Die Göttin des Christentums: Maria Magdalena - Klaus Mailahn - E-Book

Die Göttin des Christentums: Maria Magdalena E-Book

Klaus Mailahn

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Beschreibung

In diesem Buch geht es um Maria Magdalena, die neben der Mutter Jesu am meisten genannte Frau des Neuen Testaments. Es führt den Beweis, dass die Frau aus Magdala, die „Apostelin der Apostel“ und Lichtjungfrau der Gnosis, weit mehr ist, als uns die Kirchen glauben machen wollen: Sie ist die als Frau inkarnierte Göttin, ebenbürtig mit dem als Mann inkarnierten Gott Jesus, seine ewige Dualseele. Sie war mit ihm verheiratet und wurde besonders deshalb von der Römisch-Katholischen Kirche gnadenlos verdrängt, ihre Anhänger bekämpft und ermordet. Damit erfüllte sich die alte Prophezeiung aus dem Buch Micha, das schon im Alten Testament die Geschichte der Frau Jesu ankündigte. Im neuen Zeitalter des Wassermanns nun werden die weiblichen und männlichen Kräfte vereint sein, und Maria Magdalena offenbart sich als das Neue Jerusalem der Offenbarung des Johannes. Das ist ihre Geschichte!

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Die Göttin des Christentums:Maria Magdalena

Das Geheimnis der Gefährtin Jesu

© 2013 by Klaus Mailahn

Books on Demand

Inhalt

Einleitung

1. Die Göttin und der Gott. Vom Matriarchat, seinem Ende und der Göttin in Israel

1.1. Die matriarchale Religion und ihre Folgen

1.2. Inanna

1.3. Elohim, Jahwe und die Göttinnen in Israel

1.3.1. Elohim und Eloah

1.3.2. Die Ursprünge Jahwes

1.3.3. Astarte

1.3.4. Aschirat

1.3.5. Anath

1.3.6. Die Himmelskönigin und die Göttin bei Hosea

1.3.7. Frau Weisheit

1.3.7.1. Chokmah

1.3.7.2. Sophia

1.3.8. Ruach – Die „Heilige Geistin“

1.4. Essenz

2. Die Göttin Maria Magdalena. Ihre Identifikation mit der Großen Mutter

2.1. Die Namen Maria und Magdalena

2.1.1. Maria

2.1.2. Magdalena

2.2. Ištar und Maria Magdalena

2.2.1. Heimatstadt Magdala?

2.2.2. Jesu Taufe im Jordan

2.2.3. Die Ostergöttin in Magdalenenikonen und Magdalenenlegenden

2.2.4. Die Transformation der Unterweltsfahrt: Ištar, Sulamith und Maria Magdalena

2.2.4.1. Ištar-Tammuz-Mythos und Hoheslied

2.2.4.2. Hoheslied und NTliche Ostererzählungen

2.2.4.3. Ištar-Tammuz-Mythos und NTliche Ostererzählungen

2.3. Isis

2.3.1. Isis, Mirjam und Maria Magdalena

2.3.2. Isua, Horus, Christus – Meri, Maria Magdalena

2.3.3. Isis, Maria Magdalena und die Gematria

2.4. Aphrodite

2.5. Artemis-Diana

2.6. Maria Magdalena, die Göttin und der Gral

2.7. Maria Magdalena und der Fuchs

2.7.1. Eine Spur aus dem Zeit des Mutterrechts: Die Füchsin und das V-Zeichen

2.7.2. Der Fuchs und Maria Magdalena in der Kunst

2.8. Das Mysterium der Auferstehung

2.9. Essenz

3. Die größte Liebe aller Zeiten. Die Beziehung von Maria Magdalena und Jesus

3.1. Die weltweite Sehnsucht

3.2. Die Prophetie von Maria Magdalena und Jesus als Braut und Bräutigam im AT

3.3. Das Gottesbild Jesu

3.3.1. Die Tradition, aus der Jesus entstammte

3.3.2. Der Gottesbegriff Jesu

3.3.3. Der Ehebegriff Jesu

3.4. Argumente für eine Ehe von Maria Magdalena und Jesus

3.4.1. Spuren in der Bibel und in der jüdischen Tradition

3.4.1.1. Im AT – Psalmen und Micha

3.4.1.2. Im NT – die Hochzeit von Kana

3.4.1.3. Dynastische Eheschließung?

3.4.1.4. In der Tradition der Rabbiner

3.4.1.5. In der Tradition der Ma’madot

3.4.2. Spuren in den gnostischen Apokryphen

3.4.2.1. Im Philippus-Evangelium und im Evangelium nach Maria

3.4.2.2. In der Pistis Sophia und den Fragen Marias

3.4.3. Spuren in der Theologiegeschichte und Mystik

3.4.3.1. Bei den Katharern

3.4.3.2. Bei Anselm von Canterbury, in der Legenda aurea, bei Martin Luther, und im Islam

3.4.3.3. In Legende und Kult der Heiligen Barbara sowie im Märchen Rapunzel

3.4.3.4. In Anna Katharina Emmericks Vision „König und Königin“

3.4.3.5. Bei den frühen Mormonen

3.4.3.6. Im Wassermann-Evangelium des Levi H. Dowling

3.4.3.7. In der Mazdaznan-Bewegung

3.4.3.8. Christus und Maria Magdalena bei dem Mönch Tom Deal

3.4.3.9. Maria Magdalena in den Durchgaben von Manuela Torelli

3.4.3.10. Im „Evangelium der Frau Jesu“

3.4.4. Ikonographische Spuren

3.4.4.1. Die „Offenbarung des Heiligsten Herzens“

3.4.4.2. Jesus und Maria Magdalena in der Kilmore Church, Dervaig

3.4.4.3. Da Vincis Bild „Der letzte Auftrag“: Hinweise auf die Frau Jesu

3.4.4.4. Weitere relevante Darstellungen

3.4.5. Spuren in der indischen Mythologie

3.5. Besinnung und Ausblick

4. Die Kometin. Verehrung und Verdrängung Maria Magdalenas in der Urkirche

4.1. Die Zeit nach Tod und Auferweckung

4.1.1. Das keltische Urchristentum

4.1.1.1. Jesus überlebte die Kreuzigung

4.1.1.2. Die Reise der Heiligen Familie nach und durch Gallien

4.1.1.3. Ankunft der Heiligen Familie in Britannien, und was sie dort erwartete

4.1.1.4. Die Heilige Familie in Britannien

4.1.1.5. Iona und Glastonbury

4.1.1.6. Die Culdees und die johanneische Kirche

4.1.2. Der Frauenfeind Petrus und Maria Magdalena

4.1.3. Der Frauenfeind Paulus, Wegbereiter des Irrwegs

4.1.4. Lukas, der Erfinder der Jungfrauenlegende

4.1.5. Johannes, Verfasser des Johannes-Evangeliums und der Offenbarung

4.1.6. Ersatz für die verdrängte Braut: Sponsa Ecclesia

4.2. Die Stellung der Frau im weiteren Verlauf der frühen Kirchengeschichte

4.3. Der gnostische Magdalenenkult im späten 3. und frühen 4. Jahrhundert

4.3.1. Zur Entstehung von gnostischen Gemeinden

4.3.2. Bischofswahl in Rom 140. Die verpasste Chance

4.3.3. Maria Magdalena im Evangelium nach Maria

4.3.4. Magdalenenverehrung bei Hippolyt von Rom und Origenes

4.3.4.1. Maria Magdalena bei Hippolyt von Rom

4.3.4.2. Theologische Magdalenenverehrung bei Origenes

4.3.5. Magdalenenverehrung in der Pistis Sophia und den Manichäischen Psalmen des Herakleides

4.3.5.1. Pistis Sophia

4.3.5.2. Manichäische Psalmen Herakleides

4.3.5.3. Maria Magdalena im Johannesbuch der Mandäer

4.4. Das Ende der gnostischen Magdalenenverehrung und der Beginn der urkatholischen Marienverehrung

4.4.1. Kaiser Konstantins Untaten und deren Folgen

4.4.2. Papst Gregors Willkürakt: Maria Magdalena wird Sünderin

4.5. Essenz

5. Licht am Ende des Tunnels

5.1. Resumé und Schlussfolgerungen

5.2. Ausblick: Ein neues, magdalenisches Christentum

5.2.1. Das gescheiterte Christentum und die Folgen

5.2.2. Die unglaubwürdigen Elemente des paulinischen Christentums

5.2.3. Ideen für eine neue Kirche

5.2.3.1. Ein neues, glaubwürdiges Gottesbild

5.2.3.2. Ein neuer Begriff von Christus, Jesus und Maria Magdalena

5.2.3.3. Ein neuer Begriff der Maria von Nazareth

5.2.3.4. Ein neues heiliges Buch

5.2.3.5. Neue Gebete, neue Liturgie

5.2.3.6. Vollständige Eingliederung der Lehre von den Dualseelen ins Christentum

5.2.3.7. Wiedereingliederung der Reinkarnationslehre ins Christentum

5.2.4. Einige Ideen für eine neue Gesellschaft

5.2.4.1. Beschäftigung mit dem Jenseits an den Schulen

5.2.4.2. Schlechte Vorbilder müssen durch gute ersetzt werden

5.2.4.3. Überwindung alteingesessener Klischees und verhärteter Fronten

5.2.4.4. Weg mit der Konsum- und Leistungsgesellschaft!

5.2.4.5. Vegetarische Lebensführung, Jagd und Naturschutz

Epilog: Die erfüllte Offenbarung

Anhang: Chronologie der ersten 600 Jahre des Urchristentums in Bezug auf Maria Magdalena

Literatur

Bildnachweis

Abkürzungen

Einleitung

Diese Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, Maria von Magdala, meist Maria Magdalena genannt, als Braut Jesu zu identifizieren und gleichzeitig auch als Göttin wiederzuentdecken – und somit neu zu definieren. Es ist klar, dass damit manche Leserin und mancher Leser vor den Kopf gestoßen werden könnte: Maria Magdalena – eine Göttin, auf einer Stufe mit Jesus? War sie denn nicht eine ehemalige Prostituierte, von sieben Dämonen besessen, die Jesus ihr angeblich austrieb? Welch ein Affront! Doch es wird dieser Arbeit noch deutlich zeigen, dass besonders der Apostel Paulus und der Evangelist Lukas Gründe genug hatten, die Frau aus Magdala zu diffamieren. Davon aber mehr an späterer Stelle.

