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MAX M. HÄFELE ist vermutlich der schlechteste Detektiv der Welt. Der Zwölfjährige schläft bei Überwachungen ein oder muss in besonders spannenden Momenten aufs Klo. Zu allem Überfluss hört er schlecht. Dazu noch diese blöden Fremdwörter! Seine Karriere als Meisterdetektiv ist eigentlich beendet, bevor sie überhaupt so richtig begonnen hat. Bis er eines Tages eine geheimnisvolle Nachricht erhält. Der reichste Mann der Welt, WILL TADES, ist in der Stadt und bittet ihn um seine Hilfe. Max M. Häfele macht sich auf die Suche nach dem verschwundenen Geld. Aber er muss schnell sein, denn der Millionendieb ist ihm immer einen Schritt voraus. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt!
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Für Philipp, Patrick und Corinna
Thomas Welte wurde 1971 in Ravensburg geboren. Nach seinem Lehramtsstudium widmete er sich dem Schreiben. Heute lebt und arbeitet der Autor am Bodensee.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
„RO-SEN-KOHL!!!“
Die letzte Silbe brülle ich so laut in den Wald, dass mich mehrere Vögel entgeistert anstarren, ehe sie wild kreischend davonfliegen. Vielleicht sind auch ein paar Eichhörnchen vor Schreck vom Ast gefallen, wer weiß das schon. Ist mir echt egal. Sollen ruhig alle wissen, dass ich sauer bin, aber so richtig!
Jetzt schieben sich zu allem Überfluss schon wieder die dunklen Wolken über mir zusammen.
Ihr blöden Dinger – hättet ihr nicht wenigstens noch eine Stunde warten können?
Man muss kein Wetterfrosch sein, um zu wissen, dass es gleich wieder regnen wird. Ich konsumiere mich, nein, korrigiere mich, es wird gleich schütten! Eins ist klar: Wenn ich mich nicht beeile, werde ich nass sein wie ein begossener – äh – wie der Hund eben, der aussieht wie ein Schaf vor dem Frisörtermin, aber kläfft. Pudel!
Genau. Ich werde nass sein wie ein begossener Pudel, noch bevor ich zu Hause ankomme.
Heute ist nicht mein Tag!
Wütend schiebe ich mein Fahrrad auf dem schmalen Schotterweg durch den Wald. Überall diese Wasserpfützen, bloß weil es in der Nacht wie aus Eimern gegossen hat. Fehlte nur noch, dass ich in eine dieser Pfützen reintreten würde.
Aber dann ist der Burger am Brutzeln!
Für einen Moment bleibe ich stehen und schaue auf die Uhr.
Auf die Sekunde genau halb sieben. Halb sieben! Hey, normalerweise schlafe ich um diese Zeit noch! Und jetzt? Jetzt schiebe ich dieses dämliche Rad durch die Gegend, nur weil mir die blöde Kette gerissen ist. Na super!
Wie konnte das alles nur passieren?
Daran ist doch nur die Doggenbarth mit ihrer dämlichen Gespenstergeschichte schuld! Von wegen unheimliche Geräusche. Die hat sie doch nicht mehr alle!
Ich kenne die Frau schon mein ganzes zwölfjähriges Leben lang. Abgesehen natürlich von der Babyzeit, in der man ja mehr am Daumen lutscht und nicht auf andere Menschen achtet.
Das ist ja klar.
Mama sagte mal, Frau Doggenbarth sei früher sehr berühmt gewesen. Weil sie die beste ...
Mann, wie heißt dieser Beruf doch gleich noch mal? Schnipplerin? Schnapplerin? Nein, das war es nicht. Eben eine, die ständig an Hosen und Jacken rumfummelt. Ist ja auch egal.
Heute ist Frau Doggenbarth alt, aber so richtig. In der Zeitung stand neulich, sie sei die älteste Frau Deutschlands. Hammer! Dabei wirkt sie noch so fit, abgesehen von ihren Augen. Sie sieht fast nichts mehr. Dafür hört sie umso besser. Hat Papa zumindest gesagt.
Ich gönne mir nochmals eine Pause und wische mir mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Erste Regentropfen springen auf meiner Jacke Trampolin.
