übertrugsie mir, ohne um ihre Bedeutung zu wissen,die Gürtelschnalle und die Sorge um ihren SohnClodius.

Im Kampf um die Colonia traf ich erneut aufUlf, der mit seinen Männern die Verteidiger der Metropoleverstärkte. Es gelang ihm nicht, die von mir im Handstreichgenommene Festung Divitia zurückzuerobern, was den Fall der Coloniaund die Niederlage der Franken besiegelte. Mein Todfeind flohmit Serena zu den Alemannen, während ich hoch geehrtmit Clodius nach Haus und zu Bissula zurückkehrte.

„Bist du zufrieden,Tribun?“. Aufgeregt wedelte Claudius Piso, der Wirt der Taverne„Zum Imperator Felix“ mit beiden Händen in der Luft herum. Danngriff er an seinen Gürtel, zog ein speckiges Tuchhervor und wischte einige Schweißtropfen von seiner Stirn.

Es war einheißer Tag, die diesjährigen Kalenden des Julis, an dem ichmeinen Erstgeborenen bei der hiesigen Präfektur offiziell angemeldethatte.

Als die Morgennebel noch auf dem Fluss lagen,war ich mit dem Patrouillenboot von Noviomagus aufgebrochen, grüßte imVorbeifahren die roten Dächer meines Vaterhauses über dem hohenUfer der Mosella und legte um die zehnte Stunde imHafen der Treveris an.

Als Begleitung hatte ich zweiTirones, Rekruten, mitgenommen, denen ein Tag in relativer Freiheit guttun musste. Ich mochte die beiden Jungen, die sich tapferdurch die Entbehrungen und Schikanen der Grundausbildung schlugen.

Lucius Verus, ein pausbäckiger Blondschopfmit wasserblauen Augen, stammte aus einem abgelegenen Dorf der SilvaArduenna, unweit des Ausgangspunktes der großen Wasserleitung in die Colonia.Auf Empfehlung meines alten Freundes Sidonius Rufus war er vorwenigen Wochen in der Festung Noviomagus eingetroffen, umbei den Wölfen aufgenommen zu werden. Nach der Beförderung Chariettoszum Kommandeur aller Heeresverbände der ersten gallischen Provinz, hatten seineMänner die bisherige Besatzung abgelöst. Als Eliteverband und schnelle Eingreiftruppe oblagihnen die Sicherheit des Idar, des in die Belgicafallenden Teiles der Silva Arduenna und des Tales derMosella bis hinunter nach Contrua.

Septimius Lucanus war das genaue Gegenteil seines Kameraden. Dunkelhaarig, von kleinem Wuchsund glutäugig, war er der Sohn eines Tavernenbesitzers, dessenVater aus dem Süden der Italia in die Treveris gekommenwar. Aufgewachsen in den Spelunken und Gassen des Hafenviertels,waren Zuhälter, Ruderknechte und Tagelöhner seine Schulmeister gewesen. Ein listiger Fuchs,immer zu Späßen aufgelegt und vertraut mit den Überlebensstrategien derkleinen Leute.

Als ich meinen Gang zur Präfektur antrat, hatteich den beiden bis zur zweiten Mittagsstunde freigegeben. Versehen miteinigen Folles aus meinem Geldbeutel und der ernst gemeinten Ermahnung, sichnicht zu betrinken, waren sie glücklich im Trubel des Vergnügungsviertels rund um die Porta Nigra abgetaucht.

Nach demBehördengang ging ich in die Taverne „Zum Imperator Felix“,die ich immer aufsuchte, wenn ich in der Kaiserstadtzu tun hatte. Den Göttern sei Dank, hatte ich einenluftigen Platz unter dem Säulendach der Portikus gefunden und musstemir keinen Tisch im stickigen Gastraum suchen. EineAbschrift der Geburtsurkunde, ein sorgfältig gefaltetes und versiegeltes Pergament, lagdirekt neben dem Tablett, das der Patron auf der saubergescheuerten Tischplatte abgestellt hatte. Behutsam nahm ich es hoch und legtees auf den freien Schemel zu meiner Rechten.

Claudius Piso tat so, alshätte er meinen Rettungsakt nicht gesehen, ließ aber das aufeinen amtlichen Inhalt schließende Dokument nicht aus den Augen.

