Mathe für Mamas und Papas - Benjamin Prüfer - E-Book

Mathe für Mamas und Papas E-Book

Benjamin Prüfer

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Beschreibung

Wie rechnet man 149 : 11 in Sekundenschnelle im Kopf? Warum ist es so kompliziert, die Uhr zu lernen? Und wie war das noch gleich mit dem Dreieck in der Schnittmenge? Wenn die Kinder in die Schule kommen und bei den Mathehausaufgaben Hilfe benötigen, ist oft guter Rat teuer. In diesem Buch finden Eltern, die selbst keine Rechenkünstler sind, leicht nachvollziehbare Erklärungen, abwechslungsreiche Übungen und lustige Knobelaufgaben rund um den gesamten Lehrstoff in deutschen Grundschulen. So klappt es nicht nur mit der nächsten Schularbeit, sondern Eltern und Kinder sehen, dass Mathe sogar Spaß machen kann.

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Seitenzahl: 327

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Ruth Prüfer / Benjamin Prüfer

Mathe für Mamas und Papas

So helfen Sie Ihrem Kind beim Lernen

Knaur e-books

Über dieses Buch

Wie rechnet man 149 : 11 in Sekundenschnelle im Kopf? Warum ist es so kompliziert, die Uhr zu lernen? Und wie war das noch gleich mit dem Dreieck in der Schnittmenge? Wenn die Kinder in die Schule kommen und bei den Mathehausaufgaben Hilfe benötigen, ist oft guter Rat teuer.

Inhaltsübersicht

WidmungMottoWarum ein ehemaliger Schulschwänzer ein Mathebuch schreibt1. KapitelOnkel Klaus ist doch nicht verrücktTippsRätseln Sie!Zum Aufwärmen: Drei schnelle RätselTipp: RätselbücherEin Hoch auf Fehler!TippsMathe spielenTipps2. KapitelZählen lernenWie unser Zahlensystem entstanden istDie Geschichte der NullWie würde Homer Simpson zählen?Wie Kinder zählen lernenDie letzte Zahl zeigt die Menge anMengen erfassenDie Finger als Zähl- und RechenhilfeDas ZehnerfeldDie Namen der Zahlen verstehenProbleme mit der SpracheDie Zahlensymbole3. KapitelWer entscheidet, was unsere Kinder lernen?Was hat sich seit der Schulzeit der Eltern verändert?Kopfrechnen mit GedankenstützeDaten und WahrscheinlichkeitMuster und StrukturenAbziehverfahren versus ErgänzungsverfahrenEin typischer Grundschul-MathelehrplanErste KlasseZweite KlasseDritte KlasseVierte KlasseUnterschiede in den Lehrplänen der Bundesländer4. KapitelDer Grundschatz an mathematischem Wissen5. KapitelDas mathematische Wissen der SchulanfängerDas Zählen vertiefen – im RückwärtsgangWeiterzählenRückwärts weiterzählenZiffern schreibenAddition und SubtraktionVier Rechentaktiken von KindernVerliebte ZahlenDie Zahl NullAbzählen – eine gefährliche SackgasseWas ist Minusrechnen eigentlich?Der ZahlenstrahlDie große Hürde: über den Zehner6. KapitelZahlen bis 100 in den Griff bekommenDas kniffelige StellenwertsystemStellenwerttafel und Legosteine – eine perfekte KombinationAddition und SubtraktionStellenweises AddierenAddieren Schritt für SchrittAufgaben vereinfachenHalbschriftliches Addieren: Stift und Papier als ErinnerungshilfeMinusrechnen mit ErinnerungshilfeErgänzenMinusaufgaben einfacher machenÜbersicht der KopfrechenverfahrenDie Multiplikation im KopfMultiplizieren oder Addieren?Malnehmen als »mehrmals nacheinander«Malnehmen als »mehrmals nebeneinander«Wie Kinder Malaufgaben lösenDie SchokoladentafelmethodeWarum 3 x 7 das Gleiche wie 7 x 3 istDie Sprache des MalnehmensDas EinmaleinsDie Einmaleins-TafelDie MultiplikationsreihenDie Division im KopfWie man fair teiltFür Kinder ist Teilen nicht gleich TeilenVerteilen oder Bündeln?Schritt für Schritt – wie Kinder Dividieren lernenVerteilaufgaben durch faires Teilen lösenTeilen lernen mit der SchokoladentafelmethodeDie Sprache des DividierensTeilen ist umgedrehtes MalnehmenWarum durch Dividieren nichts kleiner wirdWarum darf man durch die Null nicht teilen?7. KapitelZahlen bis 1000 – wie viele Kerne hat ein Granatapfel?Schriftliche AdditionSchriftliches Addieren: eine kurze Wiederholung für ElternVom halbschriftlichen zum schriftlichen PlusrechnenSchwierige Fälle beim schriftlichen PlusrechnenSchriftliche SubtraktionErgänzungsverfahren: eine Wiederholung für ElternAbziehverfahren: eine Wiederholung für ElternKindern das schriftliche Minusrechnen erklärenDas Abziehverfahren erklären»Eines gemerkt« – vom Abziehverfahren zum ErgänzungsverfahrenTesten und RundenHalbschriftliches Multiplizieren und DividierenDie Schokoladentafelmethode: AuseinanderbrechenDas MalkreuzSchrittweises MalnehmenHalbschriftliches DividierenDividieren mit einer HilfsaufgabeGleichsinniges Verändern8. KapitelZahlen bis eine Million in den Griff bekommenDie schriftliche MultiplikationIn der dritten Klasse [...]Vom stellenweisen zum schriftlichen MalnehmenÜberträge – wohin mit den kleinen Zahlen?Die Finger als GedankenstützeEndnullen und die verschobene SchreibweiseNur scheinbar ungefährlich: Rechnen mit NullenDie schriftliche DivisionMüssen Kinder noch schriftliches Dividieren lernen?Dividieren mit dem Treppchenverfahren – wie ging das noch mal?Kindern das Treppchenverfahren erklärenFehltritte früh erkennenSchwierige FälleDer TaschenrechnerEine Lernhilfe bei SachaufgabenErforschen von RegelmäßigkeitenTaschenrechner richtig bedienenKönnen sich Taschenrechner wirklich nicht irren?9. KapitelMaßeinheitenAb wann ist man groß?Mit Händen und Füßen messenDas Legostein-MaßbandWas beim Messen übrig bleibtEine Vorstellung von Größen entwickelnDie KommaschreibweiseWie man Längen umrechnetUhrzeitenEin Gefühl für Tagesabläufe entwickelnExkurs: Warum eine Stunde 60 Minuten hatTagesabläufe auf dem Zahlenstrahl festhaltenTagesabläufe auf die Uhr übertragenEine Digitaluhr bastelnDer MinutenzeigerUnmögliche UhrzeitenZeitspannen berechnenSachaufgabenStolpersteine10. KapitelDie Lehre von Linien und KörpernFarbklecks-SchmetterlingeFormen bastelnDas Geheimnis eines DIN-A4-BlattsFormen erkundenKantenmodelle herstellenSeltsame MusterFaszinierende SpiegelDer Spiegel als SpielzeugDas SpiegelbuchSymmetrien am eigenen Körper entdeckenSymmetrien an geometrischen Figuren entdecken11. KapitelDer verhexte ZufallStimmt’s oder nicht?Daten und DiagrammeÜber Wahrscheinlichkeiten sprechenDer Zufall ist nicht unberechenbarDaten erfassenFällt die Sechs beim Würfeln wirklich seltener?Fifty-fifty oder 1:2?Und was ist mit Reißzwecken und Marmeladenbroten?KombinatorikLegotürme bauenBis zur Unendlichkeit – und darüber hinausAuflösungenWeiterführende LiteraturLiebe Leser, [...]
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Für Rothana

