Maria Magdalena und ihr Sohn Johannes Markus im Johannesevangelium - Klaus Mailahn - E-Book

Maria Magdalena und ihr Sohn Johannes Markus im Johannesevangelium E-Book

Klaus Mailahn

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Beschreibung

Fachbuch aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Theologie - Biblische Theologie, Note: ---, , Veranstaltung: ---, Sprache: Deutsch, Abstract: In dieser exegetischen Arbeit geht es in erster Linie um die Rollen von Maria Magdalena und ihres Sohnes Johannes Markus im Johannesevangelium. Um dabei den Part dieser Frau richtig verstehen zu können, erfolgt zunächst die Beweisführung, dass Johannes Markus ihr Sohn war und das Johannesevangelium wohl unter ihrer Anleitung verfasste. Daher muss auch die Konzeption des Weiblichen, wie sie uns in aller Regel in den meisten Übersetzungen des Neuen Testaments entgegentritt, neugefasst werden: Die vor allem durch falsche Übersetzungen zum männlichen Heiligen Geist umgewandelte Ruachmutter nimmt wieder den ihr gebührenden Platz als weibliche Gottheit ein, ebenso die ganz aus dem Evangelium gestrichene und durch den Logos ersetzte Frau Weisheit, Sophia. In der Neuübersetzung bestimmter Passagen klingt ihre wahre Bedeutung als Göttliche Mutter an, und man versteht besser, warum die Gnostiker, welche vor allem das Johannesevangelium für ihre Zwecke verwendeten, Maria Magdalena als deren Inkarnation ansahen. Ein weiterer, mindestens genauso wichtiger Punkt ist es, die Konzeption des Evangeliums von Maria Magdalena und Jesus Christus als Göttliches Paar zu erkennen. Dies wie auch der Frau Jesu Vergangenheit als Priesterin der Taubengöttin Ashima in Samaria wird vor allem anhand theologischer und etymologischer Gesichtspunkte herausgearbeitet. Dabei kommen Erkenntnisse ans Tageslicht, die so manchen interessierten Leser in Erstaunen versetzen dürften.

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Inhaltsverzeichnis

 

Unkorrekte Übersetzungen – eine Frage der Perspektive

Das Johannesevangelium – Einordnung, Datierung und Verfasserschaft

Maria Magdalena, Johannes Markus und die Entstehung des Johannesevangeliums

Maria Magdalena war die Mutter von Johannes Markus

Zum Namen Johannes Markus

Relevante Bibelstellen

Ein ikonographischer Aspekt: Mutter und Sohn in der Buchmalerei des Book of Kells

Verdrängung und Bekämpfung von Mutter und Sohn

Die Situation nach der Passion und Auferstehung Jesu

Die Verbindung des Johannesevangeliums mit der Gnosis

Die Entwicklung der johanneischen Gemeinde

Warum der Beiname Magdalena nicht im Johannesevangelium zu finden ist – und warum ihr ihre Heimatstadt Magdala später zugeordnet wurde