„Großartig“,lächelte ich den Wirt an und hob anerkennend den Daumen derrechten Hand.

„Das beste, was meine Küche heute zu bieten hat.“ Aufgeregt kramte Claudius wieder sein Tuch hervor und wischtesich diesmal über den kahlen Kopf.

„Porcellum Conriandratum, Ferkel mit Koriander.“ Seine feistenWangen bebten vor Vergnügen, als er diese beiden Wortezelebrierte. Dabei spitzte er den Mund wie ein Karpfen, deran der Wasseroberfläche nach einer unvorsichtigen Fliege schnappt. Eine Geste, diebei meinem Freund und Verwalter Galerius jedes Mal einen Ausbruch der Heiterkeit auslöste.

„Bestes Filetvom Rücken, eine Portion getrockneter Trauben, eine Handvoll Pinienkerne, einGlas Weißwein, Zwiebeln und ausreichend Knoblauch.“ Für jede Zutat einen Fingerhochreckend, zählte Claudius Piso die Ingredienzien seiner Köstlichkeit auf.

„Gewürzt mit frischem Koriander, zwei Ästchen Dill, etwas Oreganum, Liquamen, Essig und Honig.“

Diesmal hatte er beide Hände um die Kugel seines Bauches gefaltet,der den Stoff seiner Tunika zu sprengen drohte.Mein Freund Charietto, vom Caesar Julian nach der Eroberung derColonia zum Dux Belgicae Primae ernannt, hatte den Patron mitdem Bergkegel des Vesuvs verglichen, bevor dieser seinenverheerenden Ausbruch hatte.

„Ich möchte nicht neugierig sein“, unterbrachClaudius meinen Gedanken und schielte auf das Pergament. „Sindes wichtige Geschäfte, die dich heute in die Treveris geführt haben?“

„Du bist es aber“, lächelteich ihn spöttisch an. Der Wirt machte eine Miene, als hätteer einen Schluck unverdünnten Essig getrunken.

„Ich will nicht sosein“, fuhr ich aufgeräumt fort. „Ich habe heute die Geburt meines ersten Sohnes beurkunden lassen.“

Voller Vergnügen und aufrichtiger Freude patschte Claudius Piso beide Hände gegeneinanderund ich sah einen feuchten Schimmer in seinen Augen.

„Ichbeglückwünsche dich Tribun“. Er breitete beide Arme aus, als wolleer mich umarmen.

„Eile und bringe den besten Wein, dendu in deinem Keller findest“, bremste ich ihn. „Ich erwarte ineiner halben Stunde den Dux Charietto. Du kennst seinen Durst.“

Sogleich watschelte Claudius Piso durch denSchankraum in den nach hinten führenden Korridor, der zurverschlossenen Kellerluke führte.

Den Duft des köstlichen Males durch die Nase einziehend, rutschte ich auf meinen Stuhl, bis ich die bequemste Sitzpositiongefunden hatte. Dann nahm ich einen Schluck von dem Wein, den der Wirt in der Zwischenzeit abgestellt hatte undwandte mich meinem Festmahl zu.

Als ich fertig war,schob ich Teller und Schüsseln zur Seite, verschränkte dieHände hinter dem Kopf und blickte verträumt auf den sonnenüberfluteten Cardohinaus.

Zwei Wochen wanderte ich in Gedanken zu dem Tag zurück, an dem mich ein Bote der Villa Vinetanach Hause bat.

„Bissula liegt in den Wehen“, richtete ermir aus. „Sie möchte, dass du kommst.“

Sogleich ließ ich meinen Stellvertreter Germanuskommen und gab ihm die notwendigen Instruktionen für die nächsten Tage. Es hatte in den letzten Wochen keine Vorfällegegeben, so dass ich meinen Posten beruhigt verlassen konnte.

„Richte Bissuladie besten Wünsche von ihrem Vetter aus und komm` miteinem Sohn zurück“, stieß er mir aufmunternd den Ellbogen in dieSeite.

„Werde ich tun“, antwortete ich meinem Freund undKameraden, der während des Frankenfeldzuges im letzten Jahr an meinerSeite gekämpft hatte.

„Wird schon gut gehen“, drückte ermir die Hand. „Die Frauen der Alemannen sind kräftig und zäh.Eine Geburt kann sie nicht schrecken.“

Die ganze Fahrt flussaufwärts wälzteich bange Gedanken im Kopf umher.

