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Die Märchen aus dem Märchenwald in Altenberg jetzt in kindgerechter Fassung! Freuen Sie sich auf 22 Geschichten aus dem Märchenland: Die schönen, alten Märchenerzählungen wurden in moderner, zeitgemäßer Sprache für die Kinder von heute neu geschrieben. Sie sind etwa 5 Minuten kurz und schon für kleinere Kinder geeignet sowie als Gutenachtgeschichten und Entspannungsgeschichten. Märchen und Fantasiereisen sind wichtig für die Entwicklung von Kindern. Sie helfen Kindern und Jugendlichen innerhalb kürzester Zeit, mental abzuschalten und körperlich zu entspannen. Für größere Kinder, Teenager und Erwachsene enthält das Buch darüber hinaus die ursprünglichen Originalfassungen der Märchen der Brüder Grimm. Somit ist es für alle Altersklassen geeignet! Kurze Entspannungseinheiten aus der Progressiven Muskelentspannung und dem Autogenen Training, kombiniert mit Stille-, Wahrnehmungs- und Atemübungen, runden die Erzählungen ab. Darüber hinaus erfahren wir die Moral der Geschichten und ihre jeweilige Bedeutung für uns. Die beste Stressprävention beginnt mit einer glücklichen Kindheit! Dieses Märchenbuch soll dabei helfen. Lassen Sie sich verzaubern mit Märchen zum Entspannen!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 327
Veröffentlichungsjahr: 2025
Märchen zum Entspannen
Märchen zum Entspannenfür Kinder & Erwachsene
Manuela Thiel
Manuela Thiel-Preuß
Im Weidenbruch 173a
51061 Köln
Blog: https://manuela-thiel.blogspot.com/
Autorenshop:
http://publishde.bookmundo.com/manuelathiel
Autorenseite: amazon.de
instagram.com/manuela.thiel.7311
Copyright: Manuela Thiel-Preuß
Jahr: 2025
ISBN: 9789403807171
Illustrationen: Manuela Thiel-Preuß
Covergestaltung: Manuela Thiel-Preuß
Verlagsportal: Bookmundo
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig!
Für mein inneres Kind,
das kleine, fröhliche und
liebenswerte Mädchen in mir
♡
„Man muss immer etwas haben,
auf das man sich freut.“
(Eduard Mörike)
MÄRCHEN ZUM ENTSPANNEN
Zweiundzwanzig liebevoll aufbereitete Erzählungen aus dem Märchenland für Kinder und Erwachsene nehmen uns mit auf eine Reise in die Welt der Fantasie und laden zum Entspannen ein. Freuen Sie sich auf viele zauberhafte Geschichten aus der berühmten Sammlung der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm!
Dieses Buch enthält neue, kindgerechte und zeitgemäße Kurzfassungen der klassischen Märchen, die ganz ohne Gruselfaktoren auskommen. Sie sind in anschaulicher, bildreicher Sprache geschrieben und dauern etwa fünf bis zehn Minuten. Es ist ein Lese- und Vorlesebuch, das auch schon kleinere Kinder anleiten kann, aufmerksam zuzuhören und gleichzeitig zu entspannen. Kindern fällt es ausgesprochen leicht zu fantasieren, da sie bildhaft denken, während wir Erwachsenen überwiegend in Worten denken. Die Vorstellungskraft ist bei unseren Kindern äußerst aktiv. Sie sehen beim Zuhören in ihrer Fantasie die Bilder vor ihren Augen, fühlen in den Geschichten mit und werden ein Teil davon, so als würden sie sich mitten darin befinden. Sie verschmelzen mit dem, was sie hören oder lesen, sind glücklich und entspannt.
Märchen sind Geschichten, die gebraucht werden. Sie haben einen tieferen Sinn und sind der Schlüssel, mit dem wir das Tor zur magischen Welt unserer Fantasie öffnen. Wir bekommen wieder einen Zugang zu unseren Emotionen, um Selbsterkenntnis, Hilfe und Heilung in manchen Bereichen zu finden. Sie lehren uns, sich Hindernissen zu stellen und eigene kreative Lösungen für Probleme zu finden. Dabei vermitteln sie Tugenden, die auch heute noch von Bedeutung sind, ermuntern zum Handeln oder Abwarten sowie zum Lösen von Aufgaben. Sie zeigen, dass man an Krisen wachsen kann und sich dabei sogar neue Fähigkeiten aneignet.
Wir alle können Hindernisse als Kraftquellen nutzen und über uns selbst hinauswachsen, egal in welchem Alter. Das lehren uns die Märchenfiguren. Sie schenken Trost und vermitteln Zuversicht. So sind es gleichzeitig heilsame Geschichten. Wir erfahren auch, was die in den Märchen versteckten Weisheiten für unser heutiges Leben bedeuten. Sie sind zeitlos gültig und zeigen uns, was wirklich wichtig ist. So werden beide Welten miteinander verbunden: die Welt der Fantasie sowie unsere gelebte Gegenwart. Wir erleben die magische Kraft der Märchenwelt und nutzen den Reichtum an inneren Bildern, indem wir beim Lesen alle unsere Sinne einsetzen. Deswegen sollten wir immer erst weiterlesen, wenn das Bild da ist, sich vor unseren Augen entfaltet hat.
Jedes Märchen wird am Ende durch ein Schlüsselwort und einen positiven Merksatz ergänzt, der die Moral und die lehrreichen Werte der jeweiligen Geschichte vermittelt. Ein positiver Glaubenssatz, eine Affirmation, gibt uns einen guten Gedanken mit auf den Weg, der uns den Tag über begleiten kann. Danach folgt eine kurze Reflexion in Form einer Frage, die zum Nachdenken und Verarbeiten anregen möchte. Damit können wir die Verbindung zu unserem heutigen Leben herstellen und herausfinden, was die Botschaft des Märchens mit uns persönlich zu tun haben könnte und was wir daraus lernen können.