Zum Beinamen Magdalena

Zur Stadt Magdala

Übersetzung und Kommentar wichtiger Passagen

Zum Prolog

Übersetzung

Kommentar

Der Austausch von Sophia gegen Logos

Die Sophia der Gnosis

Sophia bei den Ophiten

Der Sophia-Mythos der Pistis Sophia

Sophia und Maria Magdalena

Die Folgen der Verdrängung Sophias

Zu Jesu Taufe im Jordan

Übersetzung

Kommentar

Die Ruachmutter im AT

Von der Ruachmutter des ATs zum Heiligen Geist im NT

Die Ruachmutter in der Gnosis

Ruach in der Ikonographie

Ruach in der christlichen Tradition

Ruach und Maria Magdalena

a) Bei Hippolyt

b) Bei Origenes

c) Bei Augustinus

Die Ruachmutter und Maria Magdalena bei der Taufe Jesu

Zum Kapitel „Das erste Zeichen: Die Hochzeit“

Jesus und die Samariterin am Brunnen

Übersetzung

Kommentar

Die Begegnung der Samariterin am Brunnen mit Jesus – ein Liebesgeplänkel

Die Taubengöttin Ashima

Weitere etymologische Überlegungen

Essenz der Begegnung Jesu mit der Frau am Brunnen

Parallelen zu Joh 4,11-29 im Alten Testament

Die Hochzeit zu Kana

Übersetzung

Kommentar

Die Erfüllung der Liebeswerbung

Überarbeitungen des Textes durch Bearbeiter

Die Komposition des Werkes als Göttliches Paar

Die geistige Bedeutung der Hochzeit

Von Wasser zu Wein

Verschiedene Stellen zu Sophia und Ruach. Maria Magdalena im Symbol des Fisches

Kreuzigung und Passion

Auferstehung und Erscheinung Jesu vor Maria Magdalena

Die zwei Engel in weißen Gewändern

Höhe- und Schlusspunkt: Das Göttliche Paar

Die Verbindung zu Shabbat Hamalka

Zum Epilog

Essenz der wichtigsten Erkenntnisse

Literatur

Abkürzungen

 

Unkorrekte Übersetzungen – eine Frage der Perspektive

 

Geschichte wird von Siegern geschrieben. Dies gilt erst recht für das „Buch der Bücher“, die Bibel, die ein einmaliges Dokument für den Siegeszug einer androzentrischen Tradition darstellt. Nichtsdestoweniger enthält sie zahlreiche Spuren einer besiegten und infolge davon unterdrückten gynäkokratischen Kultur. Hinweise darauf finden wir nicht nur in mythologischen, sozialgeschichtlichen und historischen Kontexten der so genannten Heiligen Schrift, sondern besonders auch in Fragen zu ihrer Übersetzung, besonders ins Deutsche. Bezüglich des NTs liegen diesem aramäische und griechische Urtexte zugrunde, die im Lauf der Zeit ins Lateinische und in andere Sprachen übersetzt wurden. Bereits im Griechischen wurde die alte hebräische Göttin namens Ruach – die Ruachmutter – zu einem Neutrum, zum Pneuma, um sich dann in der Vulgata in den männlichen Heiligen Geist zu verwandeln. Ein noch schlimmeres Schicksal widerfuhr der Göttin Sophia, die uns als „Frau Weisheit“ oder Chokmah aus den Weisheitstexten des ATs bekannt ist. Sie wurde aus dem NT gleich ganz entfernt und durch den Logos – „das Wort“ – ersetzt. In einem korrekt übersetzten Text würde also der ursprüngliche Name „Sophia“ stehen, und der Heilige Geist, die Ruach, wäre nicht wie im konventionellen Christentum männlichen, sondern wie im Judentum und in der Gnosis weiblichen Geschlechts. Und anstelle des Reiches Gottes würden wir, wie Christa Mulack erarbeitet hat, dort, wo davon die Rede ist, die jüdische Göttin Malchut vorfinden. Welch andere Lesart des NTs würde sich dadurch ergeben! In der neuen Übersetzung relevanter Passagen wird dem Göttlich-Weiblichen ein Stück seiner Würde und vor allem auch der Platz in der Heiligen Schrift, der ihm zusteht, zurückgegeben. Um genau diese Lesart zu ermöglichen, habe ich die relevanten NTlichen Stellen von Sophia, Ruach und Malchut zusammengesucht, neu übersetzt und gebe diese Passagen in der vorliegenden Arbeit wieder, versehen mit exegetischen Anmerkungen und Kommentar.

 

Bei der Durchsicht der verschiedenen Bibelstellen fiel mir auf, dass die Ruachmutter, ebenso wie Sophia, an vielen Stellen mit Maria Magdalena zu tun zu haben scheint, ja man kann teilweise sogar soweit gehen, zu sagen, dass Ruach und Sophia geradezu wie ein Code für Maria Magdalena stehen – nicht unbedingt als ein direkter Ersatz, aber in jedem Fall in einer Art von Konnotation oder Entsprechung. Außerdem stellte sich heraus, dass Maria Magdalena offenbar als die Mutter des Jüngers Johannes Markus anzusehen ist, und dies ist von umso größerer Bedeutung, wenn man bedenkt, dass es dieser Johannes war, nicht der Apostel und Zebedäussohn, welcher als Verfasser des Johannesevangeliums am ehesten in Frage kommt. Denn das heißt natürlich, dass dieses Evangelium wohl auch unter dem Einfluss von Maria Magdalena entstanden sein dürfte!