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»Mach dir keine Sorgen wegen deiner Schwierigkeiten mit der Mathematik. Ich kann dir versichern, dass meine noch größer sind.«

Albert Einsteins Antwort auf den Brief einer Schülerin

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Warum ein ehemaliger Schulschwänzer ein Mathebuch schreibt

Ich fürchte, ich muss erklären, wie ich dazu komme, als Mit-Autor ein Mathelehrbuch zu verfassen. Es gibt auf den ersten Blick nur wenig, was mich dafür qualifiziert. Offen gesagt: gar nichts. Sollte einer meiner früheren Lehrer dieses Buch in der Hand halten, wird er wahrscheinlich den Kopf schütteln oder einen Lachanfall bekommen.

Manche Menschen vertragen kein Gluten, andere reagieren schlecht auf Laktose, und wieder andere bekommen Atemnot, wenn sie versehentlich auf eine Nuss beißen. Ich dagegen reagiere allergisch auf Matheschulbücher. Schon wenn ich ihr wachsiges Papier in den Händen halte, spüre ich leichte Übelkeit. Sehe ich dann noch die Illustrationen, die immer glückliche Kinder zeigen, die Anna oder Bernd heißen, dann juckt es mich am ganzen Körper. (Und das ist der Grund, warum wir versuchen, dieses Buch so aussehen zu lassen, als sei es kein Mathebuch.) Nachdem ich die Schule mit einem Abiturzeugnis verlassen hatte, das höchstens durch die Zahl der unentschuldigten Fehlstunden beeindrucken konnte, schwor ich mir, nie wieder, unter gar keinen Umständen, jemals ein Mathebuch anzufassen – höchstens, wenn man mir eine Waffe an den Schädel hielte.

Wenn Sie also ein Buch verlangen, das von jemandem geschrieben wurde, der eine besondere Begabung für Mathe hat, dann sollten Sie dieses Werk wieder ins Regal stellen und sich vielleicht an einige meiner früheren Klassenkameraden wenden – und zwar jene, die im Gymnasium karierte Hemden trugen, Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr waren und denen Mathe derart viel Spaß machte, dass sie sich nach der Schule mit dem Lehrer trafen und Formeln in Programmiersprachen, die PASCAL oder BASIC hießen, in Uralt-PCs tippten. Leider habe ich hartnäckig alle Einladungen zu Klassentreffen ignoriert, sonst könnte ich Ihnen deren Telefonnummern geben.

Doch auch wenn ich nie ein Mathe-Crack war, habe ich einen guten Grund, dieses Buch zu schreiben. Und den will ich erklären.

Eine ironische Wendung des Schicksals zwang mich dazu, unzählige Mathebücher nicht nur anzufassen, sondern sogar zu lesen. Es war allerdings nicht der Lauf einer Waffe, der mich dazu brachte. Sondern Rothana. Ich lebe derzeit mit meiner Familie in Phnom Penh in Kambodscha. Meine Frau und ich adoptierten Rothana, als sie sechs Jahre alt war.

Sie wuchs in den ersten Jahren ihres Lebens in einem Slum auf und hatte wenig Bildung mitbekommen. Die ersten beiden Jahre bei uns hatte sie genug damit zu tun, Englisch und Deutsch zu lernen – Mathe konnte warten.

Schon Monate vor der geplanten Einschulung begann ich mir Sorgen zu machen. Würde sie die Aufnahmeprüfung schaffen? Und was würde passieren, wenn sie feststellte, dass die anderen Schüler ihr auf allen Gebieten weit überlegen waren? Würde sie sich bloßgestellt fühlen? Würde sie sich vielleicht einreden, dass sie eben »kein Talent« habe, ja, sogar »dumm« sei? Ich hatte Angst, dass für Rothana ein Teufelskreis aus Frustration, Bloßstellung und Verweigerung beginnen würde.

Ich beschloss, jeden Tag mit ihr zu lernen. Zum Glück habe ich eine Expertin an der Hand, die mich unterstützt. Meine Mutter Ruth ist seit 35 Jahren Grundschullehrerin und hat Hunderten Kindern Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht – und scheiterte nur an ihrem eigenen Sohn. Also bat ich sie um ein paar Mathebücher. Was konnte schon so schwer daran sein, einem Kind Addieren, Subtrahieren und die Uhrzeit zu erklären?

Ein paar Wochen später fand ich mich auf den Fliesen unserer Wohnung wieder, umgeben von den Trümmern eines roten Plastikschemels, den ich mir auf dem Schädel zerschlagen hatte – aus Verzweiflung darüber, dass ich nicht in der Lage war, Rothana zu erklären, wie man die Uhr liest. (Ich muss dazusagen, dass es einer dieser billigen aus chinesischer Produktion war und sowieso schon einen Knacks hatte – leider kann ich kein Kung-Fu.) Rothana saß am Tisch vor einem Stapel Arbeitsblätter und sah mich ratlos an.