„Was, wenn es Komplikationengab? Es waren schon viele Frauen im Kindbett gestorben. Und eswar die erste Geburt, von der man sagt, dass es die schwerste sei.“

Diese und andere Gedanken hattenmeine Vorfreude auf die Geburt während der ganzen Schwangerschaft überschattet.Bissula hatte stets gelacht, wenn sie meiner sorgenvollen Mienegewahr wurde. Zum Schluss wollte sie mich gar nicht mehrum sich haben und war froh, wenn ich meinem Dienstin Noviomagus nachging.

Sofort nach meiner Ankunft eilte ichzu ihr. Mit schweißnassem Gesicht lächelte sie mir zwischenzwei Wehen zu und strich mir über den Kopf, als ichmich zu ihr auf die Bettkante setzte. Erst jetzt bemerkte ichdie Hebamme, die mit Tüchern und heißem Wasser hantierte.Auf dem Tisch hatte sie den Inhalt ihrer Ledertasche ausgebreitet.Der zur Aufsicht ebenfalls anwesende Medicus, so wollten es dieVorschriften, begutachtete die Kräuter, Tinkturen und Pasten miteinem prüfenden Blick. Außerdem war noch Flavia anwesend, die gute Seeleunseres Hauses. Bissula hatte sich mit ihrer hübschen Landsmännin raschangefreundet, die ein festes Verhältnis mit Galerius eingegangen war.

Ich nickte der Hebamme mit dem schneeweißenHaar zu, die für ihre Kunst berühmt war und die auchmich an das Licht dieser Welt geholt hatte. Maximus hattesie gestern aus den Waldbergen des Idar kommenlassen, wo sie in einer bescheidenen Hütte hauste. Sie hättein der Treveris ein Vermögen machen können, hatte es aberimmer vorgezogen bei ihren Kräutern und Waldgeistern zu bleiben.

Bissulastöhnte auf, als die Wehen wieder einsetzten und warf michmit einer energischen Handbewegung aus dem Zimmer.

Ichging in den Garten hinter die Portikus suchte nach Galerius, denich nicht fand und vertrieb mir die Zeit mit Clodiusund dem Hund Nero.

Es dauerte nicht lange, bis ichdie Stimme Flavias vernahm, die laut meinen Namen rief. Mirzulächelnd stand die junge Frau unter der Säulenvorhalle und winkte michins Haus.

Alle meine Sorgen waren unbegründet gewesen. DieGeburt meines ersten Sohnes war schnell und ohne Komplikationen vor sich gegangen.

Etwas blass, aber glücklich lag Bissula in ihren Kissenund hielt ein kleines, weißes Bündel im Arm, aus dessen Faltenein verschrumpeltes Gesicht mit geschlossenen Augen hervorlugte. Am Hals des Kindessah ich ein Amulett in Form eines silbernen Delphins, das dieHebamme ihm umgehängt hatte. Sicherer Schutz und Geleit in der ersten Lebensphase.

„Er hat schon geschrienund an meiner Brust getrunken“, strahlten die Augen meiner Geliebten imMutterglück. „Möchtest du deinen Sohn nicht halten?“

Zum Zeichen, dass ich den Säugling alsmeinen legitimen Sohn anerkannte, nahm ich ihn vorsichtig aus BissulasHänden entgegen. So wollten es die Sitten unserer Vorväter.

Zehn Tage später, das Kind war kräftig undgesund, wurde feierlich der „Dies Lusticus“ begangen.

Viele Gäste drängten sich, alle in feierliches Weiß gehüllt, in der Wohnhalle der Villa Vineta zusammen. Nebenden Bewohnern meines Vaterhauses, den Bediensteten und wenigen Sklaven,waren auch die Pächter, Galerius, der Medicus, Germanus und Chariettoanwesend. Selbst der Wolf hatte sich in eine Togagewickelt, was an den Anblick eines geschmückten Opferstiers denken ließ. Unruhigsehnte er das Ende der Feierlichkeiten herbei, während seine Blickeschmachtend an den Speisen und Weinkrügen hingen, die auf breitenTischen aufgebaut waren.