 

Die LeserInnen, die sich nun darüber wundern mögen, werden klarer sehen, nachdem sie dieses Buch durchgelesen haben. Die Wiederherstellung der Göttlich-Weiblichen Elemente im NT ermöglicht uns eine ganz bedeutende Erkenntnis: Wir haben darin nicht nur die Geschichte eines Vatergottes und seines Sohnes vor uns, sondern viel mehr die von Muttergöttin und Vatergott sowie deren irdischen Inkarnationen, die gemeinsam auf der Erde wirkten, wobei aber im Lauf der Zeit der weibliche Teil verdrängt wurde. Diese Erkenntnis gründet sich bereits auf dem AT, auf den Traditionen der Elohim, das heißt die Göttin Eloha und dem Gott Eloh der Genesis, Jahwe und Chokmah/Sophia, Jahwe und Aschirat sowie Jahwe und der zum „Volk Israel“ metaphorisierten Göttin.[1]

 

Der besondere Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf dem Johannesevangelium. Dieses vierte Evangelium in seiner Urfassung, die vor allem von James David Audlin rekonstruiert und ins Englische übersetzt wurde, bringt uns einige überraschende, um nicht zu sagen revolutionäre Erkenntnisse und Aufschlüsse. Zunächst einmal ist die Reihenfolge nicht nur der Kapitel, sondern oft auch der Verse, an vielen Stellen eine ganz andere wie in dem Text, der später von Vertretern der apostolischen Tradition verändert wurde, und der uns heute als offizielle Fassung vorliegt. In der ursprünglichen Version finden wir nach dem Prolog, der bereits überraschende Erkenntnisse bietet, zunächst den Bericht vom ersten Zeichen, welches von der Hochzeit Jesu handelt. Vor der Erzählung über diese Hochzeit in Kana, bei der, wie wir sehen werden, es sich um Jesu eigene Hochzeit handelt, befindet sich im Urtext die bemerkenswerte Geschichte von Jesu Begegnung mit der Frau am Brunnen. In der Auslegung von Audlin handelt es sich dabei um nichts anderes als ein Liebesgeplänkel zwischen der Samariterin am Brunnen und Jesus! Hinter der „Brunnenfrau“ selbst aber verbirgt sich mit großer Wahrscheinlichkeit niemand anders als Maria Magdalena. So finden wir sowohl am Anfang als auch am Ende des Evangeliums eine Liebesgeschichte. Denn die Begegnung von Jesus und Maria Magdalena nach der Auferstehung in Kapitel 20 deutet Audlin im Sinne einer Hierogamie. Dazu passt es, dass der Text Andeutungen enthält, die auf das Hohelied und die Genesis weisen.

 

Eine weitere Auffälligkeit des Johannesevangeliums ist, dass der Urtext das Dogma der Heiligen Dreifaltigkeit nicht kennt. Auch fehlt wie beim Markusevangelium die Erzählung von der Jungfrauengeburt, und der Text weiß nichts davon, dass die Anzahl der Jünger zwölf gewesen sein soll (außer in zwei Einschaltungen). Beim letzten Abendmahl gibt es keine Eucharistie und auch keinerlei Hinweise, dass Jesus oder sein Vater ein Zimmermann gewesen sein könnte. In Bezug auf Maria Magdalena fehlt bei dem Urtext der zweite Name „Magdalena“,[2] wohingegen im Text der Endredaktion der Name der Stadt Magdala, die damals unter diesem Namen noch nicht bekannt war, eingebaut wurde. Davon wird an späterer Stelle noch zu reden sein.

 

Zwei Hinweise in eigener Sache:

 

a) Festzuhalten ist hier noch auf jeden Fall, dass es hinsichtlich Sophia und Ruach in dieser Arbeit vor allem um die Stellen geht, welche die besagten Göttinnen ursprünglich mit ihrem Namen ansprachen, was erst durch falsche Übersetzung verschleiert wurde, als weniger um diejenigen, bei denen die Identität dieser Göttinnen durch deren Charakteristika und Ableitungen hieraus ermittelt wird.