Ich blickte auf unsere Küchenuhr und versuchte, sie so zu betrachten, wie ein Kind sie sehen würde, das noch nicht mit den Uhrzeiten vertraut ist. Wie hatte ich als kleiner Junge eine solche Uhr betrachtet? Offensichtlich musste mir irgendwann einmal jemand beigebracht haben, die Uhrzeiten zu lesen. (Meine früheren Lehrer werden an dieser Stelle vielleicht einwenden, dass ich offensichtlich nie gelernt hatte, die Uhr zu lesen – ich kam nämlich regelmäßig zu spät zum Unterricht.) Aber ich konnte mich nicht erinnern, wer es war und wie er es gemacht hatte. Man hätte von mir genauso gut fordern können, meiner Tochter das Atmen oder das Laufen zu erklären.

Wie ich die Küchenuhr betrachtete, erschien sie mir immer absurder. Mal ehrlich – die Uhrzeiten sind schwer zu verstehen. Warum ist es drei Stunden nach 23 Uhr zwei Uhr – und nicht 26 Uhr? Und wer um Gottes willen kam auf die Idee, einem Tag 24 Stunden zu geben? (Die Antwort finden Sie im Kapitel »Exkurs: Warum eine Stunde 60 Minuten hat«.)

Auch die Mathebücher halfen mir nicht. Es gab genug Bücher, die mir Mathe erläutern wollen – aber keines, das mir erklärte, wie ich es meiner Tochter erklären konnte. Daher fragte ich meine Mutter Ruth um Hilfe, und in unzähligen Gesprächen erläuterte sie mir, wie man erklärt und übt. Ohne es zu wissen, hatten wir beide begonnen, Mathe für Mamas und Papas zu schreiben. Ruth lieferte das pädagogische Fachwissen und die Erfahrung, die sie in 35 Jahren Arbeit mit Kindern gesammelt hatte. Ich habe versucht, ihr Wissen in einer verständlichen und für Eltern leicht umsetzbaren Art aufzuschreiben. Und so ist dieses Buch entstanden, das Eltern helfen soll, ihren Kindern das Grundschulwissen in Mathematik zu erklären.

Ich wurde allmählich ein besserer Lehrer. Rothana schaffte die Prüfung. An ihrem ersten Schultag gingen sie und ich durch die Gebäude der neuen Schule, und sie hielt meine Hand ganz fest.

»Hast du Angst?«, fragte ich sie.

»Ja«, gestand sie.

Doch schon als ich sie mittags abholte, sah die Sache ganz anders aus. Sie kam mir entgegengerannt und rief: »Ich liiiiebe meine Schule!« Sie konnte dem Unterricht folgen, auch in Mathe. Wenn ich sie heute in die Schule bringe, hüpft sie vor mir her wie ein singender Gummiball.

 

Ich bin kein großer Mathematiker. Aber wenn mich etwas dafür qualifiziert, dieses Buch zu schreiben, dann die Tatsache, dass ich beim Lernen mit Rothana genauso viel gelernt habe wie sie. Jeden Fehler, den man beim Mathelernen mit Kindern machen kann, habe ich mindestens einmal (und meist sehr viele Male) gemacht. Doch Fehler machen ist nicht schlimm, solange man aus ihnen lernt. Im Rückblick bin ich immer noch überrascht, dass ich es trotz meines oft mangelnden Verständnisses für die Schwierigkeiten, die Kinder beim Lernen haben, und meiner Ungeduld nie geschafft habe, Rothana endgültig den Spaß am Lernen zu verderben. Vielleicht ist das eine beruhigende Nachricht für viele Eltern: Kinder sind wissbegierig und brennen ständig darauf, ihre Eltern mit neu erworbenen Fähigkeiten zu beeindrucken. Sie wollen lernen.

Sogar Mathe.

 

Benjamin Prüfer, Mai 2014

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1. Kapitel

Mathe lernen ohne Angst

Onkel Klaus ist doch nicht verrückt

Wenn uns als Kinder die Ohren schmerzten, rief mein Vater oft unseren Onkel Klaus an, der Kinderarzt ist, um ihn zu fragen, was zu tun sei. Hatte er dann aufgelegt, erzählte er uns gerne, dass unser Onkel jetzt nach Feierabend in seinem Sessel sitze, an einer geschälten Möhre knabbere und zur Entspannung ein paar algebraische Gleichungen löse. (Aus irgendeinem Grund hatte er in meiner Vorstellung dabei immer Hasenzähne.) Dann hauten wir Kinder uns lachend auf die Schenkel und vergaßen für einen Moment unsere Schmerzen: Algebra zum Vergnügen – konnte ein Mensch noch verschrobener sein als Onkel Klaus? Zum Glück waren wir – zum Kummer meiner Mutter – alle anständige Matheversager!

Menschen, die gut in Mathematik sind, werden von ihrem Umfeld oft mit einer Mischung aus Ablehnung und Bewunderung beäugt. Wir haben ein seltsames Verhältnis zu dieser Wissenschaft. Bei jeder anderen Disziplin gilt ein Mangel an Wissen als Makel – niemand gibt gerne zu, dass er nicht weiß, wo Buenos Aires liegt oder wer Rainer Maria Rilke war. Nur bei Mathe machen wir eine Ausnahme. Manche Menschen prahlen regelrecht damit, was sie alles nicht darüber wissen. »Der Satz des Pythagoras? Keine Ahnung – habe ich verdrängt!«, sagen sie dann. Oder: »Habe ich alles schon wieder vergessen – bis auf die Grundrechenarten!«

Unseren Kindern gönnen wir diesen Mut zur Wissenslücke allerdings nicht – die sollen gute Noten nach Hause bringen. Doch wie sollen sie ein Interesse an Mathematik entwickeln, wenn ihnen die Erwachsenen täglich vorleben, dass die Wissenschaft abzulehnen und dass es nicht nur normal, sondern sogar erstrebenswert sei, darin zu versagen?

Es ist seltsam: Viele – wenn nicht die meisten – Eltern begleiten ihre Kinder beim Erlernen des Rechnens auf eine ganze andere Art, als sie es zum Beispiel beim Lernen des Lesens tun. Wir alle wissen, dass Kinder die Gewohnheiten ihrer Eltern übernehmen: Wenn sie in einer Umgebung ohne Bücher aufwachsen, nie vorgelesen bekommen und ihre Mutter und ihren Vater nie dabei beobachten können, wie diese selbst mit Genuss Bücher lesen, dann werden sie später selbst kein Interesse am Lesen entwickeln. Eltern verstehen, dass sie eine Verantwortung dafür tragen, ihre Kinder mit Büchern bekannt zu machen, und dass sie diese nicht auf die Schule abwälzen können. Daher lesen wir ihnen vor dem Schlafengehen vor – ein Ritual, das die Kleinen wie die Großen genießen.