Abgerundet werden die Kapitel durch sehr einfach anzuwendende kurze Entspannungseinheiten aus der Progressiven Muskelentspannung und dem Autogenen Training, die für Klein und Groß gleichermaßen geeignet sind. So entfalten die Märchengeschichten ihre heilende und präventive Wirkung für uns. Gleichzeitig lassen sie sich auch sehr gut als Gutenachtgeschichten für Kinder einsetzen. Sie werden die Zuwendung genießen, denn Trost und Bestätigung sind die besten Heilmittel, für Kinder wie auch für Erwachsene. Die Geschichten sind lang genug, um alles Wichtige zu erzählen, und kurz genug, um die Aufmerksamkeit zu halten.
Gönnen Sie sich und den Kindern im Anschluss nach Möglichkeit immer eine sogenannte „Nachspürzeit“ nach den Geschichten. Lassen Sie sich Zeit, um das Gehörte und Gelesene zu verarbeiten. Nur so können die inneren Bilder und Erlebnisse sowie die daraus entstehenden Gefühle sich sortieren, denn jeder nimmt für gewöhnlich etwas Anderes wahr.
Im Nachgang zu jedem Kapitel folgt jeweils die alte und ursprüngliche Originalfassung der Volksmärchen. Sie ist für größere Kinder, Jugendliche und Erwachsene gedacht, damit auch wir die schönen Erinnerungen, als wir selbst noch Kind waren, wieder aufleben lassen können.
Für einen besseren Gesamtüberblick werden am Ende des Buches die Übungen aus der Muskelentspannung und aus dem Autogenen Training noch einmal separat in einem eigenen Kapitel erklärt und aufgeführt, um auch losgelöst von den Geschichten angewendet werden zu können. Auch zur Technik der positiven Leitsätze gibt es ein paar gute Beispiele zur einfachen Umsetzung.
Dieses Buch eignet sich sehr gut für alle Menschen, die unter der heutigen Reizüberflutung, unter ADS oder ADHS leiden. Hyperaktivität ist stets ein Zeichen der Ruhelosigkeit und des Mangels an innerem Frieden. Sie betrifft auch uns Erwachsene. Ständig muss man etwas tun. Es fällt schwer oder ist gar unmöglich, sich nach innen zu wenden, sich zu konzentrieren oder zu entspannen. Die Kurzentspannungsübungen unterstützen uns hier wirkungsvoll. Sie können entweder vor und/oder nach den Geschichten gelesen werden, ganz nach Bedarf.
Durch die Praxis der Achtsamkeit verbessert sich auch die Wahrnehmung für unseren Körper sowie für unsere Emotionen und wir finden zur inneren Mitte zurück. Gleichzeitig erhöhen wir die Widerstandsfähigkeit der Psyche, unsere Resilienz. Inzwischen weiß man: Die beste Stressprävention beginnt mit einer glücklichen Kindheit!
Auch wir Erwachsenen können wieder in die schöne, heilsame Welt der Fantasie zurückkehren. Die Märchen tun uns ebenso gut. Sie vermögen uns Glanz in die Augen zu zaubern und die Welt wieder mit den Augen der Kinder zu sehen. Auch in uns steckt noch immer dieses kleine Kind, das alles zum ersten Mal sieht und staunt, das die Wunder erkennt, die das Leben bietet, und das unbeschwert und fröhlich lachen kann.
Wenn wir diese kindliche Neugier und Begeisterungsfähigkeit in uns erwecken, können wir den lebendigen, herzerfrischende Geist der Kinder, ihre sorglose Leichtigkeit und heitere Gelassenheit spüren. Erinnern wir uns wieder an diese schönen Gefühle und an die Lebensfreude!
Öffnen wir unsere Herzen für die tiefere und zeitlose Wahrheit einer jeden Geschichte und finden wir den verborgenen Schatz, der in ihrem Kern schlummert, damit das Wunder der Märchen sich vor unseren Augen entfalten kann. Denn dafür waren sie einst gedacht, die wunderschönen alten Märchenerzählungen aus dem reichen Erinnerungsschatzkästchen längst verklungener Zeiten. Hier bleiben sie lebendig.
Ich wünsche Ihnen nun viel Freude beim Lesen sowie schöne, entspannte Momente voller Zauber und Magie!
Ihre Autorin
Manuela Thiel
Es waren einmal zwei Geschwister. Sie liebten die Welt der Märchen, und Schwesterchen las ihrem Brüderchen jeden Tag mindestens eine Geschichte aus ihrem dicken, alten Märchenbuch vor. Dabei hielt Brüderchen stets eine kleine Laterne in der Hand, die ihnen genug Licht zum Lesen spendete. Und gemeinsam mit ihnen tauchen wir nun in die Welt ihrer Geschichten ein:
An einem besonders schönen und warmen Sommertag spazierten Brüderchen und Schwesterchen gemeinsam über sommerblumenbunte Wiesen und weite Felder. Sie waren beide traurig, da ihre Mutter bereits im Himmel war. In der Natur jedoch fanden sie Trost. Wussten sie doch, dass ihre Mutter auch im Himmel stets über sie wachen und auf sie aufpassen würde.
Als sie vom langen Wandern müde wurden, setzten sie sich in den Schutz eines hohlen alten Baumstammes und ruhten sich aus. Der Junge bekam durch die Wärme der Sonne großen Durst. Und so gingen sie nach einer Weile weiter auf der Suche nach einem sauberen Brunnen. Jedoch lag auf allen Brunnen des Waldes ein geheimer Zauber. Das Mädchen hörte auf ihre innere Stimme, und als sie am ersten Brunnen ankamen, hörte sie: „Wer aus mir trinkt, wird ein Tiger.“
So gingen sie weiter bis zum nächsten Brunnen. Hier hieß es: „Wer aus mir trinkt, wird ein Wolf.“ Da liefen sie weiter bis zum übernächsten Brunnen. Dort sprach es: „Wer aus mir trinkt, wird ein Reh.“ Da Brüderchen so durstig war, trank er von dem frischen klaren Wasser – und verwandelte sich daraufhin in ein kleines Rehkitz.