 

b) Ich gebe in dieser Arbeit einige Passagen wieder, die sich bereits in meiner Arbeit „Die Göttin des Christentums: Maria Magdalena“ (Norderstedt 2013, im Folgenden kurz als GCMM bezeichnet) finden, teilweise leicht verändert. Denn es macht kaum einen Sinn, Texte gleichen Inhalts noch einmal mit anderen Worten wiederzugeben. Dafür bitte ich meine LeserInnen um Verständnis.

 

Emmendingen, im Januar 2015

 

http://gcmm.jimdo.com

 

Das Johannesevangelium – Einordnung, Datierung und Verfasserschaft

 

Zuerst ist es notwendig, eine Angabe aus GCMM zu korrigieren, und zwar hinsichtlich Abschnitt 4.1.5. Ich bin damals noch davon ausgegangen, dass der Apostel Johannes das nach ihm benannte Evangelium verfasst hat. Dank der ausführlicheren Lektüre des Buchs von Wilhelm Hartke „Vier urchristliche Parteien und ihre Vereinigung zur apostolischen Kirche“ (Berlin 1961) wurde mir aber mehr und mehr klar, dass es nicht der Apostel, sondern der Johannes mit dem Beinamen Markus gewesen sein muss, auf den dieses Evangelium zurückgeht, wenngleich auf einer Urschrift des Apostels Johannes basierend. Bevor ich wichtige Teile des Johannesevangeliums in neuer deutscher Übersetzung und mit notwendigem Kommentar präsentiere, ist es nötig, einige Worte über die Urgeschichte des NTs zu verlieren, besonders hinsichtlich der Gestalt der Maria Magdalena und des Johannes Markus. Denn wie sich noch zeigen wird, zielen nicht nur die Stellen über Sophia letztlich auf sie, und zwar im Sinne einer Art Codierung, sondern auch die über die Ruachmutter. Diese Codierung, die indes nicht für alle Stellen gilt, geschah womöglich, um zahlreiche Spuren von Maria Magdalena im NT zu verschleiern. Es kommt darauf an, die entscheidenden Stellen herauszufiltern, indem die relevanten Stellen über Sophia und Ruach erarbeitet und richtig eingeordnet werden.

 

Die älteste Quelle der kanonischen Evangelien ist die in aramäischer Sprache geschriebene so genannte Quelle Q, das heißt die Logienquelle oder Logia – eine Art Tagebuch Jesu, im Zeitraum 29-33 verfasst von Matthäus, einem Jünger der ersten Stunde, später übersetzt von Johannes Markus. Die zweite Urschrift ist der Ur-Markus, auf Griechisch niedergeschrieben im Jahr 43 von Johannes Markus und diktiert von Petrus. Die dritte Schrift ist die Quelle Z – eine Schrift des Apostels Johannes mit dem Titel „Die zwölf Zeichen des Messias Jesus“ aus dem Jahr 44, ursprünglich wohl auf Aramäisch verfasst, dann auf Griechisch aufgeschrieben von Johannes Markus. Bemerkenswert ist bei dieser Schrift des Zebedaiden und Apostels Johannes, dass die Passion und Auferstehung Jesu vollkommen fehlt![3] Johannes Markus baute dieses Werk ab dem Jahr 65 aus zum Ur-Joh (= Quelle V) aus, und in der Zeit von 92 bis 96 wurde es vor allem von Judas Barsabbas, einem engen Freund des Lukas, redigiert und zur Quelle H-Joh, der Endredaktion des Johannesevangeliums. Im Jahr 48 schrieb Lukas den ersten Ur-Lk, überarbeitete ihn ab etwa 65 bis 70, Endredaktion circa 92-96. Im Zeitraum 65 bis 70 erschien die redigierte Version des Ur-Mk, das heißt die Endredaktion des Markus-Evangeliums, bearbeitet von einem Philippiner, möglicherweise Aristion. Lediglich eine Nebenrolle spielt das Matthäus-Evangelium, eine etwa ab 70 entstandene Tendenzschrift, die zwar zu den Synoptikern zählt, aber nahezu ohne Einfluss auf die anderen Evangelien war. Zu den verschiedenen unterschiedlichen Einwirkungen lässt sich hier zumindest so viel sagen: Es herrscht ein regelrechtes Wirrwarr an Einflüssen (siehe das Stemma bei Hartke),[4] aber das Johannesevangelium ist im wesentlichen eine Schrift der Johanneer, auch beeinflusst von den Philippinern und von Lukas. Die Endredaktion des Lk ist das wichtigste Evangelium der römischen Katholiken, die Endredaktion des Mk die der Philippiner, der Ur-Lk die der Altpauliner, und schließlich das Mt die der Petriner.