Die Hintergründe davon, wie es zu dem verheerenden Bild der angeblichen Sünderin kommen konnte, sind äußerst kompliziert. Sie wurzeln teilweise noch im Matriarchat und dem, was im Raum Nahost daraus wurde, genauer gesagt, im Bereich der Glaubensformen des Volkes Israel, die sich ja keineswegs nur auf den Jahwe-Kult beschränkten. Da sich, wie man vor allem im zweiten Kapitel noch sehen wird, die Große Göttin in vielen Aspekten mit Maria Magdalena assoziieren lässt, ist es nötig, bevor ich auf das Thema der Magdalenengestalt selbst eingehe, im ersten Kapitel einen kurzen Überblick – mehr kann es in diesem Rahmen nicht sein – über Matriarchat, Göttin in Israel und dem zugehörigen Umfeld sowie der Entwicklung, die sich daran knüpfte, zu geben. Denn in dem Verhältnis des „einzigen Gottes“ und seines Volkes zur archaischen Göttin liegt letztendlich auch das Bild Maria Magdalenas begründet, wie wir es heute kennen. Durch ihre Identifikation mit der Göttin und als Braut Jesu wird sie in dieser Arbeit in das rechte Licht gerückt werden, in das sie in Wahrheit gehört.

Es ist meine Grundhaltung, dass weder Matriarchat noch Patriarchat das allein Seligmachende sein können, ging doch schließlich das im Scheitern begriffene letztere nicht ohne Grund aus dem ersteren hervor. Die heutige Situation in dieser Welt führt uns täglich aufs neue eindrücklich vor Augen, dass das Patriarchat mit all seinen Auswüchsen nichts weiter als ein Irrweg ist, was nicht verwundert, denn die sauren Früchte in der Form von Ideologien wie Nationalismus, Kommunismus, Kapitalismus, Atheismus, Nihilismus, Kommerz, Leistungswahn und so weiter haben ihre Wurzeln größtenteils im Widerstand gegen eine unglaubwürdige patriarchale Religiosität. Bewusst oder unbewusst richten sie sich vor allem gegen das etablierte Gottesbild der Kirchen. Ein einziges positives System ist aus dem Patriarchat erwachsen, nämlich die Demokratie, die aber gerade im Begriff ist, sich selbst zu zerstören. Dies geschieht vor allem dadurch, dass sie ihr eigenes System zu konsequent betreibt, das heißt gewissen Personenkreisen so viele Freiheiten lässt, dass die Stärkeren die Schwächeren zu sehr unterdrücken können, besonders in der Arbeitswelt. Dies wird, wie uns die Geschichte immer wieder vor Augen geführt hat, unweigerlich in Chaos und Rebellion münden, wodurch dann wieder die Gefahr besteht, dass radikale Systeme an die Macht gelangen können. Da all die heutigen Ideologien und Systeme letztlich Ziehkinder einer durch und durch patriarchalisierten Gesellschaft sind, fest im Denken und Handeln einer übersteigerten Väter- und Männlichkeit verwurzelt, sind sie nicht in der Lage, die aktuellen Probleme zu lösen. Denn im Versuch daraus auszubrechen, treiben sie lediglich das eine oder andere Extrem dieser Einseitigkeit auf die Spitze.

Eine Arbeit über Maria Magdalena zu schreiben, bedeutet also mehr, als nur auf die Vergangenheit, auf mythologische, theologische und religionswissenschaftliche Zusammenhänge zu schauen. Es bedeutet vor allem auch, die Irrlehren und falschen Dogmen der Kirche aufzudecken, sowie den Blick nach vorn, in die Zukunft zu richten, was im abschließenden fünften Kapitel, nach der Analyse der Vergangenheit, geschehen wird. Denn es waren die Fehler der Kirchen, welche das Christentum in die Situation und in die Umstände gebracht haben, mit denen es heute zu kämpfen hat. Die patriarchalen Kirchen hatten ihre Chance, als sie Macht genug besaßen, und das fast 2000 Jahre lang. Doch Kreuzzüge, Inquisition, Hexenverfolgung und Zwangsmoral, um nur vier Katastrophen zu nennen, sind nicht gerade die Folgen von Nächstenliebe, wie sie Jesus uns lehrte. Das Ergebnis davon sehen wir heute: Eine Welt vor dem Abgrund, fast zerstört, haltlos, religionsfeindlich und beherrscht von Eigenliebe, Falschheit und Hass. Was wir benötigen, ist ein neues, glaubwürdiges Gottesbild als Grundlage für eine neue christliche Kirche und damit eine neue menschenwürdigere Gesellschaft. Wir brauchen neue Ideen, Vorschläge und Konzepte für eine bessere Kirche und damit eine bessere Zukunft. Davon im letzten Kapitel.

1. Die Göttin und der Gott. Vom Matriarchat, seinem Ende und der Göttin in Israel

1.1. Die matriarchale Religion und ihre Folgen

Das neue Gottesbild, das ich in der Einleitung erwähnte, ähnelt auf den ersten Blick dem des ältesten Matriarchats – einer Gesellschaftsform, welche aufgrund mangelnder Gleichberechtigung, in diesem Fall gegenüber dem Mann, kein Vorbild sein kann. Wenn ich hier vom „Matriarchat“ spreche, dann in dem Bewusstsein, dass es ein einziges, großes Matriarchat natürlich nie gegeben hat, sondern nur zahllose matriarchal geprägte Stämme. Als sprachliche Vereinfachung benütze ich das Wort „Matriarchat“ daher in diesem Sinne verstanden.

Das Fundament des Matriarchats war zweifelsohne die Religion der Göttin und ihrem Gott, wobei letzterer diese Bezeichnung allerdings kaum verdient hatte: Der archaische Mensch sah, dass die Kinder aus dem Bauch der Frau geboren wurden, und so galt sie als die Spenderin des Lebens. Entsprechend dazu existierte das Gottesbild der typischen Göttin, die als Fruchtbarkeitssymbol mit dickem Bauch und überbetonten Geschlechtsmerkmalen dargestellt wurde, und einem nahezu im wahrsten Sinne des Wortes ein Schattendasein fristenden Gott, dem das Reich des Todes und die Jahreszeit des Winters zugeordnet waren. Glaubt man der Matriarchatsforschung, so war die Überbetonung des Weiblichen so frappierend, dass die Große Göttin drei Aspekte – junge Lebensspenderin, reife Liebesgöttin und alte Todesgöttin – besaß, welcher ein Gott mit nur einem Aspekt gegenüberstand. Möglicherweise hat der Mythos vom sterbenden Gott tatsächlich Opferungen von Männern, die den Übergang in die Dunkelheit symbolisierten, Vorschub geleistet – ein manchen MatriarchatsforscherInnen übrigens sehr unangenehmes Thema – was schon schlimm genug wäre, aber wohl eher zu den Ausnahmen zählen dürfte. Viel wichtiger jedoch als das Opferthema ist der Stellenwert der Vaterschaft. Es ist die soziale Einrichtung des so genannten Avunkulats, das heißt die Übernahme der Vaterrolle durch einen Bruder der Mutter, die eine Schlüsselrolle spielt. Lediglich Zeugender durfte (weil musste) der Mann freilich sein, miterziehender und gleichberechtigter Vater jedoch nicht. Das Avunkulat ist eine Art Beweis für die bewusst durch die Frau verdrängte oder dem Mann verschwiegene Vaterschaft. Der Fruchtbarkeitswahn der damaligen Gesellschaft förderte bisweilen zudem Promiskuität und Polyandrie,1 und so konnten die Männer nicht mit Gewissheit sagen, ob sie tatsächlich der Vater eines jeweiligen Neugeborenen waren. Die Väter hatten also keine Gelegenheit, wirklich Vater zu sein, konnten ihre Vaterschaft nicht leben, jedenfalls nicht mit den biologisch von ihnen gezeugten Kindern. Es wäre naiv zu glauben, dass ein über Jahrtausende unvollständiges oder nahezu fehlendes Vaterschaftsbewusstsein keine tiefen psychologischen Wunden geschlagen hätte. Der Grund für die Überbetonung der Vaterschaft im Patriarchat kann seine Ursache nur in jahrtausendelanger Unterbetonung im Matriarchat haben.