Schwesterchen ging nun mit dem kleinen Reh an ihrer Seite weiter durch den duftenden Wald, bis sie ein kleines Häuschen fanden, in dem sie es sich gemütlich machten. Ein Reh jedoch möchte auch wild und frei sein können und munter im Wald herumspringen. Und so ließ Schwesterchen es tagsüber hinaus. Abends, bevor es dunkel wurde, musste das Reh wieder zurück sein.
Eines Tages aber war ein junger König mit seinen Jägern im Wald unterwegs. Einer der Jäger entdeckte das Reh und folgte ihm. So sah er, dass das Reh zu seiner Schwester in das Häuschen lief. Er erzählte dem König davon. Daraufhin wollte der König die beiden besuchen. Es war ungewöhnlich, dass ein Reh in einem Haus bei seiner Schwester lebte, die inzwischen zu einer junge Frau herangewachsen war.
Beim König war es Liebe auf den ersten Blick. Und so bat er die junge Frau, zu ihm auf sein großes Schloss zu kommen und seine Königin zu werden. Das Reh nahm sie mit, war es doch ihr kleiner Bruder. Es dauerte nicht lange, da bekam die Königin ein Baby. Da sie nach der Geburt noch sehr schwach war, half ihr tagsüber eine Kinderfrau. Um Mitternacht jedoch stand die Königin wie durch einen Zauber auf, gab ihrem Kind zu trinken und versorgte es liebevoll. Auch ihr Reh, das im gleichen Zimmer schlief, streichelte sie. Dann musste sie sich wieder hinlegen. So ging es viele Nächte lang.
Der König war sehr in Sorge um seine Frau, die Königin, die immer schwächer wurde. In der kommenden Nacht blieb er an ihrem Bett und an dem Bett des Kindes sitzen, als er sah, wie die Königin leise aufstand, zum Kinderbettchen und zum Reh ging und mit ihnen sprach. Sie war nicht viel mehr als ein Schatten. Da sagte der König zu ihrem Schatten: „Du kannst niemand anderes als meine liebe Frau sein!“ Und durch die Liebe ihres Mannes, des Königs, wurde sie auf der Stelle wieder gesund und kräftig.
Und da die Liebe alles heilen kann, verwandelte sich in diesem Moment auch das Reh. Es wurde wieder zum Brüderchen. Da war die Freude groß! Und so lebten sie alle zusammen glücklich und zufrieden in dem großen Schloss in dem Wissen, dass die Liebe alle Grenzen und alle Verzauberung auflösen kann …
Die Botschaft des Märchens:
Bedingungslose Liebe
In diesem Märchen erfahren wir die wahre Kraft der Liebe, denn als Brüderchen in ein Reh verzaubert wird, kümmert sich das Schwesterchen liebevoll um ihren verwandelten Bruder. Sie liebt ihn bedingungslos, so wie er ist. Als sie später selbst Mutter wird, liebt sie ihr Kind ebenso tief und innig. Sie steht jede Nacht auf, um es zu versorgen, obwohl ihr die Kraft dazu eigentlich fehlt. Aber die Liebe zum Kind und zum Reh ist größer als die Grenzen ihres irdischen Körpers. So gibt sie beiden ihre ganze Liebe.
Ihr Mann, der König, ist in großer Sorge um sie. Aber er erkennt ihr wahres, aufrichtiges Wesen und lässt sich nicht davon abbringen, an sie zu glauben. Allein durch seine Liebe wird sie wieder gesund. Krankheit und Tod werden besiegt, und selbst die Verzauberung des Rehs löst sich in der Liebe auf. Dadurch wendet sich alles zum Guten. So leben sie gemeinsam froh und munter im Schloss des Königs. Das Böse und Schlechte hatte in Gegenwart der Liebe keine Chance und verschwand für immer. Und so erfahren wir durch diese schöne Geschichte:
Die Liebe besiegt alle Hindernisse!
Ein guter Gedanke, der dich durch den Tag begleitet:
„Ich bin liebevoll – zu mir sowie zu allen anderen!“
Wenn du weiter über die Geschichte nachdenken magst:
Was hat dir das Märchen gezeigt?
Welche Erkenntnisse hast du gewonnen?
Eine Übung zur Entspannung
EINFÜHRUNG IN DIE ENTSPANNUNG
Ich sitze oder liege ganz bequem und mache es mir so angenehm und gemütlich wie möglich. Alle Gedanken und alle Geräusche sind vollkommen gleichgültig. Sie sind vielleicht da, aber ich schenke ihnen jetzt, in diesem Moment, keine Aufmerksamkeit. Ich lasse sie einfach vorüberziehen wie Vögel am Himmel ...
Nun lenke ich meine Achtsamkeit einmal bewusst auf meinen Atem. Ganz tief und gleichmäßig fließt er durch meinen Bauch ein und aus ... Mein Bauch hebt und senkt sich mit jedem Atemzug ... Ich lege meine Hände auf meinen Bauch und spüre deutlich, wie er sich mit jedem Atemzug mitbewegt, hoch und runter ...
Beim Einatmen ist mein Bauch ein kleiner Berg – beim Ausatmen ein Tal … Mit jedem Einatmen werde ich ruhiger und ruhiger … Und mit jedem Ausatmen atme ich nun auch alle Sorgen, Kummer oder Anspannung aus. Ich stelle mir vor, meinen Kummer oder Stress auf ein kleines weißes Atemwölkchen zu setzen, wie im Winter, wenn es draußen sehr kalt ist. Dann lasse ich es davon schweben, weit weg bis zum Himmel, wo es sich allmählich aufzulösen beginnt wie schmelzendes Eis ...
Ich verbinde das Gefühl der Entspannung mit meinem Atem. Mit jedem Atemzug werde ich nun immer ruhiger und entspannter und ich spüre, wie sich das angenehme Gefühl der Entspannung allmählich in meinem ganzen Körper auszubreiten beginnt ...