Mathe dagegen wird auf eine ganz andere Art gelernt: Kindern wird sie angeboten wie eine bittere Medizin: Sie bekommen zu hören, dass sie »eben sein muss«. Oft werden sie durch Druck zum Lernen angetrieben – meist erst kurz vor Klassenarbeiten. Manchmal auch durch Bestechung (»Wenn du eine Zwei schreibst, bekommst du die Spielkonsole«) oder falsche Versprechungen (»Wirklich, es ist ganz leicht«). Durch all dies zeigen Eltern ihren Kindern unabsichtlich, wie sehr sie selbst Mathe verabscheuen.

Doch warum soll es unmöglich sein, mit Kindern in der gleichen, natürlichen und entspannten Art Mathe zu lernen, in der wir ihnen das Lesen beibringen? Und wie sollen Kinder ein Interesse an Mathematik entwickeln, wenn sie nie Erwachsene zu sehen bekommen, die sich freiwillig und mit Freude an diese heranwagen?

Dieses Buch handelt davon, wie Sie Kindern Mathe ohne Angst beibringen, als Teil Ihres Familienalltags, mit der gleichen Natürlichkeit, mit der Sie mit ihnen lesen. Wir werden Ihnen erklären, welche Probleme Kinder typischerweise mit dem Stoff der Grundschule haben und wie Sie ihn Ihren Kindern anschaulich vermitteln können. Die beiden wichtigsten Mittel, die wir dabei benutzen, sind Spiele und Rätsel. Doch eines muss Ihnen klar sein – ohne Sie geht es nicht. Falls Sie – wie ich – ein Mathe-Trauma haben, fragen Sie sich, wodurch dieses verursacht wurde. Hatte es wirklich mit der Mathematik an sich zu tun oder nicht viel mehr mit den Erfahrungen Ihrer Schulzeit?

Mir half eine simple Erkenntnis bei der Bewältigung meiner eigenen Mathe-Angst: Auch gestandene Mathematiker haben ihre Probleme mit ihr. Sogar viel mehr als wir Durchschnittsrechner – sie verzweifeln täglich an ihr. Doch wir bekommen nur das Produkt ihrer Arbeit zu sehen, die galanten, unverständlichen Formeln – und nie die vielen Versuche und Irrtümer, die den Weg zu diesem Ergebnis pflasterten. Eines werden wir Ihnen oder Ihrem Kind daher nie versprechen: dass Mathe »ganz leicht« sei, wenn man nur einen besonderen Trick anwende. Sie ist schwer, und es ist normal, damit Probleme zu haben. Doch gerade deswegen macht es Spaß – es ist die Freude am puren Denken.

Seien Sie Ihrem Kind daher ein Vorbild und beschäftigen Sie sich im Alltag Ihrer Familie mit der gleichen Selbstverständlichkeit mit Mathematik, mit der Sie vorlesen. Reden Sie mit Ihrem Kind – zum Beispiel über die Preise im Supermarkt, den Benzinverbrauch Ihres Autos. Wenn Ihr Kind Sie beim Lösen eines Sudokus betrachtet, wie Sie daran verzweifeln, aber nicht aufgeben, ein System entwickeln und am Ende doch noch die Lösung finden – dann hat es in diesen Minuten mehr über Mathematik gelernt als in einer Woche Unterricht. Mathe kann Spaß machen. Das beweisen das anhaltende Sudoku-Fieber, der Erfolg von Bestsellern wie Hans Magnus Enzensbergers Der Zahlenteufel oder Simon Singhs Fermats letzter Satz – und mein Onkel Klaus.

Nehmen Sie den Titel dieses Buchs daher wörtlich – es heißt Mathe für Mamas und Papas, nicht: Mathe für Kinder. Es ist für Sie geschrieben. Wir wollen, dass Sie zusammen mit Ihren Kindern die Mathematik neu entdecken. Ich für meinen Teil habe festgestellt, dass Mathe nicht nur Spaß, sondern regelrecht süchtig macht. Manchmal, wenn die Kinder schlafen, programmiere ich heimlich irgendwas mit Primzahlen in BASIC. Wenigstens knabbere ich keine Möhren dabei.

Tipps

Ermuntern Sie Ihr Kind nicht dazu, Mathematik abzulehnen Wir vermitteln Kindern oft unbeabsichtigt ein sehr negatives Bild dieser Wissenschaft. Wenn Sie Ihrem Kind sagen, dass Sie selbst Mathe nie begriffen haben oder dass sie zwar schwierig und langweilig sei, »aber sein muss«, wird es diese negative Einstellung von Ihnen übernehmen. Falls Sie sich nur mit Widerwillen mit den Mathehausaufgaben Ihres Kindes beschäftigen, wird Ihr Kind ebenfalls keine Freude am Rechnen entwickeln. Doch auch wenn Sie jedes Mal vor dem Lernen versprechen, dass es »ganz leicht« sei, wecken Sie beim Kind das gleiche argwöhnische Gefühl, wie wenn Sie es beim Arzt beruhigen, bevor es eine Spritze bekommt: »Es tut nur ein ganz kleines bisschen weh!«

Rätseln Sie!