Es kommt sicher der Wahrheit am nächsten, wenn man von einer Verdrängung spricht, gerade wenn man bedenkt, wie lange – einige tausend Jahre wohl – das Zeitalter des Mutterrechts währte. Da die ganze Religiosität, der Kult der Göttin, auf dem Fruchtbarkeitsaspekt in Verbindung mit der Mutterrolle aufbaute, war, gesellschaftspolitisch betrachtet, das Verschweigen der Vaterschaft nichts Geringeres als die Garantie für die weibliche Machterhaltung. Viele Frauen erlaubten sich Polyandrie, hatten oft mehrere Männer. Jungfräulich zu sein, galt als eine Schande,2 und die Religion der Göttin wurde im Namen der Lust oftmals derart missbraucht, dass sich jede Frau dem „Dienst an der Göttin“, der sakralen Prostitution hinzugeben hatte, besonders in der Übergangszeit vom Matriarchat zum Patriarchat. Für letzteren Umstand waren allerdings häufig die Männer verantwortlich, welche die politische Macht an sich gerissen hatten, während religiöse Instanzen nahezu vollständig und gesellschaftliche Ordnung noch überwiegend weiblich geprägt waren. Die sakrale Prostitution ist eine mittelbare oder unmittelbare Folge der matriarchalen Gesellschaftsform; ob sie ursprünglich bereits von Frauen oder erst in der Zeit des Niedergangs von Männern eingeführt wurde, spielt eine untergeordnete Rolle. Jedenfalls zeigt sie, wie tief diese Gesellschaftsformen bereits in ihrer Grundhaltung moralisch anzusiedeln sind, beziehungsweise welche Folgen aus der weiblichen Dominanz hervorgingen. Das Erkennen der Vaterschaft wurde dadurch natürlich auch nicht gerade erleichtert, und es würde mich gar nicht wundern, wenn auch der Vielmännerei oftmals sogar diese entsprechende Absicht zu Grunde gelegen hätte. Wie sonst hätte das Matriarchat so lange andauern können? Selbst wenn der Mann es geahnt haben mochte, dass auch er an der Entstehung der Kinder beteiligt war, offensichtlich war es für ihn nicht, nur bei der Frau war es für Alle klar erkennbar, und auf diese Tatsache konnte sie aufbauen, ihre Religiosität und Suggestion dem Mann gegenüber darauf gründen. Gewiss war dies nicht in allen matriarchalen Gesellschaften so, sondern es gab mit Sicherheit auch feine Abstufungen von Clan zu Clan, wobei in manchen sogar die reine Unwissenheit, also kein Betrug, vorgekommen sein mochte.

Es kam natürlich, wie es kommen musste. Zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten wurde das wohl gehütete Geheimnis um die Vaterschaft nach und nach offenbar, und in Clans, wo es sich tatsächlich um Betrug seitens der Frau handelte, mussten die Reaktionen umso heftiger ausfallen. Die Religion der Mütter begann unglaubwürdig zu werden, und die Konsequenz war eine Verstärkung der ohnehin schon vorhandenen Degeneration, nun aber vor allem unter dem Vorzeichen, dass die Religiosität an sich darunter litt: Nach und nach verkam sie zur bloßen Maske, zum Deckmantel für Machtpolitik und Lust. Immer mehr ergriff der Mann die Macht, an einem Ort früher, andernorts später, und im Zuge der zunehmenden Bevölkerung kam es zu Grenzverletzungen, Überfällen, Kriegen. Rasch entwickelte sich daher auch der matriarchale Widerstand, die Amazonen. Das Bild der Göttin veränderte sich: Mythologisch gesehen, mutierte sie von der Lebensspenderin nun mehr zur Erretterin: Demeter rettet ihre Tochter Kore aus der Unterwelt, Isis ihren Bruder-Geliebten Osiris, der jedoch dort verbleibt und von ihr als Horus wiedergeboren wird. Später entstanden dann die typischen männlichen Heldengestalten, die ohne weibliche Hilfe die Unterwelt überwanden, später besonders ausgeformt in den Odysseus- und Orpheusepen – nichts weiter als eine logische Fortentwicklung, ein Befreiungsakt des Mannes, der nun die Göttin nicht mehr nötig hatte, um aus der Unterwelt errettet zu werden, sondern selbst zum Lebensspender mutierte, was schließlich in der christlichen Erlösergestalt gipfelte.

Soweit einige grundlegende Gedanken zum Matriarchat und dem, was daraus hervorging. Ich werde mich ab jetzt in diesem Abschnitt vor allem auf die Göttinnen beschränken, mit denen das Volk Israel in Berührung kam, sowie deren Vorläuferinnen, denn für das Hauptthema dieser Arbeit kommt es in erster Linie darauf an, ihre Bedeutung in Bezug auf die spätere Verehrung und Verdrängung Maria Magdalenas im Christentum und in der Gnosis zu verstehen. –

1.2. Inanna

Inanna ist die sumerische Vorläuferin der später in Israel bekämpften und verehrten Göttinnen Ištar, Aschirat, Astarte und Anath. Von daher ist sie für diese Arbeit von Relevanz.

Die ersten Überlieferungen und Daten, die uns bekannt sind, stammen aus der Zeit um etwa 3000 v. Z. Sie offenbaren uns die Welt eines Volkes, in dem der Mann längst die politische Macht sprich das Königtum ergriffen hatte, die Frau allerdings im mächtigen Bereich der Religion immer noch eine wichtige Rolle spielte. Anhand des Rituals der Königsvergöttlichung, einer kultischen „Heiligen Hochzeit“ des Königs, meist mit der Hohepriesterin oder einer Hierodule als Stellvertreterin der Göttin, lässt sich erkennen, dass

a) die Göttin, hier Inanna, noch immer als höchste Gottheit angesehen wurde und noch alle drei Aspekte der Großen Mutter (Lebensspenderin, Liebesgöttin, Todesgöttin) vorhanden sind,

b) sich die Vorstellung von einer dreigestaltigen Göttin mit einem Gott sich zu einem Glauben an ein ganzes Pantheon von Göttinnen und Göttern entwickelt hatte,

c) die höhere Liebe sehr degeneriert war: Nicht aus Zuneigung vereinigte man sich im Kult miteinander, sondern nur aus bloßer Lust – und weil die gesellschaftliche Rolle es so verlangte.

Die Nachfolgerin der Inanna, die babylonisch-assyrische Himmelskönigin Ištar, hat etwa tausend Jahre später schon einiges an Glanz verloren, ist auf nur noch zwei Aspekte reduziert: Liebes- und Todesgöttin. Ištar ist, wie schon ihre Vorgängerin Inanna und ihren zahlreichen Varianten unter den Namen Astarte, Aschirat und so weiter, eine höhere Liebe völlig fremd. Ihre Liebe besteht, ganz wie bei ihrem griechischen Pendant Aphrodite, lediglich in der erotischen Liebe, wie ein 3700 Jahre altes Gedicht beweist, in dem Inanna spricht:

„Mein honigüßer Mann, mein honigsüßer Mann beglückt mich immer.Mein Herr, der honigsüßeste der Götter,Er ist der Bestgeliebte meines Schoßes.Seine Hand ist Honig, sein Fuß ist Honig,Er beglückt mich immer.Mein lechzender, atemberaubender Nabel-Liebkoser,Der sanften Schenkel Liebkoser.Er ist der Bestgeliebte meines Schoßes.Er ist im Wasser gebetteter Lattich.Er umfing meine Lenden mit seinen milden Händen,Der Schäfer Dumuzi füllte meinen Schoß mit Milch und Sahne,Er streichelte mein Schamhaar,Er bewässerte meinen Mutterleib,Er legte seine Hände auf meine heilige Vulva,Er besänftigte mein schwarzes Boot mit Sahne,Er erquickte mein enges Boot mit Milch,Er liebkoste mich auf dem Lager.“3

Wenn Heydecker diese Dichtung als „Zeugnisse erotischer Literatur höchsten Ranges“ bezeichnet, so mag dies aufgrund der Schönheit der Sprache zwar berechtigt sein, entlarvt aber Inanna alias die mit ihr im Lauf der Zeit verschmolzene Ištar zugleich auch als polyandrische Göttin. Dies kommt vor allem in der gleich zwei Mal vorkommenden Zeile „Er ist der Bestgeliebte meines Schoßes“ zum Ausdruck. Hier wird vor allem die Befriedigung der Triebe verherrlicht – eine Form von Liebe, die zwar auch ihre Berechtigung hat, aber, wie zu betonen ist, doch eindeutig unter der höheren Göttlichen Liebe, also der Nächstenliebe, wie sie uns Jesus und Maria Magdalena vorlebten, anzusiedeln ist. Die Heilige Hochzeit der archaischen Zeit hatte natürlich auch den Hintergrund, Fruchtbarkeit für die Ernten von der Göttin zu erbitten und die Fortpflanzung des Menschengeschlechts zu sichern. Trotzdem ist sie nicht vergleichbar mit dem höheren Ideal der Göttlichen Liebe, wie wir sie später bei Jesus und Maria Magdalena antreffen. Denn mit dem Erscheinen Jesu und der Entstehung der christlichen Religion wurde der alte Fruchtbarkeitsglaube überwunden, auch wenn sich natürlich in der christlichen Lehre, Liturgie und im Volksglauben noch viele Elemente der älteren Religion finden.

Als Todesgöttin fungierte Ištar meist als Kriegsgöttin, zu der sie in einer sehr kriegerischen Zeit herabsank. Trotzdem galt sie laut Heydecker immer noch als „Göttin der Göttinnen“,4 wobei er allerdings übersieht, dass die ägyptische Isis mindestens genau so hoch, auf einer moralischen Ebene sogar noch höher einzustufen ist, wie die Brüder Rotter erkannt haben:5 Isis, die wie Ištar ihren Geliebten aus der Unterwelt errettet und vom Tode wieder auferweckt und neubelebt, tut dies aus edleren Motiven als die babylonische Göttin. Isis mit dem Horusknaben – das Urbild der Gottesmutter mit dem kleinen Jesus im Arm – steht für Mütterlichkeit und die treue Geliebte, Ištar mehr für die Liebhaberin und Gewaltgöttin. Neben Aschirat, Astarte und Anath – allesamt Varianten Ištars – sind dies die wichtigsten Göttinnen, von denen das Volk Israel beeinflusst war. Aus ihrer Anschauung und Verehrung entstammt, wie wir noch sehen werden, das zwiespältige Bild Maria Magdalenas, wie es uns das ja größtenteils aus dem Judentum entsprossene Christentum überlieferte.

