Mark Twain: Abenteuerromane, Historische Romane, Erzählungen, Anekdoten & Lustige Reise-Geschichten - Mark Twain - E-Book

Mark Twain: Abenteuerromane, Historische Romane, Erzählungen, Anekdoten & Lustige Reise-Geschichten E-Book

Mark Twain

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Beschreibung

Mark Twains "Abenteuerromane, Historische Romane, Erzählungen, Anekdoten & Lustige Reise-Geschichten" versammelt verschiedene Werke eines der bedeutendsten amerikanischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. In diesem facettenreichen Kompendium vereinen sich humorvolle Erzählungen und tiefgründige Abenteuer, die sowohl die ungestüme Natur der menschlichen Psyche als auch die gesellschaftlichen Strukturen seiner Zeit spiegeln. Twain nutzt einen scharfsinnigen, oft ironischen Stil, der durch seine meisterhafte Beobachtungsgabe und lebendige Prosa besticht. Dabei wird der Leser auf eine vielschichtige Reise durch die amerikanische Kultur und Geschichte mitgenommen, in der die Grenzen zwischen Fiktion und Realität oft fließend sind. Mark Twain, geboren als Samuel Langhorne Clemens, war ein Produkt seiner Zeit, geprägt von den rauen Bedingungen des amerikanischen Westens und den sozialen Umwälzungen des Bürgerkriegs. Seine Kindheit in Missouri und seine Erfahrungen als Flusskapitän und Goldgräber gaben ihm die Perspektiven, die das Fundament seiner literarischen Werke bildeten. Durch seine scharfen gesellschaftskritischen Betrachtungen und seinen einzigartigen Humor hat Twain zahlreiche Generationen inspiriert und die amerikanische Literatur nachhaltig geprägt. Dieses Buch ist eine unverzichtbare Lektüre für jeden, der sich für die Entwicklung der amerikanischen Literatur interessiert oder die feinsinnigen Beobachtungen Twains schätzen möchte. Es lädt den Leser ein, in die Welt eines der größten Geschichtenerzähler einzutauchen, seine Gedanken über Menschlichkeit und Gesellschaft zu reflektieren und den zeitlosen Humor zu genießen, der selbst heute noch relevant ist. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine umfassende Einführung skizziert die verbindenden Merkmale, Themen oder stilistischen Entwicklungen dieser ausgewählten Werke. - Die Autorenbiografie hebt persönliche Meilensteine und literarische Einflüsse hervor, die das gesamte Schaffen prägen. - Ein Abschnitt zum historischen Kontext verortet die Werke in ihrer Epoche – soziale Strömungen, kulturelle Trends und Schlüsselerlebnisse, die ihrer Entstehung zugrunde liegen. - Eine knappe Synopsis (Auswahl) gibt einen zugänglichen Überblick über die enthaltenen Texte und hilft dabei, Handlungsverläufe und Hauptideen zu erfassen, ohne wichtige Wendepunkte zu verraten. - Eine vereinheitlichende Analyse untersucht wiederkehrende Motive und charakteristische Stilmittel in der Sammlung, verbindet die Erzählungen miteinander und beleuchtet zugleich die individuellen Stärken der einzelnen Werke. - Reflexionsfragen regen zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der übergreifenden Botschaft des Autors an und laden dazu ein, Bezüge zwischen den verschiedenen Texten herzustellen sowie sie in einen modernen Kontext zu setzen. - Abschließend fassen unsere handverlesenen unvergesslichen Zitate zentrale Aussagen und Wendepunkte zusammen und verdeutlichen so die Kernthemen der gesamten Sammlung.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Mark Twain

Mark Twain: Abenteuerromane, Historische Romane, Erzählungen, Anekdoten & Lustige Reise-Geschichten

Bereicherte Ausgabe. Tom Sawyer, Huckleberry Finn, Leben auf dem Mississippi, Von Adam bis Vanderbilt…
In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen
Einführung, Studien und Kommentare von Quentin Sharp
Bearbeitet und veröffentlicht von Good Press, 2023
EAN 8596547679929

Inhaltsverzeichnis

Einführung
Autorenbiografie
Historischer Kontext
Synopsis (Auswahl)
Mark Twain: Abenteuerromane, Historische Romane, Erzählungen, Anekdoten & Lustige Reise-Geschichten
Analyse
Reflexion
Unvergessliche Zitate

Einführung

Inhaltsverzeichnis

Diese Sammlung mit dem Titel „Mark Twain: Abenteuerromane, Historische Romane, Erzählungen, Anekdoten & Lustige Reise-Geschichten“ bündelt in repräsentativer Breite zentrale Romane, Reiseerzählungen, Kurzprosa und Skizzen von Mark Twain. Ziel ist es, das erzählerische Spektrum dieses prägenden amerikanischen Autors sichtbar zu machen – vom Mississippi bis in ferne Weltgegenden. Anstelle einer lückenlosen Gesamtausgabe entsteht ein Panorama, das die wichtigsten Stoffe, Tonlagen und Arbeitsfelder des Autors in ein zusammenhängendes Bild rückt. So wird die Vielfalt seines Schaffens erfahrbar: kanonische Abenteuerstoffe stehen neben biografischen und satirischen Miniaturen, die Twains humoristische, kritische und poetische Verfahren exemplarisch beleuchten.

Der Umfang dieser Edition ist bewusst so gewählt, dass sie sowohl Einstieg als auch Vertiefung erlaubt. Sie vereint groß angelegte Erzählwerke mit pointierten Skizzen, Reisebeobachtungen mit gesellschaftssatirischen Texten. Die Aufnahme von Mississippi-Texten, westlichen Reisebildern und weltumspannenden Reisetagebüchern führt den Blick auf Twains wiederkehrende Stoffe: Bewegung, Gefahr, Selbstprüfung, Begegnung mit dem Fremden. Gleichzeitig belegt die Kurzprosa, wie präzise Twain auf engem Raum arbeitet. Als Sammlung ist dies kein philologisches Komplettarchiv, sondern eine sorgfältige Auswahl, die Twains literarische Reichweite, seine wechselnden Rollen als Beobachter, Erzähler und Spötter und die innere Logik dieses Werksystems nachvollziehbar macht.

In ihrer Zielsetzung verfolgt die Sammlung drei Leitgedanken: Erstens präsentiert sie zentrale Romane und längere Prosawerke, die Twains Rang begründen. Zweitens macht sie die Bedeutung der Reise- und Skizzentradition sichtbar, ohne die sein Stil nicht zu verstehen ist. Drittens zeigt sie anhand kürzerer Erzählungen und Anekdoten, wie Twain komische Effekte mit moralischer und gesellschaftlicher Nachdenklichkeit verbindet. Der Fokus liegt auf thematischer Zusammengehörigkeit, nicht auf Vollständigkeit. Damit entsteht ein Lesekontext, in dem Abenteuer, Historie, Alltagsskizze und biografische Selbstauskunft einander erhellen und Twains beharrliche Fragen nach Freiheit, Gewissen, Sprache und Gesellschaft greifbar bleiben.

Enthalten sind Romane und längere Erzählwerke wie Tom Sawyers Abenteuer und Streiche, Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten sowie Querkopf Wilson. Dazu treten Reisebücher und -berichte wie Leben auf dem Mississippi / Nach dem fernen Westen, Meine Reise um die Welt und Unterwegs und Daheim. Die erzählerische Kurzform ist durch Die 1,000,000 Pfundnote und andere humoristische Erzählungen und Skizzen, Der Mann, der bei Gadsby’s abstieg, Die Geschichte des Invaliden und das Skizzenbuch vertreten. Ergänzend gewähren biografisch geprägte Texte wie Lebensgeschichte Mark Twain’s und Aus meiner Knabenzeit Einblicke in Herkunft und Selbstverständnis des Autors; Im Gold-und Silberland und Von Adam bis Vanderbilt schließen thematisch an.

Die Genres der Sammlung umfassen: Abenteuerromane mit jugendlicher Perspektive, historische Romane mit kleinstädtischem Südstaatenmilieu, Reiseerzählungen vom Fluss, Westen und Weltmeer, humoristische Kurzgeschichten und Anekdoten, reportagehafte Skizzen sowie biografische Prosa. Nicht vertreten sind Dramen oder Gedichte; im Zentrum steht Twains Prosawerk in seinen wesentlichen Ausprägungen. Die Vielfalt der Formen entspricht der historischen Veröffentlichungspraxis des Autors, der lange für Zeitungen und Magazine schrieb und Stoffe als Skizze, Reportage, Essay oder Erzählung erprobte. Damit spiegelt die Edition sowohl den erzählerischen Langatem als auch die knappe, pointierte Form, in der Twain seine Beobachtungsgabe besonders virtuos entfaltet.

Die Abenteuerromane eröffnen den Zugang zu Twains Welt: aufgeweckte, eigensinnige Figuren bewegen sich in einer lebendigen Flusslandschaft, in der Neugier, Mut und Einfallsreichtum auf die Konventionen der Gemeinschaft treffen. Die Handlungssituationen sind zwischen Komik und Ernst angesiedelt; Missverständnisse, Täuschungen und Bewährungsproben strukturieren die Episoden. Entscheidend ist der Blick auf Freundschaft, Freiheit und moralische Selbstprüfung, der ohne Pathos auskommt und doch Gewicht besitzt. So entsteht ein erzählerischer Raum, in dem Alltagsbeobachtung, Abenteuerlust und gesellschaftliche Fragen gleichermaßen präsent sind – eine Mischung, die den Rang dieser Bücher als Klassiker dauerhaft erklärt.

Twains Reiseprosa führt von der Schifffahrt auf dem Mississippi über den amerikanischen Westen bis in Ozeanräume, Häfen und Kolonialgesellschaften. Diese Texte verbinden genaue Beobachtung mit humorvoller Distanz und zeigen, wie der Autor Landschaften, Arbeitswelten, technische Neuerungen und soziale Rituale registriert. Sie sind weniger touristische Schilderung als Vergleichsschule: Bekanntes wird neben Fremdes gestellt, Urteile werden ironisch befragt. Das Ergebnis ist eine bewegliche Prosa, die Reportage, Anekdote und Reflexion mischt. Leserinnen und Leser begegnen dem Kontinent und der Welt durch eine neugierige, skeptische, bisweilen staunende Stimme, die das Reisen als Prüfung der eigenen Maßstäbe versteht.

Die Kurzgeschichten, Skizzen und Anekdoten demonstrieren Twains Präzision im Kleinen. Typisch sind knapp gesetzte Voraussetzungen, zügige Zuspitzung und überraschende Fallhöhe – häufig ausgelöst durch Irrtum, Rollenwechsel oder den Schein sozialer Bedeutung. Erzählformen wie Brief, Notiz, Gesprächsprotokoll oder Berichterstattung werden spielerisch genutzt, um Erwartungen zu steuern. Der Band Die 1,000,000 Pfundnote und andere humoristische Erzählungen und Skizzen bündelt exemplarisch diese Kunst; dazu treten Stücke wie Der Mann, der bei Gadsby’s abstieg und Die Geschichte des Invaliden. Das Skizzenbuch und Von Adam bis Vanderbilt erweitern das Spektrum um satirische Miniaturen, die Beobachtung und Pointe engführen.