 

Hinsichtlich der Datierung ist es wichtig, dass einige Parallelen zu den Schriftrollen vom Toten Meer bestehen. Die Gemeinschaft von Qumran wurde im Jahr 68 von den Römern vernichtet und ihre versteckten Schriften erst in den 1940er Jahren entdeckt. Die Lehren der Qumraner mussten also dem Autor des Johannesevangeliums bekannt gewesen sein. Die Zerstörung des Zweiten Tempels von Jerusalem im Jahr 70 wird mit keinem Wort erwähnt, doch das Bad von Bethesda ist bereits bekannt. Zwar ist von der Zerstörung eines Tempels die Rede, nämlich in Joh 2,19-22 und 11,48, doch ist dies metaphorisch gemeint und bezieht sich, wie Jesus selbst sagt, auf den Tempel seines Lebens. Laut Audlin kommt hier eine begründete Angst der Juden davor, dass eine offene Rebellion die Zerstörung der Stadt durch die Römer zur Folge haben könnte, zum Ausdruck.

 

Charles Hill weist in seiner Arbeit „The Johannine Corpus in the Early Church“ darauf hin, dass das vierte Evangelium noch vor dem Jahr 90 von leitenden Kräften wie Ignatius und Polykarp gelesen wurde und diese darauf Bezug nahmen, diese also Zugang zu dem ursprünglichen, noch unveröffentlichten Entwurf hatten.

 

Der textliche Zusammenhang des Johannesevangeliums ist stimmiger und zuverlässiger als der Rest des NTs. Auf der Rückseite steht „Rylands Library Papyrus 52“, und bei diesem Papyrus handelt es sich um das älteste kanonische Manuskript des NT, datierend auf die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts. Sein Fundort ist Ägypten, also vermutlich in diesem Land entstanden.[5]

 

Neben Johannes Markus, der am ehesten als Verfasser in Frage kommt, gibt es noch andere Kandidaten, die objektiverweise ebenfalls in Betracht gezogen werden müssen. Dies sind vor allem a) Lazarus von Bethanien, wofür vor allem James David Audlin eintritt, sowie b) Maria Magdalena, was Raymond E. Brown, Ramon K. Jusino und Walter-Jörg Langbein nahelegen. Meines Erachtens kann man aber auch die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Johannes Markus das Evangelium unter der Leitung von Maria Magdalena verfasste – nämlich dann, wenn diese, wie sich durch manche Indizien nahelegt, tatsächlich seine Mutter war.

 