1.3. Elohim, Jahwe und die Göttinnen in Israel

1.3.1. Elohim und Eloah

„Viele Gelehrte, die sich aufgemacht haben, die Göttin in den Schriften zu finden, brachten die wahre hebräische Göttin durcheinander mit den Göttinnen, welche die Bibel verdammt.“ Dies schreibt die Webautorin „SpiritBride“ und spielt damit darauf an, dass Chokmah, Sophia und Ruach in Wahrheit als hebräische Göttin anzusehen seien, wofür sie eine fundierte Arbeit als Beweis liefert. Wie wir noch sehen werden, ist diese Unterscheidung auch hinsichtlich Maria Magdalena von großer Wichtigkeit. Eine hebräische Göttin finden wir SpiritBride zufolge aber nicht nur in „Frau Weisheit“ und der Ruachmutter, sondern bereits viel früher: Gleich im ersten Satz der Genesis ist sie versteckt, und zwar im Namen Elohim:6

In Genesis 1,1 erschafft Gott (’elohiym) Himmel und Erde. Genesis 1,26 spricht Gott (’elohiym): „Lasset uns Menschen machen, nach unserem Ebenbilde.“ Siehe hierzu auch Gen 3,22 und 11,17, wo Gott ebenfalls von „uns“ spricht. In Gen 1,27 wird klipp und klar ausgesagt, dass der Mensch als Mann und Frau das Abbild Gottes sind. Das Wort ’elohiym meint Gott im Plural und wird in diesem Sinn benutzt. Hebräische Schriftgelehrte stellten fest, dass bei der Formierung des Wortes „Elohiym“ ein starker Regelverstoß gegeben ist, welcher darin besteht, dass die weibliche Wurzel „Eoahh“, die Göttin bedeutet, verwendet und mit der männlichen Nachsilbe „iym“ kombiniert wurde. Deshalb meint das Wort „Elohiym“ keineswegs nur männliche Götter im Plural, sondern Götter mit männlichen und weiblichen Merkmalen. Das Wort Eloah hingegen bedeutet im Prinzip nichts anderes als Göttin. Genauer gesagt, ist es ist eine Zusammensetzung von El und oah. El ist das alte männliche hebräische Singular für Gott und zugleich der Name des alten Gottes El, den wir auch bei El Shaddai finden. Die weibliche Form davon ist Eloah. Die Endung oah ist im Hebräischen eine Nachsilbe, die ein Wort weiblich macht, und deshalb ist die korrekte Übersetzung von Eloah „Göttin“.

Die Bibel reflektiert hier also, dass die erste Schöpfung, ebenso wie die fortlaufende Schöpfung, zu zweit von Eloh (Gott) und Eloah (Göttin, auch auf Chokmah und Ruach bezogen) bewerkstelligt wird. Eloh und Eloah gemeinsam bilden die Elohim, siehe hierzu auch Gen 1,1-3; 1,26-27; Prov 3,19-20; 8,22-31; Hiob 38,4-40,30; JSir 1,1-10; 24,1-6; Wsh 7,22; 8,1-17; 8,21-9,4; 9,9-11.

Auch in anderen Bibelteilen, so im Deuteronomium, wird von Gott im Plural gesprochen: „Nun, dies sind die Gebote, die Gesetze, die Urteile, die der Herr (Jehovah) unser Gott (’elohiym) uns befahl, euch zu lehren, damit ihr sie in dem Land befolgen möget, in das ihr gehen werdet, um es zu besitzen.“ So heißt es beispielsweise in Dtn 6,1 und sinngemäß auch in den nachfolgenden Sätzen.

Daneben gibt es eine Reihe von Bibelstellen, in denen Gott als Göttin angedeutet wird: Num 16,22; Dtn 32,15+17; Hiob 3,4; 5,17; 9,13; 10,2; 11,5-7; 12,6; 38,7); Esra 4,24-6,18 (27 Stellen); Neh 9,17; Ps 82; Prov 1,20-33; 2,2-4; 3,13-19; 4,7-9; 8,1-36; 9,1-5. In Prov 30,5 ist zu lesen: „Jedes Wort der Göttin (Elowahh, Eloahh) ist rein. Sie ist ein Schild, unter den wir uns stellen und ihr vertrauen.“

Die Israeliten selbst sehen sich bis heute als das Ebenbild von Elohim - eine Analogie, die somit nicht nur lediglich anthropomorphisch, sondern sogar theomorphisch ist! Der belegte Sachverhalt zu Elohim reflektiert nicht nur eine Vorstellung eines von einem Himmlischen Hof umringten Gott, sondern die Auffassung von einer Gottheit, in der sämtliche Charakteristika von männlichen und weiblichen Göttern im kanaanitischen Pantheon enthalten sind, und diese übertreffen Jahwe, ja beinhalten ihn sogar.

1.3.2. Die Ursprünge Jahwes

Wie wir alle wissen, gab es vor allem zwei besonders radikale Reaktionen auf die Religion der Mütter. Die eine wurde begründet von Pharao Amenophis IV. (Echnaton), und verlief nach seinem Tod zum Glück wieder im Sande (das heißt in dem Sinne, dass der Gott Aton nie an die Bedeutung heranreichte, die dem Jahwe der Bibel zuteil wurde). Die andere Reaktion ist natürlich die jahwistische Religion der Israeliten. Heydecker betont, dass es vor allem die monotheistischen Glaubensvorstellungen waren, welche die Frau systematisch abwerteten, wofür er jede Menge Beispiele liefert.7

Nach Gerda Weiler ist Jahwe eine Verschmelzung aus den zwei Göttern El Shaddai (Hadad) und El. Wie uns Priesterschriften belegen, ist El Shaddai eine Vermischung aus dem „Gott des Berges“ Shaddai und dem Vatergott El, der uns in Ugarit begegnet.8 SpiritBride zufolge ist Shaddai in Wahrheit aber kein Gott,9 sondern vielmehr eine Göttin, wofür die Bedeutung des Begriffs shaddai spricht: El Shaddai oder einfach nur Shaddai ist offiziell der Titel für Gott, bedeutet aber „Frauenbrust“; shaddai allein heißt „Brüste“, „brüstig“ oder „viele Brüste“. Obwohl El Shaddai in Wahrheit als „Gott mit Brüsten“ - dies ist die wörtliche Übersetzung - übersetzt werden müsste, finden wir in Bibel und Lexika die falsche Übersetzung „allmächtiger Gott“ vor! Der Parallelismus der in Jakobs Segensspruch benutzten Sprache in Gen 49,25 legt nahe, dass dies die richtige Übersetzung ist. „El Shaddai, die euch segnet […] mit dem Segen von Brüsten und Schoß.“ Es ist hier folglich die Göttin von Israel, deren Segen hier erfleht wird! Eine weitere spannende Stelle zu El Shaddai enthüllt uns Exodus 6,3: „Abraham, Isaak und Jakob erschien ich als El Shaddai, doch ich gab ihnen meinen Namen Jahwe nicht bekannt.“ Weil es schriftlich belegt ist, dass sich die Patriarchen ihrerzeit des Wortes Jahwe bewusst waren, bezieht sich Elohim augenscheinlich in der Hauptsache auf weibliche Manifestationen von Eloah und El Shaddai. Diese Moses gegebene Offenbarung ist für unser Verständnis des israelitischen Gottesbegriffs von größter Wichtigkeit. Die Gottheit, welche die Hebräer kannten, war die Göttin Eloah, oder El Shaddai. Eloah kommt im AT 57 Mal vor, davon etwa zu zwei Drittel im Buch Hiob. Shaddai beziehungsweise El Shaddai finden wir im Tanach (dem AT) 48 Mal, und 31 Stellen davon wiederum im Buch Hiob. Die Tatsache, dass Hiob zur Zeit der Patriarchen lebte, kombiniert mit Jahwes Verkündigung an Moses über die hebräischen Patriarchen, welche die Gottheit als El Shaddai anerkannten, gestattet uns die Schlussfolgerung, dass die göttinnenhaften Attribute von Elohim zu patriarchaler Zeit noch klarer verstanden wurden. Obwohl die Namen Elohim und Jahwe in der Schrift viel häufiger vorkommen als Eloah oder El Shaddai, müssen wir die Tragweite festhalten, dass die frühesten Hebräer ein beträchtliches Verständnis von der Beziehung zum Göttlich-Weiblichen hatten!