Nach der rituellen Waschung, die derkleine Gaius mit lautem Krähen kommentierte, tat ich allen Anwesendenmit lauter Stimme seinen Namen kund. Danach versammelten wir uns vor demHausaltar und ehrten die Laren und Penaten, die Schutzgötter vonHaus und Familie, mit wohlriechenden Rauchund Speiseopfern. Zum Abschluss deroffiziellen Feierlichkeiten nahm Bissula, den kleinen Gaius Junius Maximus imArm, auf einem Korbsessel inmitten des Raumes Platz. Alle Anwesenden defilierten an meinem Erstgeborenenvorbei und legten ihm ihre Geschenke zu Füßen.

Lauter unnötiges Zeug wie Honigkuchen,die umgehend auf den Speisetischen landeten, Würfel und Spielsteine aus Knochen undTon, acht Holzreifen, mindestens fünfzehn hölzerne Kreisel, mit Daunen gefüllteLederbälle, Stoffpuppen, aus Holz gedrechselte Bären, Löwen und Ochsen,Miniaturfiguren von Hercules, Apollo Grannus und eine Epona zu Pferde sowieein schussfähiger Scorpio in Kleinausgabe. Alles Dinge, die ein Kind von wenigenTagen im alltäglichen Leben gebrauchen kann. Am Abend packteBissula alles in eine Holzkiste, um sie Jahre später wiederhervorzuholen. Wenige Gäste legten Beutel mit Münzen vor Mutter und Kindnieder. Geld, das mein Sohn später sicherlich zu gebrauchen wusste.Von Charietto erhielt Gaius einen prägefrischen Goldsolidus mit demBildnis des großen Constantinus.

Ich dachte an die Geldgeschenke, die mirwährend meiner Kindheit gemacht wurden. Mein Vater legte alles in eineverschließbare Kassette, deren Inhalt er mir zu meinem siebzehntenLebensjahr aushändigte. Die Summe reichte aus, um vor dem Beginn meinerMilitärzeit eine ausgedehnte Reise in die Heimat meiner römischen Vorfahren, dem fernen Etrurien, zu unternehmen.

„Du kannst das Feiern nichtlassen“, wurde ich jäh in meinen Gedanken unterbrochen.

Breitbeinig, die Hände aufdie Tischplatte gestützt stand Charietto, der Wolf, vormir und grinste mich an.

Ein Jahr war es her, dass ich diesem verwegenen Militär und Abgott der Grenztruppen inden Wäldern der Silva Arduenna zum ersten Mal begegnet war.Er hatte damals Galerius und mir das Leben gerettet, alser uns aus fränkischer Gefangenschaft befreite. An den Feuern der Legionäreerzählte man sich mittlerweile Legenden über den Sieg, den wirgemeinsam über die Franken errungen hatten.

„Siehst richtig gut aus“,antwortete ich schlagfertig. „Viel besser als in der Wurst, die man dir als Toga verkauft hat.“

Den massigen Körper zierte heute eine blaueTunika mit breiten, silbernen Streifen an Ärmeln, Kragenausschnitt und Saum. Den leuchtend roten Mantel hielteine Goldfibel zusammen, wie ich sie massiver nochnicht gesehen hatte. Schwarze Schnürstiefel und einbreiter, goldverzierter Gürtel aus rotem Ledervervollständigten den Dienstaufzug eines der höchsten Militärs dergallischen Präfektur.

„Wie ich gehört habe“, feixteer, „hast du aus meinen Wölfen einen Haufen kläffender Welpen gemacht.“

„Wenn du damit meinst, dass sie gelernt haben, einen Offizieranständig zu grüßen, hast du Recht.“

„Lass es gut sein“. Er wischte sich mit einemSeidentuch über die Stirn und schnappte lachend nach Luft.

„Setz dichzu mir“, wollte ich ihn einladen, aber er hatte schon Platzgenommen und nach dem Weinkrug gegriffen. In Ermangelung eineszweiten Bechers setzte er das Gefäß an die Lippen und nahmeinen tiefen Zug.

„Das nenne ich einen guten Tropfen“, wischteer sich den Mund ab und rief nach Claudius Piso, einenneuen Krug und einen weiteren Becher zu bringen.

„Es siehtaus“, wechselte er abrupt das Thema, „als ob es eng werden wird.“

Ich warf meinem Freund einen erstaunten Blick zu, der unbeeindrucktfortfuhr.