Auch biografisch gefärbte Texte tragen zur Gesamtgestalt bei. Lebensgeschichte Mark Twain’s und Aus meiner Knabenzeit lassen Herkunft, Milieu und Selbstverständnis im Spiegel der Erinnerung hervortreten. Zentral ist dabei die Verbindung von Faktischem und erzählerischer Inszenierung: Twain nutzt die Freiheit der Prosa, um Lebensstoff anschaulich und pointiert zu ordnen, ohne dokumentarische Vollständigkeit zu beanspruchen. So entsteht ein Selbstporträt, das weniger Daten sammelt, als die Entstehungsbedingungen von Humor, Skepsis und Beobachtungslust zeigt. Die Nähe zu den Mississippi- und Westenbüchern macht deutlich, wie stark Erlebtes und Erzähltes einander bei Twain wechselseitig beleuchten.

Verbindende Themen dieser Sammlung sind Bewegung, Identität, Freiheit und die Prüfung gesellschaftlicher Normen. Der Fluss bildet wiederholt eine Bühne des Übergangs; Technik und Verkehr verändern Distanzen und Erwartungen. Twain zeigt Sympathie für Außenseiter und Skepsis gegenüber Autoritäten, Moden und Pseudowissen. Seine Prosa legt Mechanismen von Status, Geld, Ruhm und Ansehen frei – oft über komische Übertreibung und trockene Untertreibung. Der historische Blick bleibt dabei konkret: lokale Sitten, Sprachebenen, Rituale und Rechtsgewohnheiten treten plastisch hervor, ohne je dogmatisch kommentiert zu werden. So verbinden sich Unterhaltungswert, gesellschaftliche Beobachtung und eine leise, anhaltende moralische Unruhe.

Stilistisch prägen Twains Werk eine mündliche Erzählhaltung, die Kunst des „deadpan“-Vortrags, idiomatische Redeweisen und die Lust an der Pointe. Dialekte und Soziolekte strukturieren Wahrnehmung und soziale Unterschiede, während Rahmen- und Binnenerzählungen Perspektiven variieren. Der Erzähler agiert oft als scheinbar naiver Beobachter, dessen Genauigkeit die Absurditäten der Welt freilegt. In der deutschen Überlieferung bedeutet das eine anspruchsvolle Übertragung von Ton, Rhythmus und Witz; diese Ausgabe stellt den Zusammenhang der Verfahren heraus, ohne philologische Ansprüche zu erheben. Entscheidend ist, dass Humor nicht bloß Effekt bleibt, sondern Erkenntnisform: Lachen öffnet den Blick für die Dinge, wie sie sind.

Als Ganzes zeigt die Sammlung Mark Twain als Abenteuerschriftsteller, Reiseschriftsteller, Satiriker und Chronisten regionaler wie globaler Moderne. Die Zusammenschau macht sichtbar, wie eng die großen Romane mit den kürzeren Formen verbunden sind und wie konsequent sich Themen und Verfahren durch das Werk ziehen. Wer diese Texte gemeinsam liest, erkennt ein vielstimmiges, jedoch klar profiliertes Projekt: Literatur als Prüfung von Sprache, Sitte und Gewissen – unterhaltsam, widerspenstig, präzise. Darin liegt die anhaltende Bedeutung dieser Ausgabe: Sie lädt zu Entdeckung und Wiederentdeckung ein und beweist, dass Twains Humor und Ernst heute nichts von ihrer Kraft verloren haben.

Autorenbiografie

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Mark Twain, geboren als Samuel Langhorne Clemens, gilt als eine der prägendsten Stimmen der US-amerikanischen Literatur. Mit Werken wie The Adventures of Tom Sawyer, Adventures of Huckleberry Finn, The Innocents Abroad und A Connecticut Yankee in King Arthur’s Court verband er Humor, gesellschaftliche Satire und eine unverwechselbare, alltagsnahe Sprache. Seine Texte machten regionale Sprechweisen literaturfähig und schärften den Blick auf Rassismus, Aberglauben und Machtmissbrauch. Als Journalist, Romancier und Vortragskünstler erreichte er ein Massenpublikum und prägte das Bild des „amerikanischen Humoristen“. Bis heute steht der Name Mark Twain für erzählerische Kühnheit, skeptische Aufklärung und demokratische Kultur.

Bildung und literarische Einflüsse

Twain wuchs am Mississippi auf und erlebte dort eine Kindheit, in der formale Schulbildung bald von praktischer Arbeit abgelöst wurde. Früh arbeitete er als Setzerlehrling und Journalist, wodurch er Zugriff auf Zeitungen, Pamphlete und die politische Debattenkultur seiner Gegenwart gewann. Diese Umgebung förderte eine autodidaktische Bildung, getragen von unersättlicher Lektüre und genauer Beobachtung. Entscheidend war die Nähe zur mündlichen Erzähltradition der Flussschiffer, die seinen Sinn für Timing, Pointe und Dialekt prägte. Auch die Presse- und Vortragskultur des 19. Jahrhunderts, mit ihrer Mischung aus Unterhaltung und Moral, wurde zu einer Schule, in der er Stimme und Haltung ausbildete.

Besonders prägend war seine Ausbildung zum Lotsen auf dem Mississippi, die scharfe Aufmerksamkeit, präzise Sprache und ein Gefühl für Gefahr und Verantwortung verlangte. Aus dem Flussjargon entnahm er sein Pseudonym „Mark Twain“, ein Tiefenruf, der zur literarischen Signatur wurde. Die Jahre im Westen der USA, umgeben von Bergwerken, Zeitungsbüros und Gerichtsbaracken, vertieften den trocken-ironischen Ton, der seine Texte kennzeichnet. Statt abstrakter Theorie bezog er Impulse aus Erfahrung, Gespräch und Beobachtung. So verbanden sich journalistische Pointierung, Bühnenerfahrung und regionale Redeweisen zu einem Stil, der Gleichzeitigkeitsgefühl, moralische Schärfe und komische Überraschung kunstvoll miteinander verknüpfte.

Literarische Laufbahn

Seine Laufbahn begann im Nachrichten- und Feuilletonbetrieb, wo er Reisebriefe, Skizzen und Glossen veröffentlichte. Ein früher Durchbruch gelang mit der humoristischen Erzählung The Celebrated Jumping Frog of Calaveras County aus den 1860er-Jahren, die seine nationale Bekanntheit begründete. Der Ton: schnörkellos, lakonisch, mit genauer Ohrnähe zur gesprochenen Sprache. In dieser Phase kristallisierte sich auch die Bühne als zweites Standbein heraus: Twain las, improvisierte und kommentierte, wodurch seine Texte ein hörbares Profil gewannen. Der Wechsel zwischen Zeitungsspalte, Saal und Buch prägte sein Rollenbild als Autor, der zugleich Reporter, Satiriker und Entertainer war.

Mit The Innocents Abroad (1869) etablierte er das Reisebuch als Spielwiese für Beobachtung, Polemik und Selbstironie. Es folgten Roughing It (1872), A Tramp Abroad (1880) und Life on the Mississippi (1883), die Landschaft, Technik und Sitten einer sich beschleunigenden Welt festhielten. Der Erfolg war beträchtlich: Leserinnen und Leser schätzten die Mischung aus Reportage, Witz und Skepsis gegenüber Klischees. Zugleich provozierte er Debatten über nationale Selbstbilder und europäische Traditionen. Diese Bücher machten Twain zu einem Chronisten des Übergangs vom Grenzland zur industriellen Moderne und zeigten, wie Reiseliteratur als Spiegel gesellschaftlicher Spannungen funktionieren kann.

Mit The Adventures of Tom Sawyer (1876) schuf Twain eine lebendige Kindheitswelt am Mississippi, die Spiel, Regelbruch und Moralanspruch verbindet. Noch kühner geriet Adventures of Huckleberry Finn (1884/85), dessen Ich-Erzähler durch Dialekt, Perspektivwechsel und ethische Dilemmata literarisches Neuland betritt. Das Buch verhandelt Freiheit, Gewalt und Rassismus, ohne moralisierend zu werden, und verlässt sich auf situative Komik, Sprachwitz und Wahrnehmungsschärfe. Zeitgenössisch teils kontrovers diskutiert und mancherorts angefochten, gilt es heute weithin als Schlüsselwerk des amerikanischen Realismus. Besonders einflussreich ist Twains konsequente Nutzung der gesprochenen Sprache als tragendes Erzählprinzip.

Twain zeigte beeindruckende stilistische Bandbreite. The Prince and the Pauper (1881) nutzt den historischen Roman zur Untersuchung sozialer Maskeraden. A Connecticut Yankee in King Arthur’s Court (1889) verbindet Technikfantasie, Satire auf Romantik und scharfe Kritik an Autorität und Mythos. Pudd’nhead Wilson (1894) variiert das Thema Identität in einer Südstaatengemeinde und stellt Rechtsordnung, Vorurteil und Zufall gegeneinander. Auch seine Reden und Essays, oft geistreiche Anklagen gegen Eitelkeit und Macht, erweiterten das Werk um eine explizit argumentative Dimension. So entwickelte er sich vom regionalen Humoristen zum internationalen Satiriker mit deutlicher moralischer Agenda.

Beruflich wagte Twain Unternehmungen jenseits des Schreibens, darunter die Gründung eines Verlages in den 1880er-Jahren, der große Erfolge und später erhebliche Schwierigkeiten verzeichnete. Missglückte Investitionen belasteten ihn finanziell, doch eine ausgedehnte Vortragsreise in den 1890er-Jahren stellte die Zahlungsfähigkeit wieder her und festigte seine Popularität. Kritisch wurde sein Werk sowohl für komische Virtuosität als auch für gesellschaftliche Schärfe gewürdigt. Nicht selten führten Themen und Sprache zu Kontroversen; insbesondere Adventures of Huckleberry Finn wurde wiederholt angefochten und zugleich kanonisiert. Diese Spannbreite aus Publikumserfolg, Anstoß und Dauerresonanz ist charakteristisch für seine öffentliche Wahrnehmung.

Überzeugungen und Engagement

Twains Überzeugungen speisten sich aus Skepsis gegenüber Dogmen und starkem Gerechtigkeitssinn. Aufgewachsen in einer Sklavereigesellschaft, wandte er sich in seinen reifen Werken entschieden gegen Rassismus und moralische Heuchelei. Seine Satiren demaskieren Gewalt hinter höflichen Reden und zeigen, wie Sprache Machtverhältnisse stützt oder unterläuft. Humor ist dabei nie bloßes Spiel, sondern Erkenntnisinstrument: Lachen öffnet den Blick für Widerspruch, Doppelmoral und Selbstbetrug. In Vorträgen wie in Texten trat er für bürgerliche Freiheiten, Bildung und Verantwortlichkeit des Einzelnen ein. Diese Haltung verlieh seiner Literatur eine ethische Kontur, die über saisonale Debatten hinaus Bestand hat.