Eine junge Irin verblüffte 1999 die Welt. Sarah Flannery entwickelte mit 16 Jahren den Cayley-Purser-Algorithmus, ein Kryptographie-Verfahren, das damals das Potenzial zu haben schien, das neue Standardverschlüsselungsverfahren der Welt zu werden. Sie gewann damit zwei bedeutende Wissenschaftswettbewerbe und wurde eine Art irische Nationalheldin – in ihrer Heimatstadt Cork ist bis heute eine künstlerisch gestaltete Straßenlaterne nach ihr benannt. Woher rührte ihr mathematisches Können? In ihrem Buch In Code erinnert sie sich an ihre Kindheit auf einem Bauernhof mit ihren vier Brüdern. Ich mag dieses Werk, weil die Art, mit der ihr Vater Mathe mit ihr lernte, so natürlich und unverkrampft war und so gar nichts mit der Klischeevorstellung des Mathepaukens zu tun hat:

»Wir bekamen keinen Extraunterricht und mussten keine anstrengenden Übungsstunden mit überehrgeizigen Eltern ertragen. Doch ohne es zu ahnen, erfuhren wir schon Hilfe, als wir noch sehr jung waren – außergewöhnliche Hilfe auf eine subtile und verspielte Art, die uns Selbstbewusstsein beim Lösen von mathematischen Problemen gab. Seit ich denken kann, stellte uns mein Vater kleine Rätsel und Probleme. Wie oft hörte ich – und höre es heute noch – ›Papa, gib uns ein Rätsel!‹ Diese Rätsel waren herausfordernd und regten die Neugierde an. Noch grundlegender lehrten sie uns abzuwägen und für uns selbst zu denken. Auf diese Art nutzten Rätsel mir mehr als jahrelanges Lernen von Formeln und ›Beweisen‹.«

Kein Mensch mag Matheaufgaben. Das Wort löst sofort Versagensängste aus, denn es suggeriert: »Wer dies nicht lösen kann, ist doof.« Doch alle mögen Rätsel wie »Bewegen Sie zwei Streichhölzer, so dass aus diesen fünf Streichholz-Quadraten vier werden!« Zum einen scheinen sie auf den ersten Blick nichts mit Mathematik zu tun zu haben und sind daher frei von dem emotionalen Ballast, den das Wort mit sich bringt. Zum anderen ist es kein Beinbruch, wenn man nicht sofort auf die Lösung kommt – wenn es einfach zu lösen wäre, dann wäre es ja kein Rätsel! Kommt man allerdings doch darauf, dann stellt sich ein großes Glücksgefühl ein: »Ich habe es geschafft!« Und man will sofort das nächste haben.

Kleine Rätsel sind ein prima Weg, um Mathematik in den Alltag seiner Familie einzuflechten. Man kann auf Autofahrten, beim Abwaschen oder auf Spaziergängen über sie sprechen. Oder man kann beim Abendessen den Satz fallenlassen: »Ich habe ein Rätsel, das mir schon den ganzen Tag im Kopf herumgeht, und ich komme nicht auf die Lösung.« Bei jedem im Raum werden Zahnräder im Kopf anspringen.

Zugegeben: Rätsel helfen einem Kind nicht dabei, das Einmaleins auswendig zu lernen oder schriftliche Divisionen zu üben. Aber sie helfen dabei, Kindern Spaß an Mathematik zu vermitteln und dabei einige wichtige Fähigkeiten zu trainieren. Vor allem Hartnäckigkeit – ohne die geht es in Mathe nicht –, das Analysieren und Verstehen von Problemstellungen und systematisches Vorgehen bei der Lösung.

Viele Rätsel sind für Grundschulkinder vielleicht zu schwer zu lösen. Doch sie müssen sie noch nicht einmal selbst lösen können, um von ihnen zu profitieren. Sie lernen viel dabei, wenn sie einfach ihren Eltern zuhören, während die sich an Rätseln versuchen, und hin und wieder ihren eigenen Beitrag geben können. Und beim nächsten Mal kommen sie vielleicht selbst auf die Lösung.

Ein Tipp: Wenn Sie sich mit Ihrer Familie an Rätseln versuchen – lesen Sie vorher die Lösungen nicht! Sobald einer in der Gruppe die Antwort weiß, sie den anderen vorenthält und die Rolle des Besserwissers einnimmt, geht die verbindende Erfahrung der Ratlosigkeit und der Spaß am Grübeln flöten – und aus dem Rätsel wird eine schnöde Matheaufgabe.

Zum Aufwärmen: Drei schnelle Rätsel[1]

Bomben entschärfen Haben Sie den Film Stirb langsam – jetzt erst recht gesehen? In ihm hat ein jahrhundertealter Klassiker aller Rätselsammlungen einen prominenten Auftritt. Ein Bösewicht schickt Bruce Willis und Samuel L. Jackson auf eine Schnitzeljagd durch New York City – sie müssen Rätsel lösen, ansonsten explodieren Bomben in der Stadt. Neben einem Springbrunnen finden sie eine Kofferbombe, die an eine Waage angeschlossen ist. Ein Krug mit fünf Gallonen und einen weiteren Krug mit drei Gallonen. Messen Sie genau vier Gallonen Wasser ab. Können Sie die Bombe entschärfen? Wenn es Ihnen leichter fällt, können Sie Gallonen durch Liter ersetzen.

 

Eine schwierige Überfahrt Der Gelehrte Alkuin lebte im 8. Jahrhundert und war Berater am Hof Karls des Großen in Aachen. Es wird überliefert, dass er seinem Herrscher das folgende Rätsel stellte: Ein Bauer will seine Waren zum Markt bringen: einen Wolf, eine Ziege und einen Kohlkopf. Er gelangt an einen Fluss, den er mit einem Boot überqueren muss. Leider ist das Boot so klein, dass es nur den Bauern und entweder den Wolf, die Ziege oder den Kohl fassen kann. Nun kann der Bauer nicht den Wolf mit der Ziege alleine lassen – der würde sie fressen. Auch kann er nicht die Ziege mit dem Kohl alleine lassen. Wie kommt er mit seinen drei Besitztümern an das andere Ufer?

 

Raus aus der Kiste Falls Sie mal auf ein Managerseminar geschickt wurden, auf dem man Ihnen riet, Sie sollten »out of the box« denken, dann kennen Sie schon die Lösung für dieses Rätsel: Verbinden Sie alle sechs Punkte mit nur vier geraden Strichen ohne den Stift abzusetzen.

Tipp: Rätselbücher

Es gibt unzählige mathematische Rätselsammlungen als Bücher zu kaufen. Die bekanntesten wurden von den Autoren Martin Gardner und – im neunzehnten Jahrhundert – von Sam Loyd verfasst. Sie haben zu viele Werke geschrieben, um diese hier aufzulisten. Wenn Sie die Autorennamen in eine Suchmaschine eingeben, werden Sie auch viele deutsche Übersetzungen finden.

Ein Hoch auf Fehler!

Einer der Gründe, warum Mathe so verhasst ist, wurde mir bei einem Abendessen unserer Familie vor Augen geführt: Es liegt daran, dass es das einzige Fach ist, bei dem die Aufmerksamkeit ständig auf das gerichtet wird, was wir nicht können – und wenig auf das, was wir richtig machen.