Für uns ist es besonders interessant, dass der ehemalige Mondgott El einst der Geliebte der Sonnengöttin Aschirat war. Laut einer 1956 entdeckten Tontafel aus Ugarit wurden Shaddai, der Gewittergott Hadad und Baal, der Geliebte der Anath, synkretistisch miteinander verschmolzen.10 Bezüglich Jahwe direkt belegen neuere Forschungen Ya-h-wa als Ortsnamen, wie er in diversen Pharaonenlisten vorkommt.11 Der Ort lässt sich nicht näher lokalisieren, allerdings gehört er nach den besagten Listen der Pharaonen zu einem Beduinenbezirk in Syrien oder Libanon, deren Schutzherren die Pharaonen seinerzeit waren. Die Jahwe-Verehrung kennt zwei Kultformen, die sich gegenseitig ausschließen: Zum einen seine Anbetung in dessen Heiligtum in Jerusalem, zum andern diejenige, die ihn als Führer durch die Wüste und Nomadengott versteht. Beide Traditionen lehnen sich gegenseitig ab, selbst was Einzelheiten, wie die Sesshaftigkeit, oder auch den kultischen Weingenuss, angeht.12

In Jerusalem war zuerst El der höchste Gott, als Geliebter der Aschirat; als aber die Stadt durch David erobert wurde, nahm Jahwe den Platz Els ein und wurde dabei eins mit seinem Vorgänger: „Die David-Leute haben in Jerusalem El anerkannt, ihn […] im weltanschaulichen System Jahwe übergeordnet…“,13 was anhand kultischer Einzelheiten nachvollziehbar ist: Der orgiastische Tanz, den David in 2. Sam 6,14 tanzt, wobei er sich entblößt, gehörte zu einem matriarchalen Kult14 in einer bereits recht degenerierten Form. Davids Sohn Salomo verdrehte an seinem Hof die ursprüngliche Polyandrie zur Polygamie: Sein Harem mit 700 Frauen und 300 Nebenfrauen ist teilweise entlehnt von der Königsvergöttlichung in Sumer-Babylon – einem Kult, in dem sich der König als irdischer Stellvertreter von Dumuzi-Tammuz mit der Hohepriesterin, welche Inanna-Ištar repräsentierte, in der Heiligen Hochzeit sexuell vereinigte. Zudem erweist sich Salomo, wie uns die Bibel selbst belegt (1. Kö 11,5; 2. Kö 23,13) als Verehrer der Göttin Astarte. Das Laubhüttenfest stimmt überein mit dem matriarchalen Neujahrsfest, in dem durch die Thronbesteigung des Königs die Wiedererweckung der Natur gefeiert wurde; das jüdische Neujahrsfest war analog zum matriarchalen Herbstfest und fand wie dieses zu Beginn der Regenzeit statt, wenn die verdorrte Natur auflebte und mit der Saat begonnen wurde.

1.3.3. Astarte

Zunächst alle relevanten Bibelstellen dieser Göttin, die für sich selbst sprechen sollen:

1) Er [Salomo] verehrte Astarte, die Göttin der Sidonier, und Milkom, den Götzen der Ammoniter. (1. Kö 11,5).

2) Denn er hat mich verlassen und Astarte, die Göttin der Sidonier, Kemosch, den Gott der Moabiter, und Milkom, den Gott der Ammoniter, angebetet. Er ist von meinen Wegen abgewichen und hat nicht wie sein Vater David das getan, was mir gefällt; er hat meine Gebote und Satzungen übertreten. (1. Kö 11,33).

3) Desgleichen entweihte der König [Josia] die Kulthöhen östlich von Jerusalem, südlich vom Berg des Verderbens, die Salomo, der König von Israel, für Astarte, die Göttin der Sidonier, für Kemosch, den Götzen der Moabiter, und für Milkom, den Gräuel der Ammoniter, erbaut hatte… (2. Kö 23,13).

4) Als sie den Herrn verließen und dem Baal und den Astarten dienten,… (Ri 2,13).

5) Die Israeliten taten wieder, was dem Herrn missfiel. Sie dienten den Baalen und Astarten, den Göttern Arams, den Göttern Sidons, den Göttern Moabs, den Göttern der Ammoniter und den Göttern der Philister. Sie verließen den Herrn und dienten ihm nicht mehr. (Ri 10,6).

6) Da sagte Samuel zum ganzen Haus Israel: „Wenn ihr von ganzem Herzen zum Herrn zurückkehren wollt, dann schafft die fremden Götter mitsamt den Astarten aus eurer Mitte fort!“… Da entfernten die Israeliten die Baale und Astarten und dienten nur noch dem Herrn. (1. Sam 7,3-4).

7) Da schrieen sie zum Herrn und sagten: „Wir haben gesündigt; denn wir haben den Herrn verlassen und den Baalen und Astarten gedient. Befrei uns jetzt aus der Gewalt unserer Feinde; wir wollen wieder dir dienen.“ (1. Sam 12,10).

8) Die Rüstung Sauls legten sie im Astartetempel nieder; seinen Leichnam aber hefteten sie an die Mauer von Bet-Schean. (1. Sam 31,10).

Implizit findet sich Astarte auch im Deuteronomium, desemantisiert, aber doch etymologisch transparent, nämlich in Dtn 7,13; 28,4, wo Jahwe „den Wurf deiner Rinder und den Zuwachs deines Kleinviehs“ segnet und in Dtn 28,18.51 verflucht.15 Die im 9./8. Jahrhundert v. Z. entstandene Tinteninschrift von Tell Deir’ Alla meint mit „asterot so’n“ die Rolle Astartes als „Herrin der Tiere“, beziehungsweise die „Ernährerin von Ziegen“, die durch ein Mutterschaf symbolisiert und durch das Opfer von Mutterschafen verehrt wird.16 Laut Braulik hat das Deuteronomium die Namen „astaeraet“ und „saegaer“, die früher für Göttliche Spenderinnen der Fruchtbarkeit standen, entgöttlicht, indem sie sie zu Bezeichnungen ihrer ursprünglichen Gaben gemacht hat, ja zu Auswirkungen des Segens, den Jahwe(!) spendet.17 Ergänzend dazu verweist noch der Ortsname „Aschtaroth“, in acht Bibelstellen erwähnt, auf die Astarte-Verehrung in Israel. „Aschtaroth“ rührt genau genommen her von „Aschtoreth“, der Bezeichnung, die die Chronisten des AT nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil (538 v. Z.) für Astarte bevorzugten, da durch die lautliche Anpassung an das hebräische „boschteth“ (= „Schändlichkeit“) ihre Verachtung für die Hurengöttin besser zum Ausdruck kam.18

1.3.4. Aschirat

Im Jahwe-Tempel von Jerusalem, der über 370 Jahre den Verehrern des patriarchalen Vatergottes als Heiligtum diente, stand 236 Jahre lang eine Kultstatue der Göttin Aschirat.19 Bereits dieses Indiz deutet auf Zusammenhänge hin, die im AT nur als Kampf der Religionen aufscheinen, damit aber zugleich die Bedeutung des Kultes dieser Göttin dokumentieren.

Zunächst die relevanten Stellen:

1) Auch seine Großmutter Maacha enthob er ihrer Stellung als Herrin, weil sie der Aschirat ein Schandbild errichtet hatte. Er ließ ihr Schandbild umhauen und im Kidrontal verbrennen (1. Kö 15,3).

2) Doch schick jetzt Boten aus, und versammle mir ganz Israel auf dem Karmel, auch die vierhundertfünfzig Propheten des Baal und die vierhundert Propheten der Aschirat, die vom Tisch Isebels essen. (1. Kö 18,19).

3) Hierauf befahl der König dem Hohenpriester Hilkija, den Priestern des zweiten Ranges und den Wächtern an den Schwellen, alle Gegenstände aus dem Tempel des Herrn hinauszuschaffen, die für den Baal, die Aschirat und das ganze Heer des Himmels angefertigt worden waren. Er ließ sie außerhalb Jerusalems bei den Terrassen des Kidrontals verbrennen und die Asche nach Bet-El bringen. (2. Kö 23,4).

4) Ferner riss er die Gemächer der Hierodulen am Tempel nieder, in denen die Frauen Schleier für die Aschirat webten. (2. Kö 23,7).

5) König Asa enthob auch seine Großmutter Maacha ihrer Stellung als Herrin, weil sie der Aschirat ein Schandbild errichtet hatte. Er ließ das Schandbild umhauen, es zertrümmern und im Kidrontal verbrennen. (2. Chr 15,16).

6) Was hat Efraim noch mit den Götzen zu tun? Ich, ja, ich erhöre ihn, ich schaue nach ihm. Ich bin wie der grünende Wacholder, an mir findest du reiche Frucht. Nach der Lesung Wellhausens: „Ich bin seine Aschirat und seine Anath“. (Hos 14,9).

Fünf der sechs Bibelstellen sprechen von der Bekämpfung der Göttin und ihres Kultes, die sechste – in dieser Übersetzung Wellhausens sehr umstrittene – kann nicht mehr als einen Kult der Aschirat und Anath andeuten.

In einer Gebäudeanlage bei Kuntillet-Ajrud, die 850-750 v. Z. als religiöses Zentrum genutzt wurde, fand sich ein bemalter Krug, auf dem zwei Stiergötter mit deutlich hervorgehobenen Geschlechtsmerkmalen zu erkennen sind, ähnlich ägyptischen Bes-Göttern (Fruchtbarkeitsspender). Im Hintergrund sitzt eine musizierende Frau, im Vordergrund eine Kuh und ein Kalb. Über dem Kopf des Gottes im Vordergrund befindet sich die Inschrift: „Ich segne euch durch Jahwe von Samaria und durch seine Aschirat.“20 Laut William Dever ist die Darstellung der Frau als Göttin oder Priesterin aufzufassen, da Abbildungen dieser Art, wie sie mit freizügigen Brüsten, halbnackt, typischer Haartracht und thronender Haltung häufig auf Amuletten zu finden sind, durch deren Gebrauch, besonders in Verbindung mit der Lyra, zuverlässig nahegelegt sei, dass solche Darstellungen die Große Göttin repräsentieren.21 Hinzu kommt bestätigend, dass laut Silvia Schroer ALLE Tiere (das heißt als Ganzes genommen) auf der anderen Seite des Kruges Symbole der Göttin Aschirat seien.22 Weiler: Aschirat als Lebensbaum zeige auch deutlich, dass zwischen Aschirat- und Ascherenkult (Ascheren: Baumstämme als Phallussymbole, in denen die Göttin verkörpert ist) kein Unterschied bestehe. Wenn die Göttin im Phallussymbol verkörpert ist, sagt das auch einiges über den Zeitgeist, beziehungsweise die immer mehr aufkommende Tendenz: Aufgrund Jahrtausende alter kultischer Tradition mochte die Göttin noch als Lebensspenderin gelten, doch durch die in der Aschere mitrepräsentierte männliche Symbolik steckt auch die Aussage, dass ein Teil der lebensspendenden Kraft auf das Männliche übergegangen war, und dass diese nun sogar künstlerischen Ausdruck fand. Nach Weilers Auslegung ist in der Kuh und dem Kalb das matriarchale Paar Mutter-Sohn beziehungsweise Aschirat-Jahwe zu erkennen, wie es aus dem Ugarit-Mythos bekannt ist. Dort sind es Aschirat und El und sowie Anath und Baal, die als Kuh und Stier auf der Weide in liebender Begegnung zusammenkommen.23