Lazarus als Verfasser des Johannesevangeliums ist der Kandidat, der von Audlin bevorzugt wird. Dabei setzt er allerdings voraus, dass dieser von Jesus vom Tode auferweckte Mann nicht der Bruder von Maria und Martha von Bethanien ist, sondern der Sohn Marias – und auch der Sohn von Jesus. Dies bedeutet in seinem Sinne auch, dass er Maria von Bethanien und Maria Magdalena als ein- und dieselbe Frau ansieht. Denn in Audlins Anschauung war Maria Magdalena alias Maria von Bethanien mit Jesus verheiratet. Lazarus, der Mann, zu dem Jesus sagt, dass er ihn sowie seine Schwestern Maria und Martha von Bethanien liebt (Joh 11,5), soll außerdem der „geliebte Jünger“ sein, der an einigen Stellen des Evangeliums erwähnt wird. Es ist also durchaus möglich, dass Lazarus in einer verwandtschaftlichen Beziehung zu Jesus stand. Die nähere Betrachtung weiterer Passagen an späterer Stelle wird indes erweisen, dass der Sohn von Maria Magdalena und Jesus nicht Lazarus, sondern wohl eher Johannes Markus war. Dafür spricht auch die Tatsache, dass Lukas und andere apostolisch Gesinnte versuchten, Johannes Markus zu verdrängen, und eine römisch-katholische Tradition war oft darauf bedacht, das Haus dieses Johannes Markus (Apg 12,12) mit der Mutter Jesu in Verbindung zu bringen. Dies geschah, wovon man ausgehen darf, vor allem, um von Maria Magdalena abzulenken. Die Erhöhung und Verehrung der „Mutter Gottes“ war seit dem Lukasevangelium und später ab dem 4. Jahrhundert ein häufig gebrauchtes Mittel der römischen Katholiken, um Maria Magdalena zu verdrängen. Würde- und Ehrentitel wie der der Ecclesia und der Neuen Eva eigneten zuerst Maria Magdalena, bevor sie später auf Maria von Nazareth übertragen wurden, ja, selbst die Sulamith des Hohenliedes, die ohne jeden Zweifel mit Maria Magdalena konnotiert ist und gleichsam ihr Vorbild darstellt, versuchte man mit der Mutter Jesu zu assoziieren. Ein weiterer Punkt ist, dass Lazarus außer bei Johannes nur in einem Gleichnis bei Lukas erwähnt wird, und zwar bei Lk 16,19-31. Der arme Lazarus und ein reicher Mann sterben, und sie gelangen nach ihrem Tod in die Unterwelt. Während der Reiche leidet, muss er sehen, wie Lazarus in Abrahams Schoß liegt. Der Autor des Gleichnisses behauptet, dass die Reichen nach ihrem Tod leiden müssen, die Armen aber getröstet werden. Denn den Reichen sei es bereits zu Lebzeiten gut gegangen, den Armen aber schlecht, wofür im Jenseits nun der gerechte Ausgleich erfolge. Von der Auferweckung des Lazarus durch Jesus ist bei Lukas keinerlei Rede. Was eventuelle andere Bibelstellen betreffend Lazarus angeht, muss Audlin auf die Spekulation der Ausradierung dieses Mannes aus dem Urtext zurückgreifen. Anders als Wilhelm Hartke bei seinen Exegesen bringt Audlin allerdings hierfür keine konkreten Nachweise bei.

 

Raymond E. Brown, der renommierte katholische US-amerikanische Theologe, vertrat in seiner 1966 veröffentlichten Arbeit über das Johannesevangelium (Band 1) noch die Ansicht, dass der Apostel Johannes, der Zebedaide, der Autor des Johannesevangeliums sei.[6] Dreizehn Jahre später jedoch revidierte er seine Ansicht und gelangte – wie die meisten Bibelgelehrten heute – zu der Auffassung, dass es nur wenige Hinweise gäbe, die für eine Autorschaft des Apostels Johannes für dieses Evangelium sprechen würden.[7] Irenäus (130-202) hatte einst die vermeintliche Apostolizität des vierten Evangeliums damit verteidigt, dass mit ihm eine Tradition in Kleinasien, welche mit Johannes dem Zebedaiden zu tun hatte, konnotiert gewesen sei. Die Beweisführung von Irenäus steht jedoch auf sehr wackligen Füßen: Zum ersten verwechselte er den Apostel Johannes mit einem Presbyter aus Kleinasien, der ebenfalls Johannes hieß. Zum zweiten erklärte Irenäus, dass er seine Information betreffend der Autorschaft zu einer Zeit bekam, als er noch ein Kind war, und zwar von Polykarp, dem Bischof von Smyrna († 156).[8] Die ganze Kirchentradition, die dem Zebedaiden Johannes die Verfasserschaft zuschreibt, gründet sich hauptsächlich auf die Kindheitserinnerungen von Irenäus! So kann es nicht verwundern, dass die Mehrheit der Bibelgelehrten heute davon ausgeht, dass dieser Johannes nicht der Autor des vierten Evangeliums war.

 

Ein Schlüssel – vielleicht der wichtigste – zum Verständnis der Verfasserschaft des Johannesevangeliums ist der so genannte „Jünger, den Jesus liebte“. Denn wie uns in Joh 21,24 verbürgt ist, verbirgt sich hinter diesem Jünger der wahre Verfasser dieses Werks – nicht hinter der finalen Redaktion davon, sondern des ab etwa 65 entstandenen Ur-Johannes.