Um 1900 profilierte sich Twain als scharfer Kritiker des Imperialismus. In Essays wie To the Person Sitting in Darkness und King Leopold’s Soliloquy attackierte er koloniale Gewalt, euphemistische Propaganda und die Verquickung von Geschäft, Politik und Mission. Er schloss sich der Anti-Imperialismusbewegung in den Vereinigten Staaten an und nutzte seine Bekanntheit, um öffentlich zu widersprechen, auch wenn dies Anfeindungen provozierte. Zugleich griff er religiösen Dogmatismus und Zensur an und verteidigte das Recht auf freie Rede. Diese Eingriffe verbanden sich mit seinem literarischen Werk: Form und Haltung stützen sich gegenseitig, Kritik wird Stil, Stil wird Argument.

Letzte Jahre und Vermächtnis

In den späten Jahren verschob sich Twains Ton gelegentlich in eine dunklere Registerlage. Following the Equator (1897) bündelte Reisebeobachtungen und Gesellschaftskritik aus globaler Perspektive. Er experimentierte mit Dialogen über Philosophie und Determinismus, arbeitete an Erzählungen mit skeptischem Blick auf Fortschrittsglauben und menschliche Natur und diktierte ausgedehnte autobiografische Texte. Persönliche Verluste und wirtschaftliche Belastungen hinterließen Spuren, doch sein Rang als öffentlicher Intellektueller blieb ungebrochen. Die Mischung aus Spottlust und moralischem Ernst, aus Anekdote und Analyse, kennzeichnet auch späte Reden, in denen er Autorität prüft und das Publikum zu eigenständigem Urteil ermutigt.

Mark Twain starb 1910 in den Vereinigten Staaten und wurde unmittelbar als nationale Gestalt gewürdigt. Nachrufe betonten seine sprachbildende Kraft, seinen Mut zur Zumutung und die bleibende Heiterkeit seiner Figuren. Langfristig prägte er den amerikanischen Realismus, die literarische Verwendung von Dialekt und die satirische Tradition, die Missstände nicht moralisierend, sondern erzählend angreift. Seine Bücher werden weltweit gelesen, adaptiert, diskutiert und in Lehrplänen behandelt. Spätere Generationen von Autorinnen und Autoren lernten von seiner Genauigkeit im Hören, seinem Sinn für Struktur und seiner Ethik des Zweifels. Twains Werk bleibt ein Prüfstein demokratischer Imagination.

Historischer Kontext

Inhaltsverzeichnis

Samuel Langhorne Clemens, bekannt als Mark Twain (1835–1910), schrieb in einer Epoche tiefgreifender Umbrüche in den Vereinigten Staaten und darüber hinaus. Zwischen Vorkriegs-Sklavenhaltergesellschaft, Sezessionskrieg (1861–1865), Rekonstruktion und beschleunigter Industrialisierung formte er Romane, Erzählungen und Reiseberichte, die regionale Erfahrung mit globalen Beobachtungen verbanden. Aufgewachsen in Hannibal, Missouri, und geprägt vom Mississippi, entwickelte er eine Prosa, die Humor, Satire und soziale Analyse vereinte. Die in der Sammlung versammelten Werke spiegeln diese Spannbreite: vom Fluss- und Frontier-Erlebnis über Großstadt- und Finanzsatiren bis zu Weltreisen, die die imperialen Strukturen der 1890er Jahre in Asien, Afrika und Australien sichtbar machen.

Der Mississippi war im 19. Jahrhundert Verkehrsader und Mythos. Dampfschiffe verbanden St. Louis, Memphis und New Orleans; Schifffahrtssprache und -praxis prägten Twains Sensibilität. Der Ruf „mark twain“ – zwei Faden Wassertiefe – wurde 1863 zu seinem Pseudonym. Zwischen 1857 und 1861 lernte er als Lotse, eine strenge, technisch geprägte Profession, die Präzision, Risikoabschätzung und Beobachtungsgabe verlangte. Der Bürgerkrieg zerstörte die ökonomische Basis der Flussschifffahrt, doch der Fluss blieb kulturell mächtig. Die sozialen Begegnungen an Bord – Kaufleute, Plantagenbesitzer, versklavte Menschen, Abenteurer – bildeten eine Mikrosphäre der Nation, deren Stimmen und Konflikte in seine unterschiedlichen Gattungen zurückkehren.

Twains Lebenszeit umspannte die Sklaverei, ihre Abschaffung und die Entstehung des Jim-Crow-Regimes. In Missouri, einem Grenzsklavenstaat, erlebte er die Widersprüche einer Gesellschaft am Rande zweier Systeme. Nach der Emanzipation (13. Verfassungszusatz 1865) folgten rechtliche Reformen (14. und 15. Zusatz, 1868/1870) und ihre Aushöhlung durch Black Codes, die Civil Rights Cases (1883) und Plessy v. Ferguson (1896). Lynchjustiz und Rassenterror nahmen zu; Journalistinnen wie Ida B. Wells machten sie publik. Diese historischen Konstellationen rahmen Twains wiederkehrende Themen: Recht und Unrecht, Identität und Zuschreibung, die Macht lokaler Gewohnheiten und die Kluft zwischen Gesetzestext und gelebter Gerechtigkeit.

Westwärts lockten nach 1848 Gold und nach 1859 Silber: Der Comstock Lode bei Virginia City, Nevada, schuf boomende, gewalttätige, zugleich hochinnovative Orte. Twain folgte 1861 seinem Bruder Orion Clemens, Sekretär des Nevada-Territoriums, über die Overland-Route. Telegraphenmasten, Postkutschen, Minen und improvisierte Gerichtsbarkeit prägten den Alltag. Zeitungen wie die Virginia City Territorial Enterprise boten neue journalistische Bühnen für Satire und Reporterprosa. Zwischen Desertionen, Duellen, Vigilanten und Spekulation verhandelte die Frontier die Grundfragen der Nation: Eigentum, Ordnung, Gewaltmonopol. Diese Erfahrung schärfte Twains Blick für Paradoxien von Fortschritt und Rohheit, Unternehmergeist und Betrug, die viele Gattungen seiner Arbeiten queren.

Die von ihm selbst benannte „Vergoldete Zeit“ (The Gilded Age, 1873; mit Charles Dudley Warner) bezeichnete ein Amerika rasanter Expansion, in dem dünne Glanzschichten Korruption und soziale Härten überdeckten. Eisenbahnbarone wie Cornelius Vanderbilt, Finanziers wie Jay Gould, Trusts von John D. Rockefeller und Stahlimperien Andrew Carnegies symbolisierten Machtkonzentration. Der Börsenkrach von 1873 und der Große Eisenbahnstreik 1877 offenbarten die Fragilität des Systems. Spekulation, Lobbyismus, Bestechung und die moralische Unsicherheit von Kleinstädten wie Metropolen boten reiches satirisches Material. Twains Figuren und Szenarien beleuchten so den Preis des amerikanischen Aufstiegs – an den Küsten, am Fluss und im Binnenland.

Die Medienlandschaft explodierte: billigere Druckverfahren, Massenzeitungen, Feuilletons und Zeitschriften wie The Atlantic Monthly, Harper’s und The Century prägten den Literaturbetrieb. Twain wechselte virtuos zwischen Kolumnen, Vortragsreisen und Buchprojekten; William Dean Howells förderte ihn als Realisten. Internationales Urheberrecht blieb Streitpunkt, bis der Chace Act (1891) amerikanischen Autorinnen und Autoren Schutz bot – Ergebnis intensiven Lobbyierens auch Twains. Sein Verlag Charles L. Webster & Co. publizierte 1885 die Memoiren Ulysses S. Grants, geriet jedoch 1894 in Konkurs. Die wirtschaftliche Katastrophe erzwang neue Produktivität und eine globale Vortragstour, was wiederum Stoff und Perspektiven für Reise- und Gesellschaftsprosa lieferte.

Globale Mobilität veränderte das Reisen grundlegend. 1869 verbanden Transkontinentalbahn und Suezkanal die Welt in neuer Geschwindigkeit; das transatlantische Kabel (1866) und Dampfschifffahrtslinien wie P&O und Pacific Mail rationalisierten Kommunikation und Bewegung. Der „Quaker City“-Ausflug 1867 markierte den Beginn amerikanischer Massentouristik in Europa und im Mittelmeerraum; Baedeker-Handbücher standardisierten Blick und Route. Twain reiste als Reporter, Humorist und Beobachter sozialer Rituale, stets sensibel für das Zusammenspiel von Technik, Etikette und Macht. Seine späten Weltumrundungsberichte (1895–1897) brachten ihn in Häfen, Hotels und Zollstationen, die Imperium und Globalhandel sichtbar machten – und die Allgegenwart amerikanischer Schulden, Aktien und Honorare.

Die britische Weltordnung strukturierte viele Reisewege und Themen. In Indien – seit 1858 unter Krongouvernement – verbanden Verwaltungsstädte wie Bombay (Mumbai) und Calcutta (Kolkata) koloniale Hierarchien mit moderner Infrastruktur. In Südafrika folgten auf Diamantenfunde in Kimberley (1867) und Gold am Witwatersrand (1886) Urbanisierung und Rassenregime, die im Burenkrieg (1899–1902) eskalierten. Australien erlebte nach den Goldräuschen der 1850er eine politische Konsolidierung, die 1901 in die Föderation mündete. Twain passierte 1895–1896 diese Räume als prominenter amerikanischer Autor und Vortragsreisender; seine Beobachtungen mischten Neugier, Skepsis gegenüber imperialen Selbstgewissheiten und eine genaue Wahrnehmung kolonialer Bürokratien, Presselandschaften und Theaterkulturen.

Der Pazifik bildete eine eigenständige Sphäre, in der Handelsinteressen, Mission und Geopolitik aufeinandertrafen. Twains 1866er Korrespondenzen von den Sandwichinseln (Hawaiʻi) entstanden während des Übergangs von Walfang- zu Zuckerökonomien und wachsenden US-Einflüssen, die 1893 in die Absetzung der Monarchie und 1898 in die Annexion mündeten. Die Samoa-Krise (1887–1889), kulminierend im Taifun vor Apia, zeigte rivalisierende Imperien in maritimer Konkurrenz. Routen von San Francisco nach Sydney verbanden Kolonialhäfen, Plantagen und Missionsstationen. Diese Kontexte formen eine Reiseliteratur, die nicht bloß pittoreske Kulissen beschreibt, sondern Produktionsketten, Medien und die performative Natur westlicher Anwesenheit an Küsten und in Salons.