„Kaum sind die Franken ruhig gestellt, geht esim Süden weiter. Die Alemannen werden sich nicht ausdem Alemannensaß, wie sie diesen Teil Obergermaniens nennen,zurückziehen. Im Gegenteil, sie sammeln ihre Mannschaften, um ihren Raub zu verteidigen.Das dritte Mal schon haben sie dort die Ernte eingefahrenund täglich kommen neue Siedler. Marcus, der Krieg ist noch nicht vorbei.“

„Ich dachte“, warf ich ein, „wir hätten die Lage im Griff.“

„Gar nichts haben wir“, empörte sich der Wolf.

„Aber“, begehrte ichwieder auf. „Es ist doch eine Zangenbewegung geplant. Ein Heersteht im Süden bei der Augusta Raurica und Julian hat seineLegionen im Norden versammelt. Das muss doch reichen, um den Feind zum Abzug zu zwingen.“

„Wenn du meinst“,winkte Charietto resigniert ab. „Die Truppen im Süden, zweitklassige Verbände aus dem Norden der Italia und den rätischen Provinzen,werden von deinem Freund Barbatio befehligt.“

„Barbatio?“, entsetzte ich mich. „Ichdachte, der spielt noch den Statthalter in der Colonia.“ Mit Unbehagendachte ich an den Mann, der mir im vorigen Herbstmit seiner Intrige gegen das Leben Serenas gefährlich geworden war. Ein übler Charakter und schlechter Militär, der leiderdas Vertrauen des Imperators Constantius besaß.

„Da irrst du dich“,fuhr der Wolf fort und nahm einen Schluck aus seinemBecher.

„Constantius hat ihn im Winter abberufen undzu sich nach Mediolanum befohlen. Nach dem Sieg gegen die Frankenmisstraut der Imperator unserem Caesar mehr denn je. Weil er Angst vor Julian hat, umgibt er sich wieder mitdieser kriecherischen Brut.“

„Aber Barbatio hat doch mehrfach bewiesen“, knallteich meinen Becher auf den Tisch, „dass er unfähig ist,einen großen Truppenverband zu führen“.

„Deshalb hat Constantius ihm auch denMagister Ursicinus an die Seite gestellt. Er scheint mehr Angst vorJulian als vor den Alemannen zu haben. Die beiden sitzen untätigmit 20.000 Legionären in der Raurica herum, lassen die Truppenverlottern und feiern mit Höflingen und Huren rauschende Gelage.“

„UndJulian?“ Ich blickte auf den Cardo, auf dessen Pflasterdas Sonnenlicht gleißte.

„Julian hat die Truppen bei sich, dieihm nach der Eroberung der Colonia geblieben sind. Keine zehntausend Mann.Den Göttern sei Dank, ist wenigstens der Magister Severus bei ihm.Richte dich darauf ein, dass wir bald zur Verstärkungherbeibefohlen werden.“

„Und wo ist Ammianus?“

„Beim Caesar. Soll wohl aufpassen,dass Julian nichts gegen seinen kaiserlichen Vetter unternimmt. Ich verstehenicht, dass er ihn in seiner Nähe duldet.“

„Steht es wirklich so schlecht?“ ClaudiusPiso, der unbemerkt mit neuem Wein gekommen war, hattewohl einen Teil unseres Gespräches gehört.

„Du hast nichts gehört“, blaffteder Wolf den erbleichenden Wirt an. „Wennmir zu Ohren kommt, dass du Neuigkeiten verbreitest, lasse ich deine Taverne auf der Stelle schließen.“

„Ich habe nichts gehört“, bestätigte Claudius Piso mit zitternder Stimme undzog sich in das Innere der Taverne zurück. Ertat mir leid, machte er sich doch Sorgen umdas Morgen.

„Und nun zu dir.“ Chariettoschien in Fahrt zu geraten. „Was glaubst du, was dieFranken machen, wenn die Sache im Süden schlecht für uns ausgeht?“

Ich zuckte mitden Schultern und wartete auf die Fortsetzung seines Gedankengangs.