In der Grabkammer von Chirbet el-Qom, in der Nähe von Hebron, befindet sich folgende Inschrift aus der Zeit von 750-700 v. Z.:24„Gesegnet sei Urijahu durch Jahwe. Von seinen Feinden hat er ihn durch seine Aschirat errettet.“, später verändert zu: „Gesegnet sei Urijahu durch Jahwe und seine Aschirat. Von seinen Feinden hat er ihn errettet“, wodurch das Erlöserprinzip vom Weiblichen auf das Männliche übertragen wurde.25

Im Jahr 1990 wurde in Tell Miqne/Ekron, in einem Bau aus dem 7. Jahrhundert v. Z., ein mutmaßlicher Kultraum für Aschirat gefunden. Nach bisheriger Lesung der Texte könnten diese Texte für die Geschichte des Aschirat-Kults im kanaanäisch-palästinensischen Raum besondere Bedeutung gewinnen, da sie besonders nachdrücklich aufzeigen, dass bisherige Schlussfolgerungen über die Verehrung der Aschirat in diesem Gebiet auf bisher zu wenig archäologischem und epigraphischem Material fußten.

Aus philologischer Sicht seien laut Manfried Dietrich und Oswald Loretz vor allem vier Dinge festzustellen:26

1. Nur aus der Fortsetzung der altsyrisch-kanaanäischen Tradition wird die israelitische Kenntnis der Aschirat verständlich, die nach ugaritischen und akkadischen Texten unter dem Namen Aschiratu die Stellung der Gattin Els und Göttermutter einnimmt und als diese verehrt wird.

2. Ebenfalls im Lichte der altsyrisch-kanaanäischen Tradition sei die Formel „Jahwe und seine Aschirat“ in den drei Inschriften zu sehen, was folglich voraussetzt, dass sie als Göttin neben Jahwe fungiert.

3. Aufgrund der altsyrisch-kanaanäischen Tradition ist prinzipiell zu erwarten, dass Aschirat sowohl figürlich als auch symbolisch (Baum und Anderes) dargestellt wird, wobei das Symbolische keineswegs im Sinne einer Entpersönlichung zu verstehen sei. Selbst wenn bei Kuntillet-Ajrud nicht Aschirat selbst, sondern eines ihrer Symbole dargestellt sein sollte, wäre dies kein Argument dagegen, dass die Göttin als Paredra Jahwes vorgestellt wird(!)

4. Die Ablehnung der Aschirat seitens der Deuteronomisten, die in der Bibel so scharf ausgedrückt ist, könnte sich auch auf Kunst und Kult sowohl in Darstellung als auch Weitergabe ausgewirkt haben.

Saul M. Olyan gelangt laut Dietrich und Loretz zu dem Ergebnis, „dass Aschirat sowohl im offiziellen Kult als auch in der Volksfrömmigkeit einen legitimen Platz hatte“,27 und dass durch die Inschriften von Chirbet-el-Qom und Kuntillet Ajrud gleichfalls die Popularität dieser Göttin und ihres Kultsymbols bezeugt sei. Sie sei die Frau Els geblieben und nicht mit Baal verbunden worden(!). Die Verknüpfung der Aschirat mit Baal sei in der deuteronomistischen Geschichtsdarstellung mehr eine Polemik, denn ein Reflex tatsächlicher Geschichte anzusehen.28

Schlussendlich weisen noch einige in der Bibel verzeichnete Orts- und Stammesnamen auf die Aschirat-Verehrung im Raum Israel hin. Orte: Ascher (31 Stellen), Aschers (6), Aschur (2). Stämme: Ascheriter (Num 26,44).

1.3.5. Anath

Betreffend diese Göttin gibt es nur vier Bibelstellen, dafür aber noch andere relevante Aspekte:

1. Mo 32,18b sei laut Gerda Weiler eventuell so zu übersetzen: „Den Klang der Anath höre ich“. Das Kalb könne gedeutet werden als Jahwe-Stier, der auf Anath verweist, oder als Anath repräsentierende Kuh, die Jahwe mitmeint.29

Zur zweiten Bibelstelle (Hos 14,9) siehe auch unter Aschirat.

Im Buch Joshua (19,38) findet sich ein Beth-Anath genannter Tempel („Haus von An-Ait“), und von diesem Namen her leitet sich über Beth Ani auch Bethanien ab, wodurch ein Bezug zu Maria von Bethanien beziehungsweise Maria Magdalena gegeben ist. Von dem Hintergrund dieses Zusammenhangs wird im 4. Kapitel noch näher die Rede sein. Die Stätte Ain (Änon), die bei Joh 3,23 als Ort von Jesu Taufe erwähnt wird, deutet ebenfalls auf Anath hin und ist auch aus der apokryphen Adam-Apokalpyse bekannt. Das Wort heißt so viel wie reine Jungfrau oder Quelle der Sonne und bezeichnet die Ruachmutter. Weil Johannes der Täufer darin taufte, war diese Quelle das weibliche Gegenstück der Sonne, nämlich der Mond. Zu anderer Zeit lautete der Name An-Ait – also die Göttin, deren Tempel bei Joshua genannt wird.

Ein Ortsname, der von Anath herrührt, lautet Anatot. Dieser kommt in der Bibel 20 Mal vor und bezeugt dadurch die Verbreitung des Anathkults in Israel und Juda.

Laut Dietrich und Loretz geht Manfred Weippert davon aus, dass Jahwe in vorexilischer Zeit eine Göttin neben sich hatte, diese aber nicht immer dieselbe war. Zunächst sei nicht Anath laut der älteren Quellen die Gattin Jahwes gewesen, dieser aber allmählich in die Rolle des Paredros hineingewachsen, was zur Zeit der Elephantine-Texte bereits eine Tatsache gewesen sei. Da Jahwe wie Baal ursprünglich ein Wettergott gewesen sei, wäre deshalb in Analogie zu Baal ursprünglich Anath die Gefährtin Jahwes gewesen. Durch eine Angleichung des Jahweglaubens an die kanaanäische El-Vorstellung sei mit der Zeit Aschirat an die Stelle Anaths getreten.34

1.3.6. Die Himmelskönigin und die Göttin bei Hosea

Die „Himmelskönigin“ und die „Göttin“ in der Bibel:

1) Die Kinder sammeln Holz, die Väter zünden das Feuer an, und die Frauen kneten den Teig, um Opferkuchen für die Himmelskönigin zu backen. Anderen Göttern spendet man Trankopfer, um mir weh zu tun. (Jer 7,18).

2) Vielmehr werden wir alles, was wir gelobt haben, gewissenhaft ausführen: Wir werden der Himmelskönigin Rauchopfer und Trankopfer darbringen, wie wir, unsere Väter, unsere Könige und unsere Großen in den Städten Judas und in den Straßen Jerusalems es getan haben. Damals hatten wir Brot genug; es ging uns gut, und wir litten keine Not. Seit wir aber aufgehört haben, der Himmelskönigin Rauchopfer und Trankopfer darzubringen, fehlt es uns an allem, und wir kommen durch Schwert und Hunger um. Die Frauen aber sagten: Geschieht es etwa ohne Wissen und Willen unserer Männer, dass wir der Himmelskönigin Rauchopfer und Trankopfer darbringen, dass wir für sie Opferkuchen bereiten, die ihr Bild wiedergeben, und Trankopfer spenden? (Jer 44,17-19).

3) So spricht der Herr der Heere, der Gott Israels: „Was ihr und eure Frauen mit dem Mund gelobt, das führt ihr mit den Händen aus. Ihr sagt: Unsere versprochenen Gelübde werden wir gewissenhaft erfüllen und der Himmelskönigin Rauchopfer und Trankopfer darbringen. Haltet nur eure Gelübde genau, ja, eure Gelübde erfüllt gewissenhaft!“ (Jer 44,25).

4) Unter dem Vorwand, sich mit der Göttin zu vermählen, war Antiochus mit seinen Freunden, die ihn begleiteten, zum Tempel gekommen; sozusagen als Mitgift wollte er sich dabei die großen Reichtümer aneignen. (2. Makk 1,14).

Koch zu Jer 7,18: „Wenn die Himmelskönigin verehrt wird, handelt es sich gewiss nicht um eine niedere Göttin oder um einen niederen Geist, denen man neben dem übermächtigen Jahwe einen Platz im eigenen Haus einräumen mag. Vielmehr verweist der Titel auf eine oberste Instanz, neben der Jahwe nicht so einfach Platz findet – es sei denn als ihr Paredros.“35 Die „Himmelskönigin“ ist natürlich niemand anderes als Ištar, denn dies war damals der im ganzen Nahen Osten verbreitete Titel für diese Göttin.