Brüderchen und Schwesterchen
(ORIGINAL)
Brüderchen nahm sein Schwesterchen an der Hand und sprach: »Seit die Mutter tot ist, haben wir keine gute Stunde mehr. Die Stiefmutter schlägt uns alle Tage, und wenn wir zu ihr kommen, stößt sie uns mit den Füßen fort. Die harten Brotkrusten, die übrig bleiben, sind unsere Speise, und dem Hündlein unter dem Tisch geht’s besser, dem wirft sie doch manchmal einen guten Bissen zu. Dass Gott erbarm! Wenn das unsere Mutter wüsste! Komm, wir wollen miteinander in die weite Welt gehen!«
Sie gingen den ganzen Tag über Wiesen, Felder und Steine, und wenn es regnete, sprach das Schwesterchen: »Gott und unsere Herzen, die weinen zusammen!« Abends kamen sie in einen großen Wald und waren so müde von Jammer, Hunger und dem langen Weg, dass sie sich in einen hohlen Baum setzten und einschliefen. Am anderen Morgen, als sie aufwachten, stand die Sonne schon hoch am Himmel und schien heiß in den Baum hinein. Da sprach das Brüderchen: »Schwesterchen, mich dürstet, wenn ich ein Brünnlein wüsste, ich ging und tränk einmal; ich mein, ich hört eins rauschen.« Brüderchen stand auf, nahm Schwesterchen an der Hand, und sie wollten das Brünnlein suchen.
Die böse Stiefmutter aber war eine Hexe und hatte wohl gesehen, wie die beiden Kinder fortgegangen waren, war ihnen nachgeschlichen, heimlich, wie die Hexen schleichen, und hatte alle Brunnen im Walde verwünscht. Als sie nun ein Brünnlein fanden, das so glitzerig über die Steine sprang, wollte das Brüderchen unbedingt daraus trinken. Aber das Schwesterchen hörte, wie es im Rauschen sprach: »Wer aus mir trinkt, wird ein Tiger, wer aus mir trinkt, wird ein Tiger.« Da rief das Schwesterchen: »Ich bitte dich, Brüderlein, trink nicht, sonst wirst du ein wildes Tier und zerreißest mich!« Das Brüderchen trank nicht, ob es gleich so großen Durst hatte, und sprach: »Ich will warten, bis zur nächsten Quelle.«
Als sie nach einer Weile zum zweiten Brünnlein kamen, hörte das Schwesterchen, wie auch dieses sprach: »Wer aus mir trinkt, wird ein Wolf, wer aus mir trinkt, wird ein Wolf.« Da rief das Schwesterchen: »Brüderchen, ich bitte dich, trink nicht, sonst wirst du ein Wolf und frisst mich!« Das Brüderchen trank nicht und sprach: »Ich will warten, bis wir zur nächsten Quelle kommen, aber dann muss ich trinken, du magst sagen, was du willst, mein Durst ist gar zu groß.«
Und als sie schließlich zum dritten Brünnlein kamen, hörte das Schwesterlein, wie es im Rauschen sprach: »Wer aus mir trinkt, wird ein Reh; wer aus mir trinkt, wird ein Reh.« Das Schwesterchen sprach: »Ach Brüderchen, ich bitte dich, trink nicht, sonst wirst du ein Reh und läufst mir fort.« Aber das Brüderchen hatte sich gleich beim Brünnlein niedergekniet, hinabgebeugt und von dem Wasser getrunken und wie die ersten Tropfen auf seine Lippen gekommen waren, lag es da als ein Rehkälbchen. Nun weinte das Schwesterchen über das arme verwünschte Brüderchen, und das Rehchen weinte auch und saß so traurig neben ihm.
Da sprach das Mädchen endlich: »Sei still, liebes Rehchen, ich will dich ja nimmermehr verlassen.« Dann band es sein goldenes Strumpfband ab, tat es dem Rehchen um den Hals und rupfte Binsen und flocht ein weiches Seil daraus. Daran band es das Tierchen und führte es weiter und ging immer tiefer in den Wald hinein. Und als sie lange, lange gegangen waren, kamen sie endlich an ein kleines Haus, und das Mädchen schaute hinein, und weil es leer war, dachte es: Hier können wir bleiben und wohnen.
Da suchte es dem Rehchen Laub und Moos zu einem weichen Lager, und jeden Morgen ging es aus und sammelte sich Wurzeln, Beeren und Nüsse, und für das Rehchen brachte es zartes Gras mit, das fraß es ihm aus der Hand, war vergnügt und spielte vor ihm herum. Abends wenn Schwesterchen müde war und sein Gebet gesagt hatte, legte es seinen Kopf auf den Rücken des Rehkälbchens, das war sein Kissen, darauf es sanft einschlief. Und hätte das Brüderchen nur seine menschliche Gestalt gehabt, es wäre ein herrliches Leben gewesen.
Das dauerte eine Zeit lang, dass sie so allein in der Wildnis waren. Es trug sich aber zu, dass der König des Landes eine große Jagd in dem Wald hielt. Da schallte das Hörnerblasen, Hundegebell und das lustige Geschrei der Jäger durch die Bäume, und das Rehlein hörte es und wäre gar zu gerne dabei gewesen. »Ach!«, sprach es zu dem Schwesterlein, »lass mich hinaus in die Jagd, ich kann es nicht länger mehr aushalten!« und bat so lange, bis es einwilligte. »Aber«, sprach es zu ihm, »komm mir ja abends wieder, vor den wilden Jägern schließ ich mein Türlein; und damit ich dich kenne, so klopf und sprich: ›Mein Schwesterlein, lass mich herein!‹ Und wenn du nicht so sprichst, so schließ ich mein Türlein nicht auf.«
Nun sprang das Rehchen hinaus, und war ihm so wohl und war so lustig in freier Luft. Der König und seine Jäger sahen das schöne Tier und setzten ihm nach, aber sie konnten es nicht einholen und wenn sie meinten, sie hätten es gewiss, da sprang es über das Gebüsch weg und war verschwunden. Als es dunkel ward, lief es zu dem Häuschen, klopfte und sprach: »Mein Schwesterchen, lass mich herein!« Da ward ihm die kleine Tür aufgetan, es sprang hinein und ruhte sich die ganze Nacht auf seinem weichen Lager aus.