Europa war für Twain Labor und Resonanzraum. 1878–1879 lebte er in Deutschland und der Schweiz; Heidelberg, der Schwarzwald, Studentenverbindungen und die Alpenhotellerie wurden zu Stoff und Satire. Spätere längere Aufenthalte führten ihn 1891–1895 nach Berlin und in andere Zentren, 1897–1899 nach Wien, wo er Hofgesellschaft und Presse studierte. Er beobachtete Eisenbahnroutinen, Gasthausregeln, philologische Pedanterie und Museumsrituale – und übersetzte sie in amerikanische Debatten über Bildung, Kunst und Bürgersinn. Die Verleihung des Ehrendoktors der Universität Oxford (1907) markierte die transatlantische Anerkennung eines Autors, der europäische Autoritäten zugleich würdigte und entzauberte.

Technischer Wandel strukturierte Twains Gegenwart. Telegraph (1844), Telefon (1876) und elektrische Beleuchtung (späte 1870er) veränderten Zeitregime und Öffentlichkeit. Drucktechnikinnovationen weckten Hoffnungen: Twains verlustreiche Investition in James W. Paiges Setzmaschine (1880er) verkörpert diesen techno-optimistischen Nerv. Zugleich spiegeln forensische Neuerungen – vom Bertillon-System zur Anthropometrie (1880er) bis zur Fingerabdruckklassifikation bei Francis Galton (1892) – die Rationalisierung von Recht und Verwaltung. Solche Entwicklungen liefern Hintergründe für literarische Reflexionen über Beweis, Identität und Irrtum. Der skeptische Witz des Autors richtet sich nicht gegen Wissenschaft, sondern gegen ihre Fetischisierung und die menschliche Anfälligkeit für Blendwerk.

Literarisch bewegt sich Twain zwischen der Tradition des südwestlichen Humors, der Zeitungsprosa und dem Realismus nach dem Bürgerkrieg. William Dean Howells’ Programm der Alltagsnähe, Bret Hartes Frontier-Skizzen und die lokalen Idiome des Mississippi-Raumes beeinflussten sein Verfahren. Dialektdarstellung – afroamerikanisch, südstaatlich, fluss- und kleinstädtisch – provozierte Debatten über Repräsentation, Authentizität und Respekt. 1885 verbannte die Concord Public Library in Massachusetts einen seiner Flussromane, was die dauerhafte Spannung zwischen populärer Leselust, moralischer Sorge und künstlerischer Freiheit illustriert. In dieser Gemengelage entstehen Skizzen, Anekdoten und längere Erzählwerke, die Unterhaltung und Gesellschaftskritik systematisch verschränken.

Recht, Ordnung und ihr Gegenteil bilden wiederkehrende Motive. Frontier-Gesellschaften kannten Vigilanten und improvisierte Gerichte; im Süden lebten Duellkultur und Ehrenkodizes fort. Parallel professionalisierten sich Polizei und Justiz; Pinkerton-Agenten arbeiteten landesweit, Beweisstandards wurden strenger. Doch der Mob blieb eine reale Macht, insbesondere in der Ära der Lynchjustiz der 1890er Jahre. Twain entfaltete Situationen, in denen Gerüchte, Gerichte und Gedächtnis kollidieren, und beleuchtete die Fragilität bürgerlicher Institutionen unter Druck. Die kleine Stadt als Bühne – Kanzleien, Salons, Gerichtssäle – dient dabei als Mikroskop amerikanischer Tugenden und Laster und als Resonanzraum neuer Techniken der Identitätsfeststellung.

Religiöse Debatten und Intellektualgeschichte strukturieren die Zeit. Seit Charles Darwins Origin of Species (1859) konkurrierten Naturwissenschaft, Bibelkritik und Erweckungsbewegungen; der Social-Gospel-Impuls suchte gesellschaftliche Reformen zu theologisieren. Twain pflegte eine skeptische, oft antiklerikale Haltung, die religiöse Sprache, Aberglauben und pseudo-wissenschaftliche Moden gleichermaßen prüfte. Seine Polemiken gegen romantisierende Mittelalterverehrung – inklusive der Scott’schen Ritterideale – verknüpfen sich mit republikanischen und egalitären Überzeugungen. Die Spannung zwischen Mythos und Moderne, zwischen Heilsversprechen und Erfahrungswissen, bildet den Untergrund humoristischer Attacken auf Propheten, Pfuscher und Schwärmer in Dorf, Metropole und Hofgesellschaft.

Familienleben und weibliche Bildungswelten waren für Twain Arbeits- und Prüfstein. 1870 heiratete er Olivia Langdon; 1874 bezog die Familie das Haus in Hartford, Connecticut, im Nook-Farm-Kreis, Nachbarn waren Harriet Beecher Stowe und Charles Dudley Warner. In diesem Milieu der Lesezirkel, Reformvereine und Salonkultur schrieb, las und überarbeitete er fortlaufend. Zugleich veränderten die „New Woman“-Debatten der 1890er Jahre Erwartungen an Bildung, Beruf und politische Rechte; Frauenverbände und die Suffragettenbewegung gewannen an Sichtbarkeit. Familiäre Verluste – der Tod der Tochter Susy (1896), Olivias (1904) und Jeans (1909) – färbten Tonlagen und rückten Erinnerung, Trauer und Selbstbefragung ins Zentrum.

Geldwirtschaft und Spekulation prägten alltägliche Erfahrungen. Nach dem Bürgerkrieg stritten USA über Greenbacks, Goldstandard und Silberfrage (Sherman Silver Purchase Act 1890, Aufhebung 1893). Paniken – besonders 1873 und 1893 – erschütterten Kreditketten, Banken und Verlage. London als Finanzmetropole und die Wall Street als Symbol sozialer Beweglichkeit und moralischer Gefährdung boten Folien für Komödien und Satiren über Lotterieglück, Scheinreichtum und das Prestige des Bargelds. Twains eigenes Auf und Ab – von Honoraren und Lizenzstreitigkeiten bis zum Schuldendienst – verlieh seiner Darstellung wirtschaftlicher Illusionen Härte und Genauigkeit, erkennbar in Kurzprosa ebenso wie in längeren Gesellschaftsbildern.

Twains spätes öffentliches Wirken verband literarische Autorität mit politischer Polemik. Nach seiner Rückkehr in die USA schloss er sich 1901 der Anti-Imperialist League an, attackierte den Philippinisch-Amerikanischen Krieg und prangerte im Pamphlet King Leopold’s Soliloquy (1905) den Kongo-Freistaat an. Der Autor in weißem Anzug wurde zur globalen Ikone, geehrt 1907 in Oxford, zugleich unermüdlicher Spötter gegenüber Heuchelei. Er starb am 21. April 1910 in Redding, Connecticut – fast exakt mit der Wiederkehr des Halleyschen Kometen, unter dem er 1835 geboren worden war. Die Sammlung profitiert von dieser Lebenskurve: lokal verankert, weltläufig informiert, moralisch unruhig.

Synopsis (Auswahl)

Inhaltsverzeichnis

Tom Sawyers Abenteuer und Streiche

Ein lebhafter Junge im Städtchen am Mississippi gerät mit Freunden in Streiche, erste Lieben und Mutproben; ein nächtlicher Vorfall bringt ihn in ein gefährliches Geheimnis. Eine Coming-of-Age-Geschichte, die Abenteuerlust, Freundschaft und Moral verknüpft.

Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten

Huck flieht vor Enge und Gewalt und fährt auf einem Floß den Mississippi hinab, begleitet vom entflohenen Sklaven Jim. Auf der Reise prallen Freiheitssuche, Vorurteile und die Absurditäten der Gesellschaft satirisch aufeinander.

Leben auf dem Mississippi / Nach dem fernen Westen

Erinnerungen an Twains Lehrjahre als Lotse auf dem Mississippi verbinden Technik, Mythos des Flusses und Porträts einer im Wandel befindlichen Region. Der anschließende Weg „nach dem fernen Westen“ schildert in reportagehaften Episoden Reisen, Lagerfeuerhumor und Grenzerfahrungen jenseits des Stroms.

Meine Reise um die Welt (Im stillen Ozean: Australien - Von Australien nach Indien + Indien – Südafrika)

Eine Weltreise-Reportage führt durch den Pazifik, Australien, Indien und Südafrika und kombiniert Beobachtungen zu Kolonialismus, Alltagskultur und Aberglauben mit trockenem Witz. Twain reflektiert fortlaufend über Gerechtigkeit, menschliche Eitelkeit und die Tücken des Reisens.

Unterwegs und Daheim (Reiseerzählungen)

Locker verbundene Reisebilder aus Europa und Amerika kontrastieren Touristenblick, Heimatgefühle und Kulturklischees. Humoristische Missverständnisse und scharfe Seitenhiebe auf Sitten und Sprachen prägen die Skizzen.

Lebensgeschichte Mark Twain’s

Autobiographische Stücke erzählen von Herkunft, Familie, Erfolgen und Rückschlägen des Autors, oft in Anekdotenform. Erinnern, revidieren und kommentieren gehen ineinander über, sodass ein selbstironisches Selbstporträt entsteht.

Von Adam bis Vanderbilt

Satirische Essays und Porträts spannen den Bogen von biblischen Anfängen bis zu modernen Tycoons, um Ambition, Heuchelei und Fortschrittsglauben zu beleuchten. Der Ton wechselt zwischen Parodie, Moritat und gesellschaftskritischer Pointe.

Die 1,000,000 Pfundnote und andere humoristische Erzählungen und Skizzen

Eine aberwitzige Wette um einen riesigen Geldschein enthüllt, wie schnell Status und Schein Reputationen verändern; weitere Geschichten variieren dieses Spiel mit Zufall und Ansehen. Pointierte Kurzerzählungen demonstrieren Twains Hang zu komischer Übertreibung und sozialer Satire.

Im Gold-und Silberland

Ein Reise- und Abenteuerbericht aus der Frühzeit des amerikanischen Westens führt durch Postkutschentouren, Minenlager und Reporterjahre. Zwischen Illusionen vom schnellen Reichtum und harter Realität entsteht ein humorvoll-desillusionierter Blick auf den Boom.

Aus meiner Knabenzeit

Erinnerungen an Kindheit und Jugend im Städtchen am Mississippi verbinden Streiche, Schulalltag und lokale Typen mit ersten moralischen Bewährungen. Die Skizzen zeigen, wie Stoff und Ton seiner späteren Romane entstanden.

Kürzere Satiren und Erzählungen (Ritters Geschichte; Der Mann, der bei Gadsby’s abstieg; Die Geschichte des Invaliden)

Parodien auf Geschichtsschreibung und gesellschaftliche Eitelkeit stehen neben einer grotesken Reiseepisode, in der ein vermeintlich Kranker von Missverständnissen geplagt wird. Gemeinsam ist ihnen die Zuspitzung banaler Situationen zu komisch-absurden Einsichten über Ruhm, Geruch und Reputation.

Querkopf Wilson

In einer Südstaatenstadt führt eine vertauschte Herkunft zu Identitätskonflikten und einem spektakulären Kriminalfall. Ein Außenseiterjurist mit ungewöhnlichen Methoden (u. a. Fingerabdrücke) entlarvt soziale Vorurteile und die Mechanik von Schuld.