Soll ich das Rad hier abschließen und nach Hause rennen? Nee, das ist keine gute Idee. Rennen ist nicht meine Stärke. Dafür hab ich ein paar Tafeln Schokolade zu viel auf den Rippen. Außerdem hab ich es bald geschafft. Noch etwa einen Kilometer durch den Wald, dann sehe ich doch schon unser blaues Haus.
Meine Gedanken wandern zurück zu Frau Doggenbarth und dem Gespräch, das wir vorgestern geführt hatten. Darin erzählte sie mir von den unheimlichen Geräuschen, die sie in letzter Zeit draußen vor dem Haus hörte.
„Gespenster“, hatte sie mir ängstlich zugeflüstert. Ich glaube an Zufälle und an Vitamin C in der Schokolade, aber nicht an Gespenster. Schon gar nicht bei uns in der Gegend.
Aber ich bin ein netter Kerl. Deshalb hab ich der alten Frau Doggenbarth vorgeschlagen, eine Nacht in ihrer Garage zu verbringen, um dem großen Geheimnis auf die Spur zu kommen.
Man kann mir vieles vorwerfen, aber nicht, dass ich ein Feigling sei. Gut, meine Knochen sind etwas schwerer als die meiner Mitschüler und Sport machen liegt in meiner Beliebtheitsskala zwischen Fußnägel schneiden und Erbsen essen. Aber Mut habe ich, keine Frage. Da könnte sich noch so mancher Meisterdetektiv eine Scheibe von mir abschneiden.
Mama und Papa hatten nichts dagegen gehabt, dass ich bei der alten Frau auf Gespensterjagd ging. Ganz im Gegenteil. Es waren Ferien und Papa erinnerte meine Nachtwache an seine Zeit bei den Pfadfindern. Der immer mit seinen alten Geschichten.
Mama sagte nur, ich soll das Smartphone, eine warme Jacke und genügend zu Essen und Trinken mitnehmen. Und natürlich meinen Schlafsack. Aber welcher Spitzendetektiv geht schon ohne Schlafsack aus dem Haus, wenn er über Nacht abservieren muss, oder wie das heißt? Gegen 21 Uhr kam ich bei Frau Doggenbarth an. Alles war gut bis dahin. Ich richtete mir mein Lager gemütlich in der Garage ein, stellte die Orangenlimonade neben die Isomatte und machte mich an das erste meiner sechs Käsebrötchen.
Kurz vor 23 Uhr schaute ich dann nochmal auf die Uhr.
Draußen im Garten regnete es in Strömen, ansonsten war alles ruhig und in meinem Schlafsack war es so kuschlig warm, dass ich für ein paar Sekunden die Augen schloss. Nur kurz, denn zur Geisterstunde wollte ich topfit sein. Ein Fehler, wie ich im Nachhinein feststellen musste.
Es ist für einen Detektiv meines Formats immer unangenehm, vom Auftraggeber persönlich geweckt zu werden. Zumal ich in meiner wenig erfreulichen finanziellen Situation auf zufriedene Kunden angewiesen bin.
Ich kann mir bis jetzt nicht erklären, wie die alte Frau, die doch nicht mal einen rosafarbenen Lastwagen auf zwei Meter Entfernung erkennen kann, zu mir in die Garage gefunden hat. Und das ohne Navi! Jedenfalls werde ich nicht vergessen, wie sie mich heute Morgen um sechs Uhr unsanft mit einem leichten Tritt gegen die Schulter geweckt hat.
„Max“, hatte sie geflüstert, „hast du es auch gehört?“
Im ersten Moment wusste ich gar nicht, wo ich war. Aber dann fiel mir mein Auftrag wieder ein.
Frau Doggenbarth, Regen, Geräusche im Dunkeln, Gespenster. Schlagartig war ich wach.
„Was gehört?“, fragte ich.
„Na, die Geräusche.“
„Ich schwöre Ihnen, da waren keine ...“, fing ich an. Aber sie unterbrach mich unhöflich.
„Dieses Mal waren die Geräusche anders“, sagte sie. „Mir schien, als hätte jemand die ganze Nacht gesägt. Du musst es doch gehört haben, Max, es kam doch aus deiner Richtung!“
In diesem Moment spürte ich, wie meine Ohren siedend heiß wurden. Natürlich schlafe ich manchmal unruhig, aber dass ich so laut schnarche, hätte ich nicht für möglich gehalten.