Am anderen Morgen ging die Jagd von neuem an, und als das Rehlein das Jagdhorn hörte und das »Ho, Ho!«, der Jäger, da hatte es keine Ruhe und sprach: »Schwesterchen, mach mir auf, ich muss hinaus.« Das Schwesterchen öffnete ihm die Türe und sprach: »Aber zum Abend musst du wieder da sein und dein Sprüchlein sagen.« Als der König und seine Jäger das Rehlein mit dem goldenen Halsband wieder sahen, jagten sie ihm alle nach, aber es war ihnen zu schnell und behänd. Das währte den ganzen Tag, endlich aber hatten es die Jäger abends umzingelt, und einer verwundete es ein wenig am Fuß, sodass es hinken musste und langsam fortlief. Da schlich ihm ein Jäger nach bis zu dem Häuschen und hörte, wie es rief: »Mein Schwesterlein, lass mich herein!« und sah, dass die Tür ihm aufgetan und alsbald wieder zugeschlossen ward.
Der Jäger behielt das alles wohl im Sinn, ging zum König und erzählte ihm, was er gesehen und gehört hatte. Da sprach der König: »Morgen soll noch einmal gejagt werden!« Das Schwesterchen aber erschrak gewaltig, als es sah, dass sein Rehkälbchen verwundet war. Es wusch ihm das Blut ab, legte Kräuter auf und sprach: »Geh auf dein Lager, lieb Rehchen, dass du wieder heil wirst.«
Die Wunde aber war so gering, dass das Rehchen am Morgen nichts mehr davon spürte. Und als es die Jagdlust wieder draußen hörte, sprach es: »Ich kann’s nicht aushalten, ich muss dabei sein; so bald soll mich keiner kriegen!« Das Schwesterchen weinte und sprach: »Nun werden sie dich töten, und ich bin hier allein im Walde und bin verlassen von aller Welt. Ich lass dich nicht hinaus.« »So sterbe ich dir hier vor Betrübnis«, antwortete das Rehchen, »wenn ich das Jagdhorn höre, so mein ich, ich müsste aus den Schuhen springen!« Da konnte das Schwesterchen nicht anders und schloss ihm mit schwerem Herzen die Tür auf, und das Rehchen sprang gesund und fröhlich in den Wald. Als es der König erblickte, sprach er zu seinen Jägern: »Nun jagt ihm nach den ganzen Tag bis in die Nacht, aber dass ihm keiner etwas zuleide tut!«
Sobald die Sonne untergegangen war, sprach der König zum Jäger: »Nun komm und zeige mir das Waldhäuschen!« Und als er vor dem Türlein war, klopfte er an und rief: »Lieb Schwesterlein, lass mich herein!« Da ging die Tür auf, und der König trat herein, und da stand ein Mädchen, das war so schön, wie er noch keines gesehen hatte. Das Mädchen erschrak, als es sah, dass nicht sein Rehlein, sondern ein Mann hereinkam, der eine goldene Krone auf dem Haupt hatte. Aber der König sah es freundlich an, reichte ihm die Hand und sprach: »Willst du mit mir gehen auf mein Schloss und meine liebe Frau sein?« »Ach ja«, antwortete das Mädchen, »aber das Rehchen muss auch mit, das verlass ich nicht.« Sprach der König: »Es soll bei dir bleiben, solange du lebst, und soll ihm an nichts fehlen.«
In dem Moment kam es hereingesprungen, da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil, nahm es selbst in die Hand und ging mit ihm aus dem Waldhäuschen fort. Der König nahm das schöne Mädchen auf sein Pferd und führte es in sein Schloss, wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde, und war es nun die Frau Königin, und lebten sie lange Zeit vergnügt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt und sprang in dem Schlossgarten herum.
Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hineingegangen waren, die meinte nicht anders, als Schwesterchen wäre von den wilden Tieren im Walde zerrissen worden und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern totgeschossen. Als sie nun hörte, dass sie so glücklich waren, und es ihnen so wohl ging, da wurden Neid und Missgunst in ihrem Herzen rege und ließen ihr keine Ruhe, und sie hatte keinen anderen Gedanken, als wie sie die beiden doch noch ins Unglück bringen könnte. Ihre rechte Tochter, die hässlich war wie die Nacht und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwürfe und sprach: »Eine Königin zu werden, das Glück hätte mir gebührt.« »Sei nur still«, sagte die Alte und sprach sie zufrieden, »wenn es Zeit ist, will ich schon bei der Hand sein.«
Als nun die Zeit herangerückt war und die Königin ein schönes Knäblein zur Welt gebracht hatte und der König gerade auf der Jagd war, nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat in die Stube, wo die Königin lag, und sprach zu der Kranken: »Kommt, das Bad ist fertig, das wird euch wohltun und frische Kräfte geben. Geschwind, eh es kalt wird!« Ihre Tochter war auch bei der Hand, sie trugen die schwache Königin in die Badestube und legten sie in die Wanne, dann schlössen sie die Tür ab und liefen davon.
In der Badestube aber hatten sie ein rechtes Höllenfeuer angemacht, dass die schöne junge Königin bald ersticken musste. Als das vollbracht war, nahm die Alte ihre Tochter, setzte ihr eine Haube auf und legte sie ins Bett an der Königin Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Aussehen der Königin; nur das verlorene Auge konnte sie ihr nicht wiedergeben. Damit es aber der König nicht merkte, musste sie sich auf die Seite legen, wo sie kein Auge hatte.
Am Abend, als er heimkam und hörte, dass ihm ein Söhnlein geboren war, freute er sich herzlich, und wollte ans Bett seiner lieben Frau gehen und sehen, was sie machte. Da rief die Alte geschwind: »Beileibe, lasst die Vorhänge zu, die Königin darf noch nicht ins Licht sehen und muss Ruhe haben!« Der König ging zurück und wusste nicht, dass eine falsche Königin im Bette lag.