Skizzenbuch

Sammlung früher und später Skizzen—vom kalifornischen Goldgräberhumor bis zu Sprachsatiren—, die Twains Beobachterblick in Miniaturen zeigen. Viele Texte testen Pointen, Themen und Erzählstimmen, die seine größeren Werke prägen.

Mark Twain: Abenteuerromane, Historische Romane, Erzählungen, Anekdoten & Lustige Reise-Geschichten

Hauptinhaltsverzeichnis
Tom Sawyers Abenteuer und Streiche
Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten
Leben auf dem Mississippi / Nach dem fernen Westen
Meine Reise um die Welt (Im stillen Ozean: Australien - Von Australien nach Indien + Indien – Südafrika)
Unterwegs und Daheim (Reiseerzählungen)
Lebensgeschichte Mark Twain’s
Von Adam bis Vanderbilt
Die 1,000,000 Pfundnote und andere humoristische Erzahlungen und Skizzen
Im Gold-und Silberland
Aus meiner Knabenzeit
Ritters Geschichte
Der Mann, der bei Gadsby’s abstieg
Die Geschichte des Invaliden
Querkopf Wilson
Skizzenbuch

Tom Sawyers Abenteuer und Streiche

Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel. Tom und die Tante. – Ein Zweikampf.
Zweites Kapitel. Tom streicht einen Zaun.
Drittes Kapitel. Tom verliebt sich.
Viertes Kapitel. Schulfreuden und -Leiden
Fünftes Kapitel. Eine Zahnoperation. – Toms Freund. – Ein Mittel gegen Warzen. – Ein Strafgericht und Fortschritte in der Liebe.
Sechstes Kapitel. Wanzendressur und Liebeserklärungen.
Siebentes Kapitel. Die Schatzkammer. – Ein Kapitel aus Walter Scott.
Achtes Kapitel. Ein ernsthafter Vorfall.
Neuntes Kapitel. Reue.
Zehntes Kapitel. Der Mord. – Ein schlechtes Gewissen.
Elftes Kapitel. Verschiedene Kuren. – Eine Enttäuschung.
Zwölftes Kapitel. Schreckliche Pläne. – Die Flucht.
Dreizehntes Kapitel. Piratenleben.
Vierzehntes Kapitel. Ein Besuch.
Fünfzehntes Kapitel. Heimweh und Rauch-Studien.
Sechzehntes Kapitel. Das Gewitter.
Siebzehntes Kapitel. Glückliche Heimkehr. – Eifersucht.
Achtzehntes Kapitel. Tante verzeiht.
Neunzehntes Kapitel. Toms Edelmut.
Zwanzigstes Kapitel. Schulprüfungen. – Die Rache.
Einundzwanzigstes Kapitel. Ferien. – Eine Gerichtsverhandlung.
Entzücken und Grauen. Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Dreiundzwanzigstes Kapitel Die Schatzgräber
Vierundzwanzigstes Kapitel. Das Gespensterhaus.
Fünfundzwanzigstes Kapitel. Nächtliche Expeditionen.
Sechsundzwanzigstes Kapitel. Der Besuch der Höhle. – Hucks Entdeckung.
Siebenundzwanzigstes Kapitel. Hucks Erzählung. – Tom und Becky werden vermißt.
Achtundzwanzigstes Kapitel. Die Verirrten.
Neunundzwanzigstes Kapitel. Tom und Beckys Heimkehr.
Dreißigstes Kapitel. Das Geheimnis der Höhle. – Der Schatz.
Einunddreißigstes Kapitel. Tom und Huck werden reich.
Zweiunddreißigstes Kapitel. Zukunftspläne.
Schlußwort.

Übersetzung: Margarete Jacobi

Die meisten der im Tom Sawyer erzählten Abenteuer sind wirklich vorgekommen. Eines oder zwei habe ich selbst erlebt, die anderen meine Schulkameraden. Huck Finn ist nach dem Leben gezeichnet, Tom Sawyer ebenfalls, jedoch mit dem Unterschied, daß in ihm die Charaktereigenschaften mehrerer Knaben vereinigt sind.

Hartford, 1876. Der Verfasser.

Erstes Kapitel. Tom und die Tante. – Ein Zweikampf.

Inhaltsverzeichnis

»Tom!«

Keine Antwort.

»Tom!«

Tiefes Schweigen.

»Wo der Junge nun wieder steckt, möcht’ ich wissen, Du – Tom!«

Die alte Dame zog ihre Brille gegen die Nasenspitze herunter und starrte drüber weg im Zimmer herum, dann schob sie sie rasch wieder empor und spähte drunterher nach allen Seiten aus. Nun und nimmer würde sie dieselbe so entweiht haben, daß sie durch die geheiligten Gläser hindurch nach solchem geringfügigen Gegenstand geschaut hätte, wie ein kleiner Junge einer ist. War es doch ihre Staatsbrille, der Stolz ihres Herzens, welche sie sich nur der Zierde und Würde halber zugelegt, keineswegs zur Benutzung, – ebenso gut hätte sie durch ein paar Kochherdringe sehen können. Einen Moment lang schien sie verblüfft, da sie nichts entdecken konnte, dann ertönte wiederum ihre Stimme, nicht gerade ärgerlich, aber doch laut genug, um von der Umgebung, dem Zimmergerät nämlich, gehört zu werden: »Wart, wenn ich dich kriege, ich – –«

Sie beendete den Satz nicht, denn sie war inzwischen ans Bett herangetreten, unter welchem sie energisch mit dem Besen herumstöberte, was ihre ganze Kraft, all ihren Atem in Anspruch nahm. Trotz der Anstrengung förderte sie jedoch nichts zutage, als die alte Katze, die ob der Störung sehr entrüstet schien.

»So was wie den Jungen gibt’s nicht wieder!«

Sie trat unter die offene Haustüre und ließ den Blick über die Tomaten und Kartoffeln schweifen, welche den Garten vorstellten. Kein Tom zu sehen! Jetzt erhob sich ihre Stimme zu einem Schall, der für eine ziemlich beträchtliche Entfernung berechnet war:

»Holla – du – To – om!«

Ein schwaches Geräusch hinter ihr veranlaßte sie, sich umzudrehen und zwar eben noch zu rechter Zeit, um einen kleinen, schmächtigen Jungen mit raschem Griff am Zipfel seiner Jacke zu erwischen und eine offenbar geplante Flucht zu verhindern.

»Na, natürlich! An die Speisekammer hätte ich denken müssen! Was hast du drinnen wieder angestellt?«

»Nichts.«

»Nichts? Na, seh’ mal einer! Betracht’ mal deine Hände, he, und was klebt denn da um deinen Mund?«

»Das weiß ich doch nicht, Tante!«

»So, aber ich weiß es. Marmelade ist’s, du Schlingel, und gar nichts anderes. Hab’ ich dir nicht schon hundertmal gesagt, wenn du mir die nicht in Ruhe ließest, wollt’ ich dich ordentlich gerben? Was? Hast du’s vergessen? Reich’ mir mal das Stöckchen da!«

Schon schwebte die Gerte in der Luft, die Gefahr war dringend.

»Himmel, sieh doch mal hinter dich, Tante!«

Die alte Dame fuhr herum, wie von der Tarantel gestochen und packte instinktiv ihre Röcke, um sie in Sicherheit zu bringen. Gleichzeitig war der Junge mit einem Satz aus ihrem Bereich, kletterte wie ein Eichkätzchen über den hohen Bretterzaun und war im nächsten Moment verschwunden. Tante Polly sah ihm einen Augenblick verdutzt, wortlos nach, dann brach sie in ein leises Lachen aus.

»Hol’ den Jungen der und jener! Kann ich denn nie gescheit werden? Hat er mir nicht schon Streiche genug gespielt, daß ich mich endlich einmal vor ihm in acht nehmen könnte! Aber, wahr ist’s, alte Narren sind die schlimmsten, die’s gebt, und ein alter Pudel lernt keine neuen Kunststückchen mehr, heißt’s schon im Sprichwort. Wie soll man aber auch wissen, was der Junge im Schild führt, wenn’s jeden Tag was andres ist! Weiß der Bengel doch genau, wie weit er bei mir gehen kann, bis ich wild werde, und ebenso gut weiß er, daß, wenn er mich durch irgendeinen Kniff dazu bringen kann, eine Minute zu zögern, ehe ich zuhaue, oder wenn ich gar lachen muß, es aus und vorbei ist mit den Prügeln. Weiß Gott, ich tu’ meine Pflicht nicht an dem Jungen. ›Wer sein Kind lieb hat, der züchtiget es‹, heißt’s in der Bibel. Ich aber, ich – Sünde und Schande wird über uns kommen, über meinen Tom und mich, ich seh’s voraus, Herr, du mein Gott, ich seh’s kommen! Er steckt voller Satanspossen, aber, lieber Gott, er ist meiner toten Schwester einziger Junge und ich hab’ nicht das Herz, ihn zu hauen. Jedesmal, wenn ich ihn durchlasse, zwickt mich mein Gewissen ganz grimmig, und hab’ ich ihn einmal tüchtig vorgenommen, dann – ja dann will mir das alte, dumme Herz beinahe brechen. Ja, ja, der vom Weibe geborene Mensch ist arm und schwach, kurz nur währen seine Tage und sind voll Müh und Trübsal, so sagt die hl. Schrift und wahrhaftig, es ist so! Heut wird sich der Bengel nun wohl nicht mehr blicken lassen, wird die Schule schwänzen, denk’ ich, und ich werd’ ihm wohl für morgen irgendeine Strafarbeit geben müssen. Ihn am Sonnabend, wenn alle Jungen frei haben, arbeiten zu lassen, ist fürchterlich hart, namentlich für Tom, der die Arbeit mehr scheut, als irgendwas sonst, aber ich muß meine Pflicht tun an dem Jungen, wenigstens einigermaßen, ichmuß, sonst bin ich sein Verderben!«

Tom, der, wie Tante Polly sehr richtig geraten, die Schule schwänzte, ließ sich am Nachmittag nicht mehr blicken, sondern trieb sich draußen herum und vergnügte sich königlich dabei. Gegen Abend erschien er dann wieder, kaum zur rechten Zeit vor dem Abendessen, um Jim, dem kleinen Niggerjungen, helfen zu können, das nötige Holz für den nächsten Tag klein zu machen. Dabei blieb ihm aber Zeit genug, Jim sein Abenteuer zu erzählen, während dieser neun Zehntel der Arbeit tat. Toms jüngerer Bruder, oder besser Halbbruder, Sid, hatte seinen Teil am Werke, das Zusammenlesen der Holzspäne, schon besorgt. Er war ein fleißiger, ruhiger Junge, nicht so unbändig und abenteuerlustig wie Tom. Während dieser sich das Abendessen schmecken ließ und dazwischen bei günstiger Gelegenheit Zuckerstückchen stibitzte, stellte Tante Polly ein, wie sie glaubte, äußerst schlaues und scharfes Kreuzverhör mit ihm an, um ihn zu verderbenbringenden Geständnissen zu verlocken. Wie so manche andere arglos-schlichte Seele glaubte sie an ihr Talent für die schwarze, geheimnisvolle Kunst der Diplomatie. Es war der stolzeste Traum ihres kindlichen Herzens, und die allerdurchsichtigsten kleinen Kniffe, deren sie sich bediente, schienen ihr wahre Wunder an Schlauheit und List. So fragte sie jetzt: »Tom, es war wohl ziemlich warm in der Schule?«

»Ja, Tante.«

»Sehr warm, nicht?«

»Ja, Tante.«

»Hast du nicht Lust gehabt, schwimmen zu gehen?«

Wie ein warnender Blitz durchzuckte es Tom, – hatte sie Verdacht? Er suchte in ihrem Gesichte zu lesen, das verriet nichts. So sagte er:

»N – nein. Tante – das heißt nicht viel.«

Die alte Dame streckte die Hand nach Toms Hemdkragen aus, befühlte den und meinte:

»Jetzt ist dir’s doch nicht mehr zu warm, oder?«

Und dabei bildete sie sich ein, bildete sich wirklich und wahrhaftig ein, sie habe den trockenen Zustand besagten Hemdes entdeckt, ohne daß eine menschliche Seele ahne, worauf sie ziele. Tom aber wußte genau, woher der Wind wehte, so kam er der mutmaßlich nächsten Wendung zuvor.