„Sie werdenbei nächster Gelegenheit über den Rhenus setzen, um die Scharte vomletzten Herbst auszumerzen. Du solltest darüber nachdenken, dir in Treveriseine Wohnstatt zu erwerben. Zwei Häuser neben mir stehtein kleiner Stadtpalast zum Verkauf. Dir kann in der FestungNoviomagus nichts geschehen, aber deine Familie wäre innerhalb der Mauernunserer Kaiserstadt vor umherziehenden Germanenbanden sicherer als auf einem Landgut.“

„Man hat mir ein kleines Anwesen weitab der großenVerkehrswege an der mittleren Mosella angeboten. Dort hates noch keine Plünderungen gegeben, weil die Franken bisher nurüber die Reichsstrassen durch die Silva Arduenna an die Mosellagekommen sind.“

„Auch gut“, nickte der Wolf zur Bestätigung. „Aber tu` was.“

„Hast du etwas von diesemUlf gehört?“, griff ich das nächste Thema auf.

„Nichts Neues“,lautete die knappe Antwort. „Er soll immer noch mit seiner Serenabei Makrian auf dem Dünsberg sein, der weiterhin alleAuslieferungsbegehren ablehnt. Und wie hat sich Clodius eingelebt?“ Ichbemerkte, dass Charietto unter Zeitdruck stand und die uns beide betreffenden Themen schnell abhandeln wollte.

„Immer besser“, sinnierte ich. „Erscheint es langsam zu überwinden, dass seine Mutter ihn zurückgelassen hat.“

„Pass gut auf ihnauf“, legte der Wolf seine Hand auf meinen rechten Unterarm.„Aus dem kann mal ein guter Soldat und Offizier werden. Ichhabe ihn bei dir reiten gesehen. Er bewegt sich gut undwird immer kräftiger. Und Mut hat er auch.“ Charietto blickteauf und schaute mir in die Augen.

„Wann wirst du Bissula endlich heiraten?“

„Wenn die Zeiten ruhiger sind.“ Der Wolf hatte meinenwunden Punkt getroffen. Nicht, dass ich meine geliebte Bissula nichtheiraten wollte, aber es wurde mir im Augenblick alles zuviel.Ein großes Fest, das mindestens eine Woche dauern würde,bedurfte einer langen Vorbereitung. Dagegen war der Dies Lusticus meinesSohnes Gaius eine Kleinigkeit. Ich würde sie heiraten und ich freutemich auch darauf, wenn die Zeit gekommen war.

„DasMädchen wartet darauf“, ließ Charietto nicht locker. „Was,wenn dir etwas zustößt? Für Gaius ist alles geregelt. Du hastihn offiziell anerkannt und er ist damit nach römischem Recht alleinedein Sohn. Ohne den Stand der Ehe ist Bissula dagegengar nichts. Ich bin mir noch nicht einmal sicher,ob sie als Alemannin das römische Bürgerrecht besitzt.Man könnte ihr sogar das Kind wegnehmen.“

Der Wolf hatte Recht.

„Sobald dieSache mit den Alemannen geregelt ist, werden wir heiraten. Ich verspreche es dir.“

„Verspriches nicht mir, sondern Bissula“, gab mein Freund unduldsam zurückund erhob sich.

„Gut, dass du deinen Schlangenreif nicht mehrträgst. Wenigstens dieses Thema scheint sich erledigt zu haben.“

Die Rekruten Lucius Verus und SeptimiusLucanus fanden einen nachdenklichen Kommandanten vor, als sie leicht angeheitert zum vereinbarten Zeitpunkt an meinen Tisch traten. Ichzahlte, und wir begaben uns umgehend zum Hafen, wo dasSchiff abfahrtsbereit am Kai lag.

Der wachhabende Centurio der Straßenstation von Cardena traute seinen Augen nicht, als er den Wagenzug überdie schmale Uferstraße herankommen sah. Bisher waren nur kleinere Truppenverbände oder tief liegende Frachtschiffe, mit Kriegsmaterial beladen,Richtung Confluentes vorbeigezogen. Dort, am Zusammenfluss von Rhenus und Mosella, wurde der dringend benötigte Nachschub umgeladen und an die Frontim Süden weitergeleitet.

Was hier heran rumpelte, kam ausder entgegen gesetzten Richtung und schien für die Treverisbestimmt.

„Halt“, befahl er mit lauter Stimme und trat, begleitetvon zwei Wachsoldaten mit gefällten Spießen, auf die Straße hinaus.