Als es aber Mitternacht war und alles schlief, da sah die Kinderfrau, die in der Kinderstube neben der Wiege saß und allein noch wachte, wie die Türe aufging und die rechte Königin hereintrat. Sie nahm das Kind aus der Wiege, legte es in ihren Arm und gab ihm zu trinken. Dann schüttelte sie ihm sein Kisschen, legte es wieder hinein und deckte es mit dem Deckbettchen zu. Sie vergaß aber auch das Rehchen nicht, ging in die Ecke, wo es lag, und streichelte ihm über den Rücken. Darauf ging sie ganz stillschweigend wieder zur Tür hinaus, und die Kinderfrau fragte am anderen Morgen die Wächter, ob jemand während der Nacht ins Schloss gegangen wäre. Aber sie antworteten: »Nein, wir haben niemand gesehen.«
So kam sie viele Nächte und sprach niemals ein einziges Wort dabei; die Kinderfrau sah sie immer, aber sie getraute sich nicht, jemand etwas davon zu sagen. Als nun so eine Zeit verflossen war, da hob die Königin in der Nacht an zu reden und sprach: »Was macht mein Kind? Was macht mein Reh? Nun komme ich noch zweimal und dann nimmermehr.« Die Kinderfrau antwortete ihr nicht, aber als sie wieder verschwunden war, ging sie zum König und erzählte ihm alles.
Sprach der König: »Ach Gott! Was ist das! Ich will in der nächsten Nacht bei dem Kinde wachen.« Abends ging er in die Kinderstube, aber um Mitternacht erschien die Königin wieder und sprach: »Was macht mein Kind? Was macht mein Reh? Nun komme ich noch einmal und dann nimmermehr.« Und pflegte dann des Kindes, wie sie gewöhnlich tat, ehe sie verschwand.
Der König getraute sich nicht, sie anzureden, aber er wachte auch in der folgenden Nacht. Sie sprach abermals: »Was macht mein Kind? Was macht mein Reh? Nun komme ich noch diesmal und dann nimmermehr.« Da konnte sich der König nicht zurückhalten, sprang zu ihr und sprach: »Du kannst niemand anderes sein als meine liebe Frau!« Da antwortete sie: »Ja, ich bin deine Frau«, und hatte in dem Augenblick durch Gottes Gnade das Leben wiedererhalten, war frisch, rot und gesund.
Darauf erzählte sie dem König den Frevel, den die böse Hexe und ihre Tochter an ihr verübt hatten. Der König ließ beide vor Gericht führen, und es ward ihnen das Urteil gesprochen. Die Tochter ward in den Wald geführt, wo sie die wilden Tiere zerrissen, die Hexe aber ward ins Feuer gelegt und musste jammervoll verbrennen. Und wie sie zu Asche verbrannt war, verwandelte sich plötzlich das Rehkälbchen und erhielt seine menschliche Gestalt wieder; Schwesterchen und Brüderchen aber lebten glücklich zusammen bis an ihr Ende.
Es war vor langer Zeit einmal eine Mutter, die hatte zwei Töchter, Schneeweißchen und Rosenrot. Sie lebten in einem kleinen, einfachen Holzhäuschen und hatten einen wunderschönen bunten Garten. In diesem Garten gab es zwei stolze Rosenbäumchen. Das eine trug weiße Rosen, und das andere rote. Jeden Morgen stellten die Mädchen ihrer Mutter einen frischen Blumenstrauß hin, stets auch mit einer weißen und einer roten Rose darin.
Die Schwestern liefen fröhlich jeden Tag Hand in Hand durch den nahen Wald. Sie sammelten essbare Beeren und freundeten sich mit den Tieren des Waldes an. Die Vögel sangen ihnen fröhliche Lieder und sie hatten eine gute, unbeschwerte Zeit. Dabei wurden sie von ihrem Schutzengelchen, das ein weißes, glänzendes Kleidchen trug, begleitet, damit ihnen nichts passieren konnte.
Abends, wenn sie wieder zu Hause waren, las die Mutter ihnen aus dem großen Märchenbuch vor. An einem kalten, verschneiten Wintertag klopfte es plötzlich an der Tür. Als die Mutter öffnete, stand jedoch kein müder Wanderer draußen, sondern ein ziemlich großer Bär mit schwarzem Fell. Der Bär war verzaubert, denn er konnte sprechen. Er war sehr freundlich und bat darum, sich am Feuer wärmen zu dürfen.
Nach dem ersten Schreck stellten die Mädchen fest, dass er nicht gefährlich war. Sie klopften ihm den Schnee aus dem dicken Fell, sodass er behaglich brummte. So verbrachte der Bär die Winterzeit gemütlich mit ihnen in dem kleinen Haus. Tagsüber ging er hinaus, aber abends kehrte er stets in die warme Stube zurück.
Als der Frühling kam, verabschiedete sich der Bär von der Familie. Er müsse seine Schätze im Wald vor den bösen Zwergen bewachen. Wenn der Schnee fort und der Boden getaut wäre, könnten die Zwerge seine Beute ausgraben. So verabschiedete er sich und ging fort.
Auch für Schneeweißchen und Rosenrot war wieder die Zeit gekommen, wo sie in den Wald gehen konnten. Alles grünte und blühte und die Luft roch nach Blumen und nach Frühling. Da entdeckten sie plötzlich einen kleinen Zwerg, der wütend auf und ab sprang. Er hatte sich das Ende seines langen Bartes im Spalt eines alten Baumstammes eingeklemmt. Schneeweißchen befreite ihn, indem sie den eingeklemmten Bartzipfel mit einer kleinen Schere abschnitt. Der Zwerg schimpfte lauthals darüber, nahm seinen Sack voll Gold, der neben ihm stand, und verschwand im Wald.
An einem anderen Tag gingen die Mädchen an einem klaren Bach fischen. Und wieder sahen sie den Zwerg herumspringen. Sein langer Bart hatte sich in seiner Angelschnur verfangen. Erneut befreiten sie ihn, indem sie ein Stück seines Bartes abschnitten. Der Zwerg aber tobte vor Wut, nahm dieses Mal seinen Sack voll Perlen und verschwand hinter einem großen grauen Stein.