Ein Beispiel. Rothana hat zwei jüngere Brüder: Max ist zwei Jahre alt und Lukas vier. Eines Abends streckte Max seine Hand mit der leeren Tasse aus und sagte: »Bliplep!« Er wollte noch etwas Tee. Alle am Tisch waren entzückt darüber, dass er erkannt hatte, in welchem Kontext man das Wort »bitte« benutzt, und störten sich nicht daran, dass er es noch nicht richtig aussprechen konnte. Max war begeistert von unserer Reaktion, und in den folgenden zehn Minuten streckte er immer wieder die Hand mit der Tasse aus und sagte: »Bliplep!« Er wollte gar nicht mehr damit aufhören.

Lukas zählte unterdessen die Fleischwurststücke auf seinem Teller: »Eins, zwei, sechs, acht!« Ich korrigierte ihn sofort. »Nein, das ist falsch! Das heißt doch eins, zwei, drei, vier!« Er wurde bockig. »Nein, falsch rum!«, sagte er. »Das heißt doch vieeeel«, und reckte mir seine Hand mit allen fünf ausgestreckten Fingern entgegen – »viel« war für ihn damals eine Zahl, die alle Mengen größer als drei bezeichnete. Jetzt mischte sich seine Schwester Rothana ein. »Nein, das heißt nicht viel, sondern vier«, sagte sie und bog ihm einen seiner fünf Finger wieder zurück, so dass nur noch vier ausgestreckt waren. Das war zu viel für Lukas. Er mümmelte beleidigt an seinem Wurstbrot und redete von nun an nicht mehr über Zahlen.

Beim Abwaschen kam ich ins Grübeln: Keiner am Tisch wäre auf die Idee gekommen, Max dafür zu kritisieren, dass er nicht korrekt »bitte« gesagt hatte. Niemand befürchtete, dass er sein Leben lang »bliplep« brabbeln könnte, wenn man ihn nicht sofort auf seinen Fehler hinweisen würde. Stattdessen haben alle sich einfach über das gefreut, was er schon konnte.

Dass Kinder nicht sofort vom ersten Tag an jedes Wort richtig aussprechen können, erscheint das Selbstverständlichste der Welt. Schon der Gedanke, das Wort »Fehler« im Zusammenhang mit einem Kind zu verwenden, das sprechen lernt, scheint absurd und pedantisch. Doch ganz anders hatten alle am Tisch reagiert, als Lukas sich zum ersten Mal an Mathematik versuchte. Dabei hatte er so viel richtig gemacht: Er hat erkannt, dass eins, zwei, sechs und acht keine Adjektive, sondern Zahlen sind. Der Junge wusste sogar, dass sechs und acht größer sind als eins und zwei. Er hat sich selbst eine gewisse mathematische Kompetenz angeeignet, ohne einen einzigen Blick in ein Lehrbuch geworfen zu haben. Allerdings wurde er nicht für das gelobt, was er konnte. Stattdessen wurde er für das kritisiert, was er nicht konnte.

Das ist das Sonderbare an unserem Verständnis von Mathematik: Bei allen anderen Disziplinen akzeptieren wir die Tatsache, dass Fehler notwendiger und natürlicher Bestandteil jedes kreativen Prozesses sind – nur nicht bei der Mathematik. Sie gilt als ein Fach, bei dem es vor allem darum geht, keine Fehler zu machen. Fehler gelten als eine peinliche Angelegenheit – die Folge von Unwissen, Unkonzentriertheit, Schlampigkeit oder schlicht Dummheit. Zu selten interessieren sich Lehrer oder Eltern für die Frage, warum ein Kind einen Rechenfehler gemacht hat. Sie sehen es als nicht notwendig an, das Richtige im Fehler zu suchen und darauf einzugehen. Schließlich genügt es zu wiederholen, wie man es richtig macht.

Doch in den meisten Fällen steht hinter einem Fehler eine durchaus sinnvolle und begründete Überlegung. Kinder wie Erwachsene machen Fehler meistens, wenn sie einen vertrauten und eingeübten Lösungsweg auf eine neue, unbekannte Situation anzuwenden versuchen – dann müssen sie feststellen, dass das Gewohnte nicht mehr funktioniert. Es sind die Fehler, die uns erst auf das Neue hinweisen. Sie sind daher nicht peinlich, sondern Wegweiser zur Lösung. Wir sollten sie nicht tabuisieren, sondern genau untersuchen.

Ein Beispiel: Rothana übte das Zählen. Sie sagte: »achtundneunzig, neunundneunzig, hundert, einhundert, zweihundert, dreihundert …« Mein erster Impuls war zu sagen: »Nein, nein, nein, du machst das falsch! Das heißt hunderteins, hundertzwei, hundertdrei!« Aber dann besann ich mich eines Besseren und fragte sie: »Kannst du das aufschreiben?«

Sie nahm Stift und Papier und schrieb korrekt die Zahlen von achtundneunzig bis hundertzwei auf: »98, 99, 100, 101, 102.« Sie wusste also sehr wohl die korrekte Abfolge der Zahlen, allerdings nicht, wie man sie aussprach. Also fragte ich sie weiter.

»Warum sagst du einhundert und nicht hunderteins?«

»Nein«, antwortete sie. »Man sagt zuerst das Kleine und dann das Große!«

Na klar: Man sagt schließlich achtundneunzig: das Kleine (acht) zuerst und dann das Große (neunzig). Woher sollte sie wissen, dass man diese Abfolge bei Zahlen über hundert auf einmal umdreht?

»Aber müsste es dann nicht eins-und-hundert heißen?«, fragte ich sie weiter.

»Man sagt das eben so!«, war ihre Antwort. Sie hatte also gehört, wie Erwachsene »einhundert« und »zweihundert« sagen, und hat dieses Wissen in ihre Art zu zählen eingebaut. Das war eine kreative Leistung, für die sie durchaus Lob verdient.

»Du hast fast alles richtig gemacht!«, sagte ich. »Allerdings sagt man bei Zahlen, die größer als hundert sind, hunderteins, hundertzwei – und so weiter.«

Sie blickte mich kurz an und fragte mich dann: »Warum?«

Ja, warum?

»Keine Ahnung!«, erwiderte ich.