Ich war nur froh, dass die alte Schachtel nicht meine feuerroten Ohren sehen konnte. Oder doch? Hatte sie in dem Moment nicht gelächelt?
„Ich – äh – ich muss jetzt los“, sagte ich und packte blitzschnell meine Sachen zusammen.
„Aber die Gespenster?“, hörte ich Frau Doggenbarth noch sagen.
„Es – es ist alles in Ordnung“, stammelte ich. „Sie müssen sich keine Gedanken machen.“
Ich bin dann, so schnell es ging, zum Fahrrad gelaufen und hab das ganze Gepäck in den Satteltaschen verstaut. Anschließend bin ich aufgestiegen, in die Pedale getreten, bis ich dieses folgenschwere Geräusch gehört hatte: RACK!
Ich ahnte, was passiert war. Zähneknirschend stieg ich wieder ab und schaute die Fahrradkette an, die an zwei Enden herunterbaumelte.
*
Ich schiebe mein Rad jetzt schneller, weil ich unbedingt nach Hause möchte. Ein Jogger biegt um die Kurve und grüßt mich freundlich. Es ist für mich eines der größten Rätsel der Menschheit, wie rennende Typen auch noch reden können. Ich möchte den Gruß gern erwidern, aber aus meiner Kehle dringt nur ein erschöpftes „Pfff“.
Zwischen den Bäumen sehe ich schon unser Haus. Nur noch wenige Minuten, dann habe ich es geschafft. Inzwischen ist der Schotterweg in einen asphaltierten Weg übergegangen. Der verflixte Regen prasselt mir immer noch unaufhörlich ins Gesicht, aber das juckt mich nicht mehr. Ich freue mich nur noch auf mein Frühstück.
Ob Mama schon mit einer heißen Schokolade auf mich wartet? Vielleicht hat sie auch schon ein oder vier Brötchen für mich geschmiert. Dazu Rührei mit Speck und ...
Endlich habe ich unsere Straße erreicht. Meine Oberschenkel brennen wie damals nach den blöden Wettkampfspielen in der Schule. Morgen werde ich bestimmt heftigen Muskelkater haben.
Aber dieses Mal kann mein Sportlehrer nichts dafür.
Noch zehn Meter bis zum Haus – ui, da vorne kommt ein Auto – acht Meter – ist da eine Pfütze vor unserer Einfahrt? – fünf Meter – wenn ich schneller laufe, schaffe ich es – drei Meter – das Auto ist jetzt verdammt nah – ein Meter – ich schaffe das. PLATSCH.
In den Filmen gewinnt immer der Held. Er rettet andere Menschen, bekommt dafür viel Geld und heiratet am Schluss eine hübsche Frau. Meistens blond. Um es kurz zu machen: ICH habe es nicht geschafft. Das Auto ist im denkbar ungünstigsten Moment in die Pfütze gefahren und ich bin jetzt schwimmbadnass.
„Spinner“, rufe ich dem Fahrer noch hinterher.
„Passen Sie doch auf!“
Aber den schert das anscheinend wenig. Entweder will oder er kann mich nicht hören. Jedenfalls fährt er davon, ohne sich um mich zu kümmern. Echt fies, der Typ. Und ich? Ich stehe jetzt da wie einer, der mit seinem Klamotten geduscht hat. Meine Haare kleben wie ein nasses Handtuch auf meinem Kopf und die Jeans fühlt sich an wie rote Grütze auf meiner Haut.
Nein, heute ist echt nicht mein Tag!
Das Frühstück muss erst einmal warten.
„Na, du siehst ja aus!“, empfängt mich Mama und lacht. „Hast wohl die Abkürzung durch den Kaltenbach genommen? Ab mit dir in die Badewanne, sonst erkältest du dich noch!“
Was soll man dagegen sagen? Widerwillig und mit hängenden Schultern trotte ich ins Bad und lasse das Wasser ein.
Schon wieder so ein kriminalistischer Tiefschlag, denke ich mir, während ich die nassen Sachen ausziehe und in die Wanne steige. Dabei hat meine Detektivkarriere doch eigentlich recht vielversprechend begonnen. Wie war das noch,
als ich vier war?
Mama hatte mich gefragt, wer im Wohnzimmer die Kekse gegessen habe. Na, das war nun wirklich nicht schwer. Noch am selben Abend bin
ich zu Mama gelaufen und hab ihr gesagt, dass ich den bösen, bösen Räuber geschnappt habe.