Als die Schwestern im Sommer durch eine rosarot blühende Heide gingen, sahen sie, wie ein großer Adler den Zwerg ergreifen wollte. Sie zogen an dem Männchen und hielten es fest, sodass der Adler davonflog. Dabei hatten sie jedoch die Kleider des Zwerges zerrissen. Und wieder schrie der Zwerg herum, packte seinen Sack mit Edelsteinen und verschwand zornig in seiner Höhle.
Als die Mädchen am Abend über die Heide wieder nach Hause gingen, entdeckten sie den Zwerg, wie er alle seine Schätze vor sich ausgebreitet hatte. Sie glitzerten in der Abendsonne. Da kam der Bär mit dem schwarzen Fell und versetzte dem bösen Zwerg einen Schlag mit seiner großen Bärentatze, sodass dieser sich wie durch einen Zauber in Luft auflöste.
Nun war der Bann gebrochen und der Bär verwandelte sich in den Prinzen zurück, der er gewesen war, bevor der böse Zwerg ihn verzaubert hatte. Und da er einen Bruder hatte, waren sie nun glücklich zu viert mit Schneeweißchen und Rosenrot. Den Schatz aber teilten sie untereinander auf.
Die Botschaft des Märchens:
Hilfsbereitschaft
Schneeweißchen und Rosenrot zeigen uns, dass sich Hilfsbereitschaft immer bewährt. Zuerst bieten sie dem Bären über den Winter ein behagliches Zuhause, und später retten sie dreimal dem Zwerg das Leben. Dieser ist jedoch undankbar und beschimpft sie sogar. Darüber hinaus hatte er vor langer Zeit den Prinz in einen Bären verwandelt und ihm seine Schätze gestohlen.
Bei Tageslicht, als der Zwerg seine Schätze in der Sonne ausbreitet, kommt jedoch die ganze Wahrheit heraus. Als dann der Bär auftaucht und den Zwerg in die Flucht schlägt, löst sich auch die Verwünschung in Luft auf. Und so ist der Bär erlöst und verwandelt sich wieder in den Prinzen zurück.
All dies konnte nur geschehen, weil die beiden Mädchen die ganze Geschichte über immer wieder ihre selbstlose, uneigennützige Hilfsbereitschaft bewiesen haben. Stets waren sie für andere da, die in Sorgen und Nöten waren. Zum guten Schluss teilten die Prinzen ihre Schätze mit ihnen. Von nun an lebten sie alle miteinander zufrieden und glücklich, zusammen mit der Mutter, die immer für ihre beiden Töchter dagewesen ist, und mit den beiden Rosenbäumchen, denn symbolisch stehen Rosen für die Liebe und die Herzenswärme. Wisse daher:
Wenn du anderen hilfst, wird auch dir geholfen!
Ein guter Gedanke für diesen Tag sei:
„Ich helfe gerne!“
Was hat dich das Märchen gelehrt?
Wie fühlst du dich, wenn du anderen hilfst?
Eine Übung zur Entspannung
ENTSPANNUNG DER HÄNDE
Ich sitze oder liege ganz bequem und mache es mir so angenehm und gemütlich wie möglich. Alle Gedanken und alle Geräusche sind vollkommen gleichgültig. Sie sind vielleicht da, aber ich schenke ihnen jetzt, in diesem Moment, keinerlei Aufmerksamkeit. Ich lasse sie einfach vorüberziehen wie Wolken am Himmel ...
Mein Atem fließt ganz ruhig und gleichmäßig tief durch meinen Bauch ein und aus ...
Nun lenke ich meine Achtsamkeit ganz bewusst auf meine Hände ... Und beim nächsten Einatmen balle ich meine rechte Hand fest zur Faust – halte den Atem ganz kurz an und zähle in Gedanken bis zwei: 1 … 2 … – dann atme ich langsam restlos wieder aus und löse dabei gleichzeitig meine Faust wieder, bis alle Luft aus meinen Lungen heraus ist und der nächste Atemzug ganz von allein kommt ...
Beim nächsten Einatmen balle ich meine linke Hand fest zur Faust – halte den Atem kurz an, zähle in Gedanken bis zwei: 1 … 2 … – dann atme ich langsam restlos wieder aus und löse meine Faust wieder, bis alle Luft aus mir heraus ist und der nächste Atemzug wieder ganz von allein kommt ...
Dann balle ich gleichzeitig beide Hände zu Fäusten – halte den Atem ganz kurz an, zähle in Gedanken bis zwei: 1 … 2 … – dann atme ich langsam wieder aus und löse meine Fäuste, bis alle Luft ausgeatmet ist ...
Ich spüre, wie sich das Gefühl der Entspannung meiner Hände nun in meinem ganzen Körper auszubreiten beginnt ...
Schneeweißchen und Rosenrot
(ORIGINAL)
Eine arme Witwe, die lebte einsam in einem Hüttchen, und vor dem Hüttchen war ein Garten, darin standen zwei Rosenbäumchen, davon trug das eine weiße, das andere rote Rosen; und sie hatte zwei Kinder, die glichen den beiden Rosenbäumchen, und das eine hieß Schneeweißchen, das andere Rosenrot. Sie waren aber so fromm und gut, so arbeitsam und unverdrossen, als je zwei Kinder auf der Welt gewesen sind. Schneeweißchen war nur stiller und sanfter als Rosenrot. Rosenrot sprang lieber in den Wiesen und Feldern umher, suchte Blumen und Sommervögel; Schneeweißchen aber saß daheim bei der Mutter, half ihr im Hauswesen oder las ihr vor, wenn nichts zu tun war.