Der Reiter an der Spitze der Kolonne hob den Armund eines nach dem anderen kamen die Gefährte unterden unterdrückten Flüchen der Fuhrknechte zum Stehen. Ketten rasselten,als die etwa zwanzig aneinander geketteten Gefangenen, offenbar Alemannenvon jenseits des Rhenus, sich am Wegesrain niederließen. Einigeder sie bewachenden Reiter reichten mit Hanfschnüren umwickelte Glasflaschen,die von den Durstigen von Mann zu Mann weitergegeben undhastig gelehrt wurden.

Vier Wagen zählte der Centuriomit raschem Blick, ehe er sich dem Reiter zuwandte.

„Bistdu der Zugführer?“

„Frediger“, stellte sich derAngesprochene kurz vor und schwang sich aus dem Sattel. „Ichbin der Besitzer dieser Wagen, die mit Handelsgut fürdie Kaiserstadt beladen sind.“

Auf diese in stark fränkisch eingefärbtemRomanisch vorgebrachte Vorstellung hob der Offizier den Arm,worauf der Rest seines Kommandos, Legionäre und dienstverpflichtete Veteranen,aus dem festen Steingebäude der Straßenstation hinausströmten. Speereund blanke Spathen in der Hand, nahmen sie Aufstellung beiden Wagen und neben der Gruppe der lagernden Gefangenen.

Scheinbar gelassen öffnete der Zugführer die Laschen seiner ledernenSatteltasche und fingerte ein gefaltetes Pergament hervor, das er dem Centurio reichte.

„Eine Auflistung der Waren, die ich über die Divitia in die Colonia eingeführthabe. Alles von der Präfektur der Provinzverwaltung genehmigt.“

Die Augen des Offiziers überflogen die Liste mit dem Siegel derSteuerbehörde. Mehr aus Routine schweifte sein Blick über die wartendeKolonne.

„Gegerbte Schafund Rinderhäute, Hirschund Rehleder sowieFuchspelze“, las der Centurio laut vor und blickte dem Trossführer streng in die Augen.

Bereitwillig wies derFranke auf zwei Plaustra, klobige Wagen mit zwei Scheibenrädern undstarrer Achse.

„Schöne Tiere“, schoss es demCenturio durch den Kopf, als er die muskulösen Ochsenbetrachtete, deren Widerriste die Brusthöhe eines ausgewachsenen Mannes erreichten.

„Viel kleiner als unsere Tiere,aber wahrscheinlich im Wald gemästet, wo sie sich hauptsächlich vonEicheln und Bucheckern ernährt haben“. Das Wasser lief ihmim Mund zusammen, als ihm die Erinnerung an herrlich duftendeSchinken von jenseits des Rhenus in die Nase stieg. ImGeiste sah er eines dieser Tiere, wie es sicham Spieß über einem Feuer neben der Wachstube drehte. Mit einem leisen Seufzer wandte sich der Centurio wiederder Liste zu.

„Zwei Kisten mit Bernstein von den Gestadendes Nordmeeres, achtzehn Krüge mit Honig, blondes Frauenhaar,drei Ballen ungefärbte Schafswolle, eine Kassette mit gotischen Fibelnund zwanzig Barren Rohsilber aus den Bergen der Markomannen.“

„Alles auf dem großen Carrus, zusammen mit unserem Proviant“, lautete die dienstbeflissene Antwort Fredigers.

„Und die Männerin Ketten? Davon steht hier nichts“, schlug der Centurio mitder Linken auf das Blatt und hielt es dem Franken vordie Augen.

„Entschuldige.“ Frediger trat zu seinem Pferd und kam umgehend mit einem zweiten Schreiben zurück.

„Sklaven aus dem Land der Bukinobanten. Sind mir vor einigen Wochen von einem alemannischen Häuptling zum Kauf angeboten worden. Ichhabe sie genommen, weil ich eine Bestellung von einem reichenPatron aus der Nähe der Treveris erhaltenhatte. Dumme, aufsässige Kerle, deshalb die Ketten. Bin froh,wenn ich sie endlich los bin.“

„Wer ist derAbnehmer?“

„Ein gewisser Ulpius Rivanus, Herr der Villa Epterneca, fünfzehn Meilen hinter der Treveris an der Sura gelegen.“

„Scheint ebenfalls seine Richtigkeit zu haben“, murmelte der Offizier vor sich hin.

Dann sah erdie Raeda, den offenen Reisewagen am Ende des Zuges. Ein Mannund zwei Frauen saßen darin, eine hübsche mit schwarzen Zöpfenim blauen Reisemantel und eine ältere Hagere, dasGesicht zur Hälfte von einem Schal verdeckt.