„Und wer ist der Keksdieb?“, fragte mich Mama.
„Räuber Hotzenplotz?“
„Neeee“, hatte ich gesagt und gekichert, „viel
leichter. Das war iiiiich!“
Für die Lösung des Falls gab es zwar keine Urkunde, aber wenigstens einen Extra-Keks für meine Ehrlichkeit.
Richtig knifflig und ganz schön peinlich wurde es für mich dann zwei Jahre später.
Ich war gerade auf dem Weg in die Küche, als ich Papa im Garten sagen hörte: „'nen Burger und 'nen Lachs gegrillt.“ Ich hatte aber dummerweise verstanden: „Der Würger hat Ben Sachs gekillt!“
Ben Sachs, schoss es mir durch den Kopf, der nette Junge aus der 1b sollte umgebracht worden sein? Getötet? Gekillt?
Der Gedanke machte mich fix und alle. Also bin ich erst mal in mein Zimmer hochgerannt und habe mich aufs Bett geworfen. Wer macht denn so was Schreckliches?
Plötzlich fiel mir Opa ein. Der summte ständig eine Melodie und trällerte ein Lied. Am liebsten das Lied von Reinhard April oder Reinhard Mey, ich weiß es nicht mehr: „Der Mörder ist immer der Gärtner“.
Damit war für mich alles klar! Ich bin wie die Feuerwehr aus dem Haus gestürmt, über die Straße in die Gärtnerei und habe den damaligen Inhaber, Herrn Selke, angeschrien: „Sie haben Ben Sachs tot gemacht! Sie sind ein ganz fieser Mörder und ich gehe jetzt zur Polizei!“
Ich glaube, damals wurde die Diskobeleuchtung erfunden. Jedenfalls wechselte die Gesichtsfarbe von Herrn Selke ständig zwischen zahnpastaweiß und ferrarirot. Einer Frau, die zufällig neben der
Kasse stand, fiel prompt der Blumentopf aus der Hand. Mann, bin ich erschrocken!
Damals gab es für meine brillante Schlussfolgerung von Papa und Mama auch keine lobenden Worte, sondern eine Woche Sandmännchenverbot. Was mir aber egal war, denn Sandmännchen ist eh nur was für Babys!
Eigentlich wollte ich damals alles hinschmeißen, aber dann kam Opa, nahm mich in den Arm und tröstete mich.
Das war echt mega nett von dir, Opa. Geht es dir gut da oben? Ich denk‘ ganz oft an dich und vermiss‘ dich ganz arg!
*
Ich halte die Nase zu, schließe die Augen und tauche mit dem Kopf unter Wasser. Dann fange ich innerlich an zu zählen.
Eins, zwei, drei ...
Im Internet stand, dass ein Mann über 21 Minuten die Luft angehalten hat. Über 21 Minuten.
Hammer! Wie hat er das bloß geschafft? Mein Rekord liegt bei 49 Sekunden. Was mache ich nur falsch?
Sechsundzwanzig, siebenundzwanzig, achtundzwanzig ...
Vielleicht hat der Typ ja Kiemen? Es gibt ja Menschen mit elf Zehen und Katzen mit zwei Gesichtern. Warum also nicht auch einen Mann mit Kiemen?
Fünfunddreißig, sechsunddreißig...
Den Rekord knacke ich heute nicht. Ich bin schon froh, wenn ich ...
Zweiundvierzig...
Wie ein Torpedo schießt mein Kopf aus dem Wasser. Luft, ich brauche Luuuuft!
Ich fühle mich wie ein Fisch, der in der Wüste Gassi geführt wird. Langsam, ganz langsam, beruhigt sich mein Puls. Völlig erschlagen liege ich in der Wanne, den Kopf in den Nacken gelegt.
Ich denke wieder an den Kiemenmann, bis – ja bis ...
„Spinnst du?“, höre ich sie fragen. Erschrocken reiße ich die Augen auf.
Karin, meine Schwester, steht am Spiegel und schmiert sich etwas Braunes ins Gesicht. Sieht aus wie Nutella, nur heller. Igitt! Ob sie das am Abend so einfach wieder abkratzen kann?