Die beiden Kinder hatten einander so lieb, dass sie sich immer an den Händen fassten, sooft sie zusammen ausgingen; und wenn Schneeweißchen sagte: »Wir wollen uns nicht verlassen«, so antwortete Rosenrot: »Solange wir leben, nicht«, und die Mutter setzte hinzu: »Was das eine hat, soll’s mit dem anderen teilen.« Oft liefen sie im Walde allein umher und sammelten rote Beeren, aber kein Tier tat ihnen etwas zuleid, sondern sie kamen vertraulich herbei: das Häschen fraß ein Kohlblatt aus ihren Händen, das Reh graste an ihrer Seite, der Hirsch sprang ganz lustig vorbei, und die Vögel blieben auf den Ästen sitzen und sangen, was sie nur wussten. Kein Unfall traf sie – wenn sie sich im Walde verspätet hatten und die Nacht sie überfiel, so legten sie sich nebeneinander auf das Moos und schliefen, bis der Morgen kam, und die Mutter wusste das und hatte ihretwegen keine Sorge.
Einmal, als sie im Walde übernachtet hatten und das Morgenrot sie aufweckte, da sahen sie ein schönes Kind in einem weißen, glänzenden Kleidchen neben ihrem Lager sitzen. Es stand auf und blickte sie ganz freundlich an, sprach aber nichts und ging in den Wald hinein. Und als sie sich umsahen, so hatten sie ganz nahe bei einem Abgrunde geschlafen und wären gewiss hineingefallen, wenn sie in der Dunkelheit noch ein paar Schritte weitergegangen wären. Die Mutter aber sagte ihnen, das müsste der Engel gewesen sein, der gute Kinder bewache. Schneeweißchen und Rosenrot hielten das Hüttchen der Mutter so reinlich, dass es eine Freude war hineinzuschauen.
Im Sommer besorgte Rosenrot das Haus und stellte der Mutter jeden Morgen, ehe sie aufwachte, einen schönen bunten Blumenstrauß vors Bett, darin war von jedem Bäumchen eine Rose. Im Winter zündete Schneeweißchen das Feuer an und hing den Kessel an den Feuerhaken, und der Kessel war von Messing, glänzte aber wie Gold, so rein war er gescheuert. Abends, wenn die Flocken fielen, sagte die Mutter: »Geh, Schneeweißchen, und schieb den Riegel vor«, und dann setzten sie sich an den Herd, und die Mutter nahm die Brille und las aus einem großen Buche vor, und die beiden Mädchen hörten zu, saßen und spannen; neben ihnen lag ein Lämmchen auf dem Boden, und hinter ihnen auf einer Stange saß ein weißes Täubchen und hatte seinen Kopf unter den Flügel gesteckt.
Eines Abends, als sie so vertraulich beisammensaßen, klopfte jemand an die Türe, als wollte er eingelassen sein. Die Mutter sprach: »Geschwind, Rosenrot, mach auf, es wird ein Wanderer sein, der Obdach sucht.« Rosenrot ging und schob den Riegel weg und dachte, es wäre ein armer Mann, aber der war es nicht, es war ein Bär, der seinen dicken schwarzen Kopf zur Türe hereinstreckte. Rosenrot schrie laut und sprang zurück: das Lämmchen blökte, das Täubchen flatterte auf, und Schneeweißchen versteckte sich hinter der Mutter Bett. Der Bär aber fing an zu sprechen und sagte: »Fürchtet euch nicht, ich tue euch nichts zuleid, ich bin halb erfroren und will mich nur ein wenig bei euch wärmen.« »Du armer Bär«, sprach die Mutter, »leg dich ans Feuer und gib nur acht, dass dir dein Pelz nicht brennt.« Dann rief sie: »Schneeweißchen, Rosenrot, kommt hervor, der Bär tut euch nichts, er meint es ehrlich.«
Da kamen sie beide heran, und nach und nach näherten sich auch das Lämmchen und Täubchen und hatten keine Furcht vor ihm. Der Bär sprach: »Ihr Kinder, klopft mir den Schnee ein wenig aus dem Pelzwerk«, und sie holten den Besen und kehrten dem Bär das Fell rein; er aber streckte sich ans Feuer und brummte ganz vergnügt und behaglich.
Nicht lange, so wurden sie ganz vertraut und trieben ihren Mutwillen mit dem unbeholfenen Gast. Sie zausten ihm das Fell mit den Händen, setzten ihre Füßchen auf seinen Rücken und walgten ihn hin und her, oder sie nahmen eine Haselrute und schlugen auf ihn los, und wenn er brummte, so lachten sie. Der Bär ließ sich’s aber gerne gefallen, nur wenn sie’s gar zu arg machten, rief er: »Lasst mich am Leben, ihr Kinder. Schneeweißchen, Rosenrot, schlägst dir den Freier tot.« Als Schlafenszeit war und die anderen zu Bett gingen, sagte die Mutter zu dem Bär: »Du kannst in Gottes Namen da am Herde liegen bleiben, so bist du vor der Kälte und dem bösen Wetter geschützt.«
Sobald der Tag graute, ließen ihn die beiden Kinder hinaus, und er trabte über den Schnee in den Wald hinein. Von nun an kam der Bär jeden Abend zu der bestimmten Stunde, legte sich an den Herd und erlaubte den Kindern, Kurzweil mit ihm zu treiben, soviel sie wollten; und sie waren so gewöhnt an ihn, dass die Türe nicht eher zugeriegelt ward, als bis der schwarze Gesell angelangt war.
Als das Frühjahr herangekommen und draußen alles grün war, sagte der Bär eines Morgens zu Schneeweißchen: »Nun muss ich fort und darf den ganzen Sommer über nicht wiederkommen.« »Wo gehst du denn hin, lieber Bär?«, fragte Schneeweißchen. »Ich muss in den Wald und meine Schätze vor den bösen Zwergen hüten: im Winter, wenn die Erde hart gefroren ist, müssen sie wohl unten bleiben und können sich nicht durcharbeiten, aber jetzt, wenn die Sonne die Erde aufgetaut und erwärmt hat, da brechen sie durch, steigen herauf, suchen und stehlen; was einmal in ihren Händen ist und in ihren Höhlen liegt, das kommt so leicht nicht wieder an des Tages Licht.«