Der symbolische Mann Israel–Ephraim ist nach Hos 4,16-17 in eine unaufhebbare Unheilssituation hineingerissen, die es Jahwe unmöglich macht, ihn als Hirte zu weiden: „Auf ein Bildwerk fixiert ist Ephraim – gib ihn auf!“ (4,17). Das Idol aber, das Israel geradezu magisch fesselt, ist eine Göttin. Die folgende Szene des Opferkultes mit seinem reichlichen Weingenuss und sakralen Geschlechtsverkehr lässt erkennen, welcher Liebesvereinigung die Männer dabei verfallen sind:

„Wenn ihr Zechen ans Ende kommt,treiben sie Unzucht um Unzucht.Voller Inbrunst lieben siedie (Göttin), deren Schilde Schande sind.“ (4,18)36

Hos 4,4-19 spitzt den Schuldaufweis auf den Vorwurf des Dienstes an einer Göttin zu. Es sind die Männer(!), die, vom „Geist der Unzucht“, unter Alkoholeinfluss und nach Orakelbefragung orgiastische Opfermahle inszenieren (Hos 4,11-14), die wahrlich „Opfer“- mahle sind, denn Opfer davon sind die Frauen, die im Namen der Göttin sexuell missbraucht werden.37 Schuld daran sind insbesondere die Priester, die mit profanen Dirnen und mit Tempeldirnen beim Opferfest „beiseite gehen“ und durch ihr Beispiel das nichts ahnende Volk zu Fall bringen. Weil sie ihr „Wissen verworfen“ und die „Tora vergessen“ haben, zerbricht die fundamentale Institution menschlicher Hingabe, die Ehe.38

Im Zusammenhang mit Hosea sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass es zahlreiche sozialgeschichtliche Aspekte gibt, wie die Geschichte der Astarte-Priesterin beziehungsweise Kulthure Gomer, die ja auch die Frau Hoseas war, auf die hier in diesem Rahmen leider nicht näher eingegangen werden kann.39

1.3.7. Frau Weisheit

Man muss wahrlich kein Prüderist sein, um die Kulte von Aschirat, Astarte und Ištar zu verabscheuen! Denn die degenerierte Religion dieser Göttinnen war im Prinzip nichts anderes als geheiligte Prostitution40 – und zugleich eine Geschäftemacherei gewisser Männer in herrschenden Positionen. Sie rissen die weibliche Religiosität an sich und missbrauchten sie für ihre Zwecke, denn der größte Teil der Opfergaben kam den Besitzern der Tempel zugute sowie den Männern in Regierung und Verwaltung, welche die Tempel besteuerten. Aufrechte Israeliten bekämpften diese Umtriebe, und in der rabbinischen Theologie entwickelten sich Anschauungen dieser Göttin, die sie einerseits herabstuften und als Göttin nicht mehr kannten, andererseits ihre positiven Aspekte nicht aufgeben wollten. Man muss sich vor Augen halten, dass die Religion der Großen Mutter über lange Jahrtausende in den Herzen der Menschen verankert war, so wie heutzutage das Christentum im Abendland. Veränderungen eines lange Zeit etablierten Glaubens wandeln sich nicht von einem Tag auf den anderen, sondern durchlaufen einen oftmals Jahrhunderte dauernden Umwandlungsprozess. Genau das ist es, was auch in Israel geschah. Und so entstand im Laufe der Zeit die Vorstellung von der so genannten Frau Weisheit. Diese Personifikation ist als Sophia/Weisheitsprinzip der Alten im NT verkörpert durch Maria Magdalena, wie auch Margaret Starbird in einem Interview betont.41 Daher ist die Beschäftigung mit Chokmah und Sophia für dieses Buch von größter Wichtigkeit.

In der Bibel ist diese Frau Weisheit erstmals im Buch der Proverbien feststellbar – bereits nicht mehr als „richtige“ Göttin, sondern als eine Art Halbgöttin. Sie ist von großer Wichtigkeit, da ihre Ursprünge in einer Göttin wurzeln und sie im Lauf der Zeit außerdem zum Symbol für eine Herabsetzung bei gleichzeitiger Verehrung mutierte.

Die Gestalt der als Frau personifizierten Weisheit, hebr. Chokmah, griech. Sophia, muss sinnvollerweise in zwei separaten Betrachtungen dargestellt werden, da die beiden Hauptschriften, in denen sie eine herausragende Rolle spielt, Prov. 1-9 und das Buch der Weisheit, zeitlich rund 800 Jahre auseinanderliegen.

1.3.7.1. Chokmah

Bereits Gustav Boström hat 1935 in seiner Arbeit „Die Weisheit und das fremde Weib“42 zahlreiche Belege dafür gefunden, dass die Weisheit von einer orientalischen Göttin herrühren muss. Laut der Sophia-Expertin Silvia Schroer wird in den Bildern von Prov 1-9 das Weibliche in neuer und kreativer Weise mit der Transzendenz unter dem Himmel verbunden. Diese Transzendenz ist weiblich, erotisch und dies vor allem innerhalb des israelitischen religiösen Symbolsystems. 43 Zwar gehe die Chokmah nicht auf eine spezielle israelitische Weisheitsgöttin zurück, die nun durch patriarchale Interessen deformiert sei, jedoch sei die personifizierte Weisheit teilweise auf den Einfluss der Göttinnenkulte von benachbarten Kulturen durchaus zurückzuführen, denn: „Sie lebt in den Bildern zu großen Teilen auch von den Göttinnen Ägyptens, Maat, Hathor, der Gottesgemahlin, eventuell auch Syriens. Die Göttinnen werden in vielen Aspekten in ihr anschaulich und lebendig. Ohne jede polemische Tendenz wird in reflektierender Mythologie das Erbe der Göttinnen in die Personifikation der Weisheit aufgenommen und damit integriert.“44 Die Chokmah-Verehrung ist kein Angriff auf Jahwe, weder auf ihn als Nationalgott, noch als alleinigen Gott, der keine anderen Götter neben sich duldet, sondern der Versuch, an die Stelle des männlichen Gottesbildes und neben dasselbe ein weibliches zu setzen, im Sinne der Suche nach Harmonie, einer friedlichen Verbindung von Jahwe mit Chokmah, vor allem auch zwischen Mann und Frau in Israel und ihren verschiedenen gesellschaftlichen religiösen Schichten.45 Ähnlich wie die Marienverehrung im späteren Christentum eine Spielart der Trinität darstellt, ist die ATliche Sophiologie nur eine Spielart des Monotheismus, die weibliche Aspekte integrierte.

All diese Harmonisierungsversuche beantworten indes nicht die Frage: Woher hat die Chokmah ihren Ursprung? Boström legt sich in dieser Frage nicht fest, ebenso wenig wie Schroer. Von Bernhard Lang gibt es entgegen Schroer die These, dass Chokmah eine von vielen Gottheiten in einem damals polytheistischen Israel gewesen sei.46 Unter der Voraussetzung, dass Jahwe ein aus mehreren Göttern zusammengeschmolzener Gott sei, wäre die korrekte Lesung von Prov 9,10: „Der Beginn der Chokmah ist die Furcht der Götter [das heißt ‚Elohim’ für Jahwe!], und das Wissen der Heiligen ist Verstehen.“ Elohim (el-lo-heem) meint stets Gott und Göttin gleichzeitig, und Eloah (el-LO-ah) ist die feminine Form von Gott, wörtlich: „Göttin“.47 „Götter“ und „Heilige“ hätten den Charakter von Gottheiten in Israel und in diesem Vers den eines gleichwertigen Paares gehabt, und durch das Einsetzen von „Jahwe“ anstelle von „Elohim“ seitens des monotheistischen Schreibers wurde der Vatergott mit Chokmah ebenfalls zu einem Paar verbunden, wobei letztere aber untergeordnet wurde.48 Für Lang sind die Weisheitstexte der Proverbien „polytheistische Texte über eine israelitische Göttin, die ‚Chokmah’ genannt wurde“.49 Möglicherweise hat die Göttin einst Shaddai zum Partner gehabt, aus dem später Jahwe wurde, und dessen monotheistischer Anspruch führte dann zur Unterordnung Chokmahs. Da die archaischen Göttinnen des Orients meist Liebesund Muttergöttinnen zugleich waren, würde sich hieraus eventuell der Sinn des Gegenbildes, „Frau Torheit“, ergeben, die wir in den Proverbien finden, und die eine Verführerin darstellt, in der klar der Typus der Hurengöttin (Aschirat, Astarte) des Ostens unübersehbar ist.50

Für die Beantwortung der Frage zu Chokmahs Ursprung gibt es noch eine weitere Möglichkeit: Ein Einfluss von Isis kann, jedenfalls was Chokmah (nicht aber Sophia) angeht, zwar noch nicht sein, da der Isiskult erst ab dem 5. Jahrhundert in großem Ausmaß Verbreitung fand. Wohl aber von ihrer Vorgängerin Maat, die schon in den Weisheitslehren Ägyptens, und zwar bereits im Alten Reich, als personifizierte Weisheit bezeichnet wurde, könnte ein wesentlicher Einfluss auf die Chokmah stattgefunden haben:

„Tue die Maat und du wirst lange auf Erden weilen“ (M 46).„Wer Maat tut, ist frei von Unheil.“51

H. Brunner, der sich wie kein anderer Jahrzehnte lang mit der Weisheitsliteratur beschäftigt hat, erblickt in ihr den „wohl reinsten Ausdruck des ägyptischen Welt- und Menschenbildes“.52 Aus den Sprüchen dieser Weisheitslehren spricht voll und ganz der Geist, das Wesen, schlichtweg die Person der Chokmah, wie sie uns auch in den Proverbien begegnet:

„Die Maat leuchtet (oder: ist groß), ihre Wirksamkeit dauert an.Sie war nie verwirrt (oder: verändert) seit der Zeit dessen, der sie geschaffen hat (oder: des Osiris).Immer wird der gestraft, der ihre Gesetze übertritt…Wenn das Ende da ist, bleibt allein die Maat, so dass ein Mann sagen kann: ‚Das ist die Habe meines Vaters.’“