»Ein paar von uns haben die Köpfe unter die Pumpe gehalten – meiner ist noch naß, sieh!«

Tante Polly empfand es sehr unangenehm, daß sie diesen belastenden Beweis übersehen und sich so im voraus aus dem Felde hatte schlagen lassen. Ihr kam eine neue Eingebung.

»Tom, du hast doch wohl nicht deinen Hemdkragen abnehmen müssen, den ich dir angenäht habe, um dir auf den Kopf pumpen zu lassen, oder? Knöpf doch mal deine Jacke auf!«

Aus Toms Antlitz war jede Spur von Sorge verschwunden. Er öffnete die Jacke, der Kragen war fest und sicher angenäht.

»Daß dich! Na, mach’ dich fort. Ich hätte Gift drauf genommen, daß du heut mittag schwimmen gegangen bist. Wollens gut sein lassen. Dir geht’s diesmal wie der verbrühten Katze, du bist besser, als du aussiehst – aber nur diesmal, Tom, nur diesmal!«

Halb war’s ihr leid, daß alle ihre angewandte Schlauheit so ganz umsonst gewesen, und halb freute sie sich, daß Tom doch einmal wenigstens, gleichsam unversehens, in den Gehorsam hineingestolpert war.

Da sagte Sidney:

»Ja aber, Tante, hast du denn den Kragen mit schwarzem Zwirn aufgenäht?«

»Schwarz? Nein, er war weiß, soviel ich mich erinnere, Tom!«

Tom aber wartete das Ende der Unterredung nicht ab. Wie der Wind war er an der Türe, rief beim Abgehen Sid noch ein freundschaftliches »wart’, das sollst du mir büßen« zu und war verschwunden.

An sicherem Orte untersuchte er drauf zwei eingefädelte Nähnadeln, die er in das Futter seiner Jacke gesteckt trug, die eine mit weißem, die andre mit schwarzem Zwirn, und brummte vor sich hin:

»Sie hätt’s nie gemerkt, wenn’s der dumme Kerl, der Sid, nicht verraten hätte. Zum Kuckuck! Einmal nimmt sie weißen und einmal schwarzen Zwirn, wer kann das behalten. Aber Sid soll seine Keile schon kriegen; der soll mir nur kommen!«

Tom war mit nichten der Musterjunge seines Heimatortes, – es gab aber einen solchen und Tom kannte und verabscheute ihn rechtschaffen.

Zwei Minuten später, oder in noch kürzerer Zeit, hatte er alle seine Sorgen vergessen. Nicht, daß sie weniger schwer waren oder weniger auf ihm lasteten, wie eines Mannes Sorgen auf eines Mannes Schultern, nein durchaus nicht, aber ein neues mächtiges Interesse zog seine Gedanken ab, gerade wie ein Mann die alte Last und Not in der Erregung eines neuen Unternehmens vergessen kann. Dieses starke und mächtige Interesse war eine eben errungene, neue Methode im Pfeifen, die ihm ein befreundeter Nigger kürzlich beigebracht hatte, und die er nun ungestört üben wollte. Die Kunst bestand darin, daß man einen hellen, schmetternden Vogeltriller hervorzubringen sucht, indem man in kurzen Zwischenpausen während des Pfeifens mit der Zunge den Gaumen berührt. Wer von den Lesern jemals ein Junge gewesen ist, wird genau wissen, was ich meine, Tom hatte sich mit Fleiß und Aufmerksamkeit das Ding baldigst zu eigen gemacht und schritt nun die Hauptstraße hinunter, den Mund voll tönenden Wohllauts, die Seele voll stolzer Genugtuung. Ihm war ungefähr zumute, wie einem Astronomen, der einen neuen Stern entdeckt hat, doch glaube ich kaum, daß die Freude des glücklichen Entdeckers der seinen an Größe, Tiefe und ungetrübter Reinheit gleichkommt.

Die Sommerabende waren lang. Noch war’s nicht dunkel geworden. Toms Pfeifen verstummte plötzlich. Ein Fremder stand vor ihm, ein Junge, nur vielleicht einen Zoll größer als er selbst. Die Erscheinung eines Fremden irgendwelchen Alters oder Geschlechtes war ein Ereignis in dem armen, kleinen Städtchen St. Petersburg. Und dieser Junge war noch dazu sauber gekleidet, – sauber gekleidet an einem Wochentage! Das war einfach geradezu unfaßlich, überwältigend! Seine Mütze war ein niedliches, zierliches Ding, seine dunkelblaue, dicht zugeknöpfte Tuchjacke nett und tadellos: auch die Hosen waren ohne Flecken. Schuhe hatte er an, Schuhe, und es war doch heute erst Freitag, noch zwei ganze Tage bis zum Sonntag! Um den Hals trug er ein seidenes Tuch geschlungen. Er hatte so etwas Zivilisiertes, so etwas Städtisches an sich, das Tom in die innerste Seele schnitt. Je mehr er dieses Wunder von Eleganz anstarrte, je mehr er die Nase rümpfte über den »erbärmlichen Schwindel«, wie er sich innerlich ausdrückte, desto schäbiger und ruppiger dünkte ihn seine eigene Ausstattung. Keiner der Jungen sprach. Wenn der eine sich bewegte, bewegte sich auch der andere, aber immer nur seitwärts im Kreise herum. So standen sie einander gegenüber, Angesicht zu Angesicht, Auge in Auge. Schließlich sagt Tom:

»Ich kann dich unterkriegen!«

»Probier’s einmal!«

»N – ja, ich kann.«

»Nein, du kannst nicht.«

»Und doch!«

»Und doch nicht!«

»Ich kann’s.«

»Du kannst’s nicht.«

»Kann’s.«

»Kannst’s nicht.«

Ungemütliche Pause. Dann fängt Tom wieder an:

»Wie heißt du?«

»Geht dich nichts an.«

»Will dir schon zeigen, daß mich’s angeht.«

»Nun, so zeig’s doch.«

»Wenn du noch viel sagst, tu’ ich’s.«

»Viel – viel –viel! Da! Nun komm ‘ran!«

»Ach, du hältst dich wohl für furchtbar gescheit, gelt du? Du Putzaff’! Ich könnt’ dich ja unterkriegen mit einer Hand, auf den Rücken gebunden, – wenn ich nur wollt’!«

»Na, warumtustdu’s denn nicht? Dusagst‘s doch immer nur!« »Wart, ich tu’s, wenn du dich mausig machst!«

»Ja, ja, sagen kann das jeder, aber tun – tun ist was andres.«

»Aff’ du! Gelt du meinst, du seist was Rechtes? – Puh, was für ein Hut!«

»Guck’ wo anders hin, wenn er dir nicht gefällt. Schlag’ ihn doch runter! Der aber, der ‘s tut, wird den Himmel für ‘ne Baßgeig’ ansehen!«

»Lügner, Prahlhans!«

»Selber!«

»Maulheld! Gelt, du willst dir die Hände schonen?«

»Oh – geh heim!«

»Wart, wenn du noch mehr von deinem Blödsinn verzapfst, so nehm’ ich einen Stein und schmeiß ihn dir an deinem Kopf entzwei.«

»Ei, natürlich, – schmeiß nur!«

»Ja, ich tu’s!«

»Na, warum denn nicht gleich? Warum wartst du denn noch? Warumtustdu ‘s nicht? Ätsch, du hast Angst!«

»Ich Hab’ keine Angst.«

»Doch, doch!«

»Nein, ich hab’ keine.«

»Du hast welche!«

Erneute Pause, verstärktes Anstarren und langsames Umkreisen. Plötzlich stehen sie Schulter an Schulter. Tom sagt:

»Mach’ dich weg von hier!«

»Mach’ dich selber weg!«

»Ich nicht!«

»Ich gewiß nicht!«

So stehen sie nun fest gegeneinander gepreßt, jeder als Stütze ein Bein im Winkel vor sich gegen den Boden stemmend, und schieben, stoßen und drängen sich gegenseitig mit aller Gewalt, einander mit wutschnaubenden, haßerfüllten Augen anstarrend. Keiner aber vermag dem andern einen Vorteil abzugewinnen. Nachdem sie so schweigend gerungen, bis beide ganz heiß und glühendrot geworden, lassen sie wie auf Verabredung langsam und vorsichtig nach und Tom sagt:

»Du bist ein Feigling und ein Aff’ dazu. Ich sag’s meinem großen Bruder, der haut dich mit seinem kleinen Finger krumm und lahm, wart nur!«

»Was liegt mir an deinem großen Bruder! Meiner ist noch viel größer, wenn der ihn nur anbläst, fliegt er über den Zaun, ohne daß er weiß wie!« (Beide Brüder existierten nur in der Einbildung,)

»Das ist gelogen!«

»Was weißt denn du?«

Tom zieht nun mit seiner großen Zehe eine Linie in den Staub und sagt:

»Da spring’ rüber und ich hau dich, daß du deinen Vater nicht von einem Kirchturm unterscheiden kannst!«

Der neue Junge springt sofort, ohne sich zu besinnen, hinüber und ruft:

»Jetzt komm endlich ‘ran und tu’s und hau’, aber prahl’ nicht länger!«

»Reiz’ mich nicht, nimm dich in acht!«

»Na, nun mach aber, jetzt bin ich’s müde! Warum kommst du nicht!«

»Weiß Gott, jetzt tu’ ich’s für zwei Pfennig!«

Flink zieht der fremde Junge zwei Pfennige aus der Tasche und hält sie Tom herausfordernd unter die Nase.

Tom schlägt sie zu Boden.