Dann nahmer das Antlitz des Mannes mit der Narbe wahr.Wie Feuer loderte es aus den Augen des Fremden,was den Offizier eingeschüchtert wegblicken ließ.

„Gehören die zudir?“, wandte er sich wieder Frediger zu.

„Das sindReisende, die kurz hinter Confluentes zugestiegen sind. Haben einen guten Preis bis Treveris bezahlt.“

Dem Centurio war unbehaglich zumute. Eigentlich müsste er die angegebenen Waren überprüfen und die Wagen durchsuchen lassen. Aber der Blick des Mannesin dem Reisewagen hatte ihn offensichtlich eingeschüchtert.Am besten, er ließe sie einfach passieren, als sich mit ihnen herumzuärgern. DieUnterlagen waren korrekt, aber seine Männer waren es gewohnt, dass er bei solchen Kontrollen immer etwas für sie herausschlug.

„Es ist heute heiß“, schien Frediger die Gedanken des Centurioerraten zu haben. „Darf ich dir ein Fass guten germanischenBieres, noch ganz frisch, anbieten? Ich bin froh, wennich es los bin. Wegen der Gefangenen habe iches meinen Männern untersagt, davon zu trinken.“

Erwartungsvoll blickten dieumstehenden Legionäre auf ihren Offizier, der mitdem Kopf nickte, als der Franke ihm etwas in die Handdrückte.

Kurz darauf wurde das Fass abgeladen und derWarenzug setzte sich wieder in Bewegung. Als der letzte Reiterhinter der nächsten Straßenbiegung verschwunden war, öffnete der Centurio seineHand und blickte auf eine kunstvoll gearbeitete Adlerfibel aus schwerem Silber.

„Sag diesem Schwachkopf, dass er unsdie Ketten abnehmen soll.“ Bauto hatte sich zurückfallen lassen undstreckte Ulf seine gefesselten Hände entgegen. Erwartungsvoll hoben seineKameraden die Köpfe und blickten auf ihren Anführer.

„Wir haben alles durchgesprochen“,tönte es mitleidlos vom Reisewagen herab. „Von mir aus heute Abend, wenn wir lagernund es dunkel ist. Aber jetzt nicht. Willst du alles gefährden?“

Voller Wuttrat der Alemanne gegen einen Stein, der über den Straßenrand hinausin den Fluss schoss und mit einem Aufplatschen versank.

„Ich schwöre bei Tyr und Wodan, ich bringediesen Frediger um, wenn das hier vorbei ist. Esmacht dem Kerl Spaß, Alemannen zu demütigen.“

„Mach keinen Ärger“, fuhr Ulf den Alemannen jetzt an. „Du hast vor Makrian unserer Tarnung zugestimmt. Wenn du Streit suchst, lasseich dich in Ketten in den Fluss werfen.“

Fluchend fügteder Alemanne sich in sein Schicksal und ging an seinen Platzin die Kolonne zurück. Er kannte diesen Ulf und wusste, dass dieserverrückte Franke zu allem fähig war.

„Gib auf Bautoacht“, wandte sich Serena an Ulf. „Und maßregleihn nicht vor seinen Männern. Er ist sehr stolz.“

Serena hatte ihren Teil zu der Maskerade beigetragen,indem sie ihre kostbaren Kleider bei den Alemannen gelassenund sich in ein einfaches Wollkleid gehüllt hatte. Ihre stets hoch frisierten Haare hatte sie zu zweiZöpfen gebändigt, die als Kranz um Stirn und Schläfen lagen.Worauf sie im Gegensatz zu Alruna jedoch größten Wertlegte, war ihre körperliche Sauberkeit. Mochten die Männer auchStielaugen bekommen, sie bestand darauf, jeden Abend ein Bad imFluss zu nehmen. Sie war eine schöne Frau und sie genossdie schmachtenden Blicke, wenn sie, nur in ein weißes Tuchgehüllt, den Fluten wieder entstieg.

„Er landet im Fluss, wenner sich nicht an die Absprache hält“, entgegnete der Frankeungerührt.

Alruna lüftete ein wenig die Decke, in die siesich trotz der sommerlichen Temperaturen eingehüllt hatte.

„Bauto