Tipps

Schelten Sie Ihr Kind nicht für Fehler Sie gehören zu jedem Lernprozess dazu und sind notwendig, um zu lernen. Reden Sie mit ihm freundlich und sachlich über sie.

 

Suchen Sie das Richtige im Falschen Fehler sind in den meisten Fällen nicht Schlamperei, sondern gehen auf eine gut begründete Überlegung des Kindes zurück – meist, weil es versucht hat, ein bewährtes Verfahren auf eine neue Situation anzuwenden, in der dieses keine Gültigkeit mehr hat. Konzentrieren Sie sich auf das Richtige und nehmen Sie dies zum Ausgangspunkt.

 

Machen Sie selbst Fehler! Ein Problem des Schulunterrichts ist, dass Kinder dort keine Vorbilder zu sehen bekommen, die ihnen zeigen, wie man mit den eigenen Fehlern selbstbewusst umgeht. Lehrer dürfen sich nicht verrechnen, da sie sonst ihre Autorität verlieren würden. Sie sind da im Vorteil – Sie können sich so oft verhaspeln, wie Sie wollen, Ihr Kind liebt Sie trotzdem. Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie ständig damit rechnen, Fehler zu machen, dass Sie sich nicht dafür schämen und dass Sie Fehler untersuchen, um aus ihnen zu lernen. Nebenbei: Der Lehrer verrechnet sich nur deshalb nie, weil er ein Lösungsbuch in der Schublade seines Pults hat.

 

Loben Sie Ihr Kind für Hartnäckigkeit Auch gute Mathematiker lösen nicht jedes Problem mit Leichtigkeit – sie sind sogar der Ansicht, dass sich die Zähne an einem Problem auszubeißen genau das ist, was Mathematik so erfüllend macht. Vermitteln Sie nicht den Eindruck, bei Mathe gehe es darum, »schlau« oder »schnell« zu sein, sonst wird Ihr Kind schnell frustriert sein, wenn es mal steckenbleibt. In der Mathematik (und im Leben) führt Hartnäckigkeit zum Ziel.

Mathe spielen

Kein Kind wird auf die Aufforderung »Komm, lass uns Mathematik lernen!« mit leuchtenden Augen antworten – doch ganz anders reagieren sie auf die Einladung »Hey, ich habe mir ein Spiel ausgedacht!«.

Erfolg in Mathematik basiert auf zwei Dingen: einem tiefen Verständnis des Stoffes und regelmäßigem Üben und Wiederholen. Die Zahlenpaare im Raum von eins bis zehn oder das Einmaleins zum Beispiel müssen »sitzen« und daher regelmäßig und über Jahre hin wiederholt werden. Viel dieses Lernstoffs, der automatisiert werden muss, können Sie in Spiele verpacken.

Lernen durch Spielen hat eine Reihe von Vorteilen gegenüber einfachem Abfragen oder dem Ausrechnen von Stapeln von Arbeitsblättern. Es schafft eine gelöste Atmosphäre und ein verbindendes Erlebnis zwischen Ihnen und Ihrem Kind. Nicht nur Ihrem Kind wird es mehr Spaß machen – sondern wahrscheinlich auch Ihnen. Durch Spielen werden Sie und Ihr Kind wahrscheinlich mehr Zeit mit Mathematik verbringen.

In jedem Kapitel haben wir Ihnen unter der Überschrift »Zum Spielen« zum Lernstoff passende Spiele zusammengestellt. Diese sollten Sie allerdings nur als Beispiele verstehen. Sie können diese Spiele sehr leicht abwandeln oder sich einfache Karten- oder Würfelspiele selbst ausdenken. Man sollte seine Spiele allerdings sorgfältig auswählen: Kinder durchschauen es sofort, wenn Erwachsene unmotiviert versuchen, dröges Auswendiglernen in ein Spiel zu verpacken, und reagieren dann manchmal ablehnend, weil sie das Gefühl haben, »wie ein kleines Kind« behandelt zu werden.

Machen Sie sich klar, worin für Kinder die Faszination von Spielen besteht: Sie wachsen in einer Welt auf, in der Erwachsene ihnen körperlich und intellektuell überlegen sind. Die Faszination liegt für sie darin, dass in der Welt des Spiels alle die gleichen Chancen haben und für alle dieselben Regeln gelten. Sie sind für einen Moment ihren Eltern gleichgestellt – ja, sie haben sogar die Möglichkeit, sie zu besiegen! Ein Wettrennen, wer mehr Additionsaufgaben pro Minute lösen kann, wird Kinder daher schnell enttäuschen, da sie entweder ständig verlieren oder feststellen werden, dass ihre Eltern sie mit Absicht gewinnen lassen. Spielen Sie mit Ihren Kindern daher nur Spiele, bei denen diese eine realistische Chance haben zu siegen.

Das ideale Mathelernspiel enthält daher eine Zufallskomponente, die die Unterschiede in der mathematischen Leistung der Spieler ausgleicht – zum Beispiel durch Würfeln oder Mischen von Karten. Zugleich sollte es aber eine taktische Komponente haben, die einen Bezug zum Lernstoff hat – die Spieler sollten die Möglichkeit haben, durch geschicktes Rechnen den Verlauf des Spiels zu beeinflussen.

Beliebt sind bei vielen Pädagogen sogenannte kooperative Spiele, bei denen es nicht darum geht, einen Gegner zu besiegen, sondern darum, gemeinsam ein vorher festgelegtes Ziel zu erreichen. Den Kindern einen kooperativen Geist nahezubringen ist zwar politisch korrekt, langweilt sie aber tödlich. Kooperatives Arbeiten in Gruppen macht Kindern beim Lösen von Rätseln Spaß – doch beim Spielen treten sie lieber gegeneinander an.

Tipps

Zehn Minuten täglich sind besser als einmal drei Stunden Mathelernen muss nicht aus stundenlangen Sitzungen bestehen. Es ist besser, wenn Sie regelmäßig und dafür in kleinen Portionen lernen.