Chokmah und Maat sind beide Erschaffene, die eine von Jahwe, die andere von Osiris; beide haben richterliche und lehrende Gewalt über die Menschen. Der Unterschied zwischen ihnen besteht darin, dass die Maat neben ihrer Eigenschaft als personifizierte Weisheit vor allem auch eine Göttin war, was die Chokmah angesichts des monotheistischen Umfelds in Israel nie sein durfte. Es wäre durchaus nicht unlogisch, dass die Israeliten, am wahrscheinlichsten in der Person der Prophetin Mirjam, zu der Zeit Mose Vorstellungen und Lehren von Frau Weisheit mit in ihre zukünftige Heimat nahmen, wo sie von einflussreichen, frauenfreundlichen Gruppierungen, die zugleich nicht Gegner Jahwes waren, nach und nach zur Weisheitstradition ausgebaut wurden. Allerdings, dass Mirjam (oder Entsprechende) eine ägyptische Göttin so ohne weiteres übernahmen und nur den Namen geändert haben sollten, ist doch wiederum nur schwer vorstellbar. Es muss, nach Lang und Weiler, schon zuvor eine frauenfreundliche, weibliche Tradition in Israel gegeben haben, die das Ent- und Bestehen einer Gestalt des Göttlich-Weiblichen neben Jahwe erst ermöglicht hat.

Schlussendlich lässt sich aber die Frage nicht genau beantworten, ob es eine israelitische Göttin gegeben hat oder sich vielleicht die Gestalt der Maat auf Chokmah übertrug. Unbestreitbar hingegen ist in jedem Fall, dass wir in Chokmah, direkt oder indirekt, eine ehemalige Göttin erblicken dürfen, die später dem „einzigen Gott“ untergeordnet wurde. Auf die eine oder andere Weise hat der Anspruch des zornigen und eifersüchtigen Jahwe das Bedürfnis nach Harmonie geweckt, einer Harmonie im Einklang mit dem (Göttlich)-Weiblichen. Die Theologie der Chokmah ist, unter welchen Umständen und auf welche Weise auch immer, das Ergebnis davon.

1.3.7.2. Sophia

Neben einigen weisheitlichen Passagen in den Texten von Hiob (~400 v. Z.), Kohelet (~260 v. Z.) und Jesus Sirach (~180 v. Z.), wurde ab etwa 110 v. Z. die neben den Proverbien 1-9 bedeutendste Weisheitsschrift verfasst, und zwar in griechischer Sprache, wodurch der Name von Frau Weisheit nun vom hebräischen Chokmah ins griechische Sophia überging. Seit dem 5. Jahrhundert v. Z. etwa hatte sich nicht nur in Ägypten, sondern auch im griechischen Raum und im Römischen Reich inklusive Rom selbst der Kult der Göttin Isis so stark ausgebreitet, dass man ihn ohne Übertreibung als die dominierende Religion des Mittelmeerraumes dieser Ära ansehen darf, wovon auch Israel nicht unberührt bleiben konnte. Doch anders als bei den orgiastischen Kulten der aus dem Osten kommenden Hurengöttinnen Ištar, Astarte, Aschirat und Anath zeichneten viele Inhalte der Isis-Mysterien das Bild einer edlen und hohen Göttin, wie sie Isis, deren Darstellung mit den Kuhhörnern die Mütterlichkeit einer Mutterkuh ebenso versinnbildlicht wie die bekannten Kunstwerke von ihr mit dem Horus-Kind auf dem Arm, zweifellos war. Zudem übernahm sie zahlreiche weisheitliche Aspekte von ihren Vorgängerinnen Maat und Hathor, sodass man wohl davon ausgehen darf, dass sie auch unter den Israeliten direkt oder indirekt ihre Anhängerschaft besessen haben dürfte. In jedem Fall aber ist ein unmittelbarer Einfluss der Isis-Texte auf die Konzeption der Sophia im Buch der Weisheit kaum von der Hand zu weisen. Wie Helmut Engel erarbeitet hat, ist es in der Tat der Fall, dass, wie er schreibt, „ganze Konfigurationen und spezifische Isis-Mythologumena die Darstellung der Sophia prägen“, was besonders in den gruppierten Fähigkeiten, Taten und Epitheta von Isis der Fall sei.53 Natürlich baut das Buch der Weisheit größtenteils auf den Proverbien und anderen Weisheitsschriften auf, wie ihre Präsenz bei der Schöpfung, ihr Part als Geliebte (Wsh 8,3) und Paredra Jahwes (Wsh 9,4), Lehrerin (Wsh 9,10f. und viele andere) zeigen, doch für die Ausgestaltung der individuellen und philosophischen Charakteristika Sophias, die gerade den zweiten Teil des Buches der Weisheit kennzeichnen, sind die ATlichen Vorlagen keineswegs Begründung genug.54 Nach Engel sei die neue Gestalt der Sophia die „Antwort auf die unmittelbare Herausforderung des Judentums durch eine andere weibliche Figur, Retterin und Offenbarerin, eine Göttin, die verknüpft ist mit dem Streben nach Weisheit/Wissen und verbunden mit dem Thron/Königtum: Isis.“55 Vor allem die kosmischen und wissenschaftlichen Funktionen Sophias sind nicht unpersönlich dargestellt, sondern wie Isis. Als ein Symbol wird die machtvolle Figur der Göttin Isis herangezogen, um der alten biblischen Überlieferung neues Leben einzuhauchen,56 wie es Isis bei Osiris tat. Besondere auffällige Parallelismen zu den Isis-Mysterien finden sich in Wsh 6-9: In den Isis-Mysterien „rettet sie den Horus und setzt ihn zum König ein, nährt ihn mit Milch des Lebens und Erfolges, berät ihn, gibt ihm langes Leben und ewiges Königtum, ist Gemahlin des Osiris-Re“,57 und anderes mehr. Sophia kann zwar nicht Mutter des Königs sein, da dieser Jahwe symbolisiert und sie somit als Göttin erscheinen würde, doch ist sie Werkzeug und Geschenk Gottes, und noch dazu Retterin (Wsh 10,4), die das Volk Israel durch das Rote Meer geführt habe (Wsh 10,18).

Eine weiterer, oftmals übersehener Bezug zu Isis ist auch: Das Gegenbild, „Frau Torheit“, die Verführerin und Hure, ist verschwunden, was kein Wunder ist, da bei Isis kein solcher Aspekt existiert (außer bei zwei bis drei Diffamierungen, so bei Epiphanius). Außerdem ist dies der Hauptunterschied von Sophia zu Chokmah, was deutlich zeigt, wie sehr die Gestalt der Frau Weisheit abhängig vom Einfluss verschiedener Göttinnen war. Es ist pikant, dass der Verfasser Salomo den Ausspruch in den Mund legt, dass er Sophia zu seiner Geliebten und Braut seit seiner Jugendzeit an erwählt habe (Wsh 8,2), denn immerhin wusste man ja nur allzu gut von Salomo als Verehrer der Astarte (1. Kö 11,5), somit kann man die Passage sowohl als Rehabilitierungsversuch für Salomo, wie auch als Seitenhieb auf die alte Astarte, deren Kult zu jener Zeit noch längst nicht ausgemerzt war, verstehen.

Für den Vergleich der zahllosen Einzelheiten verweise ich beispielsweise auf den Schlussteil von Engels Artikel, wo die Grundstruktur, das heißt der Aufbau des Buches der Weisheit,58 sowie drei Isis-Aretalogien (des Isidoros, von Maroneia und von Kyme) vorgestellt werden.59

Sophia ist zugleich auch die griechische Göttin der Weisheit, die in der Offenbarung eine Krone von zwölf Sternen auf dem Haupt trägt. Im frühen Christentum und in der Gnosis wurde Maria Magdalena als Verkörperung von ihr gedacht.60 Die spätere Verehrung von Maria Magdalena als schwarze Madonna beruht darauf, dass Sophia, die vor der Schöpfung in der Finsternis des Chaos existierte, schwarz ist, was in einem christlichen Trakat aus dem 3. Jahrhundert mit dem Titel „Vom Ursprung der Welt“ erklärt wird. Sophia ist ferner die Repräsentation des Heiligen Geistes, der Ruachmutter, die auf dem Wasser schwebte und Licht in die Welt brachte, als es „finster auf der Tiefe“ war.61

1.3.8. Ruach – Die „Heilige Geistin“

Als ich von circa 1982 bis 1992 Mitglied im CVJM war, gab es in einem Liederbuch zu dem wunderschönen Lied „Ruach“ die Abbildung eines Frauenkopfes mit langem wehendem Haar, in welchem ein Säugling behütet wurde, und es war völlig unzweifelhaft, dass es sich dabei um eine Darstellung des Heiligen Geistes handelte. Was mich damals noch verwunderte, war später der Anlass, diesem Problem etwas weiter nachzuspüren. Denn der Heilige Geist, oder die Ruach, häufig auch Ruachmutter genannt, ist tatsächlich ein Problemfall – aber ein sehr aufschlussreicher! Dies fängt schon bei der Bezeichnung an: Manche feministische Theologinnen nennen „ihn“ gerne die „Heilige Geistin“, und das nicht ohne Grund. Laut der Studie von Dreytza existiert der Begriff rûah (oder „rwh“) 387 Mal im AT. Knapp 200 Belege können für einen femininen Gebrauch in Anspruch genommen werden, nur 63 für den maskulinen – der Rest ist ungeklärt oder lässt sich nicht einordnen.62