„Was machst du denn da?“, fragt sie mich und ich sehe, wie sie die Stirn runzelt.
„Geht dich nix an“, knurre ich zurück. Gerade möchte ich ihr sagen, wie albern die Paste zwischen ihren Ohren aussieht, als urplötzlich Panik in mir aufsteigt. Mein Schnäpperchen!
Mein Bisibisi!!!! Wie an einem Gummiband gezogen richte ich mich auf. Kontrollblick über das Wasser – uff, Glück gehabt! Es schwimmt genügend Schaum auf der Oberfläche. Ich liebe Schaum, vor allem, wenn meine Schwester im Badezimmer ist. Erleichtert lehne ich mich wieder zurück.
Karin scheint meine Panikattacke nicht bemerkt zu haben.
„Hey“, sagt sie, „war nicht böse gemeint. Weißt du, wo mein Lippenstift ist?“
„Na, hier im Wasser bestimmt nicht.“
„Warte, da schaue ich selber mal nach“, kichert sie und kommt einen Schritt auf mich zu.
„Bloß nicht“, zische ich und greife nach der gelben Gummiente, die neben mir auf dem Wannenrand steht. „Wenn du noch näher kommst, dann ...“
Drohend zeige ich ihr mein Wurfgeschoss. Eigentlich peinlich, aber das ist mir gerade schnurzegal.
Karin bleibt abrupt stehen und schaut mich mit ihren schwarzbraunen Augen grimmig an. Dann grinst sie, dreht sich wieder um und widmet sich den Härchen über ihren Augen.
Karin ist eigentlich ganz nett, denke ich und versuche mir ein Lächeln zu verkneifen. Auch wenn sie älter ist. Sie hat manchmal einen seltsamen Humor und treibt üble Späße mit mir, aber wenn es darauf ankommt, kann ich mich immer auf sie verlassen.
„Brauchst du noch lange?“, frage ich.
„Wieso?“
„Weil ich raus will. Mir wird langsam kalt.“
„Dann mach doch“, sagt sie so beiläufig, als sei es das Normalste der Welt.
„Haha“, sage ich nur und strecke ihr meine Zunge entgegen. Schon mal was von – ähm – Privats – äh...“
Verflixt, wie heißt das blöde Wort nochmal?
„Privats – ähm, also – Privatbeere – nein – Privatschere gehört?“
Nicht gut, Max, nicht gut.
„Privatsphäre“, korrigiert mich Besserwisserin Karin, wobei sie den zweiten Teil des Worts besonders betont. „Ich bin jetzt fertig. Kannst dir ja von Mami noch den Rücken schrubben lassen.“
Damit ist sie auch schon aus dem Bad verschwunden.
„Du mich auch“, murmle ich und stelle die Gummiente zurück. Was hatte sie eben gesagt?
Ich soll die Mücken schrubben lassen? Ja, welche Mücken denn? Was meinte sie damit?
Die Situation mit dem Silvesterböller fällt mir ein. Der Knaller, der neben meinem Kopf explodiert ist. Wie alt war ich damals? Vier? Fünf?
Die Ärzte meinten, ich bräuchte ein Hörgerät, aber da haben sie sich zum Glück getäuscht. Klar höre ich schlechter, aber in der Schule ist das kein Problem. Die Lehrer reden einfach lauter, wenn sie mir was erklären wollen. Problematisch wird es nur dann, wenn ich mal nicht so richtig bei der Sache bin, wie häufig in Mathe, oder wenn die Leute undeutlich sprechen. Dann kann es schon passieren, dass ich das eine oder andere Wort falsch verstehe. Mal ehrlich: Juckt mich das? Nee!
Justus Jonas von den drei Fragezeichen ist noch dicker als ich, Micky Maus hat Ohren wie Suppenteller und bei den fünf Freunden heißt ein Mädchen George. Auch nicht besser. Dann werde ich eben der erste Meisterdetektiv, der etwas schlechter hört!
Nach drei Laugenbrötchen, einer Tasse heißem Kakao und einer extragroßen Portion Erdbeerjoghurt schleppe ich mich in mein Zimmer. Mann, bin ich groggy! Der ganze Stress gestern Abend, dazu noch das endlose Laufen – mein Bedarf an Bewegung ist für die nächsten fünf Jahre gedeckt.
Ich fahre den PC hoch und lehne mich zurück.