 

Machen Sie aus dem Lernen ein tägliches Ritual Vielleicht kommt Ihnen diese Situation bekannt vor: Man ist früher von der Arbeit nach Hause gekommen und hat Zeit, mit seinem Sohn zu lernen. Doch der ist gerade vertieft in den Bau eines Flugzeugs aus Legosteinen. Aus seinem Spiel wird er unerwartet herausgerissen. Natürlich setzt er sich widerwillig an den Tisch, ist unkonzentriert und maulig. Um solche Situationen zu vermeiden, sollten Sie sicherstellen, dass Ihr Kind weiß, wann Sie lernen. Lernen Sie daher zu vorher festgelegten Zeiten, die eine Bedeutung für das Kind haben. Es sollte zum Beispiel wissen: »Wenn Papa nach Hause kommt, lernen wir kurz Mathe, und dann essen wir zu Abend« oder »Nach dem Mittagsschlaf lerne ich mit Mama, danach kann ich spielen gehen«.

 

Stellen Sie fest, wo genau Ihr Kind Unterstützung braucht Kinder sind nie allgemein »schlecht in Mathe«. Sie haben meist sehr spezifische Probleme mit einzelnen Verfahren. Oft kann nur ein kleines Stück fehlendes Wissen einen ganzen Rattenschwanz an weiteren Schwierigkeiten mit sich bringen, welche dann die Sicht auf die Ursache verstellen. Wenn ein Kind zum Beispiel mit Leichtigkeit die Grundrechenarten meistert, aber viele Schwierigkeiten beim Lösen von Sachaufgaben hat, sagen viele Erwachsene oft, es habe eben »wenig Vorstellungsvermögen«. Vielleicht hat es aber einfach die Umrechnung von Maßeinheiten nicht verstanden – ohne die sind die meisten Textaufgaben unlösbar. Versuchen sie daher präzise herauszufinden, wo genau die Probleme Ihres Kindes liegen. Bei diesem Vorhaben stehen Ihnen zwei Hilfen zur Verfügung: zum einen dieses Buch, zum anderen der Lehrer.

 

Lassen Sie das Kind alleine grübeln Mit Kindern Mathe zu lernen muss nicht heißen, die ganze Zeit neben ihnen zu sitzen. Ihnen muss klar sein, dass Ihre Anwesenheit das Kind beeinflusst. Zum einen kann sie das Kind unter Druck setzen. Kinder neigen dazu, eher aus der Mimik und Körpersprache ihrer Eltern abzulesen, ob sie auf dem richtigen Weg sind, statt sich mit dem mathematischen Problem auf dem Tisch vor ihnen zu beschäftigen. Sie lernen schnell: »Wenn ich etwas stöhne und hilflos gucke, dann verrät Papa mir das Ergebnis oder gibt mir zumindest einen Hinweis.« Kleine Kinder sind meist nicht konzentriert genug, um alleine zu arbeiten. Doch es lohnt sich auszuprobieren, was passiert, wenn Sie weg sind. Erklären Sie kurz, was ansteht, rechnen Sie zusammen eine Beispielaufgabe durch und lassen Sie danach Ihr Kind alleine arbeiten, während Sie hin und wieder vorbeischauen, um Rückmeldung zu geben und zu loben. So lernt es nicht nur, eigenständig zu arbeiten, sondern Sie haben zudem noch Zeit, E-Mails zu schreiben oder die Spülmaschine auszuräumen.

 

Fragen Sie Ihr Kind, wie es auf eine Lösung gekommen ist – immer! Gewöhnen Sie es daran, über seine Gedanken beim Mathe-Aufgaben-Lösen zu sprechen und sich selbst zu erklären. Dabei sollten Sie immer mit ihm über seine Lösungswege sprechen, auch wenn sein Ergebnis richtig ist. Fragen Sie nur nach, wenn ein Fehler aufgetreten ist, wird das Kind das Reden über Lösungswege als unangenehme und belehrende Problemgespräche empfinden. Sagen Sie daher nicht: »Was hast du dir dabei gedacht?« Eine gute Einstiegsfrage könnte sein: »Was hast du als Erstes gemacht?« Nach der Ausführung des Kindes könnte man nachhaken: »Warum?« Gewöhnen Sie es auch daran, dass verschiedene Menschen die gleiche Aufgabe auf unterschiedlichen Wegen lösen.

 

Fangen Sie beim Konkreten, Alltäglichen an Wenn Sie einen neuen Stoff erklären, suchen Sie sich ein konkretes Beispiel, anhand dessen Sie diesen veranschaulichen können. Konkret heißt: etwas aus dem Alltag des Kindes, das es anfassen kann. Fangen Sie beim Suchen in der Küche an, meistens wird man da fündig. Steigern Sie dann langsam das Abstraktionslevel. Zuerst mit Skizzen auf Papier, erst danach als formale Rechnung mit Gleichung.

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2. Kapitel

Vor der Schulzeit

Zählen lernen

Erwachsenen fällt es oft schwer, die Probleme, die Kinder beim Lernen der Zahlen haben, nachzuvollziehen. Wir sehen es als selbstverständlich an, dass die Null die Menge »nichts« darstellt und dass nach der Neun die Zehn kommt, die durch die Ziffern Eins und Null dargestellt wird. So sind die Zahlen eben – könnte es jemals anders gewesen sein? Wenn wir uns vor Augen halten, wie langwierig die Entwicklung hin zu unserem Zahlensystem war, hilft es uns vielleicht zu verstehen, was für eine intellektuelle Leistung ein Vierjähriger vollbringt, wenn er die Gummibärchen in seiner Hand zählt.

Wie unser Zahlensystem entstanden ist

Um zu begreifen, wie genial unsere Zahlen sind, hilft es, sich etwas mit den römischen zu beschäftigen, die bei uns noch bis vor wenigen hundert Jahren in Gebrauch waren. Bei den Römern wurden Zahlen durch sieben verschiedene Buchstaben dargestellt – jeder von ihnen stand unveränderbar für eine bestimmte Menge. Hier eine Übersicht.

I

V

X

L

C

D

M

1

5

10

50

100

500

1000

Komplexere Zahlen wurden durch Addition und Subtraktion dargestellt. XXII zum Beispiel steht für 22 (10 + 10 + 1 + 1 = 22) und MMXIII für 2013 (1000 + 1000 + 10 + 1 + 1 + 1 = 2013). Wenn kleinere Buchstaben auf der linken Seite von größeren standen, wurden sie subtrahiert. IIX zum Beispiel bedeutet acht (10 - 2 = 8). Es fällt auf, dass bei diesem System die Anzahl der Buchstaben nichts über die dargestellte Menge aussagt – es fällt somit schwer, Zahlen zu vergleichen. Einer, Zehner und Hunderter lassen sich nicht einfach in Spalten untereinanderschreiben.