Im nächsten Moment wälzen sich die Jungen fest umschlungen im Staube, krallen einander wie Katzen, reißen und zerren sich an den Haaren und Kleidern, bläuen und zerkratzen sich die Gesichter und Nasen und bedecken sich mit Schmutz und Ruhm. Nach ein paar Minuten etwa nimmt der sich wälzende Klumpen Gestalt an und in dem Staub des Kampfes wird Tom sichtbar, der rittlings auf dem neuen Jungen sitzt und denselben mit den Fäusten bearbeitet.

»Schrei ›genug‹«, mahnte er.

Der Junge ringt nur stumm, sich zu befreien, er weint vor Zorn und Wut.

»Schrei ›genug‹«, mahnt Tom noch einmal und drischt lustig weiter.

Endlich stößt der Fremde ein halb ersticktes »genug« hervor, Tom läßt ihn alsbald los und sagt: »Jetzt hast du’s, das nächstemal paß auf, mit wem du anbindst!«

Der fremde Junge rannte heulend davon, sich den Staub von den Kleidern klopfend. Gelegentlich sah er sich um, ballte wütend die Faust und drohte, was er Tom alles tun wolle, »wenn er ihn wieder erwische«. Tom antwortete darauf nur mit Hohngelächter und machte sich, wonnetrunken ob der vollbrachten Heldentat, in entgegengesetzter Richtung auf. Sobald er aber den Rücken gewandt hatte, hob der besiegte Junge einen Stein, schleuderte ihn Tom nach und traf ihn gerade zwischen den Schultern, dann gab er schleunigst Fersengeld und lief davon wie ein Hase. Tom wandte sich und setzte hinter dem Verräter her, bis zu dessen Hause, wodurch er herausfand, wo dieser wohnte. Er pflanzte sich vor das Gitter hin und forderte den Feind auf, herauszukommen und den Streit aufzunehmen, der aber weigerte sich und schnitt ihm nur Grimassen durch das Fenster. Endlich kam die Mutter des Feindes zum Vorschein, schalt Tom einen bösen, ungezogenen, gemeinen Buben und hieß ihn sich fortmachen. Tom trollte sich also, brummte aber, er wollte es dem Affen schon noch zeigen.

Erst sehr spät kam er nach Hause, und als er vorsichtig zum Fenster hineinklettern wollte, stieß er auf einen Hinterhalt in Gestalt der Tante. Als diese dann den Zustand seiner Kleider gewahrte, gedieh ihr Entschluß, seinen freien Sonnabend in einen Sträflingstag bei harter Arbeit zu verwandeln, zu eiserner Festigkeit.

Zweites Kapitel. Tom streicht einen Zaun.

Inhaltsverzeichnis

Der Sonnabend Morgen tagte, die ganze sommerliche Welt draußen war sonnig und klar, sprudelnd von Leben und Bewegung. In jedem Herzen schien’s zu klingen und zu singen, und wenn das Herz jung war, trat der Klang unversehens auf die Lippen. Freude und Lust malte sich in jedem Antlitz, jeder Schritt war beflügelt. Die Akazien blühten und erfüllten mit ihrem köstlichen Duft rings alle Lüfte.

Tom erschien auf der Bildfläche mit einem Eimer voll Tünche und einem langstieligen Pinsel. Er stand vor dem Zaun, besah sich das zukünftige Feld seiner Tätigkeit und es war ihm, als schwände mit einem Schlage alle Freude aus der Natur. Eine tiefe Schwermut bemächtigte sich seines ahnungsvollen Geistes. Dreißig Meter lang und neun Fuß hoch war der unglückliche Zaun! Das Leben schien ihm öde, das Dasein eine Last. Seufzend tauchte er den Pinsel ein und fuhr damit über die oberste Planke, wiederholte das Manöver einmal und noch einmal. Dann verglich er die unbedeutende übertünchte Strecke mit der Riesenausdehnung des noch ungetünchten Zaunes und ließ sich entmutigt auf ein paar knorrigen Baumwurzeln nieder. Jim, der kleine Nigger, trat singend und springend aus dem Hoftor mit einem Holzeimer in der Hand. Wasser an der Dorfpumpe holen zu müssen, war Tom bis jetzt immer gründlich verhaßt gewesen, in diesem Augenblick dünkte es ihn die höchste Wonne. Er erinnerte sich, daß man dort immer Gesellschaft traf; Weiße, Mulatten und Niggerjungen und Mädchen waren da stets zu finden, die warteten, bis die Reihe an sie kam und sich inzwischen ausruhten, mit allerlei handelten oder tauschten, sich zankten, rauften, prügelten und dergleichen Kurzweil trieben. Auch durfte man Jim mit seinem Eimer Wasser nie vor Ablauf einer Stunde zurückerwarten, obgleich die Pumpe kaum einige hundert Schritte vom Haus entfernt war und selbst dann mußte gewöhnlich noch nach ihm geschickt werden. Ruft also Tom:

»Hör’, Jim, ich will das Wasser holen, streich’ du hier ein bißchen an.«

Jim schüttelte den Dickkopf und sagte:

»Nix das können, junge Herr Tom, Alte Tante sagen, Jim sollen nix tun andres als Wasser holen, sollen ja nix anstreichen. Sie sagen, junge Herr Tom wohl werden fragen Jim, ob er wollen anstreichen, aber er nix sollen es tun – ja nix sollen es tun.«

»Ach was, Jim, laß dir nichts weismachen, so redet sie immer. Her mit dem Eimer, ich bin gleich wieder da. Sie merkt’s noch gar nicht.«

»Jim sein so bange, er’s nix wollen tun. Alte Tante sagen, sie ihm reißen Kopf ab, wenn er’s tun.«

»Sie! O Herr Jemine, die kann ja gar niemand ordentlich durchhauen, – die fährt einem ja nur mit der Hand über den Kopf, als ob sie streicheln wollte, und ich möcht’ wissen, wer sich daraus was macht. Ja, schwatzen tut sie von durchhauen und allem, aber schwatzen tut nicht weh, – das heißt, solang sie nicht weint dazu. Jim, da, ich schenk dir auch ‘ne große Murmel, – da und noch ‘nen Gummi dazu!«

Jim schwankte.

»‘nen Gummi, Jim, und was für ein Stück, sieh mal her!«

»O, du meine alles! Sein das prachtvoll Stück Gummi. Aber, junge Herr Tom, Jim sein so ganz furchtbar bange vor alte Tante!«

Jim aber war auch nur ein schwacher Mensch, – diese Versuchung erwies sich als zu stark für ihn. Er stellte seinen Eimer hin und streckte die Hand nach dem verlockenden Gummi aus. Im nächsten Moment flog er jedoch, laut aufheulend, samt seinem Eimer die Straße hinunter, Tom tünchte mit Todesverachtung drauflos und Tante Polly zog sich stolz vom Schlachtfeld zurück, Pantoffel in der Hand, Triumph im Auge.

Toms Eifer hielt nicht lange an. Ihm fiel all das Schöne ein, das er für diesen Tag geplant, und sein Kummer wuchs immer mehr. Bald würden sie vorüber schwärmen, die glücklichen Jungen, die heute frei waren, auf die Berge, in den Wald, zum Fluß, überall hin, wo’s schön und herrlich war. Und wie würden sie ihn höhnen und auslachen und verspotten, daß er dableiben und arbeiten mußte, – schon der Gedanke allein brannte ihn wie Feuer. Er leerte seine Taschen und musterte seine weltlichen Güter, – alte Federn, Glas-und Steinkugeln, Marken und sonst allerlei Kram. Da war wohl genug, um sich dafür einen Arbeitstausch zu verschaffen, aber keineswegs genug, um sich auch nur eine knappe halbe Stunde voller Freiheit zu erkaufen. Seufzend wanderten die beschränkten Mittel wieder in die Tasche zurück und Tom mußte wohl oder übel die Idee fahren lassen, einen oder den andern der Jungen zur Beihilfe zu bestechen. In diesem dunkeln, hoffnungslosen Moment kam ihm eine Eingebung! Eine große, eine herrliche Eingebung! Er nahm seinen Pinsel wieder auf und machte sich still und emsig an die Arbeit. Da tauchte Ben Rogers in der Entfernung auf, Ben Rogers, dessen Spott er von allen gerade am meisten gefürchtet hatte. Ben’s Gang, als er so daherkam, war ein springender, hüpfender kurzer Trab, Beweis genug, daß sein Herz leicht und seine Erwartungen hochgespannt waren. Er biß lustig in einen Apfel und ließ dazu in kurzen Zwischenpausen ein langes, melodisches Geheul ertönen, dem allemal ein tiefes gezogenes ding–dong–dang, ding–dong–dang folgte. Er stellte nämlich einen Dampfer vor. Als er sich Tom näherte, gab er Halbdampf, hielt sich in der Mitte der Straße, wandte sich stark nach Steuerbord und glitt drauf in stolzem Bogen dem Ufer zu, mit allem Aufwand von Pomp und Umständlichkeit, denn er stellte nichts Geringeres vor als den »Großen Missouri« mit neun Fuß Tiefgang. Er war Schiff, Kapitän, Mannschaft, Dampfmaschine, Glocke, alles in allem, stand also auf seiner eigenen Schiffsbrücke, erteilte Befehle und führte sie aus.

»Halt, stoppen! Klinge–linge–ling.« Der Hauptweg war zu Ende und der Dampfer wandte sich langsam dem Seitenweg zu. »Wenden! Klingelingeling!« Steif ließ er die Arme an den Seiten niederfallen. »Wenden, Steuerbord! Klingelingeling! Tschu! tsch – tschu – u – tschu!«

Nun beschrieb der rechte Arm große Kreise, denn er stellte ein vierzig Fuß großes Rad vor. »Zurück, Backbord! Klingelingeling! Tschu–tsch–tschu–u–sch!« Der linke Arm begann nun Kreise zu beschreiben. »Steuerbord stoppen! Lustig, Jungens! Anker auf – nieder! Klingeling! Tsch–tschuu–tschtu! Los! Maschine stoppen! He, Sie da! Scht–sch–tscht!« (Ausströmen des Dampfes.)

Tom tünchte währenddessen und ließ den Dampfer Dampfer sein, Ben starrte ihn einen Augenblick an und grinste dann:

»Hi–hi! Festgenagelt – äh?«

Keine Antwort, Tom schien seinen letzten Strich mit dem Auge eines Künstlers zu prüfen, dann fuhr er zart mit dem Pinsel noch einmal drüber und übersah das Resultat in derselben kritischen Weise wie zuvor. Ben marschierte nun neben ihm auf. Toms Mund wässerte nach dem Apfel, er hielt sich aber tapfer an die Arbeit. Sagt Ben:

»Hallo, alter Junge, Strafarbeit, ja?«

»Ach, du bist’s, Ben, ich hab’ gar nicht aufgepaßt!«

»Hör du, ich geh schwimmen, willst du vielleicht mit? Aber gelt, du arbeitst lieber, natürlich, du bleibst viel lieber da, gelt?«

Tom maß ihn erstaunt von oben bis unten.

»Was nennst du eigentlich arbeiten?«

»W–was? Ist das keine Arbeit?«

Tom tauchte seinen Pinsel wieder ein und bemerkte gleichgültig:

»Vielleicht – vielleicht auch nicht! Ich weiß nur soviel, daß das dem Tom Sawyer paßt.«

»Na, du willst mir doch nicht weismachen, daß du’s zum Vergnügen tust?«

Der Pinsel strich und strich.

»Zum Vergnügen? Na, seh’ nicht ein, warum nicht. Kann unsereiner denn alle Tag ‘nen Zaun anstreichen?«

Das warf nun ein neues Licht auf die Sache. Ben überlegte und knupperte an seinem Apfel. Tom fuhr sachte mit seinem Pinsel hin und her, trat dann zurück, um die Wirkung zu prüfen, besserte hier und da noch etwas nach, prüfte wieder, alles ohne sich im geringsten um Ben zu kümmern. Dieser verfolgte jede Bewegung, eifriger und eifriger mit steigendem Interesse. Sagt er plötzlich:

»Du, Tom, laß mich ein bißchen streichen!«

Tom überlegte, schien nachgeben zu wollen, gab aber diese Absicht wieder auf: »Nein, nein, das würde nicht gehen, Ben, wahrhaftig nicht. Weißt du, Tante Polly nimmt’s besonders genau mit diesem Zaun, so dicht bei der Straße, siehst du. Ja, wenn’s irgendwo dahinten wär’, da lag nichts dran, – mir nicht und ihr nicht – so aber! Ja, sie nimmt’s ganz ungeheuer genau mit diesem Zaun, der muß ganz besonders vorsichtig gestrichen werden, – einer von hundert Jungen vielleicht, oder noch weniger, kann’s so machen, wie’s gemacht werden muß.«

»Nein, wirklich? Na, komm, Tom, laß mich’s probieren, nur ein ganz klein bißchen. Ich ließ dich auch dran, Tom, wenn ich’s zu tun hätte!«

»Ben, wahrhaftig, ich tät’s ja gern, aber Tante Polly – Jim hat’s tun wollen und Sid, aber die haben’s beide nicht gedurft. Siehst du nicht, wie ich in der Klemme stecke? Wenn du nun anstreichst und ‘s passiert was und der Zaun ist verdorben, dann–«

»Ach, Unsinn, ich will’s schon rechtmachen. Na, gib her, – wart’, du kriegst auch den Rest von meinem Apfel; ‘s ist freilich nur noch der Butzen, aber etwas Fleisch sitzt doch noch drum.«

»Na, denn los! Nein, Ben, doch nicht, ich hab’ Angst, du –«

»Da hast du noch ‘nen ganzen Apfel dazu!« Tom gab nun den Pinsel ab. Widerstreben im Antlitz, Freude im Herzen. Und während der frühere Dampfer »Großer Missouri« im Schweiße seines Angesichts drauflos strich, saß der zurückgetretene Künstler auf einem Fäßchen im Schatten dicht dabei, baumelte mit den Beinen, verschlang seinen Apfel und brütete über dem Gedanken, wie er noch mehr Opfer in sein Netz zöge. An Material dazu war kein Mangel. Jungen kamen in Menge vorüber. Sie kamen, um zu spotten und blieben, um zu tünchen! Als Ben müde war, hatte Tom schon Kontrakt gemacht mit Billy Fischer, der ihm einen fast neuen, nur wenig geflickten Drachen bot. Dann trat Johnny Miller gegen eine tote Ratte ein, die an einer Schnur zum Hin-und Herschwingen befestigt war und so weiter und so weiter, Stunde um Stunde. Und als der Nachmittag zur Hälfte verstrichen, war aus Tom, dem mit Armut geschlagenen Jungen mit leeren Taschen und leeren Händen, ein im Reichtum förmlich schwelgender Glücklicher geworden. Er besaß außer den Dingen, die ich oben angeführt, noch zwölf Steinkugeln, eine freilich schon etwas stark beschädigte Mundharmonika, ein Stück blaues Glas, um die Welt dadurch zu betrachten, ein halbes Blasrohr, einen alten Schlüssel und nichts damit aufzuschließen, ein Stück Kreide, einen halb zerbrochenen Glasstöpsel von einer Wasserflasche, einen Bleisoldaten, ein Stück Seil, sechs Zündhütchen, ein junges Kätzchen mit nur einem Auge, einen alten messingnen Türgriff, ein Hundehalsband ohne Hund, eine Messerklinge, vier Orangenschalen und ein altes, wackeliges Stück Fensterrahmen, Dazu war er lustig und guter Dinge, brauchte sich gar nicht weiter anzustrengen die ganze Zeit über und hatte mehr Gesellschaft beinahe, als ihm lieb war. Der Zaun wurde nicht weniger als dreimal vollständig überpinselt, und wenn die Tünche im Eimer nicht ausgegangen wäre, hätte er zum Schluß noch jeden einzelnen Jungen des Dorfes bankrott gemacht.

Unserm Tom kam die Welt gar nicht mehr so traurig und öde vor. Ohne es zu wissen, hatte er ein tief in der menschlichen Natur wurzelndes Gesetz entdeckt, die Triebfeder zu vielen, vielen Handlungen. Um das Begehren eines Menschen, sei er nun erwachsen oder nicht, – das Alter macht in dem Fall keinen Unterschied – also, um eines Menschen Begehren nach irgend etwas zu erwecken, braucht man ihm nur das Erlangen dieses »etwas« schwierig erscheinen zu lassen. Wäre Tom ein gewiegter, ein großer Philosoph gewesen, wie zum Beispiel der Schreiber dieses Buches, er hatte daraus gelernt, wie der Begriff vonArbeiteinfach darin besteht, daß man etwas tunmuß, daß dagegen Vergnügen das ist, was man freiwillig tut. Er würde verstanden haben, warum künstliche Blumen machen oder in einer Tretmühle gehen »Arbeit« heißt, während Kegelschieben im Schweiße des Angesichts oder den Montblanc erklettern lediglich als Vergnügen gilt. Ja, ja, wer erklärt diese Widersprüche in der menschlichen Natur!

Drittes Kapitel. Tom verliebt sich.

Inhaltsverzeichnis

Tom erschien vor Tante Polly, die am offenen Fenster eines Hinterzimmers saß, das Schlaf-, Wohn-, Eßzimmer, Bibliothek, alles in sich vereinigte. Die balsamische Sommerluft, die friedliche Ruhe, der Blumenduft, das einschläfernde Summen der Bienen, alles hatte seine Wirkung auf sie ausgeübt, – sie war über ihrem Strickstrumpf eingenickt in Gesellschaft der Katze, die auf ihrem Schoße friedlich schlummerte. Die Brille war zur Sicherheit ganz auf den alten, grauen Kopf geschoben. Sie war fest überzeugt gewesen, daß Tom längst durchgebrannt sei und wunderte sich nun nicht wenig, als er sich jetzt so furchtlos ihrer Macht überlieferte.

»Darf ich jetzt gehen und spielen, Tante?« fragte er.

»Was – schon? Ei, wie weit bist du denn?«

»Fertig, Tante.«

»Tom, schwindle nicht, du weißt, das kann ich nicht vertragen.«

»Gewiß und wahrhaftig, Tante, ich bin fertig.«

Tante Polly schien nur wenig Zutrauen zu der Angabe zu hegen, denn sie erhob sich, um selbst nachzusehen; sie wäre froh und dankbar gewesen, hätte sie nur zwanzig Prozent von Toms Aussage bestätigt gefunden. Als sie aber nun den ganzen Zaun getüncht fand und nicht nur so einmal leicht überstrichen, sondern sorgsam mit einer festen, tadellosen Lage Tünche versehen, da kannte ihr Erstaunen, ihre freudige Ver-und Bewunderung keine Grenzen.

»Na, so was!« stieß sie fast atemlos hervor. »Arbeitenkannstdu, wenn du willst, Tom, das muß dir dein Feind lassen. Selten genug freilich willst du einmal«, schwächte sie ihr Kompliment ab. »Aber nun geh und spiel, mach dich flink fort. Daß du mir aber vor Ablauf einer Woche wiederkommst, hörst du, sonst gerb ich dir das Fell doch noch durch!«

Sie war aber so gerührt von seiner Heldentat, daß sie ihn zuerst noch mit in die Speisekammer nahm und einen herrlichen, dicken, rotbackigen Apfel auslas, den sie ihm einhändigte, daran den salbungsvollen Hinweis knüpfend, wie Verdienst und ehrliche Anstrengung den Genuß einer Gabe erhöhe, die man als Lohn der Tugend erworben, nicht durch sündige Tücke. Und während sie die Predigt mit einer ebenso passend als glücklich gewählten Schriftstelle schloß, hatte Tom hinterrücks ein Stückchen Kuchen stibitzt, um sich den Lohn der Tugend wie der Errungenschaft sündiger Tücke ganz gleich gutschmecken zu lassen.

Dann schlüpfte er hinaus und sah gerade, wie Sid die Außentreppe, die zu dem Hinterzimmer des zweiten Stocks führte, hinaufhuschte, Erdklumpen waren zur Hand und im Moment war die Luft voll davon. Sie flogen um Sid wie ein Hagelwetter, und ehe noch Tante Polly ihre überraschten Lebensgeister sammelte oder zu Hilfe kommen konnte, hatten sechs oder sieben ihr Ziel getroffen, Sid brüllte und Tom war über den Zaun gesetzt und verschwunden. Es gab freilich auch ein Tor, aber für gewöhnlich konnte es Tom aus Mangel an Zeit nicht benutzen. Nun hatte seine Seele Ruhe, jetzt hatte er abgerechnet mit Sid und ihm die Verräterei mit dem schwarzen Zwirn heimgezahlt. Der würde ihn nicht so bald wieder in Ungelegenheiten zu bringen wagen!

Tom schlich auf Umwegen hinter dem Stalle, um Haus und Hof herum, bis er außer dem Bereich der Gefangennahme und Abstrafung war, dann setzte er sich eiligst nach dem Hauptplatz des Dorfes in Trab, wo der Verabredung gemäß zwei feindliche Heere sich eine Schlacht liefern sollten. Tom war General der einen Armee, Joe Harper, sein Busenfreund, General der zweiten. Die beiden ruhmgekrönten, großen Anführer ließen sich aber nicht zum Fechten in Person herbei; bewahre, ganz nach berühmten Mustern sahen sie nur von ferne zu, von irgendeiner Erhöhung herab und leiteten die Bewegungen der kämpfenden Heere durch Befehle, welche Adjutanten überbringen mußten. Nach langem, heißem Kampfe trug Toms Schar den Sieg davon. Nun wurden die Toten gezählt, Gefangene ausgetauscht, die Bedingungen zum nächsten Streit vereinbart und der Tag für die daraus notwendig sich ergebende Schlacht festgesetzt, die Armeen lösten sich auf und Tom marschierte allein heimwärts.