 

Wenn wir davon ausgehen wollen, dass sich uns im Titel des Johannesevangeliums zugleich sein Verfasser offenbart, so müsste dieser demzufolge ein Mann namens Johannes sein. Den laut Wilhelm Hartke im Jahr 44 ermordeten Zebedaiden, den Apostel Johannes, können wir, den bisherigen Erkenntnissen zufolge, mit einiger Sicherheit ausschließen. Von ihm stammt lediglich die Urschrift „Die zwölf Zeichen des Messias“, welche der andere Johannes, der mit dem Beinamen Markus, laut Hartke als Grundlage für sein Evangelium verwendet haben soll. Doch ist dieser Johannes Markus tatsächlich der geliebte Jünger, derjenige, der sich laut Joh 21,20 an die Brust Jesu gelehnt und nach dem Verräter Jesu gefragt hatte?

 

Es ist schon ziemlich merkwürdig, um nicht zu sagen verdächtig, dass diese wichtige Gestalt in Joh 21,20 nicht näher mit Namen bezeichnet wird! Einige Autoren, wie Ramon K. Jusino, brachte dies auf die Idee, dass sich hinter dem „geliebten Jünger“ in Wahrheit Maria Magdalena verbergen würde. Doch kann das stimmen? Werfen wir einen Blick auf die sieben relevanten Stellen:

 

Joh 1,35-40:Diese Stelle berichtet von Johannes dem Täufer, der zwei seiner Jünger auf Jesus aufmerksam macht, worauf sie fortan Jesus folgen. Von diesen beiden wird nur einer näher identifiziert – und zwar als Andreas, der Bruder von Simon Petrus. Brown und Jusino schließen daraus, dass der andere Jünger der „geliebte Jünger“ sei. Bei einer objektiven Betrachtung gibt es dafür allerdings keinen Anlass, und man kann diese Mutmaßung ins Reich der Fantasie verweisen. Das einzig Interessante an dieser Stelle ist, dass Jesus bereits hier als Rabbi angesprochen wird, also zu diesem Zeitpunkt verheiratet gewesen sein muss.

 

Joh 13,23-26:Hier ist nun tatsächlich die Rede vom „Jünger, den Jesus liebte“. Es ist die Stelle, auf die auch Joh 21,20 anspielt: Der Jünger, der beim letzten Abendmahl an der Seite Jesu lag, sich an seine Brust lehnte und nach dem Verräter fragt. Hier hat man ganz den Eindruck, dass es sich – will man nicht Jesus der Homosexualität bezichtigen – entweder um einen Sohn seinerseits, oder aber, wie Jusino vermutet, in Wahrheit um Maria Magdalena handelt, deren Name laut ihm nachträglich aus dem Text entfernt worden sei.

 

Joh 18,15-16:Hier ist die Rede von einem „anderen Jünger“, der gemeinsam mit Petrus Jesus folgt. Dieser „andere Jünger“ soll mit dem Hohepriester Kaiaphas bekannt sein und darf auch dessen Hof betreten, während Petrus draußen bleiben muss. Laut der Behauptung von Brown bezieht sich diese Passage auf den „geliebten Jünger“.[9] Wir werden in einem späteren Kapitel sehen, dass das Haus des Johannes Markus auf einem Grundstück stand, dessen Nachbargrundstück das des Hohepriesters Kaiaphas war.[10] Sollte sich diese Stelle also tatsächlich auf den „geliebten Jünger“ beziehen, hätten wir dadurch einen Hinweis darauf, dass es sich bei diesem um Johannes Markus handelt.

 

Joh 19,25-27:Der geliebte Jünger steht hier unter dem Kreuz mit der Mutter Jesu, Maria Magdalena, sowie einer oder zwei anderen Frauen. Die spätere Erarbeitung des Urtextes und die Exegese dieser Stelle wird erweisen, dass es sich bei dem geliebten Jünger um Johannes Markus, den Sohn von Maria Magdalena handelt.[11] Von dieser Fragestellung wird weiter unten noch ausführlicher die Rede sein. Für die Frage der Verfasserschaft indes ist hier unbedingt festzuhalten, dass der geliebte Jünger und Maria Magdalena als zwei verschiedene Personen genannt werden. Dies gilt auch für die nächste Bibelstelle: